EU-Konditionalität gegenüber Mazedonien und der Ukraine

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EU-Konditionalität gegenüber Mazedonien und der Ukraine
EUROPA-UNIVERSITÄT VIADRINA
KULTURWISSENSCHAFTLICHE FAKULTÄT
Master of European Studies
WS 2011/12, 17.01.2012
EU-Konditionalität gegenüber Mazedonien und der Ukraine
Eine vergleichende Analyse am Beispiel der Visapolitik und der
Binnenmarktintegration
MASTERARBEIT
vorgelegt von:
Annegret Schneider
Erstgutachterin:
Dr. Anne Faber
Zweitgutachter:
Dr. Nicolai von Ondarza
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung .............................................................................................................................. 1
1.1 Fragestellung .................................................................................................................... 1
1.2 Methodik und Fallauswahl ............................................................................................... 3
1.3 Thesen .............................................................................................................................. 4
1.4 Aufbau der Arbeit............................................................................................................. 5
2. Theoretische Grundlagen und Forschungsstand .............................................................. 6
2.1 Begriffsdefinition: Konditionalität................................................................................... 6
2.2 EU-Konditionalität als Instrument der externen Europäisierung..................................... 8
2.3 Konzeptionalisierung von EU-Konditionalität: Das external-incentives-Modell.......... 10
2.4 Überblick über empirische Arbeiten zur EU-Konditionalität ........................................ 11
2.5 Zur Vergleichbarkeit von Beitritts- und Nachbarschaftskonditionalität ........................ 15
2.5.1 Das Konditionalitätsprinzip in ENP und Erweiterungspolitik ................................ 15
2.5.2 Wissenschaftliche Perzeption der Vergleichbarkeit................................................ 20
2.5.3 Begründung der Vergleichbarkeit von ENP- und Beitrittskonditionalität .............. 22
3. Die Beziehungen der EU zu Mazedonien und zur Ukraine............................................ 25
3.1 Entwicklung der europäisch-mazedonischen Beziehungen ........................................... 25
3.2 Entwicklung der europäisch-ukrainischen Beziehungen ............................................... 27
3.3 Zwischenfazit: Die Beziehungen der EU zu den beiden Staaten ................................... 29
4. Politikfeld I: Konditionalität in der Visapolitik .............................................................. 29
4.1 Anreizstruktur in der Visapolitik.................................................................................... 30
4.1.1 Visapolitische Angebote an Mazedonien................................................................ 31
4.1.2 Visapolitische Angebote an die Ukraine................................................................. 33
4.1.3 Ergebnisse des Vergleiches der visapolitischen Anreize ........................................ 35
4.2 Bedingungen der EU auf dem Gebiet der Visapolitik.................................................... 37
4.2.1 Die Konditionen auf dem Weg zu Visaerleichterungen.......................................... 37
4.2.2 Konditionen für den visumfreien Reiseverkehr ...................................................... 40
4.2.3 Bedingungen der EU in der Visapolitik: Ergebnisse des Vergleichs...................... 43
4.3 EU-Konditionalität in der Visapolitik: Bewertung der Konsistenz ............................... 44
4.4 Zwischenfazit: Konditionalität in der Visapolitik.......................................................... 48
ii
5. Politikfeld II: Konditionalität in der Binnenmarktpolitik ............................................. 50
5.1 Anreizstruktur in der Binnenmarktintegration ............................................................... 51
5.1.1 Angebote zur Integration Mazedoniens in den Binnenmarkt.................................. 51
5.1.2 Angebote zur Binnenmarktintegration der Ukraine ................................................ 54
5.1.3 Anreize zur Binnenmarktintegration: Vergleich der Ergebnisse ............................ 58
5.2 Bedingungen der EU für die Binnenmarktintegration ................................................... 59
5.3 EU-Konditionalität in der Binnenmarktintegration: Bewertung der Konsistenz ........... 62
5.4 Zwischenfazit: Konditionalität in der Binnenmarktintegration ..................................... 64
6. Schlussbetrachtung und Ausblick..................................................................................... 66
Quellen- und Literaturverzeichnis ....................................................................................... 72
Sekundärliteratur .................................................................................................................. 72
Primärquellen ....................................................................................................................... 83
Eigenständigkeitserklärung................................................................................................... 92
iii
Verzeichnis der Abkürzungen
ABl. EG
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
ABl. EU
Amtsblatt der Europäischen Union
ACAA
Agreements on Conformity Assessment and Acceptance of Industrial Products,
Abkommen über Konformitätsbewertung und Anerkennung gewerblicher
Produkte
CARDS
Community Assistance for Reconstruction, Development and Stabilisation,
Gemeinschaftshilfe für Wiederaufbau, Entwicklung und Stabilisierung
CEE
Central and Eastern Europe, Mittel- und Osteuropa
CEFTA
Central
European
Free
Trade
Agreement,
Mitteleuropäisches
Freihandelsabkommen
ENP
Europäische Nachbarschaftspolitik
EU
Europäische Union
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
EWR
Europäischer Wirtschaftsraum
EUV
Vertrag über die Europäische Union
GATT
General
Agreement
on
Tariffs
and
Trade,
Allgemeines
Zoll-
und
Handelsabkommen
GUS
Gemeinschaft Unabhängiger Staaten
ICTY
International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia, Internationaler
Strafgerichtshof für das frühere Jugoslawien
IPA
Instrument for Pre-Accession Assistance, Instrument für Heranführungshilfe
ISPA
Instrument for Structural Policies for Pre-Accession, Strukturpolitisches
Instrument zur Vorbereitung auf den Beitritt
IWF
Internationaler Währungsfonds
JHA
Justice and home affairs, Justiz und Inneres
KOM
Europäische Kommission
NATO
North Atlantic Treaty Organisation, Organisation des Nordatlantikpakts
ÖP
Östliche Partnerschaft
PHARE
Poland and Hungary Assistance for the Reconstructing of the Economy, Polen
und Ungarn: Hilfe zur Restrukturierung der Wirtschaft
PKA
Partnerschafts- und Kooperationsabkommen
SAA
Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen
iv
SAP
Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess
SEECP
South-East European Cooperation Process, Kooperationsrat für Südosteuropa
SFRJ
Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien
UdSSR
Union der sozialistischen Sowjetrepubliken
VIS
Visa-Informationssystem
WTO
World Trade Organization, Welthandelsorganisation
v
1. Einleitung
Die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) folgt in der inhaltlichen Ausgestaltung in
weiten Teilen der Logik der Beitrittspolitik – mit einem entscheidenden Unterschied: Den
Partnerländern wird keine Beitrittsperspektive eröffnet. Dennoch versucht die EU, gezielte
Anreize mit der Forderung zu verknüpfen, Normen und Werte der EU zu übernehmen. Diese
Strategie der Konditionalität hat sich im Falle der Erweiterungspolitik als sehr erfolgreich
erwiesen, im Rahmen der ENP führt sie nicht zu den erhofften Ergebnissen und gilt bisweilen
sogar als gescheitert. Dies wird in erster Linie durch die fehlende Beitrittsperspektive erklärt,
wodurch eine Annäherung an die EU für die ENP-Staaten zu wenig attraktiv sei. In dieser
Arbeit wird die Anwendung des Konditionalitätsprinzips gegenüber einem ENP-Staat und
einem Beitrittskandidaten untersucht. Ziel ist es, durch den systematischen Vergleich der
Anreize, der Bedingungen und der Umsetzung Unterschiede in der Konditionalitätsstrategie
aufzudecken, die über die Frage der Beitrittsperspektive hinausgehen. Diese Fallstudie kann
keine allgemeingültigen Aussagen über die Konditionalitätsstrategie in der ENP und in der
Erweiterungspolitik machen. Sie kann und soll jedoch einen Beitrag leisten, EUKonditionalität aus einer vergleichenden Perspektive neu zu bewerten und aus dieser
Bewertung Handlungsempfehlungen abzuleiten.
1.1 Fragestellung
Den ENP-Staaten bietet die EU anstatt der Vollmitgliedschaft langfristig die Integration in
den Binnenmarkt und die Teilnahme an diversen Politiken der EU, wobei ihnen die politische
Mitbestimmung und -gestaltung verwehrt bleiben. Der Forderungskatalog zur Erreichung
dieses Maximalziels ist aber ähnlich umfassend wie die Kopenhagener Kriterien für einen
Beitritt. Die dementsprechend hohen Kosten scheinen den Nutzen aus der Partnerschaft nicht
aufzuwiegen. Misst man den Erfolg der ENP an der Erweiterungspolitik, sind die Ergebnisse
dürftig. Die ‚europäischen Werte’ Demokratie, Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit
werden, wenn überhaupt, nur halbherzig oder sehr langsam umgesetzt. Der EU ist es kaum
gelungen, auf regionale Konflikte (z.B. im Nahostkonflikt, im Südkaukasus oder
Transnistrien) stabilisierend oder gar klärend einzuwirken. Auch die Übernahme von Normen
aus dem acquis communautaire erfolgt zögerlich, mit sektorspezifischen Unterschieden.
Dennoch gibt es erkennbare Fortschritte, vor allem in den europäischen Staaten der ENP (mit
Ausnahme von Belarus). So verhandelt beispielsweise die Ukraine, der ‚best performer‘ der
ENP,
gegenwärtig
über
ein
vertieftes
Freihandels-
und
Assoziierungsabkommen,
1
Visumfreiheit wurde in Aussicht gestellt. Doch obwohl die Ukraine nachdrücklich auf eine
Beitrittsperspektive drängt und laut EU-Vertrag auch ein Antragsrecht hat, wird ihr diese
Option nicht offiziell eingeräumt.
Demgegenüber
gilt
die
Erweiterungspolitik
beinahe
uneingeschränkt
als
Erfolgsgeschichte. Die strikte Konditionalität, also die Verknüpfung von Anreizen und
Forderungen, hat die Entwicklung der Kandidatenländer beflügelt. Auf diese Weise haben die
postsozialistischen Staaten Mittelosteuropas eine eindrucksvolle Transformationsleistung
vollbracht. Für die südosteuropäischen Staaten, die unter die Kategorie „Westbalkan“1 gefasst
werden, muss diese Dynamik jedoch mit Einschränkung betrachtet werden. Am Beispiel der
ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien (im Folgenden Mazedonien) zeigt sich,
dass der Anreiz des Beitritts an Glaubwürdigkeit verloren hat. Bereits seit 2005 genießt das
Land offiziellen Kandidatenstatus, ohne dass formelle Beitrittsverhandlungen begonnen
wurden, geschweige denn ein ‚Fahrplan’ für den Weg zum Beitritt entwickelt wurde.
Dennoch wurden die Beziehungen zur EU vertieft, zuletzt durch die Befreiung der
Visumpflicht am 19.12.2009.
Ein Vergleich von Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik ist schon deshalb
aussichtsreich, weil kurz- und mittelfristig ganz ähnliche Anreize in Aussicht gestellt werden,
z.B. die zunehmende Integration in den Binnenmarkt, Visaerleichterungen oder die
Teilnahme an EU-Programmen. Anhand dieser gleichen „Integrationsschritte“ in bestimmten
Politikbereichen lässt sich untersuchen, wie sich ENP und Erweiterungspolitik in ihrer
strategischen Umsetzung unterscheiden. Auf diese Weise können Faktoren aufgezeigt
werden, die den Erfolg der Konditionalität befördern oder hemmen.
Im
Zuge
der
vorliegenden
Arbeit
soll
aufgezeigt
werden,
wie
die
Nachbarschaftskonditionalität im Vergleich zur Beitrittskonditionalität tatsächlich angewandt
wird. Folglich wird als abhängige Variable die Umsetzung des Konditionalitätsprinzips
definiert. Es wird erwartet, dass die Frage der Beitrittsperspektive nicht der einzige
bedeutende Unterschied ist. Die Frage zielt nicht allein auf die strategische Konzipierung von
ENP und Erweiterungspolitik. Sie bleibt auch nicht auf die outcomes, die Ergebnisse der
beiden Politiken begrenzt. Vielmehr geht es darum, die Konditionalitätsstrategie der EU als
Prozess zu begreifen, diesen Prozess detailliert zu analysieren und ihn für die Erweiterungsund Nachbarschaftspolitik zu vergleichen. Es soll der Nachweis geführt werden, dass sich
1
„Westbalkan“ ist eine Sammelbezeichnung für Albanien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina, Serbien,
Kroatien, Kosovo und Montenegro. Der Kunstbegriff wurde von der EU geprägt (Europäischer Rat 1997) und
hat sich mittlerweile auch in der sozialwissenschaftlichen Forschung durchgesetzt.
2
Beitritts- und Nachbarschaftskonditionalität in zentralen Merkmalen unterscheiden, die nicht
genuin mit der Frage der Beitrittsperspektive in Zusammenhang stehen.
Natürlich ist eine umfassende Analyse, die generalisierende Aussagen zulässt, kaum
umzusetzen. Stattdessen beschränkt sich diese Arbeit auf eine vergleichende Fallstudie. Als
Untersuchungsgegenstand werden ein europäisches ENP-Land und ein Beitrittskandidat
ausgewählt: die Ukraine und Mazedonien. Die Fragestellung muss zum Zwecke der
Untersuchung spezifiziert werden: Wie wendet die EU das Konditionalitätsprinzip gegenüber
Mazedonien (als Beitrittskandidat) und gegenüber der Ukraine (als ENP-Staat) an? Um
aussagekräftige und vergleichbare Ergebnisse zu erzielen, ist eine weitere Einschränkung
nötig. Deshalb werden, um die EU-Konditionalität fassbar zu machen, zwei konkrete
Politikbereiche ausgewählt.
1.2 Methodik und Fallauswahl
Die Wahl fällt auf zwei Politikfelder, die zugleich die wichtigsten mittelfristigen Anreize der
EU sowohl gegenüber den Beitrittskandidaten als auch gegenüber den ENP-Staaten sind: die
Integration in den Binnenmarkt und die Visapolitik (Solonenko 2010: 7). Der Binnenmarkt
gilt als wichtigstes und am stärksten vergemeinschaftetes Politikfeld, ein Großteil des acquis
communautaire und damit auch der Beitrittsverhandlungen bezieht sich auf den gemeinsamen
Markt. Die Visapolitik ist interessant, weil sie einerseits als Teil der Innenpolitik inhärent
wertegeleitet ist. Andererseits verfolgt die EU mit der Verknüpfung von Visa-, Migrationsund Grenzschutzfragen sehr starke Eigeninteressen (Knelangen 2007a, b). Das könnte dazu
führen, dass die EU zugunsten eigener Ziele von einer konsistenten Konditionalitätspolitik
abweicht.
Die Zusammenarbeit in beiden Politikfeldern soll exemplarisch an zwei Staaten
untersucht werden. Diese geringe Fallzahl ermöglicht es, das Konditionalitätsprinzip in
Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik sehr eingehend für beide Politikfelder zu
untersuchen. Eine large-n-Studie mit einer größeren Fallzahl erlaubt zwar in der Regel
weiterreichende Schlussfolgerungen und eine größere Generalisierung der Ergebnisse.
Allerdings könnten lediglich weniger komplexe, vereinfachte Einflussfaktoren einbezogen
werden. Die Untersuchung komplexer Prozesse wäre nur mit sehr großem Aufwand möglich.
Im Rahmen einer Einzelfallstudie wiederum müsste auf die vergleichende Komponente
verzichtet werden. Einzig die detaillierte, vergleichende Untersuchung der beiden Fälle lässt
es zu, den prozesshaften Charakter der Konditionalitätsstrategie zu berücksichtigen. (Rohlfing
2009: 149).
3
Es ist nicht Ziel der Arbeit, kausale Zusammenhänge über Erfolg oder Scheitern des
Konditionalitätsprinzips aufzuzeigen. Das wäre im Rahmen einer small-n-Analyse mit zwei
Fällen kaum möglich. Vielmehr sollen durch den empirischen Vergleich Unterschiede
herausgearbeitet werden, wovon Impulse für die weitere Forschung zu erwarten sind. Für
diese Zielstellung sind vergleichende Fallstudiendesigns besonders geeignet (Blatter et al.
2007: 126f.).
Nach dem Prinzip des most-similiar-systems-design wurde je ein Zielland der
Erweiterungspolitik und der Nachbarschaftspolitik ausgewählt, die sich abgesehen von den zu
untersuchenden Variablen möglichst ähnlich sind. Als Beitrittskandidat fiel die Wahl auf
Mazedonien. Als Beispiel für die ENP-Länder wird die Ukraine näher betrachtet. Die beiden
postsozialistischen Staaten erklärten im Zuge des Zerfalls der UdSSR und Jugoslawiens ihre
Unabhängigkeit und schafften einen weitgehend friedlichen Regimewechsel (im Gegensatz zu
anderen Staaten des Westbalkans oder etwa des Kaukasus). Wie der damalige
Erweiterungskommissar Olli Rehn feststellt, ist Mazedonien „the only functioning multiethnic state in the Balkans“ (Rehn 2006: 68). Auch die Staatlichkeit der Ukraine seit der
Unabhängigkeit kann als weitgehend solide betrachtet werden. Beide Länder gelten heute als
die stabilsten und am weitesten entwickelten Staaten ihrer Gruppe. Sichtbar wird dies etwa,
wenn man die Platzierung der beiden Staaten im Bertelsmann Transformation Index
vergleicht. Bezogen auf den politischen Index erreichen beide Länder seit 2003 die höchsten
Werte ihrer Gruppe (Bertelsmann-Stiftung 2003, 2006, 2008, 2010). Außerdem sind eine
enge Zusammenarbeit mit der EU und sogar der Beitritt zur Union erklärte außenpolitische
Ziele der Regierungen beider Staaten. Da beide eindeutig europäische Staaten sind, besteht
auch für die Ukraine zumindest die hypothetische Möglichkeit einer künftigen EUMitgliedschaft. Damit unterscheiden sich die Ukraine und die übrigen Staaten der Östlichen
Partnerschaft (ÖP) elementar von den nordafrikanischen Staaten, die ebenfalls unter dem
Dach der ENP gefasst sind. Warum Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik in Bezug auf die
Konditionalitätsstrategie überhaupt vergleichbar sind, soll in einem gesonderten Kapitel (2.5)
ausführlicher diskutiert werden.
1.3 Thesen
Um die leitende Fragestellung, wie die EU das Konditionalitätsprinzip gegenüber
Mazedonien als Beitrittskandidat und gegenüber der Ukraine als ENP-Staat anwendet, zu
beantworten, werden drei Thesen aufgestellt und getestet. Die theoretische Basis bietet das
external-incentives-Modell (Schimmelfennig/Sedelmeier 2004, Schimmelfennig/Schwellnus
4
2006). Es besagt, dass Konditionalität umso erfolgreicher ist, je größer und glaubwürdiger die
Anreize sind, je konsistenter die Konditionalität angewandt wird und je bestimmter die
Bedingungen formuliert sind. Zwar soll in der folgenden Fallanalyse nicht der jeweilige
Erfolg der Konditionalität bewertet werden. Dennoch eignet sich das Modell, um Kriterien zu
definieren, anhand derer ein Vergleich vorgenommen werden kann.
Dem external-incentives-Modell entsprechend werden drei unabhängige Variablen in
Betracht gezogen: Die Realisierung der Konditionalitätsstrategie soll verglichen werden nach
(1) der Größe und der Glaubwürdigkeit des Anreizes, (2) der Bestimmtheit der formulierten
Bedingungen und (3) der konsistenten oder nicht konsistenten Anwendung des
Konditionalitätsprinzips.
Erstens wird davon ausgegangen, dass der Ukraine im Vergleich zu Mazedonien geringere
und weniger glaubwürdige Anreize in Aussicht gestellt werden. Die Bedingungen, um diese
Anreize zu erhalten, sind zweitens weniger bestimmt formuliert. An dritter Stelle steht die
Annahme, dass das Konditionalitätsprinzip gegenüber der Ukraine weniger konsistent
angewandt wird. Mit anderen Worten: Die Beitrittskonditionalität gegenüber Mazedonien
verknüpft eindeutigere Forderungen mit größeren und glaubwürdigeren Anreizen, die
konsistenter angewandt werden als in den Beziehungen zur Ukraine im Rahmen der ENP.
Anhand dieser drei Thesen wird die Konditionalität in Visa- und Binnenmarktpolitik
gegenüber der Ukraine und Mazedonien verglichen. Sie sind möglichst konkret gefasst, damit
sie im Rahmen der Untersuchung abschließend behandelt werden können. Damit erfüllen sie
die Funktion, ein theorie- und thesengeleitetes Vorgehen sicherzustellen. Sie sind darüber
hinaus aber auch das Mittel, den Nachweis für eine übergeordnete These zu führen. Diese
übergeordnete These greift die Frage nach dem Vergleich von Beitritts- und
Nachbarschaftskonditionalität im Allgemeinen auf. Durch die vergleichende Fallstudie soll
gezeigt werden, dass sich die Konditionalität in der Nachbarschaftspolitik von der
Beitrittskonditionalität unterscheidet und dass diese Verschiedenheit nicht allein in der Frage
der Beitrittsperspektive liegt.
1.4 Aufbau der Arbeit
Zur Beantwortung der Forschungsfrage soll folgendermaßen vorgegangen werden: Nachdem
die Fragestellung hinreichend eingegrenzt und die Thesen erläutert wurden, wird im
folgenden Kapitel (2.) der Stand der Forschung erarbeitet. Der recht umfassenden Literatur
über die Beitrittskonditionalität werden jene Arbeiten zur Konditionalität in der ENP
gegenübergestellt. Dabei wird die Forschungslücke deutlich: der direkte Vergleich des
5
Konditionalitätsprinzips in Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik. An dieser Stelle wird
eingehend erörtert, warum ein solcher Vergleich möglich und sinnvoll ist. Hierfür wird die
Stellung des Konditionalitätsprinzips in ENP und Erweiterungspolitik diskutiert. Außerdem
wird die relevante Sekundärliteratur auf die Frage der Vergleichbarkeit hin überprüft.
Bevor mit der empirischen Analyse der beiden Politikfelder wird eine kurze Beschreibung
der Beziehungen vorangestellt, die die EU zu Mazedonien und zur Ukraine unterhält (3.).Die
Kapitel 4 und 5 beinhalten den Kern der Arbeit. In den beiden ausgewählten Politikfeldern
Visapolitik (4.) und Binnenmarkt (5.) werden die drei Thesen getestet. Die jeweilige
Anreizstruktur, die Konditionen und die Konsistenz der Anwendung für Mazedonien und die
Ukraine werden nacheinander untersucht und miteinander verglichen. Wichtigste Grundlage
sind die allgemeinen Strategiepapiere der EU, die vereinbarten Aktionspläne (zwischen der
EU auf der einen und Mazedonien bzw. der Ukraine auf der anderen Seite) und die
monitoring-Berichte der Kommission. Ein Fazit (6.) fasst die auf diese Weise gewonnen
Erkenntnisse zusammen, beantwortet die leitende Fragestellung und gibt einen knappen
Ausblick.
2. Theoretische Grundlagen und Forschungsstand
Es folgt nun ein Überblick über den Stand der Forschung. Dabei wird erarbeitet, welche
theoretischen und empirischen Arbeiten zur Beitritts- bzw. Nachbarschaftskonditionalität
bereits vorliegen. Besonders die theoretischen Ansätze werden aufgegriffen, um die später
folgende empirische Analyse einzubetten. Am Anfang steht aber zunächst eine Einordnung
des Begriffes „Konditionalität“.
2.1 Begriffsdefinition: Konditionalität
Im allgemeinen Sprachgebrauch meint Konditionalität, dass eine versprochene oder
tatsächliche Leistung verknüpft ist mit einer geforderten Gegenleistung. Bestimmte
Konditionen müssen notwendigerweise erfüllt werden, um eine Belohnung zu erhalten.
Im politischen Kontext stammt das Konditionalitätsprinzip ursprünglich aus der
Entwicklungszusammenarbeit (und ist dem privaten Kreditwesen entlehnt). Sowohl nationale
Regierungen als auch internationale Finanzinstitutionen knüpfen die Zahlung von
Entwicklungsgeldern oder auch Schuldenerlasse an wirtschaftliche und zunehmend auch
politische Bedingungen (vgl. Dreher 2009, Montinola 2010, Weltbank 2005). In diesem
traditionellen Sinn kann folgende Definition angeführt werden: „Conditionality is the practice
of giving financial assistance contingent on the implementation of specific policies“ (Dreher
6
2009: 233). Der Anreiz (finanzielle Zuwendungen) wird verknüpft mit Reformversprechen
(meist im wirtschaftspolitischen Bereich) der Empfängerstaaten. Problematisch ist die
zeitliche Abfolge, denn die Auszahlung der Gelder erfolgt als Vorleistung für vertraglich
vereinbarte Reformpläne (Grabbe 1999: 4, Mosley 1987).2
Seit den 90er Jahren wenden auch internationale Organisationen wie die WTO oder die
NATO das Konditionalitätsprinzip an, etwa wenn es um den Beitritt weiterer Staaten geht
(Kelley 2004: 454). Auf die EU trifft diese Entwicklung in besonderem Maße zu.
Entsprechend muss eine allgemeingültige Definition breiter gefasst sein. Eine solche bietet
Checkel (2000: 1), wenn er Konditionalität als „the use of incentives to alter a state’s behavior
or policies as a basic strategy through which international institutions promote compliance by
national governments“ beschreibt.
Die EU hat das Konditionalitätsprinzip zu einem wichtigen Bestandteil ihrer Beziehungen
zu Drittstaaten gemacht. Sie geht in Anwendungsbereich und Zielstellung der Konditionalität
weit über die anderer internationaler Organisationen hinaus. Eine EU-spezifische Definition
könnte lauten:
„Die politische Konditionalität der EU besteht darin, dass sie den Zielstaaten Belohnungen anbietet, die
sie im Gegenzug zur Erfüllung politischer Bedingungen gewährt“ (Schimmelfennig/Schwellnus 2006:
273).
Konditionalität als Mittel der Außenpolitik hat sich damit gewandelt. Die Konditionalität der
ersten Generation hatte vor allem zum Ziel, neoliberal geprägte wirtschaftliche Reformen in
Entwicklungsländern anzuregen (Hughes et al. 2004: 15). Seit Beginn der 90er Jahre wurden
die Absichten erweitert, mit der Konditionalitätspolitik der zweiten Generation sollten
zunehmend ein Werteexport und demokratische Reformen erreicht werden. Es ging nicht
mehr vorrangig um finanzielle Zuwendungen sondern um eine engere Zusammenarbeit, z.B.
in internationalen Organisationen. Die EU hat das Konditionalitätsprinzip entscheidend
ausgedehnt und zum Grundprinzip ihrer Erweiterungspolitik erklärt. Entsprechend wurde vor
allem die europäische Dimension von Konditionalität von der politikwissenschaftlichen
Forschung aufgegriffen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen im Folgenden herausgearbeitet
werden.
2
Der Erfolg traditioneller Konditionalität wird allgemein als gering betrachtet. Deshalb setzen internationale
Finanzinstitute seit den 90er Jahren zunehmend auf ergänzende Strategien, z.B. stärkere Eigenverantwortung der
Empfängerstaaten (ownership, Weltbank 2005:8).
7
2.2 EU-Konditionalität als Instrument der externen Europäisierung
Eine theoretische Einordnung findet die EU-Konditionalität als Form der externen
governance bzw. als Strategie der externen Europäisierung. Europäisierung wird als Begriff
in der Integrationsforschung inflationär verwendet, bleibt aber oft unscharf in seiner Kontur.
Den Gegenstand der Europäisierungsforschung bildeten zunächst Prozesse innerhalb der EU,
nämlich die Auswirkungen der europäischen Integration auf politics, policies und polity der
Mitgliedstaaten (Fedorová 2011: 20)3. Veränderungen in den Mitgliedstaaten werden mithilfe
zweier konkurrierender Ansätze erklärt. Dem rationalen Institutionalismus entsprechend
findet ein Wandel nationaler Politik statt, weil die EU durch neu geschaffene Regeln einen
Anpassungsdruck auf die Mitgliedstaaten ausübt. Der Druck ist umso größer, je „weniger
kompatibel die nationale Politik mit den europäischen Vorgaben ist, je größer also der
‚misfit’“ ist (Auel 2005: 304). Alternativ dazu beziehen sich Theorien des soziologischen
(oder konstruktivistischen) Institutionalismus auf horizontale Mechanismen. Hier basiert
„die Politikformulierung nicht auf der hierarchischen Rechtsetzung der EU, sondern auf ‚soft framing
mechanisms’ […], d.h. auf Diskursen und Prozessen der Diffusion von Ideen, auf Lern- und
Sozialisationsprozessen“ (Auel 2005: 307).
