§ 1568a BGB – ein neuer, ungeahnter Stolperstein bei der

Transcription

§ 1568a BGB – ein neuer, ungeahnter Stolperstein bei der
6/2010
FamRB-Beratungspraxis
191
Aktuelle Praxisfragen
entsprechend § 850f Abs. 1 ZPO zur Sicherung des individuellen Sozialhilfebedarfs, wegen besonderer Bedürfnisse des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen
Gründen oder des besonderen Umfangs gesetzlicher Unterhaltspflichten.12
§ 850k Abs. 6 ZPO n.F. betrifft den Schutz von Sozialleistungen:
Wird einem Pfändungsschutzkonto eine Geldleistung nach dem Sozialgesetzbuch oder Kindergeld gutgeschrieben, darf das Kreditinstitut die Forderung, die durch die Gutschrift entsteht, für die
Dauer von 14 Tagen seit der Gutschrift nur mit solchen Forderungen verrechnen und hiergegen nur mit solchen Forderungen aufrechnen, die ihm als Entgelt für die Kontoführung oder aufgrund
von Kontoverfügungen des Berechtigten innerhalb dieses Zeitraums zustehen. Bis zur Höhe des danach verbleibenden Betrages
der Gutschrift ist das Kreditinstitut innerhalb von 14 Tagen seit der
Gutschrift nicht berechtigt, die Ausführung von Zahlungsvorgängen wegen fehlender Deckung abzulehnen, wenn der Berechtigte
nachweist oder dem Kreditinstitut sonst bekannt ist, dass es sich
um die Gutschrift einer Geldleistung nach dem Sozialgesetzbuch
oder von Kindergeld handelt. Das Entgelt des Kreditinstituts für
die Kontoführung kann auch mit Beträgen nach den Abs. 1 bis 4
verrechnet werden.
Der Pfändungsschutz auf dem P-Konto ist vorrangig
ggü. dem herkömmlichen Kontopfändungsschutz, der
noch bis zum 31.12.2011 erhalten bleibt. Der bisherige
§ 850k ZPO (s.o. 2.) wird mit einigen redaktionellen Änderungen zu § 850l ZPO. Die Vorschrift gilt ausdrück-
12 Stöber in Zöller, ZPO, 28. Aufl., Anh. § 850k Rz. 12.
13 Gesetzesantrag der Länder Sachsen, Baden-Württemberg,
BR-Drucks. 139/10.
lich nicht für P-Konten. § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO n.F. bestimmt, dass das nach §§ 850k, 850l ZPO n.F. geschützte
Guthaben nicht zur Insolvenzmasse gehört.
4. Weitere Änderungen
Ab dem 1.1.2012 wird der Kontopfändungsschutz ausschließlich durch das P-Konto gewährleistet. Dann
werden die §§ 55 SGB I und 76a EStG aufgehoben.
Ebenfalls aufgehoben wird § 833a Abs. 2 ZPO (n.F. [s.o.
3.]). Die bisherige Regelung zum Kontopfändungsschutz
in § 850l ZPO (n.F. [s.o. 3], bisher § 850k ZPO [s.o. 2.])
entfällt. § 850l ZPO wird grundlegend geändert und enthält dann eine § 833a Abs. 2 ZPO (n.F.) entsprechende
Bestimmung, wonach das Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto insgesamt für die Dauer von bis zu
12 Monaten der Pfändung nicht unterworfen ist, wenn
der Schuldner nachweist, dass dem Konto in den letzten
sechs Monaten vor Antragstellung ganz überwiegend nur
unpfändbare Beträge gutgeschrieben worden sind, und er
glaubhaft macht, dass auch innerhalb der nächsten zwölf
Monate nur ganz überwiegend nicht pfändbare Beträge
zu erwarten sind.
