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Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin EXAMENSKLAUSURENKURS IM WINTERSEMESTER 2008/2009 Prof. Dr. Dr. Stefan Grundmann Klausurtermin: 17.10.2008 Besprechung: 20.10.2008 Teil I Lothar Löwe schließt mit dem Leasingunternehmer Emil Elch im Winter 2007 einen Leasingvertrag über einen PKW Marke Audi A6. Einige Wochen nachdem Löwe das Fahrzeug erhalten hat, wird es von Donald Drossel entwendet, obwohl Löwe den geparkten Wagen ordnungsgemäß abgesperrt hatte. Drossel fährt mit dem Auto einige Stunden ziellos umher. Danach stellt er das Fahrzeug in einem von Paula Panther betriebenen Parkhaus ab, um sich auf diese Weise des Autos zu entledigen. Da Drossel den PKW wieder verschlossen hat, fällt er den Angestellten des Parkhauses zunächst nicht auf. Erst nach fünf Wochen schöpft der bei Paula Panther angestellte Anton Adler Verdacht und unterrichtet seine Chefin. Diese lässt das Fahrzeug öffnen und findet darin einen Hinweis auf Lothar Löwe. Paula Panther ruft Löwe an und erfährt von ihm, dass der Audi entwendet wurde. Als Löwe das Auto von Panther abholen will, verlangt diese 770,- € als Entgelt für das Parken des Wagens in ihrem Parkhaus (für 35 Tage pro Tag 22,- €). Löwe weigert sich zu zahlen und fordert die Rückgabe des PKW. Da Paula Panther weiterhin das Auto nur gegen Zahlung des von ihr geforderten Betrages herausgeben will, erhebt Lothar Löwe Klage auf Herausgabe des Fahrzeugs. In der mündlichen Verhandlung erklärt der Prozessbevollmächtigte des Löwe, sein Mandant habe einen Tag zuvor von Paula Panther den PKW zurückbekommen. Deshalb habe sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt und er beantrage nur noch, die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen. Der Prozessbevollmächtigte der Panther widerspricht der Erledigung des Rechtsstreits und erklärt, seine Mandantin habe das Fahrzeug nur herausgegeben, um den ihr lästigen Streit zu beenden. Selbstverständlich habe dies nichts daran geändert, dass seine Mandantin nur gegen Zahlung des von ihr beanspruchten Betrages von 770 € zur Herausgabe des PKW verpflichtet gewesen sei. Da die Klage von Beginn an unbegründet gewesen sei, müsse der Kläger die gesamten Kosten des Rechtsstreits tragen. Teil II (Abwandlung) Abweichend von dem oben dargestellten Sachverhalt läuft nach Erhebung der Klage der zwischen Lothar Löwe und Emil Elch abgeschlossene Leasingvertrag ab. Daraufhin lässt Elch noch vor Beginn der mündlichen Verhandlung schriftlich durch einen Rechtsanwalt dem Gericht mitteilen, dass er an Stelle des Löwe den Prozess fortsetzen werde. Dem stimmt Lothar Löwe zu, während Paula Panther widerspricht. Vermerk für die Bearbeiter Beide Teile der Aufgabe sind zu bearbeiten. In einem Gutachten, das auf alle aufgeworfenen Rechtsfragen eingeht, sind in der vorgegebenen Reihenfolge folgende Fragen zu beantworten: Zu Teil I: Wie wird das Gericht über die Klage des Lothar Löwe entscheiden? Ein Entscheidungstenor ist nicht zu formulieren. Fragen der vorläufigen Vollstreckbarkeit bleiben außer Betracht. Zu Teil II: Wird das Gericht den Klägerwechsel zulassen? Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin / Zivilrecht/ Prof. Grundmann Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin Sachverhalt Bearbeitervermerk: - Frage 1: Zulässigkeit und Begründetheit der Klage (in geänderter Form) - Frage 2: Zulässigkeit von Klägerwechsel Sachverhalt Frage 1: L Leasingnehmer, Leasinggeber E D stiehlt das ordnungsgemäß abgestellte Kfz, fährt es und stellt es in Parkhaus ab P = Parkhausinhaber, öffnet Kfz nach 5 Wochen (vorher kein Verdacht) P -> L Mietzinszahlung (770,- €) L -> P Herausgabe, P wendet ein, dass er Zurückbehaltungsrecht habe (P: Herausgabeanspruch besteht nicht einredefrei) Mündliche Verhandlung: L teilt mit, dass P inzwischen Kfz herausgegeben hat und stellt Klage um: L erklärt einseitige Erledigung: Leistungsklage (Herausgabe ohne Einrede, d.h. nicht Zug um Zug) wird in Feststellungsklage geändert (Bestehen eines Rechtsverhältnisses, kraft dessen L von P Herausgabe verlangen konnte, genauer: (1) Zulässige und begründete Leistungsklage wurde auf Grund (2) eines nach Klageerhebung eingetretenen Umstandes, (3) unzulässig oder unbegründet) Lösungsskizze Frage 1 I. Zulässigkeit der Feststellungsklage (§§ 256, 264 ZPO 