Die Erforschung von Europäisierungsprozessen blieb jedoch nicht auf die EU-interne Politik
beschränkt. Seit Beginn der 90er Jahre hat sich die EU zunehmend als außenpolitische
Akteurin, vor allem auf dem europäischen Kontinent, etabliert. Um den Einfluss der EU auf
andere
Staaten,
namentlich
auf
die
Beitrittskandidaten
Mittel-
und
Osteuropas,
wissenschaftlich fassen zu können, wurde das Konzept der Europäisierung aufgegriffen und
um eine externe Komponente erweitert (Sedelmeier 2006: 4). Externe Europäisierung
beschreibt dabei einen „increasingly demanding, externally driven, and coercive process of
domestic and regional change brought about by the EU“ (Anastasakis 2005: 77).
Auch um Wege der externen Europäisierung zu erklären, werden Ansätze des rationalen
jenen des soziologischen Institutionalismus gegenüber gestellt (Sedelmeier 2006: 10). Um
ihre Ziele in Drittstaaten durchzusetzen, nutzt die EU einerseits ihre hegemoniale Stellung
und übt Druck auf diese Staaten aus.4 Sie setzt das Mittel der Konditionalität ein, um die
Partnerstaaten zur Übernahme von Werten und Normen zu bewegen. Aus Sicht der
3
Für einen Überblick über Definitionen, theoretische Ansätze und Perspektiven vgl. Auel 2005, Radaelli 2000,
Börzel/Risse 2000, Olsen 2002.
4
Die EU als internationale Akteurin verzichtet zwar in ihrem Selbstverständnis als normative Macht auf offene
Zwangsmaßnahmen, z.B. militärischer Art. Vor allem in ihrem näheren Einflussbereich, nämlich gegenüber
Beitrittskandidaten und Nachbarstaaten, verfolgt sie verstärkt eine machtbasierte, hegemoniale Politik (HydePrice 2008: 31, Haukkala 2007, zum Konzept der normative power vgl. Manners 2008).
8
Drittstaaten werden im Sinne des rationalen Paradigmas die Kosten gegen die Nutzen
abgewogen. Diesen Weg des Regeltransfers beschreibt das external-incentives-Modell
(Schimmelfennig/Sedelmeier 2004, genauere Ausführungen folgen im nächsten Kapitel).
Andererseits finden normengeleitete Sozialisierungsprozesse statt, die mit Ansätzen des
soziologischen Institutionalismus zu erklären sind. Infolge von sozialen Lernprozessen (social
learning) übernehmen Drittstaaten die Werte und Normen der EU aus Überzeugung, nicht aus
strategischem Kalkül. Eine Zwischenform zwischen dem external-incentives-Modell und dem
des social learning bildet der Mechanismus des lesson-drawing. Demnach greifen
Drittstaaten auch dann EU-Regeln auf, wenn ohnehin ein Regelungsbedarf besteht und die
EU für diesen Fall ein geeignetes Lösungskonzept bereithält (ebd.). Der lesson-drawingAnsatz beschreibt also gewissermaßen einen rationalen Lernprozess.
Social learning und lesson drawing sind für die EU nur schwer oder gar nicht zu steuern
und hängen stark von internen Faktoren des jeweiligen Landes ab. Es können allenfalls
günstige Bedingungen wie geeignete Kommunikations- und Kooperationsstrukturen
geschaffen werden. Empirisch sind diese Formen der Einflussnahme auf Drittstaaten schwer
zu fassen. Sozialisierungsprozesse sind langfristig angelegt, die Auswirkungen sind nach
einem relativ kurzen Zeitraum schwer nachweisbar. Im Gegensatz zum social learning nimmt
die EU bei der Anwendung von Konditionalität (wie im Rahmen des external-incentivesModells
beschrieben)
eine
aktive,
gestaltende
Rolle
ein.
Die
asymmetrischen
Verhandlungsbeziehungen und die zum größten Teil top-down-orientierten Interaktionen
werden außerdem gut widergespiegelt.
Die vorliegende Arbeit nimmt das politische Konzept der EU gegenüber Beitritts- und
Nachbarstaaten in den Blick. In der Erweiterungspolitik ist das Instrument der Konditionalität
vorherrschend, es hat sich als sehr erfolgreich erwiesen. Die Nachbarschaftspolitik greift diese
Strategie erneut auf. Social learning und lesson-drawing mögen für beide Politiken ebenfalls
relevant sein. Sie werden aber in der folgenden Untersuchung nicht weiter berücksichtigt, da
sie nicht im Mittelpunkt des Forschungsinteresses stehen, das sich explizit auf die
Anwendung der EU-Konditionalität konzentriert. Im Folgenden wird deshalb lediglich auf
das
external-incentives-Modell
eingehend
Bezug
genommen
und
so
der
Untersuchungsrahmen abgesteckt.
9
2.3 Konzeptionalisierung von EU-Konditionalität: Das externalincentives-Modell
Das
external-incentives-Modell
(Schimmelfennig/Sedelmeier
2004,
Schimmelfennig/
Schwellnus 2006, Sasse 2008: 300) leistet einen wichtigen Beitrag zur Konzeptualisierung der
Beitrittskonditionalität. Als ein Instrument der Erweiterungspolitik soll Konditionalität den
Regeltransfer in das nationale politische System der Beitrittsaspiranten bewirken. Der Export
von Werten und Normen ist demnach umso erfolgreicher,
a. je größere Anreize in Aussicht gestellt werden und je glaubwürdiger diese erscheinen,
b. je konsistenter das Konditionalitätsprinzip angewandt wird,
c. je bestimmter die Bedingungen formuliert werden und letztendlich
d. je niedriger die Kosten der Regelübernahme erscheinen und je weniger Veto-Spieler
vorhanden sind.
Was die Anreizstruktur (a.) betrifft, ist die Frage der Beitrittsoption entscheidend. Wenn diese
grundsätzlich gegeben ist, muss bewertet werden, mit welcher Glaubwürdigkeit und mit
welcher zeitlichen Perspektive der Beitritt eingeräumt wird. Außerdem kann es für die
Beitrittskandidaten Anreize geben, die eher ein Nebeneffekt als gezielte Maßnahme der EU
sind.
Dazu
zählen
vor
allem
ökonomische
Faktoren
wie
höhere
ausländische
Direktinvestitionen oder günstigere Kreditkonditionen im Zuge des Beitrittsverfahrens (Bronk
2002).
Konditionalität wird dann konsistent angewandt (b.), wenn nach Erfüllung der
Bedingungen, und nur dann, umgehend und zuverlässig die versprochenen Anreize gewährt
werden. Zu unterscheiden ist positive und negative Konditionalität. Erstere wirkt über die
Gewährung oder Verweigerung von versprochenen Vorteilen. Bei letzterer kommen
Sanktionen zum Einsatz, wenn die Bedingungen nicht erfüllt werden. Bei EU-Konditionalität
handelt es sich vorrangig um positive Konditionalität: „It uses ‚carrots’ rather than ‚sticks’ –
rewards rather than punishment or assistance“ (Schimmelfennig 2009: 12). Außerdem ist es
maßgeblich, ob die Anreize ex ante im Gegenzug für versprochene Reformen gewährt werden
(wie in der Entwicklungszusammenarbeit üblich) oder ob die Zielländer in Vorleistung gehen
müssen, um ex post die versprochenen Anreize zu erhalten. Letztere Strategie wird von der
EU favorisiert.
In Bezug auf die Bedingungen (c.) unterscheiden Schimmelfennig und Sedelmeier (2004)
zwischen demokratischer und acquis-Konditionalität. Erstere zielt auf die allgemeinen Werte
der EU ab, wie sie in den Verträgen aufgeführt werden:
10
„[…] Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die
Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören“ (Art
2 I EUV).
Die acquis- oder technische Konditionalität meint die für einen Beitritt zur EU nötige
Übernahme des gemeinsamen Besitzstands, also aller Rechtsnormen, die in den Verträgen,
Verordnungen, Richtlinien und anderen Rechtsakten der EU niedergelegt sind. Grabbe (1999)
stellt fest, dass weder die demokratischen noch die acquis-Bedingungen eindeutig und
determiniert sind. Stattdessen sind sie offen für Interpretationen und geben der EU die
Möglichkeit, die ‚Spielregeln’ zu verändern. Diese können in verschiedenen Beitrittsrunden
und gegenüber unterschiedlichen Beitrittskandidaten durchaus variieren.
Aus den Kriterien (a.-c.) ergibt sich schließlich eine Kosten-Nutzen-Kalkulation (d.). Ein
Beitrittskandidat wird die Konditionen der EU nur dann erfüllen, wenn er die Kosten geringer
einschätzt als den Nutzen. Dieser Aspekt ist weniger EU-zentrisch, sondern greift die
Innenperspektive des Ziellandes auf.
Der rational-bargaining-Ansatz des external-incentives-Modells ist insofern interessant,
da er mehrere, voneinander unterscheidbare Kriterien definiert, nach denen die
Konditionalität einer Politik (bzw. ihr Erfolg) analysiert werden kann. Anhand dieser
Kriterien ist sowohl ein Vergleich der EU-Außenbeziehungen zu verschiedenen Drittstaaten
als auch ein zeitlicher Vergleich möglich. Außerdem bleibt das Modell nicht auf die
Erweiterungspolitik beschränkt, sondern ist auch auf die ENP-Konditionalität anwendbar.
2.4 Überblick über empirische Arbeiten zur EU-Konditionalität
Empirische Arbeiten, die sich auf die Beitrittskonditionalität konzentrieren, sind breit
gefächert. Sie können danach unterschieden werden, ob sie die Auswirkungen der
Konditionalität betrachten (impact), oder die Anwendung des Konditionalitätsprinzips selbst
(application) als Untersuchungsgegenstand wählen. Im ersten Fall fungiert die Konditionalität
als unabhängige Variable (neben anderen), deren Ausprägung den Erfolg des Politiktransfers
erklärt. Dabei wird der Regeltransfer in ausgewählten Politikfeldern thematisiert, zum
Beispiel in der Innen- und Justizpolitik. In der Visapolitik (Trauner 2007) ist erkennbar, wie
Konditionalität auf verschiedenen Ebenen der Politikgestaltung (macro-level vs. project-level
conditionality) differieren kann (vgl. auch Feijen 2007). Sehr vereinzelt wird der Erfolg des
Regeltransfers in verschiedenen Politikfeldern verglichen. Genannt sei hier eine Studie über
die Slowakei, die die Europäisierung der Gesundheits- Regional- und Agrarpolitik vergleicht
(Fedorová 2011). Am weitesten verbreitet sind Betrachtungen über Konditionalität als Mittel
11
der
Demokratisierung
in
den
Kandidatenländern
(für
Ostmitteleuropa:
Schimmelfennig/Schwellnus 2006, Hughes et al. 2004, Vachudová 2001; für Rumänien und
Bulgarien: Spendzharova 2003; für Rumänien: Pridham 2006; für die baltischen Staaten:
Gelazis 2000). Hervorzuheben ist die vergleichende Arbeit von Kneuer (2007), die die
Demokratisierungsstrategien gegenüber Spanien und der Slowakei gegenüberstellt.
Diese
ergebnisbezogenen
Arbeiten
nehmen
sehr
stark
die
Perspektive
der
Beitrittskandidaten ein. Die Politik der EU, also die Beitrittskonditionen in Verbindung mit
entsprechenden Anreizen, ist nur der erste Schritt der Untersuchungen. Im Fokus steht die
Frage, welche Forderungen der EU tatsächlich in nationalen Politiken formuliert und
implementiert werden. Ob der erwünschte Politiktransfer gelingt, gibt nicht zwingend
Auskunft darüber, wie das Konditionalitätsprinzip angewandt wird. Insofern finden sich in
diesen Arbeiten widersprüchliche Annahmen über die konsistente (z.B. Vachudová 2001: 32
noch wo?) oder inkonsistente Anwendung (z.B. Glencorse/Lockhart 2010: 8) der EUKonditionalität.
Vereinzelt steht die Beschaffenheit bzw. die Anwendung der Konditionalität als
abhängige
Variable
im
Zentrum
des
Interesses.
Smith
(2003)
zeichnet
die
Entwicklungsgeschichte der EU-Konditionalität nach. Konditionalität ist dabei kein statisches
Faktum, sondern ein von übergeordneten Zielen und politischem Willen abhängiges
Instrument. Haughton (2007) definiert drei Phasen, in denen die transformative power der EU
durch die Konditionalitätspolitik jeweils unterschiedlich stark wirkt. Ihm zufolge ist ihre
Wirkung nach der Phase der Heranführung, aber noch vor dem Beginn von
Beitrittsverhandlungen am deutlichsten sichtbar. In dieser zweiten und demnach
bedeutendsten Phase wird entschieden, ob Verhandlungen aufzunehmen sind oder nicht.
Steunenberg und Dimitrova (2007: 6) verweisen in diesem Zusammenhang auf das
Gefangenendilemma: Für den Beitrittskandidaten lohnen sich Reformanstrengungen vor
allem, so lange es kein festes Beitrittsdatum gibt. Nach diesem Fixpunkt verliert die
Konditionalität rapide an Wirkung (ebd.: 9). Dementsprechend lohnt es sich für die EU, den
Weg zum Beitritt möglichst lang offen zu halten, wodurch jedoch die Glaubwürdigkeit der
Beitrittsperspektive eingeschränkt wird. Neben diesen taktischen Überlegungen, die den
Willen der Beitrittsaspiranten betreffen, können interne Faktoren (z.B. Mangel an
Souveränität
oder
demokratischer
Qualität)
die
Kapazität
der
Beitrittskandidaten
einschränken, EU-Regeln umzusetzen (Noutcheva 2006a, b).
Die Anwendung der EU-Konditionalität in der Erweiterungspolitik erfolgte oft nicht
konsistent. Es zeigt sich, dass die EU nicht als bürokratische Akteurin auftritt, wenn es um die
12
Einlösung
versprochener
Anreize
geht.
Stattdessen
ist
die
Anwendung
des
Konditionalitätsprinzips derart politisiert, dass es nicht selten zu Abweichungen kommt
(Kochenov 2008, Veebel 2009, Zuokui 2010: 94, Anastasakis/Bechev 2003: 9, Smith 2003:
110f.). Herausragend in diesem Zusammenhang ist die vergleichende Fallstudie der EUBeziehungen zu den Westbalkanstaaten von Luckau (2011). Sie untersucht, ob die
fortschreitenden vertraglichen Beziehungen auf dem Weg zur Mitgliedschaft mit den
Fortschritten des jeweiligen Beitrittsaspiranten korrelieren. Wird der Anreiz dann (und nur
dann) gewährt, wenn die Konditionen der EU erfüllt wurden? Diese Frage muss aus ihrer
Sicht verneint werden.
Nicht nur die Konsistenz der Anwendung ist eine politische Entscheidung und damit kein
Automatismus, sondern auch die Bedingungen selbst werden von der EU variabel
interpretiert:
„The criteria applied to CEE have changed as the EU’s very general Copenhagen conditions have been
elaborated and interpreted in several stages, resulting [i]n an increasingly detailed policy agenda for
applicants. Conditionality for membership is complicated by the EU’s role as both player and referee in
the accession process“ (Grabbe 1999: 30).
Die EU hat das Konditionalitätsprinzip nach der erfolgreichen Erprobung im Zuge der
Erweiterungen 2004/07 auch in die Nachbarschaftspolitik übernommen. Die Konzeption wird
deshalb im Lichte der Beitrittskonditionalität untersucht (Kelley 2006, Sasse 2008). Im
Vergleich zur Erweiterungspolitik nimmt Konditionalität in der ENP weniger Raum ein. Sie
wird auch in der Literatur als eines unter mehreren Elemente betrachtet. Denn ergänzend setzt
die ENP stärker auf das horizontale Instrument der Sozialisierung: „As with enlargement, the
EU is therefore trying to strike a balance between conditionality and soft diplomatic
socialization“ (Kelley 2006: 35f.). Die Nachbarschaftskonditionalität ist weniger ein Mittel
zur
Durchsetzung
von
EU-Regeln,
sondern
vielmehr
ein
loser
Rahmen
für
Sozialisierungsprozesse (Sasse 2008: 296), der den Partnerstaaten Orientierungshilfe auf dem
Weg zu Reformen bietet. Sozialisierungsprozesse, vor allem in Form von Netzwerken,
erhalten größere Bedeutung. Damit soll die fehlende Beitrittsperspektive kompensiert werden
(Lavenex 2008, Lavenex et al. 2007). Folglich verschwimmt die klare Grenze zwischen den
beiden Europäisierungsstrategien.
Daneben finden sich vereinzelte Fallstudien über die Auswirkungen der ENPKonditionalität. Für die Ukraine bestätigt sich die These, dass die ENP eher einen „external
reference point“ für innenpolitische Reformen bildet, als dass man ihr zwingenden
13
Reformdruck zurechnen könnte (Wolczuk 2009: 188). Dass die ENP unter bestimmten
Umständen dennoch gewisse Reformen in den ENP-Staaten bewirkt, weist eine vergleichende
Fallstudie für die Felder Energiepolitik und innere Sicherheit nach (Weber 2011).
Es finden sich aber nur wenige Arbeiten, die eine vergleichende empirische Analyse von
ENP- und Beitrittskonditionalität versuchen. Diese beziehen sich in erster Linie auf die
externe Demokratieförderung der EU (Kochenov 2008, ders. 2006, Schimmelfennig/Scholtz
2007, Smolnik 2008). Dabei kommt Kochenov (2008) zu dem Schluss, dass das
Konditionalitätsprinzip außerhalb des acquis communautaire weder in der Beitritts- noch in
der Nachbarschaftspolitik Erfolg hatte. Er beschreibt ein „non-transparent and truly byzantine
labyrinth of conditionality“ (ebd.: 7, vgl. auch Kochenov 2006)). Zwischen den
Mitgliedstaaten der EU sowie zwischen den EU-Institutionen (besonders zwischen Rat und
Kommission) besteht Uneinigkeit darüber, welche konkreten Bedingungen und Ziele in den
Kandidatenländern erreicht werden sollen. Noch deutlicher tritt dieses Problem in den
Beziehungen zu den ENP-Staaten zu Tage. Für beide Ländergruppen gilt, dass
„those candidate countries not reforming certain sectors at all were left alone, while others, trying to
follow the recommendations from the Commission ended up being constantly criticised“ (Kochenov
2008: 7).
Dieser Umstand schmälert die Bereitschaft der Zielländer, den schwammigen EU-Standards
zu entsprechen. Ein Vergleich der EU-Demokratieförderung in Mazedonien und Georgien
(Smolnik 2008) kommt zu einem gegensätzlichen Ergebnis. Demnach gelingt es der EU
durchaus, Demokratie und Rechtstaatlichkeit in Beitrittskandidaten zu fördern. Für den ENPStaat Georgien gilt hingegen, dass „Anreize unterhalb der Beitrittsperspektive keinen
nennenswerten Einfluss hatten und eine Übernahme von EU-Regeln nicht veranlassen
konnten“ (ebd.: 82).
Es zeigt sich also dreierlei: Erstens sind empirische Arbeiten über die Einsatz und
Beschaffenheit von EU-Konditionalität vor allem in der Nachbarschaftspolitik dünn gesät.
Die Anwendung des Konditionalitätsprinzips als politischer Prozess blieb als black box
weitgehend außerhalb des Forschungsinteresses. Zweitens kommen die Autoren sowohl in
den Betrachtungen über die Anwendung der Konditionalität als auch bei der Einschätzung
ihres
Erfolgs
zu
widersprüchlichen
Ergebnissen.
Ein
Vergleich,
wie
das
Konditionalitätsprinzip in verschiedenen (acquis-) Politikfeldern und unterschiedlichen
Ländergruppen (Beitrittskandidaten vs. ENP-Staaten) implementiert wird, ist drittens kaum
Gegenstand der Forschung. Genau diese Frage nach der Anwendung von Konditionalität
14
drängt sich jedoch auf. Warum und inwiefern ein solcher Vergleich von Beitritts- und
Nachbarschaftskonditionalität möglich und sinnvoll ist, erörtert das folgende Kapitel.
2.5 Zur Vergleichbarkeit von Beitritts- und Nachbarschaftskonditionalität
Die Vergleichbarkeit von Beitritts- und ENP-Konditionalität ist nicht ohne weiteres nahe
liegend. Auf den ersten Blick erscheint eine vergleichende Betrachtung sogar unsinnig, da
sich die beiden Politiken in ihrer Zielrichtung maßgeblich unterscheiden: Der konditionierte
Transfer von Werten und Normen im Rahmen der Erweiterungspolitik ist notwendige
Bedingung für die Aufnahme eines Staates in die EU. Der EU-Beitritt soll hingegen durch die
ENP gerade umgangen werden. Der Zielpunkt ist eine möglichst enge Kooperation ohne
Mitgliedschaft. Der graduelle Regeltransfer ist somit nur in gewissem Maße intendiert.
Zunächst soll deshalb betrachtet werden, welchen Stellenwert die Konditionalität in
Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik hat. Hier ist die Sichtweise der EU selbst
entscheidend. Im Anschluss daran wird der politikwissenschaftliche Diskurs zu dieser Frage
dargestellt. Abschließend werden die Argumente zusammengefasst und bewertet sowie die
Relevanz der Arbeit begründet.
2.5.1 Das Konditionalitätsprinzip in ENP und Erweiterungspolitik
Eine ausdifferenzierte Erweiterungspolitik wurde erst nach Fall des Eisernen Vorhangs auf
den Weg gebracht. Zwei entscheidende Veränderungen machten eine strategische
Herangehensweise an Erweiterungen nötig: Erstens gab es nach den friedlichen Revolutionen
in Mittelosteuropa schlagartig eine große Anzahl beitrittswilliger Staaten. Diese hatten
angesichts der dreifachen Transformation von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft eine lange
Wegstrecke bis zur Beitrittsfähigkeit zurückzulegen (Nugent 2004: 43). Zweitens führte der
Maastricht-Vertrag zu einer qualitativen Vertiefung der Integration. In der Folgezeit haben,
für die Beitrittsaspiranten von großer Bedeutung, Umfang und Komplexität des acquis stetig
zugenommen (Maresceau 2003: 10f.).
Die Entwicklung einer ausdifferenzierten Erweiterungspolitik trägt dem Bestreben
Rechnung, die Eigendynamik der Erweiterung politisch kontrollierbar zu machen und
gleichzeitig an möglichst objektiven Kriterien auszurichten (Kohler-Koch et al. 2004: 306).
Seit 2006 können die Prinzipien der Erweiterungsstrategie unter dem Schlagwort der „drei K“
zusammengefasst werden (KOM 2005b: 13): Konsolidierung der Erweiterungspolitik, eine
verbesserte Kommunikationsstrategie und das Prinzip der Konditionalität.
15
Der Weg eines Landes zum Beitritt ist ein langer Prozess, der in fünf Abschnitte unterteilt
werden kann (Lippert/Umbach 2005). Zunächst werden die bilateralen Beziehungen zu dem
Beitrittsaspiranten etwa durch Handels- und Kooperationsabkommen formalisiert. Das Land
erhält
zudem
Zugang
zu
Fördermitteln
(z.B.
PHARE).
Der
Abschluss
von
Assoziierungsabkommen markiert den Übergang in die zweite Phase, Voraussetzung ist die
Verwirklichung der politischen und wirtschaftlichen Kopenhagen-Kriterien (Europäischer Rat
1993: 13). Mit der dritten Phase beginnt die offizielle Heranführungsstrategie. Sie zielt im
Wesentlichen auf eine schrittweise Übernahme des acquis und insbesondere auf die
„Anpassung der Verwaltungsstrukturen“, um Primär- und Sekundärrecht der EU auch
tatsächlich umsetzen zu können (Europäischer Rat 1995, Smith 2003: 115). Am Beginn der
offiziellen Beitrittsverhandlungen (Phase vier) steht das screening. Es wird systematisch
überprüft, inwieweit der in Kapitel unterteilte acquis communautaire implementiert ist.
Jährliche Berichte weisen auf Fortschritte und verbleibende Aufgaben hin. Um die
Beitrittskandidaten bestmöglich zu fördern, werden Beitrittspartnerschaften geschlossen. In
mehrjährigen Programmen sind kurz- und mittelfristige Ziele formuliert. Jedes Jahr
veröffentlicht die Kommission Fortschrittsberichte, in denen sie die Ergebnisse bewertet, die
Programme aktualisiert und Empfehlungen für die künftige Politikgestaltung gibt. Nach
Abschluss der Verhandlungen und Unterzeichnung der Beitrittsverträge gibt es meist (und in
zunehmendem Maße) einen zeitlichen Puffer, bis die Verträge in Kraft treten (Phase fünf).
Daneben werden häufig Übergangsfristen für einzelne Bereiche des acquis (z.B.
Arbeitnehmerfreizügigkeit) ausgehandelt. Beides soll gewährleisten, dass der gemeinsame
Besitzstand möglichst vollständig umgesetzt ist, bevor das Land Vollmitglied der EU wird.
Als Bedingung für die Vollmitgliedschaft wurde ein immer komplexerer Kriterienkatalog
entwickelt. Hervorzuheben sind zunächst die Kopenhagener Kriterien, die Demokratie und
Rechtstaatlichkeit, marktwirtschaftliche Prinzipien und die Übernahme des acquis einfordern.
Dem wurde 2002 die Erweiterungsfähigkeit der EU selbst hinzugefügt (Lang/Schwarzer
2007). Speziell von den Westbalkanstaaten wird die uneingeschränkte Kooperation mit dem
UN-Kriegsverbrechertribunal
(ICTY)
und
5
Sonderübereinkommen für einzelne Staaten
die
Einhaltung
der
politischen
verlangt. In Zusammenhang damit sind
ernsthafte Möglichkeiten zur Rückkehr von Flüchtlingen zu schaffen. Außerdem wurde die
5
Dies betrifft den UN-Sicherheitsratsbeschluss für das Kosovo, die Dayton-Abkommen für BosnienHerzegowina, das Rahmenabkommen von Ohrid für Mazedonien und das Abkommen von Belgrad für Serbien
und Montenegro (Altmann 2005: 22).
16
Vertiefung regionaler Kooperationen als Ziel für die Westbalkanstaaten stärker betont
(Mazrreku 2009: 115).6
Die Mitgliedschaft in der EU ist jedoch nicht der einzige Anreiz, der den
Beitrittsaspiranten geboten wird. Den Kandidatenländern sollen schon während des
Beitrittsprozesses Angebote vertiefter Beziehungen zur EU gemacht werden. Wichtige
Integrationsschritte sind hier etwa die Liberalisierung des Reiseverkehrs und zunehmende
Integration in den Binnenmarkt. Außerdem ist der Beitrittsprozess begleitet durch weit
reichende finanzielle Förderung durch das Instrument für Heranführungshilfe (IPA). All diese
Leistungen werden ebenfalls an Bedingungen geknüpft. Das Konditionalitätsprinzip wird
somit nicht bei der Verhandlung des Beitritts angewandt, sondern erstreckt sich auch auf
Integrationsschritte während des Beitrittsprozesses.
Die einzigen Voraussetzungen, die die EU-Verträge für eine Mitgliedschaft formulieren,
sind die Achtung und Förderung der gemeinsamen Werte und die Eigenschaft als
europäischer Staat (Art. 49 i.V.m. Art. 2 EUV). Damit besteht auch für die Ukraine eine
zumindest hypothetische Beitrittsperspektive, die vonseiten der EU bisher auch nicht
ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Es ist aber höchst zweifelhaft, ob sich die EU dauerhaft
dem Beitrittswillen einiger europäischer ENP-Staaten wird verwehren können (Lippert 2007:
69f.). Für den Moment gilt jedoch, dass sich die EU „mit neuen Zusagen zurückhaltend“
verhält (KOM 2006c: 3).