Hinzuweisen ist ferner auf den Entwurf eines Gesetzes
zur Neustrukturierung und Modernisierung des
Pfändungsschutzes (GNeuMoP).13 Danach sollen die
grundfreibeträge des § 850c ZPO dem Sozial- und
Wohngeldrecht angepasst werden. Diese Anpassung würde sich auch auf den Umfang des Kontopfändungsschutzes durch das P-Konto auswirken.
§ 1568a BGB – ein neuer, ungeahnter Stolperstein bei der Teilungsversteigerung
von FAFamR Dr. Walter Kogel, Aachen
Im Zuge der Güterrechtsreform ist die Verordnung über
die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrats (sog.
Hausratsverordnung) zum 1.9.2009 aufgehoben worden.
§ 1568a, der die Behandlung der Ehewohnung aus Anlass der Scheidung regelt, wurde ins BGB eingefügt. Der
Autor zeigt die Risiken und Chancen auf, welche sich im
Rahmen der Teilungsversteigerung durch den neu geschaffenen § 1568a BGB ergeben.
1. Ausgangslage
„Kauf bricht nicht Miete‘‘. Dieser Grundsatz gilt auch
für die Zwangsversteigerung.1 Ein Erwerber tritt demnach in bestehende Mietverhältnisse ein. Bei der Teilungsversteigerung des Einfamilienhauses gilt allerdings
die Besonderheit, dass die Eheleute, denen das Objekt
gehört, keinen Mietvertrag mit sich selbst abgeschlossen
haben. Sie besitzen (nur) aufgrund ihres Eigentums. Dieses Recht zum Besitz erlischt, falls durch Zuschlagsbeschluss gem. § 93 ZVG das Eigentum auf einen Drit1 Vgl. Storz, Praxis der Teilungsversteigerung, 4. Aufl., B TH
6.2.3.
ten, ggf. auch auf den ersteigernden Ehepartner, als Alleineigentümer übergeht. Mit dem Zuschlagsbeschluss
kann daher grundsätzlich eine Räumung gegen den früheren Eigentümer betrieben werden (§ 93 ZVG). Es bedarf keines umständlichen Räumungsprozesses mit allen
sich hieraus ergebenden Kosten und vollstreckungsrechtlichen Besonderheiten und Problemen.
2. Bisherige Rechtslage
In der Praxis tauchen bislang regelmäßig zwei Fallkonstellationen auf:
Beispiel 1
Der Ehemann zieht freiwillig oder aufgrund eines Gerichtsbeschlusses aus. Die Ehefrau verbleibt mit den Kindern im Haus.
Im Zuge der Unterhaltsberechnung wird ihr ein Betrag für die
Wohnnutzung, respektive ein Mietwert angerechnet.
Beispiel 2
Die Ehefrau zieht mit den Kindern aus. Der Ehemann verbleibt im
Haus. Ihm wird ein Wohnvorteil bzw. Nutzungswert durch Urteil
zugerechnet.
192
FamRB-Beratungspraxis
6/2010
Aktuelle Praxisfragen
Im ersten Fall nutzt die Ehefrau das Objekt nicht nur aufgrund des vormaligen Zusammenlebens mit ihrem Ehemann weiter. Durch das Unterhaltsurteil ist inzidenter
eine Regelung zum Mietwert getroffen worden. Dies
gilt vor allen Dingen dann, wenn erst aufgrund eines
Sachverständigengutachtens der objektive Mietwert ermittelt wird. Nach der Rechtsprechung des BGH2 kann
der objektive Mietwert bereits dann festgesetzt werden,
wenn das Scheitern der Ehe feststeht. Es muss also nicht
mehr – wie bisher – die Scheidung abgewartet werden.3
Erst recht gilt dies, sofern zwischen den Eheleuten kein
Streit über den Unterhalt besteht (die Ehefrau kann sich
selbst unterhalten oder ihr steht kein Unterhaltsanspruch
zu), der Ehemann aber einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung erhebt und dieser auch ausgeurteilt wird.