1. Einordnung der einseitigen Erledigung - § 91a ZPO: beidseitige Erledigung Einseitige Erledigung folgt eigenen Regeln: (1) Ursprüngliche Klage zulässig und begründet (2) Änderung nach Klagehängigkeit (3) deswegen Klage jetzt in ursprünglicher Form unzulässig oder unbegründet -> dann ist Feststellungsklage auf Bestehen eines Rechtsverhältnisses, das ursprüngliche Klage zulässig und begründet hätte erscheinen lassen, zulässig und begründet 2. Zulässigkeit und Inhalt der Feststellungsklage - § 256 ZPO: Feststellungsinteresse: keine Kostentragungspflicht / Klärung der Kostentragungspflicht - § 264 Nr. 2 ZPO Klageänderung zulässig, Beschränkung der Klage (Voraussetzungen des § 263 ZPO nicht nötig) II. Begründetheit der Feststellungsklage Ursprünglich zulässig (1.) und ursprünglich begründet (2.) / jetzt nicht mehr begründet (3.) (Erfüllung, § 362 BGB) -> Nur noch zu prüfen ursprüngliche Begründetheit. 1. L -> P auf Herausgabe aus §§ 985 f. BGB a) Anspruchssteller = Eigentümer - L ist nicht Eigentümer (Leasingnehmer) - SV sagt nichts zu Anwartschaftsrecht (andernfalls wäre von wesensgleichem minus zu Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin / Zivilrecht/ Prof. Grundmann Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin Eigentum auszugehen) -> Anspruch nicht gegeben 2. L -> P § 861 Abs. 1 BGB a) P Besitzer? - ab Abstellen des Kfz? -> Keine Verfügungsmacht; Kfz wird besitzlos, weil auch D keine Verfügungsmacht hat und L hatte Besitz bereits mit Diebstahl verloren - Besitzbegründung mit Öffnung des Kfz b) Verbotene Eigenmacht: gegen den Willen des L - verbotene Eigenmacht: Besitzbegründung gegen Willen des Besitzers (bei Diebstahl ja, aber § 858 Abs. 2 BGB erlaubt keine Zurechnung an P) - verbotene Eigenmacht durch Öffnung? Nein, denn L ist nicht mehr Besitzer (zusätzlich L wohl mit Öffnen einverstanden, nur nicht mit Zahlungsanforderung) -> Anspruch nicht gegeben, vgl. auch § 867 BGB 3. L -> P auf Herausgabe aus § 1007 Abs. 1 BGB a) Besitzerwerb des Anspruchsgegners b) Fehlender guter Glaube hierbei - guter Glaube in das Besitzrecht? - vermutet, P könnte an Vermieterpfandrecht geglaubt haben - Vermieterpfandrecht nicht gutgläubig erworben werden (gesetzliches Pfandrecht, besitzloses Pfandrecht) - im Rahmen der Gutgläubigkeitsregeln Unterrichtung beim Rechtskundigen nötig (BGH NJW 1977, 31, 34) - Gutgläubigkeit bezieht sich auf Eigentum des Mieters, nicht auf Bestehen eines Mietzinsanspruchs gegen den (vermeintlichen) Mieter; hier Mietzinsanspruch gegen D -> Zwischenergebnis: (h.M.) L -> P Herausgabeanspruch mangels guten Glaubens des P c) Gegenrecht aus § 1007 Abs. 3 S. 2 BGB (iVm § 1000 BGB)? - EBV? (L ist nicht Eigentümer, P war nicht Besitzer bei „Verwendung“) -> kein EBV zur Zeit der Verwendung, außerdem: - Parkraumbereitstellung = Verwendung? -> typischer Weise nein, weil Straßenparken genauso gut d) Gegenrecht aus § 273 Abs. 1 BGB? - evtl. Anspruch des P aus GoA, wenn nicht GoA durch EBV verdrängt (Verhältnis GoA zu EBV komplex wegen § 683 BGB; hier jedoch gar kein EBV, s.o.) - Aufwendungsersatz §§ 670 iVm 677, 683 BGB - Voraussetzung: berechtigte GoA - hier kein fremdes Geschäft - außerdem mutmaßliches Interesse des L fraglich (vgl. Straßenparken oben) e) Bereicherungsrechtlicher Anspruch? (iVm § 273 BGB) - § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB: P leistet Vertragspartner, also D (auch bei Maßgeblichkeit des objektiven Empfängerhorizonts) -> Anspruch gegen L aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB besteht nicht 4. L -> P § 1007 Abs. 2 BGB? a) Besitzerwerb beim Anspruchsgegner (vgl. oben 3 a) b) Abhandenkommen (Gutgläubigkeit irrelevant) c)-e) vgl. oben 3. -> Gesamtergebnis: Herausgabeanspruch des L ohne Einrede besteht; seine Klage also ursprünglich begründet Frage 2 1. Anwendbarkeit der Regeln über Klageänderung Weil Klägerwechsel selbst nicht geregelt, wendet h.M. §§ 263, 264 ZPO an 2. Zulässigkeit der Klageänderung im vorliegenden Fall a) Erklärungen des alten und neuen Klägers b) Zusatzvoraussetzungen Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin / Zivilrecht/ Prof. Grundmann Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin - Einwilligung oder Sachdienlichkeit Im Falle des § 269 ZPO: ohne weitere Voraussetzungen Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin / Zivilrecht/ Prof. Grundmann