Vorerst stehen die Beziehungen zu den osteuropäischen Staaten daher unter dem Dach der
ENP. Sie wurde als Reaktion auf die Osterweiterungen auf den Weg gebracht, um eine
umfassende Strategie gegenüber den neuen Nachbarstaaten im Osten zu gestalten und dabei
neue Trennlinien in Europas Osten zu vermeiden. Stattdessen wird die Verbreitung von
Sicherheit, Stabilität und Wohlstand als Ziel definiert (KOM 2004b: 3, Piehl 2010: 335,
Fröhlich 2008: 245ff.). Die Mittelmeeranrainer und die Staaten des südlichen Kaukasus
wurden 2004 in die ENP einbezogen, so dass sie nunmehr 16 Staaten7 umfasst. Vor allem auf
Initiative Polens und als Antwort auf die Gründung der Union für das Mittelmeer wurde mit
der ÖP ein Konzept entwickelt, das innerhalb der ENP die Besonderheiten der östlichen
Nachbarn stärker in den Blick nimmt (Vobruba 2007: 7ff., Piehl 2010, Böttger 2010).
6
Eingebettet ist dieser Regionalansatz in den multilateralen Stabilitätspakt für Südosteuropa und ab 2008 in
dessen Nachfolgeorganisation, den Regionalen Kooperationsrat für Südosteuropa (SEECP).
7
Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen, Ägypten, Israel, Palästinensische Autonomiegebiete, Jordanien, Syrien,
Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldova, Ukraine, Belarus, wobei mit Belarus und mit Libyen unter der
Herrschaft Gaddafis keine offiziellen Beziehungen bestehen bzw. bestanden.
17
Die ENP greift auf hierarchische Elemente der Erweiterungspolitik zurück: Es werden
Prioritäten und benchmarks entwickelt, Länderberichte erstellt und ein enges monitoring
verfolgt. Gute Ergebnisse sollen im Rahmen einer positiven Konditionalität belohnt werden.
Diese Elemente werden ergänzt durch horizontale Strukturen: Die Aktionspläne werden
gemeinsam mit den ENP-Staaten ausgehandelt (joint ownership), gemeinsame Komitees auf
parlamentarischer und Ministerebene begleiten den Prozess, zivilgesellschaftliche und
regionale Akteure sollen einbezogen und gefördert werden (Zorob 2007; Smith 2005; Rhein
2007, Kahl 2007).
Auf der Angebotsseite stehen die Integration in den Binnenmarkt, Visaerleichterungen
und Teilhabe an weiteren Politiken der EU, also „the idea of ‚sharing everything but
institutions’“ (Prodi 2002: 6). Außerdem werden im Rahmen des Europäischen
Partnerschaftsinstruments (ENPI) knapp 12 Mrd. Euro für die 16 Staaten für den Zeitraum
2007-2013 bereitgestellt. Aktuell werden mit den ‚best performern’ Moldova und der Ukraine
Assoziierungsabkommen
verhandelt,
die
nicht
nur
dem
Namen
nach
einem
Beitrittsabkommen recht nahe kommen (Kirsch-van de Water 2011: 1). Diese Verträge
schließen vertiefte und umfassende Freihandelsabkommen (Deep and Comprehensive Free
Trade Agreement DCFTA) ein und stellen baldige Visumfreiheit in Aussicht.
Das Prinzip der Konditionalität ist von Beginn an Teil des Konzepts. Bei
„nachgewiesenen konkreten Fortschritten der Verwirklichung“ der europäischen Werte8
sowie „politischer, wirtschaftlicher und institutioneller Reformen“ wird den Ländern die
schrittweise Integration in den EU-Binnenmarkt in Aussicht gestellt (KOM 2003a: 4). Neben
der Teilhabe am gemeinsamen Markt wird die Perspektive langfristiger Visaerleichterungen
eröffnet, daneben auch die Teilnahme an ausgewählten Politiken der EU (z. B. Energie,
Verkehr). Den gemeinsamen Besitzstand der EU zu übernehmen wird als Vorbild und –
zumindest langfristig – als Ziel definiert. Die Anreize sollen nach dem Prinzip der positiven
Konditionalität gewährt werden, Sanktionen sind hingegen nicht vorgesehen:
„Neue Vorteile sollten nur angeboten werden, um den von den Partnerländern bei den politischen und
wirtschaftlichen Reformen erzielten Fortschritten Rechnung zu tragen. Sind keine Fortschritte
festzustellen, so werden den Partnern diese Möglichkeiten nicht geboten“ (KOM 2003a: 16).
Die Konditionalität betreffend wird unterschieden zwischen dem Grad, „inwiefern die
gemeinsamen Werte tatsächlich geteilt werden“ (KOM 2004b: 14) und „der Erfüllung der
8
wie in Art. 2 des EU-Vertrags dargelegt: Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit,
Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte, besonders Minderheitenrechte.
18
festgelegten Prioritäten“ (ebd.: 9) in den einzelnen Politikbereichen. Diese Bedingungen
ähneln stark den Kopenhagener Kriterien der Erweiterungspolitik. Diese Voraussetzungen
gelten auch für die finanzielle Unterstützung durch das neu geschaffene Europäische
Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument (ENPI; ebd.: 27).
Nach 2007 werden die gebotenen Anreize viel deutlicher mit konkreten Reformen in
bestimmten Bereichen in Verbindung gebracht als mit der Verwirklichung abstrakter Werte:
„Die ENP repräsentiert den Typus einer reformorientierten Partnerschaft, die der Maxime folgt „je mehr
– desto besser“, d.h., je mehr der Partner auf die Union zugeht, desto besser fährt er mit dem, was die
Europäische Union ihm politisch und wirtschaftlich sowie im Wege finanzieller und technischer
Zusammenarbeit dafür bieten kann“ (KOM 2007b: 2).
Daraus kann gefolgert werden, dass die EU die Verinnerlichung dieser Werte zunehmend
auch als Folge der engen Zusammenarbeit mit den ENP-Partnern ansieht und nicht
ausschließlich als Vorleistung, die es zu erbringen gilt.
Im Zuge der Unruhen in vielen Staaten Nordafrikas haben die Kommission und die Hohe
Vertreterin erste Anpassungen ihrer Strategie vorgenommen, um Eine neue Antwort auf eine
Nachbarschaft im Wandel geben zu können. Neben dem Willen zu mehr Flexibilität wird vor
allem der partnerschaftliche Ansatz der ENP stärker betont. Beides lässt sich besonders an
den Aussagen über gemeinsame Werte ablesen:
„Es ist zwar nicht die Absicht der EU, ihren Partnern ein vorgefertigtes Modell für ihre politischen
Reformen aufzudrängen, doch sie wird darauf bestehen, dass der Reformprozess in jedem Partnerland auf
einem eindeutigen Bekenntnis zu den universellen Werten gründet, die unserem neuen Ansatz zugrunde
liegen. Die Initiative liegt bei den Partnern, und die EU wird ihre Unterstützung entsprechend ausrichten“
(KOM/Hohe Vertreterin 2011a: 3).
Besonders die Zusammenarbeit in Wirtschaft und Handel, hin zu einer graduellen Integration
in den EU-Binnenmarkt, ist hingegen nach wie vor abhängig von der „stärkere[n]
Angleichung an EU-Politiken und –Vorschriften“ (ebd.: 3). Allerdings ist in den
Aktionsplänen künftig eine „begrenzte Zahl kurz- und mittelfristiger Prioritäten“ vorgesehen,
die durch „präzisere Benchmarks und eine klarere Abfolge der Maßnahmen“ verwirklicht
werden soll (ebd.: 22). Auch die Anwendung des ENPI soll konkreter auf einzelne Politiken
angewandt werden, wobei eine strengere Konditionalität umzusetzen wäre. Ziel der neuen
Ausrichtung ist es, die ENP stärker auf den Stand der Beziehungen zu den einzelnen Staaten
auszurichten und in diesen bilateralen Beziehungen mehr Kohärenz zu erreichen.
19
Diese Betrachtungen zeigen mehrere Gründe auf, die einen Vergleich von Beitritts- und
ENP-Konditionalität rechtfertigen. Erstens definiert die EU selbst Konditionalität als ein
Kernprinzip sowohl der Erweiterungspolitik als auch der ENP. Mehr noch, sie proklamiert,
Konditionalität in beiden Politiken gleichermaßen zu verfolgen. Zweitens bezieht sich die
Beitrittskonditionalität nicht nur auf das Maximalziel der Mitgliedschaft, sondern wird ebenso
auf Integrationsschritte während des Beitrittsprozesses angewandt. Diese Integrationsschritte,
drittens, sind in Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik sehr ähnlich. Große Bedeutung wird
beispielsweise der Visaliberalisierung und der Binnenmarktintegration beigemessen.
2.5.2 Wissenschaftliche Perzeption der Vergleichbarkeit
In der Literatur wird Nachbarschaftskonditionalität im Lichte der Beitrittskonditionalität
betrachtet. Dabei wird besonders auf den Prozess der Politikformulierung hingewiesen. Es
wird
verglichen,
inwieweit
die
ENP
evolutionär
als
Fortentwicklung
der
Erweiterungsstrategie zu sehen ist (Kelley 2006, Sasse 2008). Die ENP ist, zumindest was die
Konditionalität betrifft, nach dem Muster der Erweiterungspolitik entworfen (Dembinski
2011: 136, Tulmets 2007a: 57ff.). Die Gründe hierfür liegen unter anderem in der personellen
und institutionellen Kontinuität. So war die ENP zunächst der Generaldirektion für
Erweiterung zugeordnet und ist es heute wieder. Vor allem auf der Ebene der Beamten zeigte
diese Kontinuität entsprechende Wirkung.
This framework for discussion and comparison is written into the ENP itself, as the policy is clearly
modelled on the institutional and procedural experience of the EU’s recent rounds of enlargement“ (Sasse
2008: 296).
In den meisten Fällen wird die Konzeption der ENP mit jener der Erweiterungspolitik
verglichen. Dabei wird angemerkt, dass die Wirkung der ENP sowohl hinter den Erwartungen
als auch hinter den Erfolgen der Erweiterungspolitik zurückbleibt (Vobruba 2010).
Zurückgeführt
wird
dies
auf
die
Beschaffenheit
des
jeweils
angewandten
Konditionalitätsprinzips und hier vor allem auf die Verschiedenheit der Angebote. Viele
Autoren kommen zu dem Schluss, es handele sich im Falle der ENP um keine echte
Konditionalität: „Even though there is no real conditionality, we find ‚conditionality-inspired
instruments’“ (Gawrich et al. 2009: 12). Das „Phantom-Zuckerbrot“ (O’Donnel 2007),
nämlich die nicht vorhandene Beitrittsperspektive, lässt die nötige Anziehungskraft
vermissen, um die Konditionen der EU durchzusetzen. Gleichzeitig fehlen Möglichkeiten der
Sanktionierung (Hrisoskulov 2010: 82). Dennoch könne die ENP begrenzte Erfolge
20
entwickeln, wenn „der adressierte Staat dem Phantom-Zuckerbrot der fernen Mitgliedschaft
hinterher rennt“ (ebd.:102). Für die Ukraine sei dies besonders zutreffend. Sasse (2009)
spricht in Zusammenhang mit der ENP von „conditionality lite“. Aus dieser Perspektive wird
die Vergleichbarkeit von Beitritts- und Nachbarschaftskonditionalität aufgrund der elementar
verschiedenen Anreize verneint oder zumindest stark in Zweifel gezogen.
Eine andere Sichtweise fokussiert stärker auf die Instrumente der beiden Politiken.
Konditionalität ist ein Kernbestandteil der ENP, auch wenn sie konzeptionell ergänzt wird
durch sozialisierende Mechanismen. Jedoch spielen
„Partnerschaft und Eigenverantwortung eine geringere Rolle. Letztendlich dienen die Begriffe als
Feigenblatt zur Rechtfertigung einer Politik, die sich immer noch stark auf die Konditionalität stütz, um
Werte und Normen zu verbreiten“ (Tulmets 2007b: 109f.).
Börzel und Risse (2004) vergleichen diverse Programme der EU zur Demokratieförderung.
Sie stellen bezüglich der Instrumente und Anreize große Ähnlichkeiten fest. Diese geben zwar
noch keinen Aufschluss über den Erfolg des Demokratieexports in verschiedenen Regionen,
ermöglichen jedoch einen Vergleich. Nach der Osterweiterung 2004 bedarf es einer weniger
scharfen Trennung zwischen Beitrittskandidaten und jenen Staaten, denen die Mitgliedschaft
verwehrt wird. Hier sei angemerkt, dass ein Vergleich von ENP-Staaten und den Staaten der
Osterweiterung tatsächlich weniger ertragreich wäre, befinden sich die europäischen ENPStaaten doch auf einem deutlich niedrigeren Entwicklungsniveau. Außerdem ging die
Leistungsbereitschaft, das commitment der EU über das heutige Maß (gegenüber den
Westbalkanstaaten) hinaus (Kelley 2006: 41ff.). Nach Morlino und Magen (2004: 4f.) ist seit
der ersten Osterweiterung deshalb eine stärker ausdifferenzierte Betrachtung angebracht. Sie
entwickeln fünf Kategorien:
a. Klassische Beitrittskandidaten, mit denen Verhandlungen eröffnet wurden (z.B.
Türkei9);
b. Kandidaten, die auf den Beginn von Verhandlungen warten (z.B. Mazedonien);
c. potentielle Beitrittskandidaten (z.B. Serbien);
d. europäische ENP-Staaten (z.B. Ukraine);
e. nicht-europäische ENP-Staaten (z.B. Marokko).
Einen systematischen Vergleich der Strategien gegenüber diesen Staaten halten die Autoren
nicht nur für sinnvoll sondern für geboten. stellt in diesem Zusammenhang fest:
9
Gerade das Beispiel Türkei zeigt, dass nicht einmal der Beginn von Verhandlungen einen Beitritt
wahrscheinlicher macht. Die Kategorisierung gibt damit keine Auskunft über eine Reihenfolge künftiger
Erweiterungen.
21
„Die Ähnlichkeit der verschiedenen EU-Programme macht einen Vergleich der politischen
Konditionalität möglich. Während vor allem Anfang der 1990er Jahre die Beitrittsprozesse der OME und
der drei südosteuropäischen Länder einen Vergleich des Einflusses der politischen Konditionalität mit
den anderen postsozialistischen Staaten nur bedingt zuließen, bietet sich ein Vergleich der
unterschiedlich modulierten, in ihren Grundsätzen aber doch sehr ähnlichen Programme mittlerweile an“
(Smolnik 2008:18).
Eine solche vergleichende Perspektive wurde in den letzten Jahren in der EUDemokratisierungsforschung deutlich stärker verfolgt. Genannt seien die Sammelbände von
Youngs (Hrsg., 2010) Jünemann/Knodt (Hrsg., 2007) sowie Morlino/Sadurski (Hrsg., 2010).
Diese Argumentation gilt nicht nur für die Demokratisierungspolitik der EU. Sie lässt sich
übertragen auf den Export von Werten und Normen, der in einzelnen Politikfeldern intendiert
ist. Dazu will die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten.
2.5.3 Begründung der Vergleichbarkeit von ENP- und
Beitrittskonditionalität
Über die Beitrittsperspektive als fundamentaler Unterschied zwischen ENP und
Erweiterungspolitik kann und soll nicht hinweggesehen werden. Jedoch weißt Sedelmeier
(2006: 12) zu Recht darauf hin, dass nicht die Beitrittsperspektive entscheidend ist für die
Größe des Anreizes. Vielmehr ist die Glaubwürdigkeit der Beitrittsperspektive von
Bedeutung. An dieser Stelle sind die Erfahrungen der Osterweiterungen 2004/2007 nicht ohne
weiteres auch auf die Westbalkanstaaten zu übertragen.
Zunächst hat sich die Haltung der EU und der Mitgliedstaaten gegenüber potentiellen
Neumitgliedern deutlich verändert (Schimmelfennig 2008: 919). Die Aufnahmefähigkeit der
EU wird nicht länger als selbstverständlich vorausgesetzt. Die Kommission will künftig für
jede Erweiterung eine Folgenabschätzung erstellen, die die Auswirkungen auf die
Institutionen, auf den Haushalt und auf die Politiken der EU berücksichtigt. Dabei ist
anzumerken, dass sich die institutionelle Konsolidierung nach dem „Big Bang“ der
Osterweiterungen äußerst schwierig gestaltete und noch immer nicht abgeschlossen ist
(Oppelland 2010, Birk 2011: 44). Die Erweiterungsmüdigkeit einiger Staaten und auch
einiger Teile der Bevölkerungen kann nicht geleugnet werden. Die Hürden für weitere EUBeitritte wurden erhöht, nämlich durch die größere Anzahl der jetzigen Mitglieder, die einem
Beitritt im Rat einstimmig beschließen und den Beitrittsvertrag ratifizieren müssen. Aber auch
nationale Gesetze, wie etwa die Möglichkeit der Volksabstimmung in Frankreich, erschweren
22
weitere Beitritte, auch wenn sich dieses Hindernis explizit auf den möglichen Beitritt der
Türkei bezieht.10
Außerdem werden Erweiterungen zunehmend als ein Mittel interessengeleiteter
Außenpolitik angesehen, was Lippert (2010: 456) als „sicherheitspolitische Wende“
beschreibt. In Bezug auf den Westbalkan soll die Erweiterungsperspektive eine
friedenssichernde und stabilisierende Funktion erfüllen und damit das Maß an Sicherheit für
die EU selbst erhöhen (ebd., Helmerich 2008: 351ff., Friis/Murphy 2000). Demgegenüber
waren die Osterweiterungen im Verständnis vieler eine historische Chance, die Teilung des
Kontinents durch den Eisernen Vorhang zu überwinden und das Ideal eines einigen,
„vollständigen“ Europas herzustellen (Sedelmeier 2005, Schimmelfennig 2005).
Die Zugehörigkeit zu Europa wird ohne Zweifel auch den Balkan-Staaten zugestanden.
Dennoch kann der Erweiterungsprozess hier eher unter pragmatischen Gesichtspunkten denn
als ein visionäres Projekt betrachtet werden. Für die Balkanstaaten ist ein multi-dimensionaler
Ansatz auszumachen, der auf Aussöhnung, Wiederaufbau und Reform setzt (reconciliation,
reconstruction, reform). Diese drei Ziele sind dem Beitritt der Balkan-Staaten zur EU nicht
ausdrücklich untergeordnet. Vielmehr gerät die Beitrittspolitik der EU zum Mittel zum
Zweck, um Stabilität auf dem Balkan zu erreichen. Folglich ist die Erweiterung nicht das
vordergründige oder zumindest nicht das ausschließliche Ziel der EU (Anastasakis/Bechev
2003: 8). Im Vergleich zu den Erweiterungsrunden 2004 und 2007 ist das Vorgehen der EU
weniger verbindlich.
Demzufolge besteht die Gefahr, dass sich die Interessen der EU verschieben und sie sich
stärker anderen Regionen zuwendet. Die Westbalkanstaaten könnten ‚überholt’ oder
‚verdrängt’ werden. Außerdem ist es möglich, dass der Beitrittsprozess ins Stocken gerät,
sobald das primäre Ziel, nämlich die Stabilisierung des Balkans, erfüllt ist. Anzeichen dafür
sind schon heute erkennbar:
„[T]here are signs of ‘Balkan fatigue’ –not to mention ‘enlargement fatigue’ in many Western capitals;
the levels of financial support under existing programmes are decreasing and, with the shift of focus to
other priorities and regions, the trend of disengagement is likely to be exacerbated. The successor states
of Tito’s Yugoslavia […] now face the threat of sustained marginalisation“ (Anastasakis/Bechev 2003:
4f.).
10
2005, nach dem „Non“ der Franzosen zum EU-Verfassungsvertrag, wurde die französische Verfassung
dahingehend geändert, das über jede EU-Erweiterung ein Referendum abzuhalten ist. Drei Jahre später folgte die
Spezifizierung, dass dies nur Kandidaten anbelangt, deren Einwohnerzahl mehr als 5 % der EU-Bevölkerung
beträgt, was nur auf die Türkei zutrifft (Belloni 2009: 30).
23
Diese Veränderungen bekam Mazedonien von Beginn an zu spüren: „In early 2004
Macedonia submitted its application for EU membership, but then […] it was caught in the
European soul-searching process […]“ (Belloni 2009: 15f.). Zwar ist das Land seit 2005
offizieller Beitrittskandidat, für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen gibt es aber trotz
eindringlicher Bejahung durch die Kommission bisher kein Votum des Rates.11 Es ist
augenscheinlich, dass die Aufnahme in die EU für Mazedonien eher eine langfristige
Perspektive als die nähere Zukunft ist. Die glaubwürdige und realistische Beitrittsperspektive,
wie sie den mittelosteuropäischen Staaten eingeräumt wurde, ist für die Westbalkanstaaten
zur „less certain carrot“ (Anastasakis/Bechev 2003: 4) bzw. „silver carrot“ (van Meurs 2005:
100) geworden.
Zusammenfassend sind zwei Entwicklungen zu beobachten. Erstens befindet sich die EU
nach den letzten Erweiterungen in einem institutionellen Konsolidierungsprozess. Fragen
nach Ziel und Richtung der künftigen Integration, nach der demokratischen Legitimierung
von Entscheidungen und nach dem Umgang mit beitrittswilligen Staaten sind nicht geklärt.
Alternativen zur Aufnahme weiterer Staaten als Vollmitglieder werden diskutiert.12 Damit
„hat sich die konzeptionelle Debatte über die Zukunft der Erweiterungspolitik ins Feld der
Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) verlagert“ (Lippert 2010: 455; vgl. auch Alsen
2009).
Zweitens ist der Beitritt für die jetzigen und die potentiellen Kandidaten keine
Selbstverständlichkeit mehr. Zumindest die zeitliche Perspektive, wenn nicht gar der Ausgang
der Verhandlungen, ist nicht absehbar. Der Fokus verschiebt sich in Richtung der Angebote,
die schon während des Beitrittsprozesses in Aussicht stehen. Ein Vergleich ist daher vor allem
in den Bereichen möglich und sinnvoll, in denen sich die Angebote der EU an die
Beitrittskandidaten und an die europäischen ENP-Staaten stark ähneln. Für die
Zusammenarbeit auf den Feldern der Visa- und der Binnenmarktspolitik gilt das in
besonderem Maße. Der Weg der Visaliberalisierung mit den Westbalkanstaaten dient der
Ukraine
sogar
als
Vorbild,
als
Muster
für
die
eigenen
Reformanstrengungen
(Petronijevic/Jelacic 2011; Sushko 2011). Bevor jedoch im Detail auf die beiden Politikfelder
11
Der Namensstreit mit Griechenland kann hierfür nur bedingt als Erklärung angeführt werden. Unbestritten ist,
dass die griechische Regierung seit der Unabhängigkeit Mazedoniens auf einer Umbenennung besteht und eine
Aufnahme in die EU und in die NATO blockiert. Der IGH entschied am 05.12.2011, dass Griechenland gegen
das Interimsabkommen von 1995 verstieß, indem der NATO-Beitritt unter dem Namen FYROM blockiert
wurde. Die EU nimmt sich dieses Konfliktes nur zögerlich an. Verhandlungen zwischen beiden Staaten werden
unter Schirmherrschaft der UN geführt. Es bleibt abzuwarten, inwieweit das Urteil des IGH den Verhandlungen
neue Dynamik verleiht (Axt 2010, Schlötzer 2011).
12
Einen Überblick über theoretische Konzepte differenzierter Integration, ihre Diskussion in der Wissenschaft
und Ansätze der praktischen Umsetzung bietet Birk 2011.
24
eingegangen wird, ist das folgende Kapitel 3 den Beziehungen der EU mit der Ukraine und
Mazedonien gewidmet.
3. Die Beziehungen der EU zu Mazedonien und zur Ukraine
Mazedonien und die Ukraine schafften zu Beginn der 90er Jahre den Sprung in die
Unabhängigkeit. Engere Beziehungen zur EU entwickelten sich jedoch nur langsam, beide
Staaten standen zunächst außerhalb des näheren Einflussgebiets der EU. Dies änderte sich
infolge der sich abzeichnenden Osterweiterung und der zunehmenden Präsenz der EU auf
dem Balkan. Dieses Kapitel zeichnet die Beziehungen der EU zu den beiden Staaten nach und
legt den Schwerpunkt dabei auf vertragliche Verbindungen.
3.1 Entwicklung der europäisch-mazedonischen Beziehungen
Mazedonien gelang als einziger Nachfolgestaat der Sozialistischen Föderativen Republik
Jugoslawien
(SFRJ)
ein
friedlicher
Systemübergang.
Trotz
der
wirtschaftlichen
Rückständigkeit und der schwerwiegenden Konflikte in den Nachbarländern gelang es, relativ
stabile demokratische Institutionen aufzubauen. Dies ist umso erstaunlicher, als das der
Nationenbildungsprozess der Mazedonier als nicht konsolidiert betrachtet werden muss. Auch
das Zusammenleben von Mazedoniern und Albanern gestaltete sich schon innerhalb der SFRJ
schwierig. Eine zusätzliche Belastung bedeuteten die mehr als 300 000 kosovarischen
Flüchtlinge, die während des Kosovo-Kriegs nach Mazedonien kamen. Im Jahr 2001
eskalierten schließlich die Konflikte zwischen Mazedoniern und Albanern.13 Es war
augenscheinlich nicht gelungen, die beiden Volksgruppen politisch und gesellschaftlich zu
integrieren. Im Gegenteil verfestigten sich monoethnische Parallelgesellschaften. Die EU trat
in dieser Situation (neben weiteren internationalen und nationalen Akteuren14) aktiv als
Krisenmanager auf, vermittelte einen Waffenstillstand und schließlich das Rahmenabkommen
von Ohrid. Der Friedensvertrag wurde knapp sieben Monate nach Ausbruch des Konflikts am
13.08.2001 unterzeichnet. Der Aufstand verlief im Vergleich zu den anderen Balkan-Kriegen
weniger blutig und war schneller beendet. In dem Rahmenabkommen sind Reformen
festgelegt, die ein friedliches Zusammenleben der beiden Völker regeln sollen, z.B. Schritte
der Dezentralisierung, Maßnahmen zur gerechten Beteiligung von Albanern und Mazedoniern
13
Für einen umfassenden Überblick über ethnische Konflikte in Mazedonien vgl. Kahl et al. 2006
Unter anderem beteiligten sich die USA und die OSZE, unter dem Kommando der NATO wurden die
Missionen „Essential Harvest“, „Allied Harmony“ und „Amber Fox“ durchgeführt. Die EU führte die „EssentialHarvest“-Mission zur Entwaffnung der Rebellen seit 2003 unter dem Namen Concordia als erste EUMilitärmission überhaupt fort. Diese Maßnahme wurde von der Polizeimission Proxima flankiert.
14
25
in Justiz, Verwaltung und Politik sowie Festlegungen zur Sprachenpolitik.15 Die EU hat die
Umsetzung des Vertrags zur wichtigen Bedingung für weitere Integrationsschritte gemacht.
Die Auseinandersetzungen, die beinahe zu einem Bürgerkrieg eskalierten, brachten jedoch
den Annäherungsprozess an die EU ins Stocken (Kocjančič 2006: 442). Denn schon seit Mitte
der 90er Jahre bemühte sich die EU recht erfolgreich um vertiefte Beziehungen zu
Mazedonien. 1995 wurden diplomatische Beziehungen aufgenommen, seit 1996 hat das Land
Zugang zu den finanziellen Hilfen des PHARE-Programms. 1998 traten mehrere Handelsund Kooperationsabkommen16 in Kraft. Grundlage für diese Verhandlungen und für die
Gewährung finanzieller Mittel waren politische und wirtschaftliche Konditionen, die im
Rahmen des regional approach (Rat 1996) und auf der Tagung des Rates im April 1997
formuliert wurden (Rat 1996 und 1997). Damit wurde das Konditionalitätsprinzip schon
angewandt, bevor die Region in den Fokus der Erweiterungspolitik geriet (Vachudova 2003:
147ff., Altmann 1998).
Auf dem Gipfel von Feira wurde Mazedonien zum potentiellen Beitrittskandidaten erklärt
(Europäischer
Rat
2000).
