Das Durchtrennen der Nabelschnur
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Das Durchtrennen der Nabelschnur
Das Durchtrennen der Nabelschnur Der Moment unmittelbar nach der Geburt, in dem der kleine Körper selbständig seine Funktionen zu übernehmen beginnt, die bis dahin über den Körper der Mutter, die Plazenta und die Nabelschnur erfolgten, ist für mich immer wieder ein Moment voller Wunder und des ehrfürchtigen Staunens. Wie perfekt alles zusammenspielt! Nie könnten wir diesseitig mit unserem beschränkten Verstand so etwas Vollkommenes kreieren. Das Neugeborene wird während der ersten Minuten nach der Geburt immer noch über die Plazenta und Nabelschnur mit Sauerstoff und Energie versorgt, sofern die Nabelschnur noch pulsiert. Die Anpassung an diese neue Situation variiert zeitlich leicht von Kind zu Kind. Wenn wir mit wachem Bewusstsein und offenem Herzen bei den Geburten dabei sind, erfahren wir, wie verschiedenartig die Kinder ankommen. So wie jedes Kind einzigartig ist, so unterschiedlich kommen sie hier an. Es gibt Neugeborene, die sogleich nach der Geburt hellwach sind mit weit geöffneten Augen und sichtlich neugierig wahrnehmen wollen, wo sie angekommen sind. Andere blicken ganz ruhig mit weisen Augen um sich. Manche Kinder brauchen etwas länger Zeit um anzukommen. Sie haben die Augen noch geschlossen und bleiben einen Moment lang ganz bei sich, eher still. Andere weinen: manchmal leise, manchmal laut empört, manchmal erschrocken. Sie sind den Weg durch den dunklen, engen, Tunnel gegangen und haben sich durchgerungen, aus der Seelenebene kommend, in das Abenteuer des persönlichen Lebens hinein. Welch eine Leistung! Das Neugeborene beginnt seine Mutter über die Augen, das Fühlen der Haut, das Riechen, über das Hören und Schmecken zu erfahren. Für die Eltern ist dies ein unglaublich ergreifender Moment, ihr Kind endlich sehen und anfassen zu können. Es ist ein wahrlich heiliger Moment! Stören wir diese ersten fünf, zehn, zwanzig … Minuten nicht! Es geschieht nichts «Gefährliches», wenn wir die Nabelschnur auspulsieren lassen, im Gegenteil. Es geschieht das, was von der Natur, von unserem schöpferischen Plan her vorgesehen ist. Wir brauchen nicht einzugreifen, auch wenn es noch so viele Studien gibt, die die Vorteile einer Frühabnabelung «belegen». Nur dort, wo das Gleichgewicht schon gestört ist, kann ein Handeln erforderlich sein. Es ist eine intuitive Bewegung der Mutter, ihr Kind nach der Geburt in ihre Arme zu nehmen, wieder zu sich zu nehmen. Wir brauchen keine Angst zu haben, dass dadurch «zuviel Blut» vom Kind zur Plazenta zurückfließt, denn die Nabelschnur pulsiert noch immer und es liegen lebendige Druckverhältnisse zwischen dem Kind und der Plazenta vor. Nur dann, wenn die Gebärende viel blutet bei einer Gebärmutter, die sich nicht gut zusammenzieht, sollten wir abnabeln. Sobald die Nabelschnur aufgehört hat zu pulsieren, kollabiert sie natürlicherweise, das heißt die Blutgefässe fallen in sich zusammen und es kommt zu einem so genannten funktionellen Verschluss. Hinzu kommt, dass es in den Nabelschnurarterien Klappen gibt, die so genannten «Valvulae Hobokenie». Diese Klappen haben sicher auch eine Funktion innerhalb des ganzen Geschehens. Ungefähr um die Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert entdeckte ein Anatomie-Professor, namens Hobokenie, diese Klappen. Das Wissen, dass es solche Klappen gibt, ist verloren gegangen und es wäre neu zu erforschen, was für eine Bedeutung sie haben. Noch in vielen Spitälern wird der ph-Wert in der Nabelschnur bestimmt: das heißt, es wird der pH-Gehalt im Nabelschnurblut gemessen, der eine Aussage über die momentane Versorgung des Kindes mit Sauerstoff unmittelbar nach der Geburt ermöglicht. Dies ist der eine Grund, weshalb in den Spitälern die Nabelschnur oft sofort nach der Geburt durchtrennt wird. Der andere Grund ist, weil nach dem Durchtritt des kindlichen Kopfes ein Wehenmittel in eine Vene der Mutter gespritzt wird, damit sich die Gebärmutter gut zusammenzieht, die Plazenta sofort löst und geboren werden kann. Die Begründung dafür: die Blutung aus der Wunde, wo die Plazenta anhaftete, werde dadurch vermindert. Ich werde oft gefragt, ob es nicht gefährlich sei, die Nabelschnur auspulsieren zu lassen. Warum fragen wir nicht umgekehrt: Könnte es für das Kind nicht eine negative Erfahrung sein, wenn seine Nabelschnur unmittelbar nach der Geburt durchtrennt wird? Heidi Stäheli - Neuhausweg 47 - 3097 Liebefeld (+41) 031 