Bei dieser Situation war im Rahmen einer Teilungsversteigerung bisher darüber nachzudenken, ob die Ehefrau
eine gleichsam mieterähnliche Stellung innehatte.4 Diese Frage ist deswegen von besonderer Bedeutung, weil
die Zwangsvollstreckung nicht erfolgen soll, wenn der
Besitzer ein Recht hat, welches durch den Zuschlag nicht
erloschen ist. Wird trotzdem eine vollstreckbare Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses erteilt und vollstreckt
der Erwerber, könnte also der Ehepartner, der im Hause
wohnt, sich über § 771 ZPO gegen eine Vollstreckung
wehren.5 Dies hat das AG Mannheim6 in einem Fall angenommen, bei dem die Eheleute eine Vereinbarung geschlossen hatten, wonach bis zur Klärung der Vermögenssituation die Ehefrau in dem Haus kostenfrei
wohnen bleiben konnte. Der Ehemann übernahm weiterhin die Lasten. Trotzdem hatte der Ehemann die Teilungsversteigerung betrieben. Ein Dritter hatte das Objekt erworben. Der Ehefrau wurde eine quasi Mieterstellung zugesprochen, die auch ein Dritter sich entgegenhalten lassen müsse.
Allerdings wird die Ansicht vertreten, dass in den Fällen,
in denen zwar ein Mietvertrag besteht, der Mieter aber
als bisheriger Eigentümer ebenfalls die Teilungsversteigerung betrieben hat, die Räumung trotzdem gegen
ihn durchgeführt werden könne. Damit habe er nämlich
ausdrücklich der Veräußerung zugestimmt und auf seinen besonderen Schutz als Mieter verzichtet. Überzeugend erscheint diese Ansicht allemal nicht. Dass ein Miteigentümer die Auseinandersetzung der Gemeinschaft
betreibt, bedeutet noch lange nicht, dass er auf seine
Rechte, die ihm zusätzlich zustehen, verzichtet.7 Er
macht insoweit lediglich von dem gesetzlichen Auseinandersetzungsanspruch Gebrauch. Möglicherweise
hat er ein Interesse daran, das Objekt als Alleineigentümer zu erwerben, um es dann – ohne Zahlung eines Entgelts – weiter zu nutzen.8 Höchstrichterlich entschieden
ist diese Frage, soweit ersichtlich, bislang nicht.
Beraterhinweis: Unabhängig davon zeigt die Erfahrung
in Teilungsversteigerungsverfahren, dass allein schon die
bloße Anmeldung eines derartigen Rechts unmittelbar
vor dem Versteigerungstermin eine erstaunliche Wirkung
auslöst. Der Interessentenkreis für Eigenheime besteht
im Wesentlichen aus Selbstnutzern. Sie gehen vielfach
davon aus, dass die Eigentümer, welche die Auseinandersetzung selbst betreiben, an einer eigenen Nutzung nicht
interessiert sind. Zumindest erwarten sie, dass aufgrund
des Zuschlagsbeschlusses ohne weiteres die Räumung
durchgesetzt werden kann. Eine oft lästige und teure
Räumungsklage scheuen sie. Wenn diese Illusion durch
die Anmeldung des – allerdings zweifelhaften! – Rechts
genommen wird, springen Interessenten erfahrungsgemäß ab. Der Bieterkreis reduziert sich dann entweder
nur noch auf die Eheleute oder auf solche Interessenten,
die unter Anlageaspekten ein Objekt günstig erwerben
wollen. Zumindest aber wird die Höhe von Geboten nicht
unerheblich reduziert.
Die Taktik in den obigen Beispielsfällen hängt maßgeblich von folgenden Faktoren ab:
Besteht überhaupt ein Interesse an einem Eigenerwerb?
Bis zu welchem Betrag kann ein Ehegatte ggf. mitsteigern, um einen Billigerwerb durch andere, einschließlich des Ehepartners, zu verhindern?