Im
gleichen
Jahr
wurde
der
Stabilisierungs-
und
Assoziierungsprozess mit den Ländern des Westbalkans eingeleitet, der den Rahmen für
Reformen auf dem Weg zum Beitritt dieser Staaten absteckt (Kocjančič 2006).
Konditionalität soll das leitende Prinzip für diesen Prozess sein. Mit Mazedonien wurde,
ebenfalls im Jahr 2000, das erste Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen erfolgreich
abgeschlossen. Dieses konnte wegen ausbleibender Reformschritte und infolge der Konflikte
erst vier Jahre später in Kraft treten (ABl. EU 2004a). Die Europäische Partnerschaft
bekräftigt die Bindung an die Kopenhagener Kriterien und legt kurz- und mittelfristige
Prioritäten für deren Erfüllung fest (ABl. EU 2004b). Ebenfalls 2004 beantragte das Land die
Aufnahme in die EU und wurde 2005 zum offiziellen Beitrittskandidaten erhoben. Diese
schnelle Annäherung an europäische Strukturen ist nicht ausschließlich der Lohn für
geleistete Fortschritte, vor allem die schleppende Implementierung von Gesetzen, mangelnde
politische Kultur und die Schwäche der Zivilgesellschaft sprechen dagegen. Vielmehr ist es
der politische Wille innerhalb der EU, die Konsolidierung des Landes zu unterstützen und die
Region im Rahmen des Beitrittsprozesses zu stabilisieren (Novakova 2006, Damjanovski
2007).
15
Ausführlicher zu Inhalt und Implementierung des Abkommens vgl. Vetterlein (2010).
Kooperationsabkommen (ABl. EG 1997a), Verkehrsabkommen (ABl. EG 1997b), Abkommen über den
Handel mit Textilwaren (ABl. EG 1998b)
16
26
Gleichwohl wurden dem Land in den jährlichen Fortschrittsberichten einige Erfolge
bescheinigt. Daraufhin wurde Anfang 2006 die Europäische Partnerschaft aktualisiert (ABl.
EU 2006) und 2008 zur Beitrittspartnerschaft weiterentwickelt (ABl. EU 2008). Der
Namensstreit mit Griechenland verhindert jedoch bis heute die Aufnahme offizieller
Verhandlungen, obwohl die Kommission diese 2009 nachdrücklich empfohlen hat. Trotz
intensiver Bemühungen seitens der EU und der UN ist eine Beilegung des Konfliktes nicht in
Sicht. Aber selbst wenn offizielle Beitrittsverhandlungen in absehbarer Zeit begonnen werden
sollten, so werden bis zur Vollmitgliedschaft Mazedoniens in der EU noch einige Jahre
vergehen. Dennoch sind wichtige Fortschritte im Integrationsprozess zu verzeichnen.
Herausragend sind dabei die Erfolge im Bereich der Visapolitik. Bereits 2008 trat das
Abkommen über Visaerleichterungen in Kraft, seit Dezember 2010 besteht völlige
Visumfreiheit.
3.2 Entwicklung der europäisch-ukrainischen Beziehungen
Die Ukraine erlangte 1991 ihre Unabhängigkeit von der UdSSR. In den Folgejahren suchte
die Ukraine sowohl ihre Identität im Innern (zwischen der russischsprachigen Bevölkerung im
östlichen und der ukrainischen im Westteil des Landes) als auch ihre Zugehörigkeit im
internationalen Kontext. Das Land war Gründungsmitglied der GUS, trat aber mit der OSZE
und dem Europarat auch europäischen Organisationen bei. Mit der EU wurde 1994 ein
Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA) unterzeichnet, das vier Jahre später in
Kraft trat. In diesem Rahmen wurde 1999 eine Gemeinsame Strategie beschlossen, so dass
sich die Beziehungen verstetigten und die EU zum größten Geber für die Ukraine avancierte
(Füle 2010: 2).
Von einer intensiven und fortschreitenden Zusammenarbeit mit der EU kann zu diesem
Zeitpunkt jedoch keine Rede sein. Kutchmas Programm „European Choice“ enthält entgegen
dem Titel kein klares Bekenntnis zur EU. Vielmehr zeichnet er einen vagen und mehrdeutigen
Entwurf einer ‚konstruktiven Euro-Integration’. Einem wirklichen Fortschritt in den
Beziehungen standen vor allem die mangelhafte Umsetzung des PKA und die autoritären
Tendenzen im politischen System der Ukraine entgegen (Bos 2008, Piehl 2010).
Das Jahr 2004 brachte schließlich zwei entscheidende Veränderungen. Infolge der
Osterweiterung teilte die EU eine über 700 km lange Grenze mit der Ukraine. Hiervon bekam
die Ukraine vor allem die negativen Folgen zu spüren, etwa besteht seitdem Visumpflicht für
die Einreise nach Polen, Ungarn oder in die Slowakei. Für die EU wurde die Ukraine zur
Pufferzone der irregulären Migration, der Druck auf das ukrainische Migrations-, Asyl- und
27
Grenzschutzsystem wurde erhöht (Zimmer 2009). Ebenfalls 2004 führte die Orange
Revolution zu einem Wandel der außenpolitischen Prioritäten und weckte Hoffnungen auf
eine schnelle Annäherung an die EU. Während der Revolution hat sich die EU als
Vermittlerin zwischen dem Kutchma-Regime und den Oppositionellen engagiert und so zur
Beilegung beigetragen. In der Folgezeit traten die unterschiedlichen Erwartungen seitens der
Ukraine und der EU offen zu Tage: Der neue Staatspräsident Juschtschenko forderte
wiederholt eine Beitrittsperspektive für sein Land, die ihm aber nicht gewährt wurde.
Stattdessen wurde die Ukraine der wichtigste Partner im Rahmen der ENP, die indirekt auf
eine Alternative zur Vollmitgliedschaft abzielt (Bos 2008: 325).
Die EU verhandelte ab 2004 über die Gestaltung der Beziehungen im Rahmen der ENP.
Von Seiten der neuen ukrainischen Regierung wurde kritisiert, dass der schon vorher
unterzeichnete Aktionsplan nach den veränderten politischen Verhältnissen nicht noch einmal
neu verhandelt wurde, sondern 2005 fast unverändert in Kraft trat. Es wurden lediglich einige
langfristige Anreize eingefügt, die im Rahmen einer strikten Konditionalität erreichbar sind.
Im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger unternahm Juschtschenko konkrete Schritte, um die
abgesteckten Ziele zu erreichen. Besonders deutlich sichtbar ist dies in der Struktur der neuen
Regierung: Es wurde ein eigenes Ressort für Europapolitik geschaffen und in jedes
Ministerium ein Vizeminister für Europafragen berufen.
Weder diese Bemühungen noch die gemachten Fortschritte änderten aber die Position der
EU, von einer Beitrittsperspektive abzusehen. Stattdessen wurden der Ukraine ein vertieftes
Freihandelsabkommen und ein Assoziierungsvertrag angeboten. Letzteres erinnert dem
Namen nach an die Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit den Westbalkanstaaten,
enthält aber nach wie vor keine Beitrittsperspektive. Die Assoziierungsagenda ersetzte im
November 2009 den Aktionsplan. Wann das Abkommen unterzeichnet wird, geschweige
denn in Kraft treten kann, ist aber unklar, zumal es von allen 27 EU-Mitgliedern ratifiziert
werden muss. Auf dem Feld der Energiepolitik und in Bezug auf Visaerleichterungen gibt es
einstweilen
Fortschritte.
Seit
2010
ist
das
Land
Mitglied
der
Europäischen
Energiegemeinschaft (seit 2006 als Beobachter) und ist damit verpflichtet, die Regeln des
EU-Binnenmarktes im Energiebereich zu übernehmen. Erste Begünstigungen in der
Visapolitik und ein Rückübernahmeabkommen traten 2008 in Kraft. Ebenfalls seit 2008
besteht ein Dialog über Visafragen, der mittelfristig zu völliger Visumfreiheit für Ukrainer
führen soll. Die Ukraine ist deshalb ein wichtiger Partner und einer der Vorreiter innerhalb
der ENP geworden (Piehl 2010, Solonenko 2010).
28
Eine Zäsur auf diesem Weg stellt jedoch die Wahl Viktor Janukowytschs 2010 zum
Präsidenten dar. Seitdem sind Rückschritte in der Demokratisierung des Landes und erneute
Irritationen im europapolitischen Kurs zu verzeichnen. Entsprechend deutlicher tritt die
Annäherung an Russland hervor. Diese Tendenzen machen die Zukunft der europäischukrainischen Beziehungen ungewiss (Stewart 2010, Melnykovska 2011).
3.3 Zwischenfazit: Die Beziehungen der EU zu den beiden Staaten
Das Kapitel 3 vermittelt einen Überblick über den Rahmen der Beziehung der EU zu
Mazedonien und zur Ukraine unter besonderer Berücksichtigung der vertraglichen
Beziehungen. Diese Übersicht ist nötig, um die folgende vergleichende Analyse der Visa- und
Binnenmarktspolitik
gegenüber
der
Ukraine
und
Mazedonien
in
den
jeweiligen
übergeordneten Zusammenhang einzuordnen.
Die Darstellung der EU-Beziehungen zu Mazedonien und zur Ukraine macht deutlich,
dass beide Staaten ein vitales Interesse an einer EU-Mitgliedschaft haben. Nach deren
Unabhängigkeit wurden die EU und die europäischen Strukturen schnell zum Leitbild der
Außenpolitik. Die schwierige regionale Umgebung und innere Konflikte (im Falle
Mazedoniens) sowie eine zunehmend autoritäre Politik (bei der Ukraine) standen und stehen
einer schnellen Integration allerdings im Wege. Dennoch wurde Mazedonien zum
Beitrittskandidaten erhoben, während die Ukraine in der ENP aufging. Beide Staaten sind
‚Frontrunner’ der jeweiligen Politik. Die künftige Entwicklung Mazedoniens als auch der
Ukraine ist aber nicht im Detail absehbar.
Schon jetzt gibt es aber Politikfelder, in denen eine Annäherung der beiden Länder an die
EU zu beobachten ist. Die schrittweise Integration von Beitrittskandidaten und
Nachbarländern ist nach einem ähnlichen Muster konzipiert: Die EU verspricht Anreize, die
nach Erfüllung bestimmter Konditionen gewährt werden. Diese Arbeit stellt die Politikfelder
Visapolitik (Kapitel 4) und Binnenmarktintegration (Kapitel 5) in den Mittelpunkt. Es werden
jeweils die Anreize der EU, die Bedingungen an die Partnerländer und die konsistente
Einlösung der Anreize für Mazedonien und für die Ukraine analysiert und miteinander
verglichen.
4. Politikfeld I: Konditionalität in der Visapolitik
Integrationsschritte auf dem Gebiet der Visapolitik wurden zunächst nicht im Rahmen der EU
unternommen,
sondern
nur
zwischen
den
Teilnehmerstaaten
des
Schengener
Übereinkommens durchgesetzt. Der Abbau der Binnengrenzen zwischen diesen Staaten
29
machte die gemeinsame Kontrolle der Außengrenzen und ein gemeinsames „SchengenVisum“ zur Einreise Drittstaatenangehöriger nötig. Die gemeinsame Visapolitik steht so in
mittelbarem Zusammenhang mit der Verwirklichung des Binnenmarktes, der eben auch die
Personenfreizügigkeit umfasst. Das Schengener Übereinkommen trat 1995, zehn Jahre nach
Unterzeichnung, in fünf EU-Staaten in Kraft und bewirkte eine neue Dynamik. Schon mit
dem Amsterdamer Vertrag wurde der Schengen-Besitzstand Teil des acquis communautaire
(mit opt-out-Klauseln für das Vereinigte Königreich und Irland und mit Einschränkungen für
Dänemark), die Visapolitik wurde in die supranationale Erste Säule integriert. Die
Regelungen müssen folglich von allen Neumitgliedern akzeptiert werden, auch wenn dafür
meist entsprechende Übergangsfristen vorgesehen sind. Der Vertrag von Nizza brachte volle
Mitbestimmungsrechte für das Europäische Parlament (Shamray 2010; Trauner7Kruse 2008:
2ff.).
Für den Schengen-Raum ist geregelt, welche Drittstaatenangehörigen von der
Visumpflicht befreit sind und welche auch bei kurzzeitigem Aufenthalt visumpflichtig sind
(Abl. EG 2001). Ebenso festgelegt sind das Verfahren und die Voraussetzung zur Erteilung
von Kurzzeitvisa, die Kosten für solche, technische Details17 und die Einrichtung zentraler
Datenbanken (Visa-Informationssystem, VIS). Infolgedessen hat die EU Abkommen mit
Drittstaaten über Visaerleichterungen oder gar visumfreien Zugang geschlossen. Solche
Abkommen sind besonders attraktiv für die Nachbarstaaten der EU. Visaliberalisierungen
sind so zu einem starken Anreiz in den bilateralen Beziehungen geworden. Dies gilt auch für
Mazedonien und die Ukraine. Für beide Länder soll im folgenden Kapitel analysiert werden,
welche Angebote die EU beiden Ländern unterbreitet (4.1), welche Konditionen mit diesen
Angeboten verknüpft sind (4.2) und wie konsistent die Konditionalität umgesetzt wird (4.3).
4.1 Anreizstruktur in der Visapolitik
Zunächst wird systematisch analysiert, welche Anreize die EU der Ukraine und Mazedonien
auf dem Gebiet der Visapolitik zu welchem Zeitpunkt in Aussicht stellt bzw. gestellt hat.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Ländern werden detailliert
herausgearbeitet. Besondere Berücksichtigung erhält jeweils die Glaubwürdigkeit und
Konkretheit der Anreize. Die ausführliche Darstellung ist nötig, da nur so ein umfassendes
Bild der Konditionalität auf dem Gebiet der Visapolitik gezeichnet werden kann. Auf die
genaue Analyse der Anreizstruktur wird in den folgenden Kapiteln zurückgegriffen werden,
17
Hierunter fallen auch Bestimmungen über biometrische Daten in Reisedokumenten.
30
wenn die damit verbundenen Bedingungen (Kapitel 4.2) und die konsistente Anwendung des
Konditionalitätsprinzips in der Visapolitik (Kapitel 4.3) betrachtet werden.
4.1.1 Visapolitische Angebote an Mazedonien
Visafragen bezog die EU schon Mitte der 90er Jahre in den regional approach gegenüber den
Westbalkanstaaten ein. Sie setzte sich in diesem Zusammenhang vorrangig für Visumfreiheit
zwischen diesen Staaten ein. Um dies zu erreichen, sollten die EU-internen Regelungen als
Vorbild dienen. Die Staaten der Region drängten früh auf die Liberalisierung des Visasystems
mit der EU (KOM 2003c: 5). Zunächst wurde deshalb ein visapolitischer Dialog etabliert, der
zwar an den EU-Normen ausgerichtet ist, jedoch lediglich auf stärkere regionale Integration
abzielt.
Auf dieser Grundlage bauen die Thessaloniki-Agenda (Rat 2003) und das Stabilisierungsund Assoziierungsabkommen (ABl. EU 2004a) auf. Für die ganze Region sollen ein
Erfahrungsaustausch und Unterstützungsprogramme wie twinning gefördert und durch
technische Hilfe flankiert werden. Visafragen mit Mazedonien sind „Gegenstand
gegenseitiger Konsultationen und einer engen Koordinierung“ (ebd.: Art. 75). Dass die
gesamte Region angesprochen wird, die Visapolitik multilateral eingebettet und mit konkreten
Unterstützungsmaßnahmen verbunden wird, vergrößert die Glaubwürdigkeit der Anreize und
schafft Verbindlichkeit, auch wenn an dieser Stelle noch nicht von Visaerleichterungen die
Rede ist. Die Anreize sind also nicht sehr weitgehend, dafür jedoch umso belastbarer.
2005 wird Mazedonien zum offiziellen Beitrittskandidaten erhoben. Folglich wird der
Dialog über Visafragen mit Blick auf den acquis communautaire fortgesetzt. Eingebettet in
das Kapitel 24 (Freiheit, Sicherheit und Recht) und mit Blick auf den Schengen-Besitzstand
steht die Visapolitik in engem Zusammenhang mit der künftigen EU-Mitgliedschaft
Mazedoniens (KOM 2005a: 130ff.). Es stellt sich jedoch die Frage, wie weitere Fortschritte
umgesetzt werden, obwohl bis heute keine Beitrittsverhandlungen begonnen wurden.
Auskunft darüber geben zunächst die Erweiterungsstrategie und die Mitteilung der
Kommission zum Westbalkan 2006. Langfristig wird die Aufhebung der Visumpflicht für alle
Staaten der Region in Aussicht gestellt (KOM 2006a: 10). Bis dahin
„soll von Fall zu Fall – unter Berücksichtigung der besonderen Beziehungen der EU zu bestimmten
Ländern, insbesondere den Kandidaten- und potentiellen Kandidatenländern – vorgegangen werden“
(KOM 2006a: 10).
31
Mazedonien wird als Beitrittskandidat ausdrücklich bevorzugt, was die Verlässlichkeit der
Zusagen erhöht, und zwar auf Kosten anderer Partnerländer der EU. Noch im selben Jahr
werden Sondierungsgespräche über vertragliche Visaerleichterungen begonnen. Ein Jahr
später wird schließlich ein Abkommen über Visaerleichterungen geschlossen (ABl. EU 2007),
das zum Jahr 2008 in Kraft tritt. In der Präambel des Abkommens wird nochmals Bezug auf
die Thessaloniki-Agenda genommen, das mittelfristige Ziel der Visaliberalisierung wird
bekräftigt.
In der Folge setzt sich die Dynamik des Prozesses fort, und zwar unter dem Blickwinkel
der künftigen Beitrittsverhandlungen. Die Kommission stellt in ihrer Mitteilung zum
westlichen Balkan klar:
„Der schrittweise Übergang zur [Visumfreiheit, A.S.] ist Teil der Vorbereitungen auf eine EUMitgliedschaft, die letztendlich auch den Beitritt zum Schengen-Raum umfasst“ (KOM 2008a: 9).
Letztlich ist die vollständige Visumfreiheit für Mazedonien eine Selbstverständlichkeit,
abgeleitet vom Status als Beitrittskandidat, und nur noch eine Frage der Zeit. Der zeitliche
Rahmen wird durch die road map zur Visaliberalisierung abgesteckt. Durch diesen
Forderungskatalog wird die Belohnung der Bemühungen absehbar (KOM 2008c). Schon ein
Jahr später ist dieses Ziel erreicht, das Abkommen zur Visaliberalisierung tritt am 19.12.2009
in Kraft. Damit ist der Dialog über Visafragen jedoch nicht abgeschlossen, gegenwärtige
Entwicklungen werden durch konsequentes monitoring begleitet und in regelmäßigen
Berichten aufgearbeitet.
Für Mazedonien zeigt sich also, dass eine schrittweise Liberalisierung des Visaregimes
recht spät auf der Agenda erscheint. Zunächst ist lediglich eine engere Zusammenarbeit
zwischen den Westbalkanstaaten vorgesehen, auch wenn schon hier die EU-Normen als
Vorbild dienen und den Reformprozess befördern. Erst mit Verleihung des Kandidatenstatus
rücken Visaerleichterungen in den Fokus, ein entsprechender Vertrag tritt 2008 in Kraft. Im
gleichen Jahr beginnt der zielgerichtete visa liberalisation process, der zur Aufhebung der
Visumpflicht für Mazedonier zum 19.12.2009 führt. Sobald Anreize durch die EU in Aussicht
gestellt wurden, waren sie konkret, verbindlich und zeitlich absehbar. Die Stellung
Mazedoniens als Beitrittskandidat wird dabei unerwartet deutlich hervorgehoben. Dem Land
werden aber auf dem Gebiet der Visapolitik keine Angebote gemacht, die von diesem Status
genuin abhängig wären. Die starke Betonung drückt vielmehr das commitment der EU
gegenüber Mazedonien aus und verstärkt die Glaubwürdigkeit der Anreize.
32
4.1.2 Visapolitische Angebote an die Ukraine
In den Beziehungen zur Ukraine spielte die Visapolitik lange Zeit eine untergeordnete Rolle.
Das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (ABl. EU 1998a) etwa nimmt keinen Bezug
auf dieses Politikfeld. Das verwundert nicht, wurde doch das Abkommen bereits 1994
geschlossen, als die Osterweiterung der EU noch nicht absehbar war. Deutlicher greift der
Europäische Rat von Helsinki 1999 das Thema auf. Die Staats- und Regierungschefs weisen
in diesem Zusammenhang auf die Folgen der Osterweiterung für die Ukraine hin. Statt
konkreter Anreize wird das Versprechen formuliert, die EU werde „sich bemühen, den Dialog
mit der Ukraine […] zu intensivieren“ (Europäischer Rat 1999). Dieser Dialog zielt allein auf
innere Reformen in der Ukraine und schafft keine Perspektive für eine mögliche Integration
auf dem Feld der Visapolitik. Diese Lesart setzt sich zwei Jahre später im EU-Aktionsplan für
den Bereich Justiz und Inneres in der Ukraine fort (ABl. EU 2003). Auch hier wird auf die
Folgen des EU-Erweiterungsprozesses auf die Region hingewiesen. Allerdings werden die
Bereiche der Kooperation breiter gefasst und klarer definiert. Jedoch fehlen konkrete Anreize,
abgesehen von der
„Prüfung der Möglichkeit, die Ukraine bei ihren Bemühungen, sichere Reisedokumente auszustellen, die
den internationalen Normen entsprechen, und ge- und verfälschte Reise- und Identitätsdokumente zu
entdecken, zu unterstützen“ (ABl. EU 2003: 2, Hervorh. A. S.).
Ebenso vage heißt es, der Dialog über Visafragen solle fortgesetzt werden (ebd.). Größeren
Raum nehmen hingegen die Frage nach Rückübernahmeabkommen, die Auslagerung
asylpolitischer Maßnahmen oder nach einem gemeinsamen Grenzschutz ein, Maßnahmen
also, die für die EU von hohem Interesse sind. Dementsprechend wirkt die Zusammenarbeit
auf Seiten der EU an Kosten und Nutzen orientiert.
Als 2003 mit der Wider Europe-Strategie die ENP auf den Weg gebracht wird, erhält die
„Langzeitvisapolitik“ der EU gegenüber ihren östlichen Nachbarn größere Beachtung.
Allerdings bleiben die Zusagen an die Partnerstaaten vage: Die EU solle, „sofern die
entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, dafür offen sein, die Ausdehnung visumfreier
Regelungen zu prüfen.“ (KOM 2003a: 11). Das weiterentwickelte Strategiepapier zur ENP
formuliert ebenso ungenau und eher nachrangig die Möglichkeit, eine Zusammenarbeit in der
Visapolitik in die Aktionspläne aufzunehmen. (KOM 2004b: 18). Dies geschah für die
Ukraine im Jahr 2005. Angedacht war im Aktionsplan ein
33
„constructive dialogue on visa facilitation between the EU and Ukraine, with a view to preparing for
future negotiations on a visa facilitation agreement, taking account of the need for progress on the
ongoing negotiations for an EC-Ukraine readmission agreement“ (Kooperationsrat EU-Ukraine 2005: 4).
Der Aktionsplan mit der Ukraine wurde noch vor der Orange Revolution verhandelt. Es
erscheint auf den ersten Blick überraschend, dass die EU dem autoritären Kutchma-Regime
Visaerleichterungen in Aussicht stellt. Umso größere Bedeutung erhält die Kopplung an ein
Rückübernahmeabkommen. Auf diesen Zusammenhang wird später eingegangen werden.
2005 werden tatsächlich Verhandlungen über ein Visaabkommen aufgenommen, nachdem die
Verhandlungen über ein Rückübernahmeabkommen bereits seit 2002 im Gange waren.
In ihrer Mitteilung zur ENP greift die Kommission 2006 die stärkere Fokussierung auf die
Visapolitik auf (KOM 2006b). Hier werden konkrete Visaerleichterungen für bestimmte
Personengruppen ausdrücklich als Anreiz konzipiert, um Reformen in den ENP-Staaten
anzuregen. Es wird außerdem auf den Zusammenhang zwischen einer liberaleren Visapolitik
und der verstärkten Förderung grenzüberschreitender persönlicher Kontakte („people-topeople“) hingewiesen. Visaerleichterungen sollen insofern kein Selbstzweck sein, sondern
auch ein Mittel, um die Zivilgesellschaft stärker einzubeziehen. Im gleichen Jahr wird das
Abkommen über Visaerleichterungen unterzeichnet (gemeinsam mit einem bilateralen
Rückübernahmeabkommen). Der Kreis der besonders begünstigten Personen, die Anspruch
auf ein vereinfachtes Antragsverfahren und auf Mehrfachvisa haben, ist kleiner als bei dem
Abkommen mit Mazedonien. U.a. erhalten Angehörige zivilgesellschaftlicher Organisationen,
Vertreter
von
Religionsgemeinschaften
und
Touristen
keine
dieser
zusätzlichen
Erleichterungen.
Das Abkommen stärkt einerseits die Glaubwürdigkeit der Anreize, die die EU in Aussicht
stellt. In den Vorbemerkungen des Abkommens wird nochmals Bezug genommen auf das
langfristige Ziel der Visumfreiheit und auf die Bedeutung einer liberalen Visapolitik für
grenzüberschreitende persönliche Kontakte. Andererseits verdeutlichen aber der Verlauf der
Verhandlungen und die Kopplung an ein Rückübernahmeabkommen die strategische
Herangehensweise der EU. Dass wichtige Personenkreise von der zusätzlichen Vereinfachung
des Visaverfahrens ausgenommen wurden, lässt die Zugeständnisse im Vergleich zu Ländern
wie Mazedonien geringer erscheinen. Die Liberalisierung der Visapolitik ist aus Sicht der EU
ein geeignetes Mittel, um darüber hinaus Reformen anzuregen und die Ukraine zu
Gegenleistungen zu bewegen.
Für die Ukraine werden weitere Fortschritte im Visadialog 2007 im Rahmen des
Aktionsplans Freiheit, Sicherheit und Recht greifbar. Hier werden konkrete Maßnahmen
34
skizziert, wie sich mittelfristig die Visaerleichterungen umsetzen lassen. Bemerkenswert ist
darüber hinaus die langfristige Aussicht auf generelle Visumfreiheit (Kooperationsrat EUUkraine 2007a: 5). Zunächst tritt jedoch das Abkommen über Visaerleichterungen in Kraft.
Neue Dynamik bringen die Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen, dass das
PKA von 1998 ersetzen soll. (Nicht zufällig erinnert der Name an die Abkommen der EU mit
Beitrittskandidaten, die Ukraine hatte nachdrücklich auf den Begriff gedrungen.) Die
Visapolitik soll in ein schlüssiges Gesamtkonzept eingebettet werden, was zu mehr
Verbindlichkeit führt. Die Gespräche über den Wegfall der Visumpflicht sollen aktiv
vorangetrieben werden. Die Perspektive, langfristig ein visumfreies Grenzregime mit der
Ukraine zu verwirklichen, wird bekräftigt. Ein konkreterer Zeitrahmen bleibt jedoch
ungenannt. Stattdessen werden erneute Erleichterungen in Betracht gezogen, etwa die
Verringerung oder Aussetzung der Gebühren (Kooperationsrat EU-Ukraine 2009a: 14). Der
Aktionsplan zur Visaliberalisierung von 2010 enthält im Vergleich zu früheren Dokumenten
sehr klare benchmarks und ein unmissverständliches Bekenntnis zur Konditionalität:
„The speed of movement towards visa liberalisation will depend on progress made by Ukraine in
fulfilling the conditions set. Therefore, there will be no automaticity and progress in the fulfilment of
each set of benchmarks will be closely examined and decided upon by the Commission and the Council“
(Kooperationsrat EU-Ukraine 2010a: 3).
Dadurch wird die zeitliche Perspektive für die Ukraine absehbar. In regelmäßigen
Fortschrittsberichten wird bewertet, welche Bedingungen erfüllt sind und wo noch
Nachholbedarf besteht. Der vierte Fortschrittsbericht zur Assoziierungsagenda stellt fest, dass
sich die Verhandlungen fortan auf den Bereich der Visapolitik konzentrieren. Das allgemeine
Strategiepapier zur ENP von 2011 hat zuletzt bekräftigt, dass von Fall zu Fall und
„langfristig eine schrittweise Visaliberalisierung geprüft werden [sollte], sofern die Rahmenbedingungen
für eine reibungslose und sichere Mobilität gegeben sind“ (KOM/Hohe Vertreterin 2011a: 15).