972 02 38 www.daomira.ch - [email protected] Die Erkenntnisse über die Erfahrungen des Kindes vor, während und nach der Geburt werden immergrößer. Die Literatur darüber wächst: viele Psychologen, PsychoanalytikerInnen, ErzieherInnen, die schon jahrzehntelang mit Erwachsenen und Kindern an diesen Themen arbeiten, sind dabei, ihre Erkenntnisse aufzuschreiben und herauszugeben. Wir wissen heute, dass ein sofortiges Abnabeln nach der Geburt beim Kind mit Erstickungsgefühlen und Todesängsten verbunden sein kann. Die natürliche Umstellung von der Sauerstoffversorgung über die Plazenta bis zum selbständigen Atmen geschieht normalerweise nicht innerhalb Sekunden, sondern allmählich. Wenn wir die Nabelschnur sofort durchtrennen, wird das Kind um zu überleben gezwungen, augenblicklich selbst zu atmen. Statt erst einmal anzukommen und in der Liebe seiner Eltern zu sein, erfährt es Panik und Stress, da es etwas tun muss, um zu überleben. Was für ein Lebensmuster schon in den ersten Minuten nach der Geburt! Meines Erachtens ist es gerade auch bei Kindern, die im ersten Moment nicht atmen und die eine leicht verzögerte Anpassungszeit haben, wichtig, dass wir die Nabelschnur nicht durchtrennen, falls sie noch pulsiert. Für das Kind ist es eine Hilfe, in den folgenden Minuten noch über die Plazenta versorgt zu werden. Meistens wird in den Spitälern in solchen Situationen das Kind von der Mutter weggenommen, zum «Reanimationstisch» gebracht, wo es abgesaugt wird und unter Umständen über eine Maske Sauerstoff erhält. Gerade in solchen Momenten bräuchte das Kind die Nähe der Mutter. Das Kind kann doch auf dem Bauch der Mutter bleiben und, falls nötig, dort abgesaugt, stimuliert und mit Sauerstoff versorgt werden. Für das Kind ist es ein Schock, wenn es ausgerechnet in dem Moment, in dem es noch Mühe mit der Anpassung hat, von der Nabelschnur und der Mutter getrennt wird. Lassen wir den Kindern Zeit! In den allermeisten Fällen ist ein hastiges, plötzliches, notfallmäßiges Handeln nicht notwendig. Die größte Angst schwangerer Frauen und vor allem ihrer Männer besteht übrigens darin, nicht zu wissen, was sie mit der Nabelschnur und der Nachgeburt machen sollen, falls es der Hebamme nicht möglich ist, rechtzeitig zur Geburt bei ihnen anzukommen. Es ist nicht so sehr die Angst vor der Geburt des Kindes; das kommt einfach, denken sie, doch was machen wir mit der Nabelschnur und der Plazenta? Ich kann sie dann beruhigen und gebe ihnen den Tipp, die Plazenta, falls sie vor meinem Eintreffen schon geboren wurde, mit dem Kind verbunden zu lassen und in eine Schale oder Schüssel zu legen. Es folgt ein Text von Pia. Ihre Worte zeigen, wie kostbar die Zeit nach der Geburt ist. «Als ich mit meinem ersten Kind schwanger und alles für mich neu war, überlegte ich mir, wo ich denn gebären wollte. Das Spital bot mir im Falle von Komplikationen Sicherheit – wenn auch eine kühlenüchterne. «Warum denkst du, dass es Probleme geben wird?», wurde ich gefragt. Aha, stimmt – was mache ich da?! Dann lernte ich Heidi kennen. Nach wenigen Begegnungen mit ihr und ihrem liebevollen Wesen spürte ich in mir ein neues Vertrauen, dass alles – Schwangerschaft und Geburt – gut ablaufen wird. Sie strahlte Ruhe, Vertrauen und Sicherheit aus bis in meine Seele hinein. Und dies auf ganz warme, helle Art und Weise. Die Hausgeburt verlief wunderbar und einer der schönsten Momente in meinem Leben war, dass ich mein Kind als Erstes mehrere Stunden auf meiner Haut und ganz nah spüren durfte: in meiner Umgebung, in absoluter Ruhe und Frieden, im Kreis von liebevollen und vertrauten Menschen. Es war wundervoll. Als ich mit dem zweiten Kind schwanger wurde, war ich glücklich zu wissen, dass Heidi mich wiederum begleiten wird. Ich spürte und erlebte mit jedem Besuch von ihr eine enorme Kraft, Licht und ein fest verankertes Vertrauen, gepaart mit viel Fachkompetenz. Das schwang auf mich herüber. So war ich von Anfang an erfüllt von einem tiefen Vertrauen. Kein Arzt, kein Ultraschall waren nötig. Wir beide wussten, es ist alles gut. Und es war alles gut! Eine zweite Hausgeburt in Ruhe, in Frieden, unser Haus voller Engel. Und auch mein zweites Kind als Erstes stundenlang ganz nah bei mir, nichts musste uns trennen. Ein himmlisches Erleben! Ich bin glücklich und Heidi tief dankbar, dass meine beiden Kinder, mein Mann und ich ein solch seliges Zusammenkommen erleben durften.» Heidi Stäheli - Neuhausweg 47 - 3097 Liebefeld (+41) 031 972 02 38 www.daomira.ch - [email protected]