Besteht nur ein Interesse, einen höchstmöglichen
Erlös zu erzielen?
Oder soll auf jeden Fall ein Fremderwerb verhindert
und eine Eigennutzung ermöglicht werden?
Konkret bedeutet dies im ersten Beispielsfall Folgendes:
Ist es der Ehefrau aufgrund ihrer eigenen schlechten finanziellen Situation überhaupt nicht möglich, mitzusteigern, begeht sie eine Gratwanderung,
sofern sie ein Mieterrecht anmeldet. Ist ihr Mann
ebenfalls nicht in der Lage, mit zu steigern, kann sie
durch die Anmeldung den Erwerb durch Dritte blockieren, falls diese aufgrund der Forderungsanmeldung von der Abgabe von Geboten Abstand nehmen.
Ist der Ehemann hingegen in der Lage, zumindest
den im ersten Termin geltenden 5/10-Wert (§ 85a
ZVG) bzw. das geringste Gebot zu bieten, verschlechtern sich die Chancen, das Objekt zu einem
höheren Preis abzusetzen, wenn der Bieterkreis reduziert wird.
Wenn die Ehefrau allerdings selbst in der Lage ist,
mitzusteigern, kann sie auf diese Weise versuchen,
Dritte vom Bieten abzuhalten. Lediglich ihr Ehemann ist in diesem Fall Mitbewerber. Sie kann jetzt
entscheiden, bis zu welchem Betrag sie mitsteigert
bzw. ab wann das Interesse an der weiteren Eigennutzung dem Interesse an einem höchstmöglichen
Versteigerungserlös weicht.
2 BGH v. 5.3.2008 – XII ZR 22/06, FamRZ 2008, 968 = FamRB
2008, 168.
3 Vgl. zur früheren Rechtsprechung z.B. BGH v. 20.10.1999 –
XII ZR 297/97, FamRZ 2000, 351 m.w.N.
4 Vgl. hierzu Kogel, Angriffs- und Verteidigungsstrategien bei
der Teilungsversteigerung des Einfamilienheims, 2. Aufl.
2008, S. 27; Storz, Praxis der Teilungsversteigerung, 4. Aufl.,
C 8.3.
5 Vgl. Storz, Praxis der Teilungsversteigerung, 4. Aufl., C.8.3.2.
6 AG Mannheim v. 23.12.1974 – K 113/74, NJW 1975, 1038.
7 Vgl. LG Bayreuth v. 6.5.1965 – 4 T 40/65, NJW 1965, 2210.
8 Vgl. hierzu Kogel, Angriffs- und Verteidigungsstrategien bei
der Teilungsversteigerung des Einfamilienheims, 2. Aufl.
2008, S. 27.
6/2010
FamRB-Beratungspraxis
193
Aktuelle Praxisfragen
Vorgehen im zweiten Beispielsfall:
Hier ist die Situation für den Ehemann erheblich
günstiger, sofern er das Objekt selbst erwerben will. In
der Regel verfügt er ohnehin über die stärkeren finanziellen Ressourcen. Andere Bietinteressenten werden abgehalten. Im Zweifel wird er ein höheres Angebot abgeben, als die Ehefrau, welche mit den Kindern ja bereits
außerhalb des Objekts lebt. Bei dieser Situation bietet es
sich also geradezu an, ein vermeintliches Mieterrecht anzumelden.
Beraterhinweis: Nur in den Fällen, in denen der im Objekt wohnende Ehepartner auch selbst mit steigern kann,
ist es sinnvoll, ein Mieterrecht anzumelden. Das Gleiche
gilt, falls beide Ehegatten voraussichtlich nicht mit steigern können, sofern mit der Anmeldung Dritte vom Bieten abgehalten werden sollen, um so eine Eigennutzung
weiterhin zu ermöglichen.