Außerdem ist hervorzuheben, dass die EU die Ukraine zunehmend zum Vorbild für andere
östliche ENP-Staaten erhebt. Gerade die Entwicklungen auf dem Gebiet der Visapolitik
könnten „für andere Länder der Östlichen Partnerschaft als Muster dienen“ (ebd.: 17). Damit
wird die Verbindlichkeit der Anreize aus Sicht der Ukraine weiter erhöht.
4.1.3 Ergebnisse des Vergleiches der visapolitischen Anreize
Zusammenfassend wird deutlich, dass beiden Länder auf den ersten Blick gleiche Anreize
versprochen werden. Zunächst soll durch vertragliche Visaerleichterungen die Einreise in die
35
EU billiger und einfacher gestaltet werden. Als längerfristiges Ziel wird Visumfreiheit in
Aussicht gestellt. Bei genauerer Betrachtung und Gegenüberstellung der jeweiligen Anreize
werden bereits Unterscheide deutlich. Für Mazedonien wird von Beginn an ein regionaler
Ansatz gewählt, alle Staaten der Region sind angesprochen. Noch bevor die Visapolitik
zwischen der EU und Mazedonien thematisiert wird, setzt sich die EU für visapolitische
Regeln zwischen den Staaten des Westbalkans ein. Damit verbunden ist eine Angleichung der
jeweiligen Rechtsnormen an das Vorbild der EU, was die spätere Zusammenarbeit im
Visumbereich erleichtert. Für die Ukraine erscheinen Anreize im Bereich der Visapolitik erst
nach und nach auf der Agenda. Es ist deutlich erkennbar, dass die Beziehungen zur Ukraine
unter dem Dach der ENP im Werden sind. Generell ist nach dem Regimewechsel in der
Ukraine von 2004 und nach Implementierung der ENP größere Dynamik zu beobachten.
Vorher waren die Zusagen der EU äußerst vage formuliert und boten wenig Anreiz, mögliche
Konditionen
zu
erfüllen.
Erst
im
Zusammenhang
mit
der
Verhandlung
eines
Rückübernahmeabkommens verschiebt sich der Fokus deutlich. Im Zeitverlauf werden die
Anreize größer, konkreter und mit mehr Verbindlichkeit versehen.
Ohne Zweifel spielt im Falle Mazedoniens die Beitrittsperspektive eine Rolle.
Überraschenderweise ist dieser Zusammenhang nicht nur unterschwellig spürbar, sondern
wird in den Dokumenten offensiv vertreten. Damit konstruiert die EU selbst einen
Unterschied zwischen den Partnerländern, der kausal nicht notwendig ist. Insgesamt sind die
Anreize gegenüber Mazedonien deutlich konkreter formuliert (vor allem mit einer genaueren
zeitlichen Perspektive) und vermitteln eine größere Verbindlichkeit. ENP-Staaten wie der
Ukraine signalisiert die EU dadurch, dass diese auch in Bereichen benachteiligt werden, die
nicht genuin mit der angebotenen oder vorenthaltenen Beitrittsperspektive zusammenhängen.
Im Unterschied zur Erweiterungspolitik verfolgt die ENP einen partnerschaftlichen
Ansatz (joint ownership). Das äußert sich vor allem im Aushandlungsprozess der
Aktionspläne, die nicht von der EU vorgegeben, sondern durch den jeweiligen bilateralen
Kooperationsrat beschlossen werden. Zwischen den Inhalten der gemeinsam verhandelten
Aktionspläne und den Strategiepapieren der Kommission bestehen jedoch keine
offensichtlichen Diskrepanzen. Deshalb ist nicht davon auszugehen, dass Anreize und
Bedingungen allein durch die Art des Verhandlungsprozesses verfälscht werden und an
Kohärenz und Kontur verlieren.
36
4.2 Bedingungen der EU auf dem Gebiet der Visapolitik
Im vorangegangenen Abschnitt wurde eingehend erläutert, welche Anreize Mazedonien und
der Ukraine auf dem Feld der Visapolitik in Aussicht gestellt wurden und werden. Dabei
wurden beide Länder getrennt voneinander betrachtet, um zunächst einen Überblick über die
jeweiligen Entwicklungen zu geben. Es wird nun darum gehen, welche Bedingungen jeweils
mit den Versprechen verbunden waren und in welcher Art und Weise sie verknüpft wurden.
Dabei wird im Folgenden eine weitgehend chronologische Vorgehensweise gewählt, die
beide Staaten immer wieder gegenüberstellt. Auf diese Weise können die Konditionen, die an
Mazedonien und an die Ukraine gerichtet werden, direkt miteinander verglichen werden.
4.2.1 Die Konditionen auf dem Weg zu Visaerleichterungen
In beiden Fällen spielen Visaerleichterungen oder gar Visumfreiheit zunächst eine
untergeordnete Rolle. Der Dialog über Visafragen konzentriert sich auf die Umgestaltung der
internen mazedonischen bzw. ukrainischen Politik. Die EU formuliert Kriterien für innere
Reformen, die zu erbringen wären. Sie umfassen Maßnahmen
„beispielsweise zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, der
Korruption und der illegalen Einwanderung und zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der Verwaltung
beim Grenz- und Dokumentenschutz“ (Rat 2003: 15).
Augenscheinliches Ziel der EU ist es, die visapolitischen Rechtsvorschriften in den beiden
Staaten jenen der EU anzunähern (Europäischer Rat 1999, Rat 2003). Die Forderungen sind
für Mazedonien und die Ukraine sehr ähnlich und beinhalten eher eine Auflistung allgemeiner
Handlungsfelder als konkrete Maßnahmen. Für Mazedonien werden dem jedoch als Anreize
Unterstützungsmaßnahmen wie finanzielle und technische Hilfe gegenübergestellt (KOM
2003c: 5). Zu diesem Zeitpunkt wurde eine verstärkte Kooperation mit der Ukraine weit
weniger forciert als mit Mazedonien.
Hinter dem Visadialog mit der Ukraine steht vor allem das Interesse, die Außengrenze der
EU gegen irreguläre Migration und organisierte Kriminalität zu schützen. Dieser Eindruck
verstärkt sich durch den Hinweis auf Rückübernahmeabkommen und die Übernahme von
Aufgaben im Asylbereich (ABl. EU 2003: 1f.). Zunächst sind diese Forderungen relativ
allgemein formuliert und stehen unverbunden neben den dürftigen Anreizen. Insofern bleibt
die klare Verknüpfung von positiven Anreizen mit Konditionen, die es zu erfüllen gilt, aus.
Dies ändert sich für die Ukraine mit dem Inkrafttreten des Aktionsplans 2005. Da die
Verhandlungen über ein Rückübernahmeabkommen mit der Ukraine ins Stocken geraten sind,
37
wird die Unterzeichnung eines solchen Abkommens zur Vorbedingung für vertraglich
garantierte Visaerleichterungen gemacht (Kooperationsrat EU-Ukraine 2005: 30). Folglich
wird
im
Zuge
der
ENP
eine
länger
bestehende
Forderung
(gemeinsames
Rückübernahmeabkommen) konditional mit einem neuen Anreiz (Visaerleichterungen)
verknüpft. Diese Veränderung kann nicht mit dem Systemwechsel im Zuge der Orange
Revolution erklärt werden, da der Aktionsplan bereits vorher verhandelt wurde.
In
diesem
Zusammenhang
sind
die
Bestimmungen
des
Stabilisierungs-
und
Assoziierungsabkommens mit Mazedonien interessant. Hier findet sich ebenfalls der Hinweis
auf ein Rückübernahmeabkommen, die Verhandlungen haben jedoch noch nicht begonnen.
Allerdings wird keine direkte Verknüpfung mit Visaerleichterungen vorgenommen. Als
Anforderungen für die Kooperation im Visumbereich sind stattdessen die Reform der
Gesetzgebung, Effizienzsteigerung in den Institutionen, verbesserte Ausbildung des Personals
und sicherere Dokumente (ABl. EU 2004a) aufgelistet. Der Analysebericht der Kommission
wird in dieser Hinsicht noch deutlicher und listet die nötigen Schritte auf, die zur Umsetzung
des acquis nötig sind. Angemahnt wird vor allem die Implementierung der bereits
verabschiedeten Gesetze, da diese bereits „mit den grundlegenden Visabestimmungen der EU
übereinstimmen [dürften]“ (KOM 2005a: 131). Mit der Einrichtung einer Visazentrale im
Außenministerium werden außerdem institutionelle Reformen angemahnt.
2006 werden sowohl die revidierte Erweiterungsstrategie als auch ein neues
Strategiepapier zur ENP veröffentlicht. Beide behandeln das Thema Visapolitik eingehender.
In der ENP wird dabei sehr deutlich auf die Einbettung in andere Politikbereiche
hingewiesen: Die Bekämpfung von irregulärer Einwanderung und Menschenhandel,
verbesserte Kooperation in Grenzschutz und Rückübernahme, aber auch eine angemessene
Asylpolitik sind aus Sicht der EU einzubeziehen.
„Mit einer festen Zusage […], sich diesen vorrangigen Bereichen zu widmen, sollte es möglich sein,
maßgebliche Verbesserungen bei der Visumerteilung zu erzielen“ (KOM 2006b: 7).
Die EU nutzt Visaerleichterungen und Visumfreiheit gezielt als Anreiz, um erwünschte
Reformen in verwandten Politikfeldern durchzusetzen. Außerdem wird deutlich, dass auch die
EU-interne Visapolitik im Werden ist, denn die Einrichtung des VIS würde auch von
Drittstaatenangehörigen biometrische Reisedokumente erfordern (ebd.). Insgesamt werden die
Bedingungen nicht konkretisiert und die direkte Verknüpfung mit möglichen Anreizen nicht
absehbarer. Für die Ukraine bedeutet dies, dass sich aus der ENP-Strategie mit ihren
generellen Aussagen kein Fahrplan für den Weg zu mehr Visaliberalisierung ableiten lässt.
38
Demgegenüber geht die Erweiterungsstrategie deutlicher in die Tiefe und drängt auf die
nötige „Stärkung der Unabhängigkeit und der Effizienz der Justiz“ (KOM 2006c: 47). In die
gleiche Richtung weist die Mitteilung zum Westbalkan aus dem selben Jahr (KOM 2006a).
Wiederholt wird die Implementierung von bereits verabschiedeten Gesetzen gefordert, vor
allem in Bezug auf die
„Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, die Bekämpfung von organisierter Kriminalität, Korruption und
illegaler Einwanderung sowie die Stärkung der Verwaltungskapazitäten in den Bereichen Grenzsicherung
und Dokumentensicherheit“ (KOM 2006a: 10).
Außerdem sollen künftig auch für die Westbalkanstaaten Visaerleichterungen in Verbindung
mit Rückübernahmeabkommen ausgehandelt werden. „[M]it jedem einzelnen Land“ werden
die nötigen Schritte zur Umsetzung der Forderungen diskutiert (ebd.). Auf diese Weise wird
das Interesse beider Seiten daran deutlich, dass sowohl die Konditionen erfüllt als auch die
Anreize gewährt werden. Es handelt sich also weniger um ein taktisches Kalkül als um einen
Weg der engeren Zusammenarbeit.
Den Rahmen für diese verstärkte Kooperation mit Mazedonien setzt die erneuerte
Europäische Partnerschaft (ABl. EU 2006). Anhand der Kopenhagener Kriterien wird eine
Prioritätenliste
erarbeitet,
die
es
kurz-
und
mittelfristig
umzusetzen
gilt.
Der
Forderungskatalog ist hinreichend konkret und reicht von der Einrichtung von Datenbanken
in Visa- und Grenzpolitik über die Umsetzung bereits beschlossener nationaler Aktionspläne
bis hin zur Erweiterung der vorhandenen Kapazitäten in Asyl- und Migrationssystem. Die
zeitliche Differenzierung gibt Orientierung für das weitere Vorgehen und erleichtert die
Umsetzung der Forderungen. Allerdings wurden keine Zusagen über mögliche Fortschritte in
der Visapolitik in das Dokument aufgenommen.
Einen auf den ersten Blick ganz ähnlichen Forderungskatalog stellt der Aktionsplan
Freiheit, Sicherheit und Recht für die Ukraine dar. Es unterscheiden sich jedoch die
Bedingungen und vor allem die Art und Weise, wie diese kommuniziert werden, ganz
erheblich. Es werden über 100 Ziele formuliert, die es in der Zusammenarbeit der EU mit der
Ukraine in den relevanten Bereichen zu erreichen gilt. Dabei wird keine Rangfolge
entwickelt. Es ist nicht ersichtlich, welche Ziele vorrangig in Angriff genommen werden
sollten, um möglichen Anreizen näher zu kommen. Für das Feld der Visapolitik soll z.B.
visumfreier
Reiseverkehr
lediglich
als
Langzeitperspektive
anerkannt
werden
(Kooperationsrat EU-Ukraine 2007a: 5). Visapolitik wird in engen Zusammenhang mit
Dokumentensicherheit und Grenzschutz gestellt. Für diese drei Bereiche sind zum Teil klare,
39
kleinteilige Maßnahmen aufgelistet (z.B. diverse institutionelle Verbesserung in Visapolitik
und Grenzschutz, verbesserte Ausbildung von Beamten oder Umsetzung verabschiedeter
Gesetze), teilweise beschränken sich die Forderungen auf allgemeine Formulierungen (z.B.
„[a]dopt, develop and implement an integrated border management strategy“, ebd.: 4). Als
eine klare roadmap für den Weg zur Visaliberalisierung kann der Aktionsplan nicht gelten.
Zum 01.01.2008 erhalten die beiden Staaten Visaerleichterungen, wobei die
Zugeständnisse an Mazedonien größer sind als die an die Ukraine. Nach dieser Zäsur ist es
nahe liegend, dass sich die Perspektive in beiden Fällen in Richtung vollständiger
Visaliberalisierung verschiebt.
4.2.2 Konditionen für den visumfreien Reiseverkehr
Tatsächlich erfährt die Zusammenarbeit in Mazedonien im Laufe des Jahres 2008 neue
Dynamik. Die Mitteilung zum westlichen Balkan hebt noch einmal klar hervor, dass der
Prozess der Visaliberalisierung den gesamten Westbalkan einschließt, sofern und soweit die
Länder „die notwendigen Reformen durchführen“ (KOM 2008a: 9). Insofern wird die strikte
Anwendung des Konditionalitätsprinzips suggeriert. Explizit werden an dieser Stelle die
Umsetzung der Abkommen über Rückübernahme und Visaerleichterungen sowie die
Einführung biometrischer Reisepapiere verlangt. Die Beitrittspartnerschaft, die die
Europäische Partnerschaft ersetzt, spezifiziert diese Aussagen für Mazedonien. Unter dem
Kapitel 24 (Freiheit, Sicherheit und Recht) sind, ähnlich wie zwei Jahre zuvor in der
Europäischen Partnerschaft, nötige Maßnahmen aufgelistet. Nach wie vor bedeutsam sind der
Kampf gegen organisierte Kriminalität, wirksamer Grenzschutz, effiziente Strukturen und die
Durchsetzung bestehender Rechtsgrundlagen, um den Standards der EU näher zu kommen.
Die Verknüpfung mit und die zeitliche Perspektive auf Visumfreiheit wird nicht konkret
formuliert. Dennoch sind die Anreizstrukturen sehr deutlich, da einerseits die gesamte Region
angesprochen wird, konkrete Fortschritte aber von den Leistungen jedes einzelnen Landes
abhängig gemacht werden. Die Zusagen erscheinen somit verbindlich und die Bedingungen
kalkulierbar (ABl. EU 2008).
Die road map zur Visaliberalisierung (KOM 2008c) stellt für Mazedonien die Verbindung
zwischen beiden Dokumenten, nämlich der Mitteilung zum westlichen Balkan allgemein und
der Beitrittspartnerschaft mit Mazedonien im Besonderen, vollends her. Auf knappen acht
Seiten werden detailliert jene Schritte aufgeführt, deren Erfüllung notwendig für den
visumfreien Reiseverkehr ist. Von Bedeutung sind dabei einerseits die Umsetzung der beiden
geschlossenen
Abkommen,
andererseits
sichere
Reisedokumente,
Bekämpfung
der
40
irregulären Migration, Schutz der öffentlichen Ordnung sowie der Grundrechte. Die
Auflistung unterscheidet nicht zwischen kurz- und mittelfristigen Prioritäten. Dennoch
erscheint die road map nicht wie eine lose Ansammlung aller erdenklichen Forderungen,
sondern wie eine Übersicht über letzte notwendige Anpassungsmaßnahmen vor der
absehbaren Gewährung von Visumfreiheit.
Wie erwähnt befindet sich die Ukraine Anfang 2008 zumindest auf den ersten Blick in der
gleichen Situation. Die darauf folgende Assoziierungsagenda macht hingegen die Differenzen
klar. Zunächst sei auf die zeitliche Dimension hingewiesen. Obwohl vergleichbar mit der
road map für Mazedonien wird die Assoziierungsagenda erst eineinhalb Jahre später, im
November 2009 verabschiedet. Sie formuliert das Ziel
„[to] actively pursue the visa dialogue, developing the relevant conditions, with the long-term perspective
of establishing a visa-free regime between the EU and Ukraine“ (Kooperationsrat EU-Ukraine 2009a:
14).
Die Ukraine erhält somit wiederum nur die vage Zusage für langfristige Veränderungen. In
der Zwischenzeit sollen kleinere Schritte zur weiteren Vereinfachung des Visasystems
überdacht werden, beispielsweise könnten die Gebühren weiter gesenkt werden (ebd.). Die
gestellten Bedingungen, um dieser Langzeitperspektive näher zu kommen, ähneln denen des
Aktionsplans Freiheit, Sicherheit und Recht von 2007. Es fällt auf, dass stärker auf Reformen
der Gesetzgebung verwiesen wird, u.a. in den Bereichen Grenzschutz, Migrationskontrolle
und Datenschutz.
Erstmals konkret und detailliert aufgelistet werden alle notwendigen Schritte im
Aktionsplan
zur
Kriterienkatalog
Visaliberalisierung
listet
vier
Kapitel
(Kooperationsrat
mit
jeweils
EU-Ukraine
mehreren
2010a).
Der
Unterkategorien
auf:
Dokumentensicherheit, irreguläre Migration, öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie
Außenpolitik und Grundfreiheiten. Die Anforderungen sind für jede Unterkategorie in zwei
Blöcke aufgeteilt. Der erste Block betrifft jeweils die Schaffung eines angemessenen
gesetzlichen und politischen Rahmens, die zugeordneten zweiten Blöcke zielen auf die
Implementierung dieser Grundsätze.
Für die ersten Blöcke werden an mehreren Stellen sehr komplexe Maßnahmenpakete
gefordert. Als Beispiele seien „a National Integrated Border Management Strategy“ (ebd.: 5),
„a legal framework for migration policy“ (ebd.: 6) oder „a comprehensive strategy to fight
organised crime“ (ebd.:8) genannt. Es werden lediglich allgemeine Kriterien formuliert, denen
die zu beschließenden gesetzlichen Maßnahmen genügen sollen. Konkrete Schritte werden
41
hingegen nicht vorgegeben, sondern sollen in nationalen Aktionsplänen ausgelotet werden.
Auf diese Weise umgeht die EU die Gefahr, der Ukraine aus einer Machtposition heraus
Einzelmaßnahmen zu diktieren. Gleichzeitig kreiert sie damit möglicherweise ein Szenario, in
dem die Ukraine nach dem Prinzip von trial and error Gesetze auf den Weg bringt, die den
Maßgaben zu genügen suchen.
Es wird ausdrücklich festgestellt, dass die Gewähr von Visumfreiheit allein abhängig von
der Erfüllung der benchmarks ist (ebd.: 3). Fortschritte in Richtung Visaliberalisierung folgen
demnach nicht automatisch sondern nur bei entsprechender Gegenleistung, die kritisch von
Kommission und Rat beobachtet und beurteilt werden soll. Von größter Bedeutung ist dabei
die methodische Vorgehensweise:
„The complete fulfilment of the first set of benchmarks will be closely examined and verified by the
Commission and the Council before a decision is taken to initiate the assessment of the second set of
benchmarks“ (Kooperationsrat EU-Ukraine 2010a: 3, Hervorh. i.O.).
Diese Herangehensweise impliziert ein sehr langes Verfahren, da jeweils der erste Block an
Bedingungen innerhalb eines Politikbereiches (z.B. Grenzschutz, Asylpolitik, Datenschutz) in
Gänze erfüllt sein muss, bevor die Evaluierung des zweiten Blocks überhaupt in Betracht
gezogen wird. Die Umsetzung der gesetzlichen Maßnahmen wird also erst dann bewertet,
wenn die gesamte Gesetzgebung in einem geschlossenen Bereich vollzogen ist. Dennoch
waren die Konditionen zur Erlangung von Visumfreiheit für die Ukraine nie so detailliert,
umfassend und deutlich formuliert wie in dem Aktionsplan 2010. Die Ukraine hat einen Weg
beschritten, auf dem sie Tempo und Art und Weise des Vorangehens weitgehend bestimmen
kann. Ein Datum für ein Erreichen des Ziels ist jedoch immer noch nicht absehbar.
Den Mazedoniern wurde demgegenüber schon Ende 2009 die visumfreie Einreise in die
EU gewährt (Abl. EU 2009). Damit hat das Land das Integrationsziel auf dem Gebiet der
Visapolitik vorerst erreicht, es geht im Weiteren um ein monitoring der entsprechenden
Umsetzung.
Hier
liegt
der
Fokus
wiederum
auf
den
Bereichen
Grenzschutz,
Dokumentensicherheit, Bekämpfung von Menschenhandel und organisiertem Verbrechen,
Schutz der Grundrechte und Umsetzung des Rückübernahmeabkommens. Es werden
Strukturen geschaffen, die die reibungslose Umsetzung kontrollieren sollen (KOM 2011b).
Dass der Schritt zu einer Liberalisierung der Visapolitik auch umkehrbar ist, darauf hat die
EU wiederholt hingewiesen.18 Anlass hierfür war der rapide Anstieg der Asylanträge, u.a. von
18
Diesbezüglich soll die Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates um eine Schutzklausel erweitert werden, die
kurzfristig eine vorübergehende Aussetzung der Visumfreiheit in Notlagen erlaubt (KOM 2011a).
42
mazedonischen Staatsangehörigen (zumeist von Angehörigen der Roma) in der EU (Eurostat
2011 a, b, KOM 2011b). Diese wurden in den allermeisten Fällen als nicht gerechtfertigt
abgelehnt.19
4.2.3 Bedingungen der EU in der Visapolitik: Ergebnisse des Vergleichs
Insgesamt kann festgestellt werden, dass sich die Konditionen, die die EU an Mazedonien und
die Ukraine richtet, weitaus deutlicher unterscheiden als die jeweiligen Anreize. Zunächst
jedoch zielen die Forderungen in beiden Fällen auf die Umsetzung interner Reformen, womit
im besten Fall eine Angleichung an EU-Recht verbunden ist. Dabei werden verschiedene
Handlungsfelder abgesteckt, in denen aber nur allgemeine Forderungen geäußert werden. Im
Falle der Ukraine wird vor allem der Schutz der Außengrenze thematisiert, um die irreguläre
Einwanderung in die EU zu begrenzen. Demgegenüber ist der Dialog mit Mazedonien stärker
auf die regionale Einbettung in den Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess (SAP)
fokussiert.
Die Rückübernahmeabkommen legen einen weiteren Unterschied offen. Im Falle der
Ukraine bietet die EU nach jahrelangen Verhandlungen Visaerleichterungen als
Gegenleistung an. Mit Mazedonien beginnen die Verhandlungen später, beide Abkommen
sind von Beginn an miteinander verknüpft und treten zeitgleich mit den ukrainischen
Verträgen in Kraft.
Spätestens danach gehen die Entwicklungen deutlich auseinander. An Mazedonien wird
ein sehr konkreter, kleinteiliger Forderungskatalog gerichtet, der einen klaren Weg in
Richtung Visumfreiheit zeichnet. Dies geschieht für die Ukraine deutlich später mit der
Assoziierungsagenda 2009. Sie erhebt zwar den Anspruch einer ähnlichen road map, einer
näheren Analyse hält dieser Vergleich aber nicht stand. Vielmehr erhärtet sich der Eindruck,
dass die EU bei der Gewährung von Visumfreiheit für Ukrainer auf Zeit spielt, indem die
Bedingungen für weitere Fortschritte gezielt unklar bleiben. Während die Defizite klar
kommuniziert werden, wird die Ukraine über die erwarteten Reformmaßnahmen im
Ungewissen gelassen. Es ist überraschend, dass in Bezug auf die Konkretheit der
Bedingungen so große Unterschiede festzustellen sind.
19
Beispielsweise wurden im 1. Quartal 2011 1 305 Asylanträge von Mazedoniern bearbeitet. Lediglich 20 von
ihnen erhielten entweder Flüchtlingsstatus (5), subsidiären Schutz (5) oder wurden aus humanitären Gründen
nicht abgeschoben (10). Mehr als 98 % der Entscheidungen fiel negativ aus (Eurostat 2011b: 13, eigene
Berechnung). Vor 2010 tauchte Mazedonien nicht gesondert in der Asylstatistik auf.
43
4.3 EU-Konditionalität in der Visapolitik: Bewertung der Konsistenz
Die vorhergehenden Kapitel haben die Angebote an die Ukraine und an Mazedonien
analysiert und deren Verknüpfung mit entsprechenden Konditionen aufgezeigt. Nun soll der
Blick auf die Einlösung der versprochenen Anreize gelenkt werden. Dafür werden für beide
Länder Momente betrachtet, in denen sie wichtige Integrationsschritte in der Visapolitik
machten. Es ist zu prüfen, ob bzw. inwieweit die EU die gestellten Bedingungen zu diesen
Zeitpunkten erfüllt sah. Ausgehend davon kann bewertet werden, inwieweit das
Konditionalitätsprinzip gegenüber diesen beiden Staaten konsistent angewendet wurde.
Als wichtige Integrationsschritte im Bereich der Visapolitik werden die Beschlüsse zur
Einführung von Visaerleichterungen mit Mazedonien und der Ukraine und das Abkommen
über Visumfreiheit mit Mazedonien angesehen. Um auszuschließen, dass der Ukraine
Visumfreiheit verwehrt bleibt, obwohl die Bedingungen ausreichend erfüllt werden, wird die
aktuelle Situation in der Ukraine mit in die Bewertung einbezogen.
Das Abkommen über Visaerleichterungen mit der Ukraine wurde am 18.06.2007
unterzeichnet, der Vertragsabschluss mit Mazedonien folgte am 18.09.2007. Beide Verträge
traten mit Beginn des Jahres 2008 in Kraft. Über den damaligen Stand der Entwicklungen in
der Ukraine gibt der Fortschrittsbericht für das Jahr 2007 Auskunft (KOM 2008b). Hier wird
festgestellt, dass im Laufe des Jahres „the appropriate procedures“ zur Einführung von
Visaerleichterungen in der EU und in der Ukraine abgeschlossen wurden (ebd.: 13). In der
detaillierten Darstellung wird das Hauptaugenmerk zunächst auf Grenzschutzmaßnahmen
gelegt. In diesem Bereich wurden große Anstrengungen unternommen, um die
entsprechenden Regelungen an EU-Recht anzugleichen und diese Normen umzusetzen.
Beides war insofern erfolgreich, als dass die Standards der EU und der internationalen
Gemeinschaft als erreicht gelten können. Künftig seien vor allem ausreichende Investitionen
auf diesem Gebiet vonnöten. Ähnliches gilt für den Kampf gegen das organisierte
Verbrechen. Nachholbedarf besteht vor allem in der Prävention und im Opferschutz. Dazu
sollen Verbände der Zivilgesellschaft stärker einbezogen werden (ebd.: 14).
Ein gänzlich anderes Bild wird bei der Bewertung des Asylsystems gezeichnet. Hier hat
sich die Situation im Laufe des Jahres merklich verschlechtert. Ungeklärte Zuständigkeiten,
institutionelle Umstrukturierungen, Neubesetzungen wichtiger Positionen und unzureichende
finanzielle Ressourcen behinderten den Zugang zu fairen Asylverfahren.
„Asylum-seekers consistently face problems with access to territory, access to asylum and access to
substantive RSD [refugee status determination, A.S.] procedures. They are often subject to police
44
harassment, arbitrary and protracted detention as well as a serious risk of refoulement, while refugees
face serious obstacles to the enjoyment of their rights and to integrate in Ukraine“ (KOM 2008b: 14).
Durch ein solch mangelhaftes Asylsystem sind die Bedingungen für den Abschluss eines
Rückübernahmeabkommens (auf Grundlage dessen auch Drittstaatenangehörige in die
Ukraine abgeschoben werden können) nicht erfüllt. Gerade der systematische Verstoß gegen
das Prinzip der Nichtzurückweisung verhindert einen ausreichenden Flüchtlingsschutz. Es
entsteht der Eindruck, als hätte die EU den restriktiven Maßnahmen (Grenzschutz, Kampf
gegen organisiertes Verbrechen, Verhinderung irregulärer Migration) Vorrang vor
humanitären Belangen eingeräumt. Insofern müssen die Voraussetzungen für ein
Rückübernahmeabkommen als nicht erfüllt betrachtet werden, ohne ein solches Abkommen
wiederum wären auch Visaerleichterungen undenkbar. Dennoch traten beide Abkommen
2008 in Kraft.
Der Fortschrittsbericht für Mazedonien kommt zu einem überwiegend positiven Ergebnis
(KOM 2007a). In den Bereichen Migrationskontrolle, Korruptionsbekämpfung, Grenzschutz
und Asyl werden dem Land beachtliche Fortschritte attestiert. Mängel bestehen weniger in
der Verabschiedung und Umsetzung gesetzlicher Maßnahmen, sondern vor allem in der
personellen und finanziellen Ausstattung. Der Kampf gegen das organisierte Verbrechen
weist geringere Erfolge auf. Vor allem in der Kooperation mit EUROPOL, den
Verwaltungskapazitäten und in der Vernetzung der mazedonischen Behörden zur
Bekämpfung des Menschenhandels bleiben die tatsächlich gemachten Fortschritte hinter den
Erwartungen zurück. In der justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen können
hingegen gar keine Fortschritte festgestellt werden. Zusammenfassend heißt es:
„Overall, there has been some progress as regards the operational capacity of the competent authorities,
although mainly at central level. The basic legislation is in place, and the implementing legislation has
been largely adopted. Administrative capacity remains particularly weak in the areas of migration,
asylum and border management. Organised crime remains a serious concern“ (KOM 2007a: 56).
Abgesehen davon erweist sich die Situation der Roma als höchst problematisch: „However,
efforts to meet the objectives of the National Strategy for Roma have yielded no visible
results“ (KOM 2007a: 16). Dies betrifft nicht nur die soziale Situation, sondern auch die
rechtliche und politische Gleichstellung. Allerdings wird diesbezüglich kein Zusammenhang
zu dem künftigen Abkommen über Visaerleichterungen hergestellt. Insofern können die
Bedingungen, die die EU zur Gewährung von Visaerleichterungen stellt, aus Sicht der EU als
ausreichend erfüllt betrachtet werden.
45
Es ist zu erwarten, dass bei der Gewährung von Visumfreiheit die Kriterien genauer
überprüft werden als bei der Einführung von Visaerleichterungen. Dementsprechend große
Berücksichtigung findet das Kapitel 24 (Freiheit, Sicherheit und Recht) im Fortschrittsbericht
2009 über Mazedonien. Dieser erscheint eineinhalb Monate, bevor das Abkommen über
Visaliberalisierung unterzeichnet wird. Schon in der Zusammenfassung wird konstatiert, dass
in der Visapolitik „große Fortschritte in den vom Fahrplan abgedeckten Bereichen erzielt und
die Kriterien der darin festgelegten Benchmarks erfüllt“ wurden (KOM 2009b: 54). Der
Regierung wird bescheinigt, den Reformen auf dem Weg zur Visaliberalisierung hohe
Priorität eingeräumt zu haben. Die größten Fortschritte wurden in der Visapolitik im engeren
Sinne erzielt. Darunter fällt etwa die Ausstellung sicherer Reisedokumente oder die
Einrichtung von Datenbanken über die Visumvergabe. In der Asylpolitik gibt es Hindernisse
bei dem Recht auf ein Berufungsverfahren und bei der finanziellen und materiellen
Ausstattung der Flüchtlinge. Auch die bürokratische Organisation mittels Datenbanken und
fälschungssicherer Dokumente steht noch am Anfang. Die Ziele in den Bereichen
Grenzschutz, Kampf gegen organisiertes Verbrechen Polizei und justizielle Zusammenarbeit
sind
weitgehend
erfüllt.
Kleinere
Mängel
finden
sich
hier
in
Fragen
der
Verwaltungskapazitäten und der finanziellen und personellen Ressourcen, auch wenn
deutliche Fortschritte zu verzeichnen sind. Die größten Probleme bestehen nach wie vor bei
der Integration der Roma, was jedoch wiederum nicht in Zusammenhang mit der
bevorstehenden Visaliberalisierung gestellt wird (KOM 2009a: 18ff.).
Insgesamt betrachtet die EU die Konditionen für die Liberalisierung des Visasystems im
Oktober 2009 als erfüllt. Schon im Juli desselben Jahres hat die Kommission eine
entsprechende Empfehlung abgegeben. Von der Einführung visumfreier Regelungen erhofft
sich die EU vor allem „greifbare Vorteile für die Bürger“, was dem Reformprozess neue
Dynamik verleihen soll (KOM 2009b: 4).
Dem letzten mazedonischen Fortschrittsbericht vor der Visaliberalisierung werden nun
aktuelle progress reports über die Ukraine gegenübergestellt. Diese zeichnen insgesamt ein
gemischtes Bild. Grundsätzlich werden der Ukraine im Bereich der Visapolitik gute
Fortschritte bescheinigt. Im Hinblick auf die Verhandlungen des Assoziierungsabkommens ist
das Kapitel Freiheit, Sicherheit und Recht schon im November 2010 „close to a final
agreement“ (Kooperationsrat EU-Ukraine 2010b: 2). Es besteht demnach Einigkeit über die
künftige vertragliche Basis.
Der allgemeine Fortschrittsbericht und der Fortschrittsbericht bezüglich der visa
liberalisation agenda geben detailliert Auskunft über den Stand der Gesetzgebung und der
46
Implementierung. Es wird zunächst festgestellt, dass die beiden Abkommen über
Visaerleichterungen und Rückübernahme zufrieden stellend umgesetzt wurden. Einzig die
Rücküberstellung von Drittstaatenangehörigen „remain subject to further examination“
(KOM/Hohe Vertreterin 2011c: 2). Es folgt eine aufgeschlüsselte Bewertung der einzelnen
Politikbereiche. Demnach wurden die wichtigen gesetzgeberischen Maßnahmen zur
Dokumentensicherheit (Block 1) auf den Weg gebracht und mit der Umsetzung begonnen.
Die Entwicklung in diesem Feld wird insgesamt positiv eingeschätzt, die Maßnahmen werden
voraussichtlich in absehbarer Zeit umgesetzt sein (ebd.: 2f.). „[V]ery good progress“ wird der
Ukraine in Block 2, bei der Bekämpfung der irregulären Migration, bescheinigt (ebd.: 3). Die
administrativen Kapazitäten des Migrationssystems und die Anti-Korruptionsmaßnahmen
sind jedoch weiter zu verbessern. Der Asylbereich hingegen weist immer noch Mängel auf,
auch wenn diese im Verlauf des letzten Jahres deutlich verringert wurden.
„However, additional efforts are needed to further improve Ukraine’s legislative framework in this
important area, to make it fully compatible with international and EU standards. In this context, the
serious concerns raised by international organisations and NGOs should be fully addressed“ (KOM/Hohe
Vertreterin 2011c: 4).
Insgesamt wird dem Asylsystem in der Bewertung aber weniger Raum gewährt. Positiver fällt
der Bericht zur öffentlichen Ordnung und Sicherheit (Block 3) aus, entsprechende
Maßnahmen sind mindestens in Vorbereitung. Diesem Abschnitt, der auch die
Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen, Maßnahmen gegen Schmuggel und organisierte
Kriminalität beinhaltet, wird mit Abstand das größte Gewicht beigemessen (ebd.: 8ff.). Die
Fortschritte werden alles in allem gewürdigt. Im Gegensatz dazu bedürfen viele Maßnahmen
des vierten Blocks Außenbeziehungen und Grundrechte noch der Umsetzung. Vor allem der
Schutz vor Diskriminierung ist noch nicht ausreichend entwickelt. Abschließend wird über
die Wirkung des Aktionsplans Bilanz gezogen:
„The work of the Ukrainian Government to date shows that the Action Plan on Visa Liberalisation is an
important tool for advancing reforms in the JHA area and beyond“ (KOM/Hohe Vertreterin 2011c: 16).
Die Entwicklung der Ukraine wird demnach überwiegend positiv bewertet, die Fortschritte im
Rahmen des Aktionsplans zur Visaliberalisierung scheinen die EU weitgehend zufrieden zu
stellen. Allerdings gibt es aus Sicht der EU kaum Spielräume, diese Fortschritte entsprechend
zu belohnen. Die Verhandlungen über die Liberalisierung des Visasystems sind eingebettet in
das Assoziierungsabkommen. Dieses vertiefte und umfassende Abkommen sollte 2011
paraphiert werden. Dazu kam es auf dem EU-Ukraine-Gipfel jedoch nicht. Der willkürliche
47
Prozess gegen Julia Tymoschenko wurde von Seiten der EU massiv kritisiert und zum Anlass
genommen, die Paraphierung zu verweigern. Diese Alles-oder-Nichts-Strategie führt aktuell
zu einer festgefahrenen Patt-Situation.20
4.4 Zwischenfazit: Konditionalität in der Visapolitik
Ziel dieses Kapitels ist es, die Ergebnisse der Analyse zusammenzufassen. Die leitenden
Thesen werden aufgegriffen und anhand der gemachten Beobachtungen überprüft.
Zunächst wurden Größe und Glaubwürdigkeit der Angebote, die die EU an Mazedonien
und die Ukraine richtet, verglichen. Die Anreize scheinen auf den ersten Blick gleich:
Abkommen über Visaerleichterung sind ein erster Schritt auf dem Weg zu völliger
Visumfreiheit, die mittel- bis langfristig umzusetzen ist. Im Falle der Ukraine sind diese
Angebote zunächst äußerst vage formuliert und gewinnen erst an Kontur, als die
Verhandlungen über ein Rückübernahmeabkommen stagnieren. In dieser Situation bietet die
EU einen zusätzlichen Anreiz, um ihr Interesse zu verwirklichen, die Ukraine zur
Rückübernahme abgelehnter Asylbewerber zu verpflichten. Das eigentliche Ziel der EUKonditionalität, innere Reformen mit Hilfe attraktiver Angebote anzuregen, erscheint durch
diese zweckrationale Vorgehensweise unglaubwürdig.
Im späteren Verlauf, als die Erfolge der ENP hinter den Erwartungen zurückbleiben,
werden die Anreize zunehmend konkreter. Der entsprechende Aktionsplan und die
beginnenden Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen verleihen dem Ziel der
Visumfreiheit Glaubwürdigkeit und erhöhen die Absehbarkeit. Allerdings bleibt die zeitliche
Perspektive unklar. Die EU betont, dass Visumfreiheit grundsätzlich allen ENP-Staaten in
Aussicht steht, diese aber eng gebunden ist an die Erfüllung der Konditionen. Insofern
vermittelt dieses Vorgehen, bezogen auf die Anreize, eine größere Verlässlichkeit.
Gegenüber Mazedonien wird die Visapolitik zunächst im Rahmen des regional approach
thematisiert, der auf eine engere Verflechtung der Westbalkanstaaten drängt. Weitergehende
Integrationsschritte werden, wenn auch später als gegenüber der Ukraine, aus dieser
Perspektive
heraus
entwickelt.
Die
Eigeninteressen
der
EU,
z.B.
an
der
Rückübernahmepolitik, treten in den Hintergrund. Deshalb erscheint die Perspektive von
Visaerleichterungen von Beginn an vertrauenswürdiger und belastbarer. Hinzu kommt, das
Mazedonien auf Grund seiner (zunächst potentiellen) Beitrittsperspektive prioritär behandelt
wird. Völlige Visumfreiheit steht früher als gegenüber der Ukraine als mittelfristiges Ziel auf
der Agenda. Ein entsprechender Aktionsplan bekräftigt diese Perspektive. Damit kann für die
20
Für eine ausführliche Analyse des Gipfels vgl. Stewart 2011.
48
Visapolitik die These bestätigt werden, dass die Angebote an die Ukraine weniger
glaubwürdig erscheinen und weniger weit reichend sind. Gleichwohl ist im Zeitverlauf aus
Sicht der Ukraine eine Verbesserung zu beobachten.
Wie glaubwürdig die Angebote jeweils tatsächlich zu bewerten sind, hängt entscheidend
davon ab, wie klar sie mit möglichst konkreten und erfüllbaren Bedingungen verknüpft sind.
Hier offenbart der Vergleich noch deutlichere Unterschiede. Von Beginn an werden von der
Ukraine vor allem Maßnahmen gefordert, die auf verstärkten Grenzschutz und auf die
Bekämpfung der irregulären Migration in die EU zielen. Von Mazedonien werden vielmehr
kapazitätsstärkende Schritte und eine engere regionale Kooperation gefordert. Die EU lässt
damit ihr Eigeninteresse, Aufgaben der Migrations- und Grenzschutzpolitik auf die
umliegenden Staaten zu übertragen, in die Beziehungen zur Ukraine einfließen. In den
Beziehungen zu Mazedonien ist dies weniger stark zu beobachten.
Der Blick auf den Abschluss der Abkommen über Visaerleichterungen unterstreicht
diesen Eindruck. In den Verhandlungen mit der Ukraine war die Kopplung an ein
entsprechendes Rückübernahmeabkommen zentral, ja sogar der Auslöser für das schnelle
Inkrafttreten von Visaerleichterungen. Nachdem beiden Ländern zeitgleich Erleichterungen
bei der Erteilung von Visa gewährt wurden, verschiebt sich der Fokus auf das Ziel gänzlicher
Visumfreiheit. Für Mazedonien wird zügig ein Aktionsplan aufgestellt, der konkret und
kleinteilig nötige Reformen beschreibt. Ein vergleichbares Programm wird der Ukraine
bedeutend später vorgelegt. Bei näherer Betrachtung bleibt diese visa liberalisation agenda in
Klarheit und Bestimmtheit der geforderten Maßnahmen hinter dem Aktionsplan für
Mazedonien zurück. Damit bestätigt sich die Annahme, dass Konditionen an die Ukraine
unkonkreter sind und die Verknüpfung mit den Anreizen weniger stark ist als jene an
Mazedonien.
Für die Auswirkungen der Konditionalitätspolitik ist vor allem relevant, ob diese
konsistent umgesetzt wird. Hier zeigt sich ein gespaltenes Ergebnis. Bei Inkrafttreten der
Visaabkommen 2008 ist die Umsetzung der Bedingungen in der Ukraine mangelhaft, vor
allem bezüglich des Asylsystems. Allerdings hat die EU sich sehr stark auf
Grenzschutzmaßnahmen und den Schutz vor irregulärer Migration konzentriert. In diesen
Bereichen können die Konditionen als erfüllt gelten. Das Urteil der EU über den Stand der
Reformen in Mazedonien fällt hingegen bis auf wenige Einschränkungen positiv aus. Einzig
die ausreichende Bereitstellung von finanziellen und personellen Ressourcen wird angemahnt.
Wenig Beachtung findet die Situation der Roma, die nach wie vor ein großes Problem
darstellt. Verbesserungen diesbezüglich wurden jedoch nicht in den Forderungskatalog der
49
EU aufgenommen und finden auch bei der Bewertung der Reformschritte im Visabereich
kaum Beachtung.
Dies ändert sich auch nicht in den Berichten, die 2009 vorgelegt werden, bevor die
Visumpflicht für Mazedonier aufgehoben wird. Stattdessen betrachtet die Kommission die
entscheidenden Bedingungen als erfüllt, auch wenn es Nachholbedarf etwa im
Flüchtlingsschutz oder bei Verwaltungskapazitäten gibt. Sie empfiehlt das Inkrafttreten des
Abkommens. Mit der Ukraine stehen zwei Jahre später die Verhandlungen über die
Liberalisierung des Reiseverkehrs vor dem Abschluss. Die Fortschrittsberichte aus jüngster
Zeit zeigen sich insgesamt zufrieden, auch wenn offene Fragen bleiben. Diese betreffen das
ukrainische
Asylsystem,
Maßnahmen
gegen
Korruption
und
die
Bekämpfung
grenzüberschreitender Kriminalität. Auch in diesen Bereichen werden aber Fortschritte
anerkannt. Dennoch gibt die Kommission keine Empfehlung zum weiteren Vorgehen. Der
Abschluss der Verhandlungen hatte sich zunächst bis Ende 2011 verzögert, auch zu diesem
Zeitpunkt wurde das Abkommen nicht paraphiert. Dies geschah jedoch aufgrund der aktuellen
politischen Lage in der Ukraine, namentlich wegen des Prozesses gegen Julia Tymoschenko.
Die Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine sind infolgedessen merklich angespannt.
In dieser Arbeit wurde angenommen, dass das Konditionalitätsprinzip gegenüber der
Ukraine weniger konsistent angewandt wird als gegenüber Mazedonien. Dies hat sich
grundsätzlich bestätigt. Allerdings finden sich auch in den Beziehungen mit Mazedonien
Entscheidungen, deren Konsistenz zumindest fragwürdig ist. Gegenüber beiden Ländern
wurden außerdem bestimmte logische Konditionen vernachlässigt oder gar in der Bewertung
ignoriert. An anderer Stelle wurden einzelne Bedingungen stark in den Vordergrund gestellt
und dienten als Rechtfertigung für nicht eingelöste Versprechen. Insofern lässt sich nicht
immer bestimmen, wann notwendige Bedingungen tatsächlich nicht erfüllt waren oder als
zusätzliche Hindernisse aufgebaut wurden.
5. Politikfeld II: Konditionalität in der Binnenmarktpolitik
Der gemeinsame Markt ohne Binnengrenzen ist zum bestimmenden Merkmal der EU
geworden und prägt seit den Anfängen in den fünfziger Jahren das Bild der europäischen
Integration im In- und Ausland. Der EU-Binnenmarkt ist heute der weltweit größte
Wirtschaftsraum und übt einige Anziehung auf die umliegenden Staaten aus. Inhaltlich
umfasst er vier Dimensionen: den freien Warenverkehr, Personenfreizügigkeit, den freien
Verkehr von Dienstleistungen und die Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs. Alle vier
Grundfreiheiten beinhalten eine externe Dimension und sind prinzipiell auch auf Drittstaaten
50
anwendbar. Vor allem mit ihren Nachbarstaaten hat die EU bilaterale Handelsabkommen
geschlossen, die eine abgestufte Integration in den EU-Binnenmarkt ermöglichen. So gelten
die vier Freiheiten mit wenigen Ausnahmen beispielsweise für Norwegen, Island und
Liechtenstein (im Rahmen des EWR) sowie für die Schweiz (auf der Grundlage bilateraler
Verträge). Jenseits der vollen Marktintegration (bzw. als deren Vorstufen) lassen sich drei
Szenarien unterscheiden: einfache Freihandelsabkommen, eine Zollunion und vertiefte
Abkommen über Freihandel (Šumylo 2007: 182ff., Haran/Sushko 2005: 177ff.).
Durch
den
Abschluss
von
einfachen
Freihandelsabkommen
werden
tarifäre
Handelshemmnisse innerhalb einer Freihandelszone abgebaut. Die ökonomischen Vorteile
sind eher gering, wenn beide Partner ohnehin schon Mitglieder der WTO sind. Schrittweise
sollen solche Abkommen mit den Mittelmeeranrainern umgesetzt werden. In einer Zollunion,
wie sie beispielsweise mit der Türkei besteht, werden zusätzlich gemeinsame Zölle für den
Handel mit Drittstaaten festgelegt. Um einem gemeinsamen Markt näher zu kommen, können
in einer vertieften Freihandelszone schrittweise sämtliche Handelshemmnisse abgebaut
werden. Voraussetzung hierfür sind gemeinsame Standards und Kontrollmechanismen, was
die teilweise Übernahme des acquis communautaire erfordert und einen erheblichen
Verwaltungsaufwand bedeutet. Ein solches Abkommen wird derzeit u.a. mit der Ukraine und
mit den Staaten des Südkaukasus verhandelt.
Die dargestellten Schritte laufen nicht zwingend evolutionär ab, Überschneidungen und
Gleichzeitigkeiten sind durchaus möglich. Beispielsweise kann ein Freihandelsabkommen
asymmetrische Zollvergünstigungen enthalten oder in einem vertieften Abkommen der Fokus
auf einzelne Wirtschaftssektoren gelegt werden. Es soll nun untersucht werden, welche dieser
möglichen Angebote die EU an Mazedonien und an die Ukraine richtet, mit welchen
Bedingungen diese Anreize verknüpft werden und wie konsistent ihre Einlösung erfolgt.
5.1 Anreizstruktur in der Binnenmarktintegration
Analog zu dem Vorgehen in Kapitel 4 sollen an dieser Stelle die Anreize der EU gegenüber
Mazedonien und der Ukraine miteinander verglichen werden. Dabei wird wieder ein
Vorgehen gewählt, bei dem beide Länder zunächst getrennt voneinander betrachtet werden.
5.1.1 Angebote zur Integration Mazedoniens in den Binnenmarkt
Mit Mazedonien hat die EU bereits in den neunziger Jahren drei Handels- und
Kooperationsabkommen abgeschlossen (ABl. EG 1997, 1998a, b). Die Verträge legen
Grundsätze für den gemeinsamen Handel fest, beinhalten aber keine weitergehenden
51
Anhaltspunkte
in
Richtung
etwaiger
Handelspräferenzen.
Erst
im
Rahmen
des
Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses erhalten mazedonische Waren einseitige
Zollpräferenzen im Zugang zum EU-Binnenmarkt, um Reformen und wirtschaftliches
Wachstum anzuregen (ABl. EG 2000).
In
dieser
Hinsicht
stellt
das
2001
abgeschlossene
Stabilisierungs-
und
Assoziierungsabkommen einen Meilenstein dar (in Kraft ab 2004). Mazedonien wird
schrittweise die Schaffung einer gemeinsamen Freihandelszone innerhalb von „höchstens
zehn Jahren“ in Aussicht gestellt (ABl. EU 2004a: Art. 1). Die Umsetzung soll dabei in zwei
Phasen ablaufen. Zunächst soll sich die rechtliche Angleichung „auf bestimmte wesentliche
Teile“ des acquis und „auf andere handelsrelevante Bereiche“ konzentrieren (ebd.: Art. 68).
Das Vorgehen ist eng mit der Kommission abzustimmen und soll nach vier Jahren überprüft
werden. Vorerst bleibt aber die asynchron privilegierte Stellung Mazedoniens erhalten. Für
die Liberalisierung des Kapitalverkehrs legt das SAA einen konkreten Zeitplan vor (ebd.: Art.
59). Eine Angleichung in diesem Bereich ist vor allem wichtig, um die Bedingungen für
ausländische Direktinvestitionen zu verbessern. In Bezug auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit
verspricht das Abkommen hingegen lediglich eine engere Koordinierung und langsame
Angleichung. Weiterhin werden grenzüberschreitende Dienstleistungen erleichtert, allerdings
bleiben Selbstständige vorerst ausgenommen.
Auch der Regionalansatz der EU findet Eingang in den Vertrag, der Freihandel zwischen
den Staaten des Westbalkans soll gefördert werden. Die „Weiterentwicklung des regionalen
Freihandels“ unterstreicht auch die Thessaloniki-Agenda von 2003. Abgesehen davon findet
sich keine weitere Aussage bezüglich der Binnenmarktintegration. Ein wichtiger Schritt zur
regionalen
Einbindung
ist
der
Beitritt
Mazedoniens
zum
Mitteleuropäischen
Freihandelsabkommen (CEFTA) im Jahr 2006 (in Kraft ab 2007).
Der Analysebericht über Mazedonien 2005 verdeutlicht, welchen Stellenwert die
Binnenmarktintegration für Mazedonien hat:
„Ohne Integration in den Binnenmarkt verlöre die EU-Mitgliedschaft sowohl für die ehemalige
jugoslawische Republik Mazedonien als auch für ihre Partner jeglichen wirtschaftlichen Sinn“ (KOM
2005a: 39).
Demnach ist die Teilhabe am EU-Binnenmarkt kein Anreiz im engeren Sinne, für den
bestimmte Bedingungen eingefordert werden können. Vielmehr ist die Integration für
Mazedonien vor dem Hintergrund der angestrebten EU-Mitgliedschaft eine Verpflichtung.
52
Die EU bietet für diesen Prozess diverse Unterstützungsmaßnahmen, vor allem im Bereich
des twinning.
Die Erweiterungsstrategie 2005 betont ebenso den Zusammenhang zwischen dem SAA
und der Heranführung an den acquis in Vorbereitung auf die EU-Mitgliedschaft.
Nichtsdestotrotz werden weitere Handelserleichterungen in Aussicht gestellt, nämlich
vereinfachte Ursprungskennzeichnung und die Verlängerung des freien Marktzugangs für
mazedonische Produkte um fünf Jahre (KOM 2005b). Letzteres ist von besonderer Bedeutung
für die mazedonische Wirtschaft.
Auf diese Wichtigkeit weist die Kommission auch in ihrer Mitteilung zum Westbalkan
hin, in der sie Bilanz zieht (KOM 2006a): Die SAA haben die Exportleistungen angeregt und
sind wichtiger Impulsgeber für die regionale Kooperation, die Angleichung des
Rechtssystems, für Effizienzsteigerung in der Verwaltung und weitere innere Reformen. Das
Europaabkommen aus dem gleichen Jahr legt den Fokus sogar noch deutlicher auf die
Übernahme des acquis (ABl. EU 2006). Konkrete und sehr kleinteilige Schritte beschreiben,
wie kurzfristig (in ein bis zwei Jahren) eine Annäherung vor allem in den Bereichen
Warenverkehrs- und Kapitalverkehrsfreiheit erreicht werden kann und wie mittelfristig (in
drei bis vier Jahren) bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit
Fortschritte möglich sind. Untermauert werden diese Angebote durch die Zusage finanzieller
Förderung.
Fördermaßnahmen bilden auch einen Schwerpunkt der Kommissionsmitteilung zum
Westbalkan 2008 (KOM 2008a). Twinning-Maßnahmen, Erfahrungsaustausch und technische
Unterstützung finden zwar auf allen Gebieten umfassend Anwendung. Allerdings stellt der
Bereich Binnenmarkt einen der Schwerpunkte dar.
2010 weist die Kommission deutlicher darauf hin, dass für die Kandidaten „bereits auf
dem Weg zum Beitritt konkrete Ergebnisse“ sichtbar werden müssen (KOM 2010: 3).
Deshalb empfiehlt sie, zur zweiten Stufe des SAA überzugehen. Hierin deutet sich ein
Wandel in der Erweiterungsstrategie an, in der die Mitgliedschaft nicht der alleinige Anreiz
für Reformen bleiben kann. Gerade im Falle Mazedoniens zeigt sich, wie unabsehbar diese
Beitrittsperspektive ist, noch immer sind keine Verhandlungen eröffnet, obwohl sich die
Kommission seit zwei Jahren dafür ausspricht. Auch in der Frage der Vertiefung des SAA ist
der Rat bisher nicht der Empfehlung der Kommission gefolgt.