3. Neue Rechtslage
Im Zuge der Güterrechtsnovelle ist die Hausratverordnung insgesamt abgeschafft und durch die §§ 1568a und
b BGB ersetzt worden. Einschlägig für das vorliegende
Problem ist § 1568a BGB. Dieser ermöglicht zum einen
die Überlassung der Ehewohnung. Gerade dann, wenn
– zudem noch minderjährige – Kinder vorhanden sind,
ist es nach der jetzigen Rechtslage viel eher möglich,
eine Wohnungszuweisung vorzunehmen. Oftmals wollen
die Kinder bei der Mutter verbleiben. Sie wollen i.Ü. ihr
gewohntes Umfeld behalten. Der Vater wird als Alleinstehender viel eher eine Kleinwohnung anmieten können. Ohnehin wäre eine größere Wohnung oder ein Einfamilienhaus für einen Alleinstehenden viel zu groß, so
dass i.d.R. davon ausgegangen wird, dass eben dieser Elternteil in „weniger stärkerem Maße‘‘ auf die Immobilie
angewiesen ist.
Zum anderen räumt die Norm dem Ehegatten, dem die
Wohnung zur Überlassung zugewiesen wird, den Anspruch ein, den Abschluss eines Mietvertrags zu ortsüblichen Bedingungen zu verlangen (§ 1568a Abs. 5
Satz 1 BGB). Beim Miteigentum der Eheleute (nur dann
kann eine Teilungsversteigerung durchgeführt werden)
orientiert sich die Frage der Zuweisung nicht am Maßstab des Abs. 2, sondern vielmehr an Abs. 1.9 Die wesentlich strengeren Voraussetzungen des § 1568a Abs. 2
BGB müssen hier nicht erfüllt werden. Letzterer setzt zudem das Alleineigentum des anderen Partners oder Eigentum gemeinsam mit einem Dritten voraus.10
Entscheidend für die Teilungsversteigerung ist, dass
gem. § 1568a Abs. 5 BGB selbst in den Fällen, in denen bislang kein Mietvertrag besteht, der Ehegatte, der
die Wohnung nutzt, nunmehr einen solchen Mietvertrag
zu ortsüblichen Bedingungen verlangen kann. Ein solcher Mietvertrag ist durch das Gericht zu begründen. Im
Gegensatz zur bisherigen Rechtslage handelt es sich da9 Vgl. OLG Celle v. 25.6.1991 – 18 UF 12/91, FamRZ 1992,
465; Palandt/Brudermüller, 69. Aufl., § 1568a BGB Rz. 9.
10 Vgl. Palandt/Brudermüller, a.a.O.
11 So auch Storz, Praxis der Teilungsversteigerung, 4. Aufl., B
6.1.
12 Vgl. Götz/Brudermüller, NJW 2010, 10.
bei also nicht mehr um ein vermeintliches Recht, sondern um einen echten Mietvertrag. Die sich hieraus ergebenden Rechte können auch tatsächlich im Versteigerungstermin angemeldet werden.
Sofern ein solcher Mietvertrag abgeschlossen bzw. durch
Urteil ersetzt wird, führt dies zu folgender Konsequenz:
Der Ehepartner, der in der Wohnung lebt, hat nicht nur
ein Recht zum Besitz aufgrund des bisherigen Eigentums, welches durch den Zuschlag erloschen ist. Seine
Rechte leiten sich vielmehr aus einem schuldrechtlichen
Vertrag ab. Den Zuschlagsbeschluss mit Vollstreckungsklausel wird der Rechtspfleger daher bei dieser Sachlage
in Zukunft nicht mehr erteilen. Ein Erwerber ist somit
darauf angewiesen, eine Räumungsklage gegen den im
Haus verbliebenen Ehepartner einzureichen. Das, was
bisher nur als Möglichkeit im Raum stand, wird in derartigen Fällen zur (traurigen) Realität für einen Erwerber.