Es wird deutlich, dass es der EU schwer fällt, attraktive Anreize zu setzen. Maßnahmen
der Binnenmarktintegration sind stets äußerst voraussetzungsvoll, Reformen in diesem
Bereich sind teuer und ziehen oft zunächst negative Auswirkungen nach sich. Die
53
Betrachtung zeigt, dass die EU zunehmend bemüht ist, erstens Unterstützung zu leisten und
zweitens Angebote zu schaffen, die auch ohne den Beginn von Beitrittsverhandlungen
möglich und lohnend sind.
5.1.2 Angebote zur Binnenmarktintegration der Ukraine
Eine enge Zusammenarbeit in Wirtschaft und Handel stand auch bei den Beziehungen zur
Ukraine von Beginn an im Zentrum der Bemühungen. Folglich zielt auch das PKA, das
bereits
1994
unterzeichnet
Handelsbeziehungen
und
wurde,
Investitionen
auf
genau
soll
die
diese
Fragen.
„dauerhafte
und
Durch
intensive
umweltgerechte
Entwicklung“ in der Ukraine gefördert werden (ABl. EG 1998a: Art. 1). Schon dieses erste
Abkommen nimmt Bezug auf die Möglichkeit einer Freihandelszone, die für Festlegungen
speziell im Warenverkehr und in der Zollpolitik das leitende Ziel sein sollen (ebd.: Art. 4).
Erst im Hinblick auf die Nachbarschaftspolitik wird dieser Ansatz konzeptionell
weiterentwickelt. Der Rat formuliert als möglichen Anreiz die
„Aussicht auf eine schrittweise Beteiligung am Binnenmarkt der EU und seinen Regelungsstrukturen
[…] auf der Grundlage einer Angleichung der Rechtsvorschriften“ (Rat 2003: 33).
Namentlich finden sich die vier Grundfreiheiten (Freiheit von Waren, Dienstleistungen,
Kapital und Personen) tatsächlich in der Wider-Europe-Strategie wieder. Die EU bietet die
konkrete Weiterentwicklung der PKA an, indem diese durch einen Zeitplan ergänzt werden
sollen. Zeitliche Perspektiven könnten sowohl für die Ausdehnung des Binnenmarkts (und der
damit verbundenen Regelungsstrukturen) als auch für die Einrichtung von Freihandelszonen
entwickelt werden (KOM 2003a).
Allerdings erscheinen diese weit reichenden Angebote bereits in der ENP-Strategie von
2004 weniger konkret, als dies zu erwarten wäre. Zwar bilden „Handel und Maßnahmen für
die Vorbereitung der Partner auf die allmähliche Teilnahme am EU-Binnenmarkt“ einen von
vier Kernbestandteilen der Strategie (KOM 2004b: 3). Die vier Grundfreiheiten sind aber
nicht explizit genannt, der Fokus liegt auf der Liberalisierung des Warenverkehrs und auf
finanzieller sowie technischer Hilfe, z.B. engerer Verwaltungszusammenarbeit (ebd.: 14). Es
wird deutlich darauf hingewiesen, dass diese Maßnahmen „Effizienzgewinne abwerfen und
den Wohlstand durch verstärkte Marktintegration verbessern“ werden (ebd.). Mittelbar wird
sich die Zusammenarbeit außerdem günstig auf die Wirtschaftsstruktur insgesamt und auf das
Investitionsklima auswirken. Gleichzeitig unterstreicht die EU, dass eine zu schnelle
Marktintegration auch negative Folgen haben kann, vor allem im Hinblick auf finanzielle und
54
makroökonomische Schwankungen. Diese Gefahren schmälern die Attraktivität der Anreize
aus Sicht der Partnerstaaten in nicht unerheblichem Maß (ebd.: 15). Schritte zur
Liberalisierung des Kapital- und Dienstleistungsverkehrs werden nur am Rande erwähnt. Zur
Personenfreizügigkeit heißt es lapidar: „Fragen im Zusammenhang mit der Freizügigkeit von
Arbeitnehmern
[…]
werden
weiterhin
im
Rahmen
der
Assoziations-
und
Kooperationsabkommen aufgegriffen“ (ebd.).
Der Aktionsplan von 2005 setzt die allgemeine ENP-Strategie in konkrete Maßnahmen
für die Ukraine um. Grundlage sollen gemeinsame Anstrengungen sein, mittelfristig (nach
Beitritt zur WTO) eine Freihandelszone mit der Ukraine einzurichten. Die Möglichkeit für ein
vertieftes Abkommen soll je nach Entwicklung der europäisch-ukrainischen Beziehungen in
Betracht gezogen werden: „The advisability of any new contractual arrangements will be
considered in due time“ (Kooperationsrat EU-Ukraine 2005: 3). Auf lange Sicht böte sich die
Perspektive der Beteiligung am Binnenmarkt, was eine Angleichung der Rechtsvorschriften
voraussetzt. Es wird nicht näher betrachtet, ob und wie die potentiellen Vorteile (Wachstum
und Investitionen) die Kosten der acquis-Übernahme aufwiegen. Es wird aber deutlich, dass
dem Warenverkehr Priorität gegenüber den anderen Dimensionen des Binnenmarktes
eingeräumt wird. Die beabsichtigten Maßnahmen in diesem Bereich sind umfangreicher und
konkreter.
Bereits 2006 mahnt die ENP-Strategie, dass die EU „bessere Handels- und
Investmentbedingungen in Aussicht“ stellen sollte (KOM 2006b: 3). Das erfordert vor allem
eine klare zeitliche Perspektive und verlässliche Angebote. Beispielsweise dürfen nicht genau
die Waren von Liberalisierungsmaßnahmen ausgenommen werden, die „für diese Länder von
ganz besonders großer Bedeutung sind“ (ebd.: 4). Das schon vorher erwähnte tief greifende
und umfassende Freihandelsabkommen wird inhaltlich spezifiziert. Die künftige Entwicklung
erhält so einen neuen, klar angegebenen Zielpunkt, der mittelfristig zu erreichen ist. Demnach
„sollte [es] sich letztendlich auf den gesamten Handel mit Waren und Dienstleistungen“
erstrecken (ebd.: 5.). Kapitalverkehr und Arbeitnehmerfreizügigkeit bleiben zumindest vorerst
unberücksichtigt. Dabei wäre Letztere für die ENP-Staaten von großem Wert, könnten auf
diese Weise doch Wege der legalen (Arbeits-) Migration eröffnet werden. Auch wenn diese
Aspekte außen vor bleiben, sind die vertieften Freihandelsabkommen von hoher Komplexität.
Sie stellen ein mittel- oder sogar langfristiges Ziel dar, bei denen sogar „gewisse
Asymmetrien in Kauf“ genommen werden (ebd.).
Insgesamt werden die Anreize klarer benannt als zuvor, gleichzeitig wird aber deutlich,
dass sie alles andere als leicht zu erreichen sind. Allen ENP-Staaten wird grundsätzlich die
55
gleiche Perspektive aufgezeigt, nämlich „eine gemeinsame Regulierungsgrundlage und ein
vergleichbares Maß an Marktzugang“ (ebd.). Interessant ist, dass die volle Teilhabe am
Binnenmarkt gänzlich unerwähnt bleibt. Im Unterschied zur Wider-Europe-Strategie wird sie
nicht einmal als Schlusspunkt der Integration benannt. Es ist jedoch bereits absehbar, dass
„zusätzliche Anreize vonnöten“ sein werden (KOM 2007b: 5).
Für die Ukraine sollen diese Fragen im Rahmen der Verhandlungen über ein neues,
erweitertes
Abkommen
geklärt
werden.
Als
Kernbestandteil
sieht
dieses
Assoziierungsabkommen, wie es auf Drängen der Ukraine benannt wird, vertieften Freihandel
zwischen der Ukraine und der EU vor:
„The establishment of a deep and comprehensive Free Trade Area between the EU and Ukraine will lead
to gradual and ever deeper integration of Ukraine with the internal market in parallel with the
implementation of relevant elements of the acquis communautaire“ (Kooperationsrat EU-Ukraine 2009a:
3).
Die zugehörige Assoziierungsagenda von 2009 ersetzt den vorherigen Aktionsplan, ist aber
inhaltlich weniger breit gefächert. Vielmehr konzentriert sie sich auf einzelne Bereiche wie
Handel und Energiepolitik mit dem Ziel einer sektoralen Integration. Auf diese Weise kann
die EU Kooperationsangebote machen, die sich für beide Partner lohnen und die in absehbarer
Zeit umgesetzt werden können. Auf der anderen Seite gerät das übergreifende Ziel der
vollständigen Binnenmarktintegration aus dem Blickfeld. Außerdem bleiben entscheidende
Fragen vorerst unberücksichtigt: Maßnahmen in den Bereichen Warenhandel, Handel mit
Dienstleistungen,
Niederlassungsfreiheit,
Handelsregulierung
und
Verwaltungszusammenarbeit sollen erst nach Inkrafttreten des eigentlichen Abkommens
vorangetrieben
werden.
Zur
Unterstützung
werden
weiche
Methoden
wie
Erfahrungsaustausch durch best practice und twinnig sowie regelmäßige, gemeinsame
Überwachung der Fortschritte angeboten. Außerdem soll der Ukraine mittelfristig die
Teilnahme an der EU-EFTA working group ermöglicht werden (Kooperationsrat EU-Ukraine
2009a: 21). Auf diese Weise soll das Land an diese Form der Marktintegration herangeführt
werden.
Das geplante Assoziierungsabkommen macht damit begrenzte, aber klar umrissene
Angebote. Die schrittweise Integration in bestimmten Sektoren und in Handel und
Dienstleistung bringt für beide Seiten kalkulierbaren Nutzen. Dieser Weg ist unter Umständen
aus Sicht der Ukraine eher lohnend als die ferne Perspektive einer Binnenmarktintegration mit
den damit verbundenen Kosten, aber ohne politische Teilhabe. Diese Sichtweise greift die
56
Neue Antwort der Kommission und der Hohen Vertreterin für die gesamte ENP auf
(KOM/Hohe Vertreterin 2011a). Was die Annäherung der ENP-Staaten an den Binnenmarkt
betrifft, wird das Prinzip der Differenzierung begrüßt und soll stärkere Berücksichtigung
finden:
„Einige Partner werden womöglich ihre Integrationsbemühungen weiter vorantreiben wollen, was eine
stärkere Angleichung an die EU-Politiken und -Vorschriften voraussetzen und schrittweise zur
wirtschaftlichen Integration in den EU-Binnenmarkt führen würde“ (KOM/Hohe Vertreterin 2011a: 3).
Die Teilhabe am Binnenmarkt ist nicht als eigentlicher Anreiz sondern als Folge der
zunehmenden wirtschaftlichen Kooperation zu verstehen.
Die vollständige Marktintegration nach dem Vorbild des EWR ist damit zwar nicht
ausgeschlossen, aber auch nicht ausdrücklich als Ziel formuliert. Denn selbst
„[l]angfristig würde eine solche Wirtschaftsgemeinschaft [lediglich, A.S.] auf einem gemeinsamen
Regulierungsrahmen und einem besseren Marktzugang für Waren und Dienstleistungen zwischen den
ENP-Partnern und zwischen ihnen und der EU beruhen“ (KOM/Hohe Vertreterin 2011a: 3).
Bereits kurzfristig soll es spürbare Verbesserungen geben. Einerseits soll ein asymmetrisches
Liberalisierungstempo das wirtschaftliche Wachstum befördern. Andererseits könnten
Abkommen über Konformitätsbewertung und Anerkennung gewerblicher Produkte (ACAA)
den Handel erleichtern. Solche Abkommen sind ein Weg, den Übergang zum Freihandel
sanfter zu gestalten, denn in den jeweils betroffenen Sektoren wäre der Vertragsstaat „in der
Praxis Teil einer Freihandelszone zwischen der EU, dem EWR und der Türkei“ (KOM/Hohe
Vertreterin 2011a: 11). Die Kommission will den Abschluss solcher Abkommen unterstützen
und beschleunigen.
Insofern sind zwei Entwicklungen zu beobachten, die auf den ersten Blick paradox
erscheinen: Einerseits verliert die langfristige Zielstellung, die Ukraine in den Binnenmarkt zu
integrieren, an Bedeutung. Den Gültigkeitsbereich der vier Grundfreiheiten auf die Ukraine zu
erweitern wird schließlich nicht mehr explizit formuliert. Anderseits werden die bestehenden
Anreize (Liberalisierung des Waren- und Dienstleistungsverkehrs) im Rahmen einer
vertieften Freihandelszone konkretisiert und damit glaubwürdiger und absehbarer. Im
Ergebnis sind diese Angebote deshalb als weiter reichend zu bewerten, obwohl die inhaltliche
Dimension verengt wurde. Es ist offensichtlich, dass Inhalt, Reichweite und Vorgehen der
Binnenmarktintegration für die ENP-Staaten nicht schlüssig konzipiert sind. Eine
Marktintegration nach dem Vorbild des EWR wird für beitrittswillige Staaten wie die Ukraine
auf Dauer kein reizvolles Angebot sein. Die heutigen Mitglieder des EWR haben aus eigenem
57
Antrieb von einer EU-Mitgliedschaft Abstand genommen, ihnen wurde nicht etwa die
Beitrittsperspektive verwehrt. Die komplexen Regeln des Binnenmarktes zu übernehmen,
ohne sie künftig mitgestalten zu dürfen, erscheint wenig lukrativ.
5.1.3 Anreize zur Binnenmarktintegration: Vergleich der Ergebnisse
Attraktive Anreize zur Binnenmarktintegration zu entwickeln, ist keine leichte Aufgabe für
die EU. Einerseits ist die Binnenmarktpolitik ein mehrdimensionales und komplexes
Politikfeld. Andererseits ist es für jeden Integrationsschritt unerlässlich, die relevanten Regeln
des acquis communautaire umzusetzen. Dies ist für das Partnerland mit Kosten verbunden, so
dass sich die Marktintegration vor allem auf lange Sicht auszahlt, kurzfristig jedoch sogar
Nachteile bringen kann.
An Mazedonien richtet die EU schon mit dem SAA das Angebot einer gemeinsamen
Freihandelszone. Die vertragliche Festschreibung mit klaren Fristen schafft große
Verbindlichkeit, die regionale Einbettung verstärkt diesen Eindruck. Außerdem werden dem
Land asymmetrische Handelserleichterungen zugestanden. Die Binnenmarktpolitik des
Beitrittskandidaten stellt außerdem einen Hauptbereich dar, den die EU mit twinnigMaßnahmen sowie finanzieller und technischer Hilfe besonders fördern will. In den letzten
Jahren zeichnete sich ab, dass es neben der langfristigen Aussicht auf volle Marktintegration
zusätzlicher Anreize bedarf, die auch auf kurze Sicht Wirkung zeigen.
Das PKA mit der Ukraine stellt gemeinsamen Freihandel zwar in Aussicht, nennt aber
keine zeitliche Perspektive für die Implementierung. Auch die ENP bietet zunächst kein
klares Konzept über das Vorgehen in Richtung einer zunehmenden Integration in den
Binnenmarkt. Da der Ukraine die Beitrittsperspektive verwehrt wird, bleibt auch der
Zielpunkt der Entwicklung im Unklaren. Später wird das Angebot spezifiziert: Mittelfristig
soll vertiefter Freihandel zwischen der EU und der Ukraine etabliert werden. Auf dem Weg
dahin sollen sogar asymmetrische Handelserleichterungen gewährt werden. Auch in den
Beziehungen zur Ukraine zeigt sich das Problem, dass die Attraktivität der Anreize durch
kurzfristige Vorteile erhöht werden muss. Es wird deshalb versucht, konkretere, kurz- und
mittelfristige Vergünstigungen zu schaffen und die Kosten zu senken. Deshalb verschiebt sich
der Fokus zunehmend auf einzelne Aspekte des gemeinsamen Handels und auf eine stärker
sektoral ausgerichtete Binnenmarktintegration. Die EU steht vor einem Dilemma: Der
Hauptanreiz der Binnenmarktintegration ist zwangsläufig mit zahlreichen Bedingungen
verbunden. Diese stehen im Mittelpunkt des folgenden Abschnitts.
58
5.2 Bedingungen der EU für die Binnenmarktintegration
Der gemeinsame Binnenmarkt ist das Kernstück der europäischen Integration und nimmt
dementsprechend einen großen Anteil des acquis communautaire ein. Die Hauptbedingung
für eine Teilhabe am Markt ist generell die Übernahme der entsprechenden Rechtsnormen.
Umfang und Bedeutung des Binnenmarkt-acquis zeigt sich gerade in Beitrittsverhandlungen,
denn die meisten Verhandlungskapitel berühren den Binnenmarkt mehr oder weniger stark.
Die gleichen Regeln finden auch bei Nicht-EU-Staaten Anwendung, die am Binnenmarkt
teilnehmen wollen. Bei einem Vergleich der beiden Länder Ukraine und Mazedonien wird es
von größerer Aussagekraft sein, mit welchen Abstufungen und in welchem Zeitrahmen diese
Regelübernahme verlangt wird. Außerdem sollen eventuelle zusätzliche Bedingungen
aufgezeigt werden.
Zunächst stand sowohl für Mazedonien als auch für die Ukraine die Schaffung einer
gemeinsamen Freihandelszone im Mittelpunkt. Das PKA mit der Ukraine beabsichtigt eine
Weiterentwicklung in diese Richtung, und zwar „nach Maßgabe der Fortschritte der Ukraine
im Proze[ss] der wirtschaftlichen Reformen“ (ABl. EG 1998a: Art. 4). Damit sind jedoch
weder deutliche Bedingungen formuliert, noch sind diese essentiell mit dem Angebot einer
gemeinsamen Freihandelszone verknüpft, denn diese wird lediglich in Erwägung gezogen.
Die wirtschaftliche Integration in europäische Strukturen ist eine ferne Zukunftsvision. Es
wäre zu erwarten, dass diese Vision mit der Konzeption der ENP Kontur bekommt. Die
Wider-Europe-Strategie immerhin macht eine wirtschaftliche Integration abhängig von
„nachgewiesenen konkreten Fortschritten bei der Verwirklichung der gemeinsamen Werte und der
effektiven Umsetzung politischer, wirtschaftlicher und institutioneller Reformen, u.a. bei der
Angleichung an den Besitzstand“ (KOM 2003a: 10).
Damit rücken die Bedingungen nah an die Kopenhagener Beitrittskriterien heran. Die ENPStrategie ist deutlich differenzierter und Handel sowie Binnenmarkt nehmen einen
verhältnismäßig großen Raum ein. Sie fordert in jenen Aspekten eine Angleichung, die
handelspolitisch und für eine rein wirtschaftliche Integration relevant sind. Herausgehobene
Bedeutung hat die Umsetzung des PKA. Insgesamt wird aber der Zielpunkt der
wirtschaftlichen Integration nicht dargestellt. Demzufolge ist nicht ersichtlich, ob die
geforderten Maßnahmen Voraussetzungen für eine weitere Annäherung sind oder in sich
bereits die angestrebte Stufe der Kooperation darstellen. Beispielhaft sind die Erläuterungen
zum Warenhandel: Gegenseitige Handelshemmnisse sollen abgebaut werden, gemeinsame
Standards und Abkommen zur Konformitätsbewertung den freien Warenverkehr fördern. Ob
59
Freihandel die dauerhafte Perspektive ist und in welchem Zeitraum er zu erreichen wäre –
diese Fragen finden keine Erwähnung (KOM 2004b).
Für Mazedonien hingegen ist eine Freihandelszone bereits perspektivischer Bestandteil
des SAA (ABl. EU 2004a). Die zeitliche Abfolge ist sehr deutlich festgelegt: Die
Angleichung der Rechtsvorschriften soll in zwei Phasen erfolgen und in zehn Jahren
abgeschlossen sein. Besonderes Augenmerk wird auf „bestimmte wesentliche Teile des
gemeinsamen Besitzstandes im Bereich des Binnenmarkts und auf andere handelsrelevante
Bereiche“ gelegt (ebd.: Art. 68). Damit sind die binnenmarktrelevanten Bedingungen nicht
nur klar benannt, sondern auf vertraglicher Basis mit Anreizen verknüpft. Auf diesen Vertrag
wird später immer wieder Bezug genommen, so im Analysebericht der Kommission (KOM
2005a) und in der Erweiterungsstrategie (KOM 2005b). Die Bedingungen des SAA werden
dabei nicht nur mit dem Anreiz einer gemeinsamen Freihandelszone verbunden, sondern
bilden „ein wesentliches Element für die EU bei der Prüfung eines Beitrittsantrags“ (ebd.:
13).
Auch die Europäische Partnerschaft (ABl. EU 2006) und die Beitrittspartnerschaft (ABl.
EU 2008) folgen dem Prinzip des SAA. Im Mittelpunkt stehen die Rechtsangleichung im
Bereich des Handels und der Aufbau entsprechender Verwaltungskapazitäten, wobei in
beiden Abkommen Schlüsselprioritäten, kurz- und mittelfristige Prioritäten formuliert sind.
Größten Raum nimmt jeweils die Liberalisierung des Warenverkehrs, insbesondere das
Zollwesen,
ein.
Die
Umsetzung
der
Dienstleistungsfreiheit
findet
zunehmend
Berücksichtigung: Freizügigkeit der Arbeitnehmer hingegen bleibt weitgehend unbeachtet.
Die Bedingungen, die das SAA an Mazedonien richtet und die in Europäischer Partnerschaft
und Beitrittspartnerschaft aufgegriffen werden, sind Grundvoraussetzungen auf dem Weg
zum Beitritt. „[…] Mazedonien wird durch die Umsetzung dieser Schwerpunkte beweisen
müssen, dass [es] für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen bereit ist“ (KOM 2008a: 5).
Im Falle der Ukraine versucht die EU in ähnlicher Weise, sich auf das PKA zurück zu
beziehen und damit für Kontinuität zu sorgen. Der erste ENP-Aktionsplan etwa macht die
Erfüllung des PKA zu einer Hauptbedingung und geht in seinem Forderungskatalog kaum
darüber hinaus. Nachdrücklicher und als für jeden Fortschritt unerlässlich wird jedoch der
Beitritt der Ukraine zur WTO gefordert. Die WTO-Mitgliedschaft wurde zur notwendigen,
wenn auch nicht hinreichenden Bedingung, bevor weitere Schritte in Richtung
Freihandelszone überhaupt zu erwägen sind. Die Kommission stellte 2011 klar:
60
„Entsprechende Verhandlungen über eine Freihandelszone können nur mit Partnerländern aufgenommen
werden, die Mitglied der WTO sind und den wichtigsten Empfehlungen nachkommen, um die sich für sie
daraus ergebenden Verpflichtungen erfüllen zu können“ (KOM/Hohe Vertreterin 2011a: 10).
Der Vergleich mit Mazedonien legt auch hier einen Unterschied offen: Zwar trat das SAA erst
nach dem WTO-Beitritt des Landes in Kraft, dieser war aber nicht Vorbedingung für
Verhandlungen über eine Freihandelszone. Vielmehr war das Abkommen schon seit drei
Jahren ratifiziert, als Mazedonien 2003 in die WTO aufgenommen wurde. Dieser Prozess
beginnt in den Beziehungen zur Ukraine verzögert mit den Verhandlungen zu einem
Assoziierungsabkommen, das auch eine vertiefte und umfassende Freihandelszone beinhalten
soll. Konkrete Bedingungen im Bereich der Binnenmarktintegration sind aber in der
Assoziierungsagenda kaum genannt, diese sollen erst im eigentlichen Vertrag dargelegt sein
(Kooperationsrat EU-Ukraine 2009a).
Anstrengungen in Richtung einer stärkeren regionalen Wirtschaftsintegration macht die
EU für beide Staaten zur Bedingung. Schon die Wider-Europe-Strategie regt, wenn auch
zaghaft, Abkommen zwischen den Nachbarschaftsstaaten an, um einen stärker integrierten
Markt zu schaffen (KOM 2003a: 11). Eine regionale wirtschaftliche Integration sieht die
Kommission als „von entscheidender Bedeutung“ für „die Stärkung des Handels zwischen
den Partnerländern und den Ausbau weiterreichender Wirtschaftsnetze“ an (KOM/Hohe
Vertreterin 2011a: 10f.). Konkrete Maßnahmen in diese Richtung werden jedoch nicht
erarbeitet. Auch in den Beziehungen zu Mazedonien bleibt der regionale Ansatz zunächst
vage:
„Die
mittelfristige
Schaffung
einer
Freihandelszone
in
der
Region
wäre
wünschenswert“ (KOM 2003c: 6). Allerdings wird diese Aussage durch konkrete Schritte
untermauert, nämlich die Anwendung der diagonalen Ursprungskumulierung auf die gesamte
Region. In das SAA findet schließlich die Verpflichtung Eingang,
„mit den anderen Ländern der Region eine Zusammenarbeit und gutnachbarliche Beziehungen
aufzunehmen, einschließlich angemessener gegenseitiger Zugeständnisse hinsichtlich der Freizügigkeit
und des freien Waren- Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs sowie der Entwicklung von Projekten von
gemeinsamen Interesse“ (ABl. EU 2004a: Art. 4).
Regionale Zusammenarbeit als eine Bedingung für die wirtschaftliche Integration in die EU
findet sich demnach gegenüber Mazedonien in einem stärkeren Maße als gegenüber der
Ukraine. Zwischen den Staaten des Westbalkans wurde der Regionalansatz mit tatsächlichen
Maßnahmen unterfüttert. Gegenüber der Ukraine bleibt es bei vager Rhetorik.
61
Stattdessen wurde dem WTO-Beitritt der Ukraine offenbar größere Bedeutung
beigemessen. Die Mitgliedschaft in der Organisation und die Übernahme der entsprechenden
Regeln wurden nachdrücklich gefordert. Auch Mazedonien wurde wiederholt dazu
aufgefordert, die Regeln der WTO umzusetzen. Allerdings wurde diese Bedingung nur
schwach mit den Anreizen der Marktintegration in Zusammenhang gebracht.
Auch ganz allgemeine Unterschiede hat der Vergleich der Bedingungen, die die EU im
Bereich der Binnenmarktintegration an die beiden Partnerländer richtet, offenbart. Im
Grundsatz wird von beiden Staaten die Übernahme der binnenmarktrelevanten Rechtsnormen
gefordert. Für Mazedonien sind diese Bedingungen von Beginn an klar und kohärent
formuliert. Die Verknüpfungen mit der Angebotsseite sind erkennbar. Für die Ukraine lässt
sich dies im Zeitverlauf deutlicher beobachten. Zunächst waren die Bedingungen jedoch sehr
vage und weitgehend, gleiches gilt für die Anreize. In den letzten Jahren wurden konkretere
Maßnahmen benannt, die es zu erfüllen gilt, um klarer umrissene Fortschritte in der
Binnenmarktintegration zu machen. Im folgenden Punkt soll nun an einigen Beispielen
überprüft werden, ob die Erfüllung der Bedingungen auch zur Einlösung der versprochenen
Anreize führt, bzw. ob eine Nicht-Erfüllung die Einlösung verhindert.
5.3 EU-Konditionalität in der Binnenmarktintegration: Bewertung
der Konsistenz
Es erscheint zunächst schwieriger, die konsistente Anwendung der EU-Konditionalität im
Bereich der Binnenmarktintegration zu überprüfen, als dies bei der Visapolitik der Fall war.
Die Binnenmarktpolitik berührt verschiedene andere Politikbereiche, ihr ist ein umfassendes
Regelwerk
zugrunde
gelegt
und
sie
ist
stark
beeinflusst
von
der
jeweiligen
makroökonomischen Situation der beiden Staaten. Dennoch ist eine Überprüfung wichtig.
Dabei hat sich das Vorgehen bewährt, den Abschluss und das Inkrafttreten entsprechender
Abkommen als Zäsuren aufzugreifen und eine punktuelle Analyse darzustellen.
Für Mazedonien legte die Kommission während der Ratifizierungsphase zum SAA
jährlich Fortschrittsberichte vor. Schon vor Beginn der Verhandlungen lobt sie die
Fortschritte Mazedoniens und spricht von der „positiven Bilanz, der beispielhaften Rolle in
der Region und der Befolgung der relevanten Konditionen“ (KOM 2000: 6). Es wird die
Vorreiterrolle Mazedoniens in der Region zum Ausdruck gebracht. Mazedonien ist das erste
Land, mit dem Verhandlungen über ein SAA aufgenommen werden. Der erste
Fortschrittsbericht von 2002 äußert sich kritischer und mahnt, „[…] Macedonia needs to
strengthen significantly its capacity to implement the obligations of the SAA“ (KOM 2002:
62
19). Noch 2003, also ein Jahr vor Inkrafttreten des Abkommens, werden Schwachstellen
aufgezeigt. Vor allem die Umsetzung der Gesetze und Durchführungsbestimmungen sowie
deren Anwendung werden angemahnt, um auch tatsächlich eine Angleichung an EU-Recht zu
erreichen. Für das Inkrafttreten des SAA seien diese Vorbereitungen unerlässlich (KOM
2003b).
Ein uneinheitliches Bild bei der Umsetzung der binnenmarktrelevanten Rechtsnormen
zeichnet der letzte Fortschrittsbericht vor Inkrafttreten des Abkommens. Zwar ist Mazedonien
den Bedingungen in vielen Bereichen näher gekommen, hervorgehoben werden neben dem
Warenhandel auch „Wettbewerb, staatliche Beihilfen, Eigentumsrechte und Zoll“ (KOM
2004a: 25). Bemängelt werden zum wiederholten Male die zögerliche Umsetzung von
Verwaltungsreformen und zu geringe Durchführungskapazitäten. Insofern bedarf es
schnellerer und wirkungsvollerer Reformen, um die Anforderungen des SAA zu erfüllen
(ebd.: 27f.).
Ungeachtet dessen wird der Ratifizierungsprozess 2004 abgeschlossen und das SAA tritt
in Kraft. In den folgenden Jahren gab es neben großen Fortschritten immer wieder kleinere
Verstöße
gegen
das
Abkommen,
etwa
bei
der
Liberalisierung
des
Telekommunikationsmarktes (KOM 2005a: 8). Diese Streitfälle konnten aber schnell
beigelegt werden. 2008 wird dem Land bescheinigt: „The country fulfils all the commitments
foreseen under the first stage of implementation of Title V […] of the SAA“ (KOM 2008d).
Demnach hat Mazedonien alle Forderungen umgesetzt, um zur zweiten Stufe des
Abkommens überzugehen. Diesen Schritt hat die Kommission zwar mehrfach empfohlen,
zuletzt in ihrer Mitteilung zur Erweiterungsstrategie (KOM 2010: 18). Der Rat ist dieser
Forderung jedoch bisher nicht gefolgt. Insofern wendet die EU das Mittel der Konditionalität
in der Binnenmarktpolitik mit Mazedonien nicht konsistent an.
Der Ukraine wurde schon früh, nämlich mit dem PKA von 1998, eine gemeinsame
Freihandelszone mit der EU in Aussicht gestellt. Voraussetzung dafür war allerdings die
Mitgliedschaft der Ukraine in der WTO, so dass es in diese Richtung lange Zeit keine
Fortschritte geben konnte. Selbst 2007, als der WTO-Beitritt absehbar war, wurden zwar
Verhandlungen über ein neues vertieftes Abkommen (später Assoziierungsabkommen)
begonnen, nicht aber über eine Freihandelszone (Kooperationsrat EU-Ukraine 2007b: 3).
Dieser Schritt folgte im Februar 2008 (nach dem Beitritt zur WTO), wobei die erste
Verhandlungsrunde gute Ergebnisse brachte (Kooperationsrat EU-Ukraine 2008: 2f.).
Folglich betrachten beide Seiten den Abschluss der Verhandlungen als „a key short term
objective“, welches ursprünglich bis 2010 erreicht werden sollte – vorausgesetzt Qualität und
63
Durchführbarkeit des Abkommens bleiben gewahrt (Kooperationsrat EU-Ukraine 2009b:
1ff.). Die Verhandlungen gerieten jedoch ins Stocken, so dass sich der Fortschrittsbericht
2010 kaum von dem vorhergehenden unterscheidet und weiterhin „further substantial efforts
[…] to find mutual beneficial compromises“ anmahnt (Kooperationsrat 2010b: 1). Abgesehen
davon gehen die Fortschrittsberichte bis 2011 im Binnenmarktbereich mit Kritik eher sparsam
um. Erst danach wird nachdrücklich darauf hingewiesen, dass beispielsweise die WTOBestimmungen unverzüglich umgesetzt werden müssen (KOM 2011b: 146, KOM/Hohe
Vertreterin 2011b: 11). Die Verhandlungen werden 2011 dennoch abgeschlossen, die
ökonomischen
Voraussetzungen
wurden
weitgehend
erfüllt.
Trotzdem
wird
das
Assoziierungsabkommen nicht unterzeichnet, weil die Ukraine den politischen Bedingungen
nicht entspricht.
5.4 Zwischenfazit: Konditionalität in der Binnenmarktintegration
Auch Kapitel 5 schließt mit einer zusammenfassenden Darstellung, bei der die leitenden
Thesen getestet werden sollen. Es wird aufgezeigt, ob und wie sich die EU-Konditionalität
gegenüber Mazedonien und der Ukraine unterscheidet.
Bei dem Vergleich der Angebotsseite wurde sehr deutlich, dass die Anreize im Bereich
der Binnenmarktintegration an die Ukraine erst im Zeitverlauf konkrete Züge annehmen. Hier
zeigt sich, dass die ENP-Strategie nicht von Beginn an ein schlüssiges Konzept zur
Binnenmarktintegration bereithielt. Von Beginn an war klar, dass das Ziel der
Binnenmarktintegration nicht der Beitritt zur EU sein soll. Erst nach und nach wurde als
mittelfristige Perspektive ein vertieftes Freihandelsabkommen genannt und dessen Format
hinreichend definiert.
Das ist sicherlich der deutlichste Unterschied zu Mazedonien, wo diese Frage schon früh
beantwortet wurde. Insofern spielt in der Binnenmarktintegration die Beitrittsperspektive eine
gewichtigere Rolle. Sie ist nicht nur ein rhetorisches Argument, dass engere Beziehungen mit
und größere Anstrengungen gegenüber Mazedonien rechtfertigt. Vielmehr ist aus
mazedonischer Sicht jede Reformanstrengung von Nutzen, da sie den Beitrittsprozess
insgesamt beschleunigen kann. Die kurzfristigen Kosten der Reformen sind zwar für beide
Länder prinzipiell gleich. Der mittel- und langfristige Nutzen unterscheidet sich jedoch. Die
EU hätte diesem Dilemma jedoch entscheidend entgegenwirken können, wenn sie Anreize
und Ziele der Binnenmarktintegration an die Ukraine ebenso klar kommuniziert hätte.
Dennoch kann die These, dass die Anreize an Mazedonien größer sind und höhere
Glaubwürdigkeit vermitteln, bestätigt werden. Vor allem zeigt die Politik gegenüber
64
Mazedonien größere Kontinuität. Von Beginn an werden etwa klare zeitliche Perspektiven
sogar vertraglich festgeschrieben. Gegenüber der Ukraine kam es erst seit 2008 zu konkreter
umrissenen Angeboten, als die Verhandlungen über ein vertieftes Freihandelsabkommen
begannen.
Das generelle Problem, dass die Beitrittsperspektive für Mazedonien (im Gegensatz zur
Ukraine) von Beginn an die Zielrichtung der Binnenmarktintegration klarstellt, ist auch bei
Betrachtung der Bedingungen zu verzeichnen. Für Mazedonien ist offensichtlich, dass
langfristig die Übernahme des gesamten acquis unumgänglich ist. Aber darüber hinaus ist zu
beobachten, dass vor allem die Konditionen für kurz- und mittelfristige Fortschritte gegenüber
Mazedonien sehr viel klarer benannt werden. Für die Ukraine werden die Bedingungen erst
im Laufe der Zeit konkreter, auch hier ist also die Weiterentwicklung der ENP und der
Beziehungen zur Ukraine zu beobachten.
Zwei weitere Unterschiede zeigt die Analyse: Einerseits zeigen sich die Auswirkungen
des regional approach gegenüber den Balkanstaaten auch in der Binnenmarktpolitik. Die
Stärkung des regionalen Freihandels ist eine Anforderung, die mit dem SAA vertraglich
festgeschrieben wird. Gegenüber der Ukraine wird eine Fokussierung auf die regionale
Integration zwar angedeutet, aber kaum mit konkreten Forderungen oder Maßnahmen
verbunden. Zweitens erhält in den Beziehungen zur Ukraine die WTO-Mitgliedschaft größere
Bedeutung. Bevor der Beitritt nicht vollzogen wurde, konnten keine Verhandlungen über ein
vertieftes Freihandelsabkommen beginnen. Mit Mazedonien wurden die Verhandlungen über
ein (wenn auch einfaches) Freihandelsabkommen sogar abgeschlossen, bevor das Land der
WTO beitrat. (Auch bei einem solchen Abkommen ist die Einhaltung der WTO-Regeln aus
Sicht der EU eine wichtige Voraussetzung.) Dieses Beharren im Falle der Ukraine könnte
darauf hindeuten, dass auf diese Weise Verhandlungen und Fortschritte geschickt verzögert
wurden. Abgesehen davon hat sich die These bestätigt, dass Bedingungen gegenüber
Mazedonien konkreter formuliert und deutlicher mit den Anreizen verbunden sind als die
Konditionen an die Ukraine.
Die Bewertung der Konsistenz brachte wiederum ambivalente Ergebnisse. Die
Fortschrittsberichte über Mazedonien etwa legen lange Zeit Schwachstellen offen. Dennoch
werden die versprochenen Anreize eingelöst und das SAA tritt 2004 in Kraft. Zu diesem
Zeitpunkt wurde das Land als Vorbild des SAP aufgebaut. Diese Vorbildwirkung war
offensichtlich vorrangig vor einer strikt konsistenten Konditionalitätspolitik. Gegenwärtig
wiederum erfüllt das Land laut Fortschrittsberichten alle Bedingungen für die Vertiefung des
Abkommens. Dennoch wird diese nicht durch den Rat beschlossen. Ein solches Vorangehen
65
wäre kaum vermittelbar, wenn nicht parallel Beitrittsverhandlungen begonnen würden. In
dieser Frage gibt es aber zurzeit keinen Konsens unter den Staats- und Regierungschefs.
Für die Ukraine wurde bereits der Beginn von Verhandlungen mit recht weit reichenden
Bedingungen verknüpft und war damit sehr voraussetzungsvoll (z.B. die geforderte
Mitgliedschaft in der WTO). Nachdem diese Kondition erfüllt war, wurden umgehend
Verhandlungen begonnen. Ein wiederum umgekehrtes Bild zeigt sich in der gegenwärtigen
Situation: Die Verhandlungen über einen vertieften Freihandel könnten formal abgeschlossen
werden. Der Fall Tymoschenko war jedoch Anlass für die EU, die Paraphierung des
Abkommens aufgrund der verschlechterten gesamtpolitischen Entwicklungen in der Ukraine
auszusetzen.
Die These, dass die Konsistenz der Konditionalitätspolitik gegenüber Mazedonien größer
ist als gegenüber der Ukraine, kann für die Binnenmarktintegration nicht eindeutig bestätigt
werden. In beiden Fällen weißt die Konsistenz der Umsetzung Schwächen auf: Anreize
werden nicht gewährt, obwohl die Bedingungen erfüllt sind oder sie werden trotz der NichtErfüllung zuerkannt.
6. Schlussbetrachtung und Ausblick
Das Konditionalitätsprinzip hat sich während der EU-Osterweiterungen 2004/2007 als ein
sehr erfolgreiches Mittel etabliert, um Werte und Normen der EU in den Kandidatenländern
durchzusetzen. Darüber hinaus wurde die Konditionalitätsstrategie nicht nur in die
Erweiterungspolitik gegenüber den Westbalkanstaaten übernommen, sondern auch in das
Konzept der ENP integriert. Diese Arbeit verfolgt das Ziel, die Anwendung von Beitritts- und
ENP-Konditionalität zu vergleichen.
Ein solcher Vergleich ist nicht nur deshalb sinnvoll, weil Erweiterungspolitik und ENP
sehr ähnlich konzipiert sind. Die Vergleichbarkeit wird zusätzlich durch einige aktuelle
Entwicklungen gestärkt. Die Erweiterungspolitik der EU ist immer langfristiger ausgerichtet,
der Beitritt ist selbst für Länder mit Kandidatenstatus keine Gewissheit. Für die europäischen
ENP-Staaten besteht zudem zumindest die hypothetische Perspektive einer künftigen EUMitgliedschaft. Erweiterungen der EU sind außerdem zunehmend durch Sicherheitsinteressen
und ähnlich rationalistische Faktoren motiviert. Dadurch verliert die Beitrittsperspektive als
größter Anreiz, um Bedingungen durchsetzen zu können, an Glaubwürdigkeit. Stattdessen
verlagert sich der Fokus auf Integrationsschritte in einzelnen Politikfeldern, die bereits
während des Beitrittsprozesses stattfinden. Diese Integrationsschritte wiederum ähneln jenen,
66
die den ENP-Staaten angeboten werden. Besonders bedeutsam sind die Liberalisierung des
Visasystems und die Integration in den Binnenmarkt.
Daraus ergibt sich die leitende These dieser Arbeit: Es wurde angenommen, dass der
Anreiz der Beitrittsperspektive nicht der bestimmende Unterschied zwischen der
Konditionalität in der ENP und in der Erweiterungspolitik ist. Vielmehr war davon
auszugehen, dass die Anwendung des Konditionalitätsprinzips in der ENP Schwächen
aufweist, die für den geringen Erfolg ursächlich sein könnten. Untersucht wurde dies am
Beispiel der Ukraine und Mazedoniens. Den theoretischen Rahmen lieferte das externalincentives-Modell. Es definiert Faktoren, die den Erfolg der Konditionalität beeinflussen.
Zwar fragt diese Arbeit nicht nach den outcomes der Konditionalitätspolitik sondern nach
dem Prozess der Anwendung selbst. Die Einflussfaktoren lassen sich jedoch ohne weiteres
übertragen. Das external-incentives-Modell definiert folgende vier unabhängige Variablen:
die Größe und Glaubwürdigkeit der Anreize, die Konkretheit der Bedingungen, die
Konsistenz der Anwendung und die Kosten-Nutzen-Kalkulation durch das Zielland. Letztere
wurde nicht in die Analyse einbezogen, da sich dieser Einflussfaktor aus den anderen
Kriterien ergibt und von innenpolitischen Bedingungen des Ziellandes abhängt, die für diese
Arbeit nicht relevant waren. Die verbleibenden drei Bedingungen wurden für die Visapolitik
und für die Binnenmarktintegration der EU gegenüber Mazedonien und der Ukraine
analysiert und verglichen. Zu diesem Zweck wurden drei untergeordnete Thesen entwickelt.
Bezüglich der Anreize wurde die These aufgestellt, dass diese gegenüber Mazedonien
weiter reichend und konkreter sind. Dies konnte fast durchgängig nachgewiesen werden. In
der Visapolitik erscheinen die schrittweise in Aussicht gestellten Visaliberalisierungen
identisch. Die nähere Betrachtung offenbart jedoch, dass diese Angebote an die Ukraine lange
Zeit sehr vage bleiben. Wichtige Schritte, wie die Definition klarer benchmarks oder der
Beginn
von
Verhandlungen
passieren
zeitlich
verzögert.
Die
Angebote
zur
Binnenmarktintegration an die Ukraine sind zunächst sehr breit und umfassend, im
Aktionsplan tauchen sie hingegen nur sehr vage auf. An Mazedonien richtet die EU hingegen
attraktivere Angebote mit einer klaren zeitlichen Perspektive.
Besonders hervorzuheben sind Verhandlung und Abschluss des Abkommens über
Visaerleichterungen mit der Ukraine. An diesem Beispiel zeigt sich deutlich, dass die EU
gezielt einen zusätzlichen Anreiz unterbreitet, um ihr Eigeninteresse durchzusetzen: ein
bilaterales Rückübernahmeabkommen mit der Ukraine. Dadurch wird die Glaubwürdigkeit
der Anreize eingeschränkt.
67
Die regionale Einbettung der Visapolitik ist, verglichen mit Mazedonien, im Falle der
Ukraine
eher
Rhetorik
als
hilfreiche
Unterstützungsmaßnahme.
Auch
in
der
Binnenmarktpolitik wird die regionale Einbettung Mazedoniens nachhaltig gefördert,
gegenüber der Ukraine spielt sie kaum eine Rolle. Positiv anzumerken sind die
Veränderungen, die für die Ukraine beobachtbar sind: Im Zeitverlauf werden die Anreize
sowohl in der Visapolitik als auch in der Binnenmarktintegration konkreter und
glaubwürdiger. Hierfür wird jeweils eine klare zeitliche Absehbarkeit forciert, die Angebote
sind weniger allgemein und umfassend sondern fokussierter. Dennoch ist weiterhin ein
qualitativer Unterschied zwischen der Ukraine und Mazedonien festzustellen. Dieser betrifft
nicht die inhaltliche Ausgestaltung der Angebote sondern ihre Glaubwürdigkeit und
Zielgerichtetheit.
Bei der Analyse der Bedingungen traten die Unterschiede besonders offen zu Tage.
Sobald die EU ein konkretes Angebot an Mazedonien richtet, formuliert sie auch klare
Bedingungen. Aktionspläne, road maps und nicht zuletzt das SAA nennen explizite
Maßnahmen, die zu erfüllen sind. Sie klassifizieren die Konditionen außerdem in
Schlüsselprioritäten, kurz- und mittelfristige Prioritäten. Bedingungen sind damit eindeutig
mit den Anreizen verknüpft und realistisch genug, um in dem geforderten Zeitrahmen
umgesetzt werden zu können.
Anders stellt sich die Situation der Ukraine dar. Die Aktionspläne, das PKA und letztlich
auch die Assoziierungsagenda definieren weit weniger konkrete Bedingungen, die
Verbindung zu entsprechenden Angeboten ist schwächer ausgeprägt. Hier sind im Zeitverlauf
ebenfalls Verbesserungen festzustellen. Die Assoziierungsagenda beispielsweise listet
genauere Maßnahmen auf, auch wenn diese im Vergleich zu den Bedingungen an
Mazedonien immer noch weniger detailliert und undeutlicher erscheinen. Selbst die
kurzfristig zu erfüllenden Maßnahmen sind vage gehalten. Einzig der Aktionsplan zur
Visaliberalisierung kommt, was die Konkretheit der Bedingungen betrifft, dem Vorgehen
gegenüber Mazedonien gleich. Das Verfahren der Umsetzung ist jedoch komplizierter und
langwieriger konzipiert. Auf diese Weise werden beachtliche Vorleistungen von der Ukraine
erwartet, bevor für das Land Fortschritte spürbar werden.
Auch inhaltlich unterscheiden sich die Bedingungen, die an Mazedonien gerichtet werden,
von jenen an die Ukraine. Die EU drängt in der Visapolitik gegenüber dem ENP-Staat sehr
viel deutlicher auf Maßnahmen des Grenzschutzes, auf Schritte gegen irreguläre Migration
und auf die Übernahme von Bedingungen im Asylbereich. Der Stellenwert des
Rückübernahmeabkommens ist hierfür exemplarisch. Das Motiv der EU, asyl- und
68
migrationspolitische Aufgaben zu externalisieren und die Außengrenze zu schließen, spielt
eine unübersehbare Rolle in die Beziehungen zur Ukraine. Für die Binnenmarktintegration
erhielt der WTO-Beitritt der Ukraine erheblich größere Bedeutung als im Fall Mazedoniens.
Vor allem die großen Unterschiede in der Konkretheit der Bedingungen überraschen. Das
scheint keine geeignete Strategie, Reformbestrebungen in der Ukraine zu fördern und zu
unterstützen. Dieses Vorgehen der EU kann auch nicht mit einer Verschlechterung der
gesamtpolitischen Lage in der Ukraine oder mit Rückschritten in anderen Politikbereichen
begründet werden. Eine dezidierte Auflistung der Forderungen wäre erwartbar und möglich
gewesen – wenn der politische Wille für vertiefte Beziehungen vorhanden ist.
Für das abschließende Kriterium, die Konsistenz der Anwendung, wurde folgendes
angenommen: Die Konditionalitätspolitik gegenüber Mazedonien weist größere Konsistenz
auf als gegenüber der Ukraine. Diese These hielt einer kritischen Überprüfung nicht ohne
Einschränkung stand. Für die Visapolitik wurde sie jedoch als zutreffend erachtet. Wenn die
EU gegenüber Mazedonien versprochene Anreize einlöste, wurden die Bedingungen
weitestgehend als erfüllt betrachtet. Es wurde allerdings festgestellt, dass mitunter einzelne
Konditionen nicht oder nicht so stark in die Bewertung einflossen. Dies betrifft vor allem die
nach wie vor schlechte Situation der Roma in Mazedonien. Gegenüber der Ukraine zeigte
sich, dass die versprochenen Visaerleichterungen gewährt wurden, obwohl eine wichtige
Voraussetzung nicht erfüllt war. Das Asylsystem wurde in den Fortschrittsberichten kritisiert,
dies geschah jedoch eher am Rande. Den Fokus legte die EU auf Reformen in Grenzschutz,
Rückübernahme und in der Bekämpfung irregulärer Migration. Die Maßnahmen in diesen
Bereichen sah sie als erfüllt an. Auch wenn die Konditionalität gegenüber Mazedonien nicht
als vollkommen kohärent betrachtet werden kann, so ist sie doch konsistenter als gegenüber
der Ukraine.
In der Binnenmarktpolitik zeigte sich ein anderes Bild. Mit Mazedonien wurden zunächst
Verhandlungen über ein SAA begonnen und abgeschlossen, obwohl der Stand der
Vorbereitungen in der Kritik stand. Gegenwärtig ist das umgekehrte Szenario zu beobachten:
Obwohl dem Land mehrfach die Erfüllung der gestellten Bedingungen bestätigt wurde,
verwehrt die EU (genauer gesagt der Europäische Rat) den Übergang in die zweite Phase des
SAA. Der Ukraine wurden Fortschritte mehrfach verwehrt oder weitere Schritte wurden
verzögert, weil die EU die Bedingungen als nicht erfüllt erachtete. Dabei ist anzumerken, dass
die Konditionen oft sehr scharf bewertet wurden. Insofern weist die (fehlende) Konsistenz der
Konditionalität auf die Politisierung sowohl der Erweiterungspolitik als auch der ENP hin. In
69
beiden Fällen agiert die EU offensichtlich nicht als bürokratische Akteurin, sondern setzt in
entscheidenden Punkten ihre Eigeninteressen durch.
Damit konnten zwei der drei Thesen bestätigt werden, These drei war zumindest in einem
der beiden Politikfelder zutreffend. Es wurde nachgewiesen, dass die EU an Mazedonien
konkretere Bedingungen stellt, die sie mit größeren und glaubwürdigeren Angeboten
verknüpft. Tendenziell wird das Konditionalitätsprinzip konsistenter angewandt als gegenüber
der Ukraine. Diese Ergebnisse lassen Schlüsse auf die Hauptthese zu. Sie besagte, dass die
EU die Konditionalität über den Unterschied der Beitrittsperspektive hinaus in ENP und
Erweiterungspolitik verschieden anwendet. Wesentliche Unterschiede liegen in der Größe und
Glaubwürdigkeit der sonstigen Anreize, der Konkretheit der Bedingungen und in der
Konsistenz der Anwendung. Diese Hauptthese kann im Rahmen der Arbeit nicht abschließend
beantwortet werden, da das gewählte Fallbeispiel nicht ohne weiteres generalisierbar ist. Die
Untersuchung liefert jedoch starke Hinweise darauf, dass sich die genannten Unterschiede auf
die ENP und die Erweiterungspolitik im Allgemeinen übertragen lassen. Daran anknüpfend
könnte untersucht werden, ob der geringere Erfolg der ENP mit diesen Unterschieden und
nicht allein mit der fehlenden Beitrittsperspektive erklärt werden kann. Hierfür müssten die
outcomes der ENP und der Erweiterungspolitik als abhängige Variable einbezogen werden.
Problematisch erscheint die Bewertung der Konsistenz. Diese Arbeit brachte keine
eindeutigen Ergebnisse und auch die bisherige Forschung kam zu ambivalenten Aussagen.
Erkenntnisse könnte die Frage bringen, warum und unter welchen Bedingungen die EU die
Konditionalität konsistent bzw. nicht konsistent anwendet. Interessant wäre in diesem
Zusammenhang eine akteursspezifische Betrachtung, die etwa zwischen (Europäischem) Rat,
Interessen der Mitgliedstaaten und Kommission differenziert. In jedem Fall ist es
gewinnbringend, Konditionalität als Prozess zu begreifen und in seinen Facetten zu
untersuchen. Die vergleichende Perspektive bietet sich an, egal ob verschiedene (potentielle)
Beitrittskandidaten oder bzw. und ENP-Staaten Gegenstand der Untersuchung sind.
Die vorliegende Arbeit lenkte den Blick auf das Vorgehen der EU. Sie legte in erster Linie
die Schwachpunkte der ENP offen, die nicht in Zusammenhang mit der Frage der
Beitrittsperspektive stehen. Dadurch wurde der Handlungsspielraum der EU deutlich, der
besteht, auch wenn den ENP-Staaten weiterhin keine Beitrittsperspektive eröffnet wird.
Hierbei ist anzumerken, dass auf Seiten der EU bereits ein Lernprozess stattfand: Die Anreize
und Konditionen gegenüber der Ukraine wurden im Zeitverlauf verbessert. Faire Angebote
mit einer klaren zeitlichen Perspektive und vor allem explizit definierte Bedingungen könnten
die ENP auch künftig deutlich stärken. Allerdings erfordert ein solches Vorgehen größeres
70
Engagement der EU und würde vermutlich die Kosten der ENP steigern. Die
Nachbarschaftspolitik wäre ähnlich ambitioniert wie die Erweiterungspolitik und es ist
fraglich, ob die Beitrittsperspektive dann auf Dauer ausgespart bleiben könnte bzw. wie dies
zu rechtfertigen wäre. Ein solches Vorgehen scheint daher in der gegenwärtigen Situation
politisch nicht durchsetzbar.
Den Preis dafür zahlt die EU: Sie muss sich den Vorwurf gefallen lassen, durch ihr
Lavieren und durch ihre Verzögerungstaktik die Reformpolitik der ENP-Staaten nicht
ausreichend zu fördern und für Stagnation oder gar Rückschritte mitverantwortlich zu sein.
Auf diese Schwierigkeiten wurde bisher keine Antwort gefunden – ein Dilemma, dass sich
gegenwärtig in den Beziehungen zur Ukraine zeigt. Letztlich werden Fragen nach der
künftigen Logik der Integration, nach der Zukunft der Erweiterungspolitik und nach der
Finalität der EU aufgeworfen. Dieser Diskurs wird derzeit kaum geführt und schon gar nicht
befriedigend beantwortet. Auf Dauer wird sich die Auseinandersetzung mit diesen Fragen
nicht umgehen lassen. Sonst steht nicht nur der Erfolg der ENP auf dem Spiel sondern auch
das Gelingen der Erweiterungspolitik gegenüber den Westbalkanstaaten. Die abwartende
Haltung gegenüber den mazedonischen Beitrittsbemühungen ist in dieser Hinsicht ein
bedenkliches Anzeichen.
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Änderung der Verordnung(EG) Nr. 2007/2000 durch Ausweitung der besonderen
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Europäischen Union teilnehmenden oder damit verbundenen Länder und Gebiete auf die
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sowie zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2820/98. L 295, S. 1-4. URL:
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deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums
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- Anhang -
91
Eigenständigkeitserklärung
Ich versichere hiermit, dass ich die vorliegende Masterarbeit mit dem Thema
„EU-Konditionalität gegenüber Mazedonien und der Ukraine.
Eine vergleichende Analyse am Beispiel der Visapolitik und der Binnenmarktintegration“
selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Die
Stellen, die anderen Werken dem Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen wurden, habe ich
in jedem einzelnen Fall durch die Angabe der Quelle, auch der benutzten Sekundärliteratur,
als Entlehnung kenntlich gemacht.
Weiterhin erkläre ich, dass ich diese Arbeit nicht zu einem früheren Zeitpunkt an einer
anderen Hochschule zur Erlangung eines akademischen Grades eingereicht habe.
__________________________
Berlin, 17.01.2012
Annegret Schneider
- Anhang -
92

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