Ein solcher Mietvertrag kann überhaupt nur aufgrund eines berechtigten Interesses gekündigt werden. Dies ist in
der Regel nur der Eigenbedarf.11 Ansonsten ist eine Kündigung ohnehin nicht möglich, vgl. § 573 Abs. 1 BGB.
Abzuwägen sind hierbei dann die Interessen eines Erwerbers am Einzug ggü. dem Interesse des bisherigen Eigentümers, die alte Wohnsituation beizubehalten. Der Ausgang dieser Abwägung ist nicht sicher. Zudem kann
dann, wenn besondere Umstände vorliegen, der bisherige
Eigentümer Räumungsschutzanträge stellen, ggf. auch
Anträge nach § 765a ZPO. Dies gilt vor allen Dingen,
wenn Kinder aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen werden sollen. Ein solcher Prozess zieht sich
u.U. durch zwei Instanzen. Ein Mietvertrag kann und
wird daher zukünftig dazu führen, dass sich Eigennutzer,
die oft schon wegen einer zeitnahen Finanzierung oder
aus eigenen wohnungstechnischen Gründen auf die neue
Immobilie angewiesen sind, auf ein solches „Abenteuer‘‘
nicht einlassen werden. Mit diesem Mietvertrag wird die
Rechtsposition desjenigen, der im Hause lebt, grundlegend verbessert.
Nun könnte man daran denken, dass der vom Gericht zu
bestimmende Mietvertrag mit einer Befristung nach
§ 1568a Abs. 5 Satz 2 BGB versehen werden soll. Nach
dieser Vorschrift kann der Vermieter unter den Voraussetzungen des § 575 Abs. 1 BGB eine Befristung verlangen, also dann, wenn die Absicht der Eigennutzung, der
Modernisierung oder der Überlassung an Dienstverpflichtete besteht. Das nach der Scheidung durchaus legitime Interesse, die Immobilie zu veräußern oder versteigern zu lassen, stellt nach § 575 BGB aber gerade keinen
Grund für die Befristung dar.12 Eine Ausweichmöglichkeit wäre allenfalls die weitere Alternative der Befristung
gem. § 1568a Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 BGB. Hiernach müsste
die Begründung eines unbefristeten Mietverhältnisses
unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters unbillig sein. Allerdings muss dieser Gesichtspunkt
bereits in dem Verfahren betreffend die Begründung eines Mietverhältnisses vorgetragen werden. Ob die Gerichte die Verschlechterung der Verwertung als einen solchen Gesichtspunkt anerkennen werden, bleibt abzuwarten.
Beraterhinweis: Schon in dem Verfahren, in dem die
Begründung des Mietvertrags verhandelt wird, sollte der
194
FamRBinformativ
Ehegatte, der nicht im Objekt wohnt, auf die möglichen
Nachteile im Rahmen der Teilungsversteigerung hinweisen. Unter Berufung auf Art. 14 GG sollte er zumindest
versuchen, eine Befristung des Mietvertrags bis zu einer
Versteigerung zu erreichen.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Vorschrift des
§ 1568a Abs. 6 BGB. Der Anspruch auf Eintritt in ein
Mietverhältnis erlischt ein Jahr nach Rechtskraft der
Endentscheidung in der Ehescheidungssache, wenn er
nicht vorher rechtshängig gemacht worden ist. Teilungsversteigerungen werden erfahrungsgemäß schon allein
wegen der Gefahren aus der Vorschrift des § 1365 BGB
(Verfügung über das Vermögen im Ganzen)13 oftmals
erst nach Rechtskraft der Scheidung geltend gemacht.
Droht dem Ehepartner, der im Hause wohnhaft ist, aus
der Teilungsversteigerung ein Nachteil, sollte er entweder vor Beendigung des Scheidungsverfahrens oder noch
6/2010
innerhalb der Jahresfrist den Anspruch auf Abschluss eines Mietvertrags anhängig machen.
4. Fazit
Ob ein Mieterrecht angemeldet werden soll, hängt sehr
von der im Rahmen der Teilungsversteigerung verfolgten
Taktik ab. Maßgeblich sind die finanziellen Mittel, das
Interesse an einer Eigennutzung oder einer höchstmöglichen Erlöserzielung. Nach der neuen Rechtslage hat derjenige, der sich von der Position als Mieter etwas verspricht, jedoch ein ganz anderes Instrumentarium in der
Hand, als dies nach der bisherigen Rechtslage der Fall
war. Diese Chancen – aber auch Risiken! – gilt es wirksam und rechtzeitig zu nutzen.
13 Vgl. hierzu im Einzelnen Kogel, Strategien beim Zugewinnausgleich, 3. Aufl., Rz. 226 ff.
FamRBinformativ
Neu im Internet: www.FamFG.de
Erwiderung auf Schürmann, FamRB
2010, 45 (50)
Herr VorsRiOLG Schürmann geht in seinem Beispiel auf
S. 50 fehl, als er nur die Prozentzahl der aktuellen (ersten) Alterstufe zum 1.1.2008 umrechnet.
Der vorlegende Titel beinhaltet zum 1.1.2008 eine Verpflichtung in der Zukunft bereits für weitere Altersstufen. Diese sind ebenso noch nach der Regelbetrag-Verordnung festgelegt und somit zum 1.1.2008 ebenso (also
je Altersstufe) umzurechnen.
Insoweit ergibt sich in seinem Beispiel per 1.1.2008 die
Verpflichtung:
Ab erster Alterstufe 97,8 % des Mindestunterhalts,
ab zweiter Altersstufe 102,7 % des Mindestunterhalts,
ab dritter Altersstufe 106,5 % des Mindestunterhalts
(jeweils unter Anrechnung des hälftigen Kindergeldes)
zu zahlen.
Diese Prozentsätze sind daher mit den jeweilig gültigen
Mindestunterhaltssätzen 2009/2010 etc. anzuwenden.
Helmuth Justin, Landratsamt Eichstätt – Amt für Familie
und Jugend, Fachbereich Unterhalts- und Abstammungsfragen, Dienststelle Ingolstadt
Mehr zum Thema: Ebenso die Stellungnahme des DIJuF e.V. v.
14.4.2010 zur Frage der Umstellung von Regelbetragstiteln auf den
Mindestunterhalt zum Stichtag 1.1.2008 – hier: zur Notwendigkeit
der getrennten Umstellung für die jeweiligen Altersstufen –, abgedruckt in JAmt Heft 5/2010.
A.A. – wie Schürmann – AG Kamenz v. 13.10.2009 – 4 F 339/09,
FamRZ 2010, 819.
Rentenwerte 2010
Das Bundeskabinett hat am 21.4.2010 den Entwurf der
RentenwertbestimmungsVO 2010 vorgelegt und dem
Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet. Danach bleiben
die Rentenwerte in der gesetzlichen Rentenversicherung
zum 1.7.2010 unverändert bei 27,20 und 24,13 (Ost).
Neufassung des BeamtVG
Im BGBl. Nr. 8 v. 3.3.2010 ist die Neufassung des Beamtenversorgungsgesetzes v. 24.2.2010 bekannt gemacht.
BGBl. 2010 I, 150
3. VO zur Änderung der Alg II/Sozialgeld-VO
§ 1 Alg II/Sozialgeld-VO v. 17.12.2007 (BGBl. I, 2942)
ist mit Wirkung ab 1.6.2010 folgender Abs. 4 angefügt
worden:
(4) Nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen von Schülerinnen und Schülern allgemein- oder
berufsbildender Schulen, die das 25. Lebensjahr noch
nicht vollendet haben, aus Erwerbstätigkeiten, die in den