Ackerbau Für die Stämme und Völker Europas bildete der Ackerbau

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Ackerbau Für die Stämme und Völker Europas bildete der Ackerbau
Ackerbau
Für die Stämme und Völker Europas bildete der Ackerbau im frühen Mittelalter weitgehend die
Grundlage der Ernährung. Der Ackerbau umfaßte die mit dem →Pflug← u.a. Geräten
(→Ackergeräte←) durchgeführte Bodenbearbeitung, gebietsweise entwickelte Methoden der
Fruchtfolgegestaltung und Düngung, sowie die Ernte und Lagerung der Anbaufrüchte. Vorrangig
war der Ackerbau auf die Erzeugung von Getreide gerichtet.
1. Forschungsmethoden und Quellen: Die Erforschung der Geschichte des Ackerbaus stützt sich
v.a. auf schriftliche, archäologische, historisch-geographische und paläoethnobotanische Quellen.
Dabei handelt es sich nur teilweise um mittelbare Zeugnisse, die zudem erhebliche Unterschiede
in ihren Aussagemöglichkeiten aufweisen. Schriftliche Quellen liegen für die älteren Zeiträume
(6. - 9. Jahrhundert) fast nur aus dem westlichen Mitteleuropa und Westeuropa vor (insbesondere
die germanischen Volksrechte, Klosterurbare und Betriebsordnungen wie das Capitulare de
villis). Über den Ackerbau der slavischen Stämme informieren seit dem 11. Jahrhundert neben
einzelnen Urkunden v.a. chronikalische Nachrichten (z.B. →Helmold←). Insgesamt bieten diese
Quellen gesicherte und fest datierte Nachrichten über die Anbauarten sowie zu den
Betriebsformen, jedoch sind zeitliche und lokale Unterschiede nur schwer erkennbar.
Beispielsweise lassen sich mit ihrer Hilfe Verbreitungsgebiete bestimmter Ackergerätetypen
ebenso erfassen, wie Veränderungen und Verbesserungen des Ackerbaus. Durch den Nachweis
von Wirtschaftsanlagen wie Scheunen, Speichern, Druschplätzen und Webhäusern können
Rückschlüsse auf die Organisation und auf Betriebsformen des Ackerbaus gezogen werden.
Moderne großflächige Siedlungsgrabungen führten darüber hinaus zum Nachweis von
Flurformen.
Ausgehend von Pflanzenresten (botanische Großreste), wie sie häufig bei archäologische
Siedlungsgrabungen entdeckt werden, entwickelten sich in neuerer Zeit paläoethnobotanische
Untersuchungsmethoden. Aus feuchtkonservierten oder verkohlten Getreidefunden kann der
mengenmäßige Anteil einzelner Kulturarten bestimmt werden und lassen sich Erkenntnisse zu
den Anbauformen (getrennter Anbau oder Mischanbau, Fruchtwechsel), zum Verhältnis von
Winter- und Sommergetreide sowie zu den Erntemethoden gewinnen. Aus Moor- und
Seeablagerungen gewonnene Bohrprofile (vorwiegend aus den nördlichen Flachlandgebieten)
erlauben darüber hinaus pollenanalytische Untersuchungen, die Angaben zum Verhältnis der
einzelnen
Anbauarten,
zum
Umfang
des
landwirtschaftlichen Gesamtertrag vermitteln.
Ackerbaus
und
zu
seinem
Anteil
am
Die historisch-geographische Siedlungsforschung erfaßt Reliktfluren (vorwiegend in Wald- und
Heidegebieten) und sucht durch die Methode des Rückschlusses aus frühneuzeitlichen Flurkarten
ältere Flurformen zu ermitteln; schwierig ist aber die Altersbestimmung solcher Fluren.
2. Kulturpflanzen: Getreide stellt in Mittel- und Osteuropa während des frühen Mittelalter den
Hauptteil des Anbaus. Kennzeichnend für den frühmittelalterlichen Ackerbau waren die
Einführung neuer Getreidearten bzw. Veränderungen in den Hauptanbauarten (Wandlungen, die
zu stabileren und höheren Erträgen führten und zugleich die Anbau- und Ernteverfahren
beeinflußten).
a) Die seit dem Neolithikum allgemein herrschenden Spelzweizenarten wurden um die Mitte des
1. Jahrtausends weitgehend durch Saatweizen (Triticum aestivum L.) sowie die diesem
nahestehende Varietät Zwergweizen (Triticum aestivum var. compactum) verdrängt. Die
Ausbreitung des Saatweizens ermöglichte höhere Erträge und erleichterte Ernte sowie Drusch
des Getreides, stellte jedoch zugleich höhere Anforderungen an die Saatbettbereitung.
b) Roggen (Secale cereale L.) wurde, wie der Saatweizen, seit dem Beginn des frühen Mittelalter
in weiten Teilen Mittel- und Osteuropas angebaut. Ursprünglich zu den sekundären
Kulturpflanzen zählend, scheint er erstmals während der Eisenzeit in der Waldsteppenzone
zwischen Weichsel und Dnepr regelmäßig aufzutreten. Belege fanden sich in den Siedlungen der
jüngeren Przeworsk- sowie der Kiever Kultur. Parallel dazu erlangte Roggen in den römischen
Provinzen an Rhein und Donau wachsende Bedeutung. Mit der slavischen Landnahme erfolgte
die Ausbreitung des Roggenanbaus auf größere Gebiete Mitteleuropas. Gleichzeitig setzte sich
der Roggen in den ostrheinischen Teilen des fränkischen Reiches durch. Für Mitteleuropa
belegen pollenanalytische Untersuchungen ein sprunghaftes Ansteigen des Roggenanbaus seit
dem 5./6. Jahrhundert In der Nichtschwarzerdezone des nördlichen Osteuropa setzte die
Verbreitung des Roggens dagegen erst im 9. Jahrhundert ein; bereits im 11. Jahrhundert stellte er
auch dort die Hauptgetreideart.
c) Gerste (Hordeum vulgare L.) gehörte zu den allgemein verbreiteten, jedoch in
unterschiedlichem Umfang angebauten Getreidearten. Bedeutenden Anteil erlangte die Gerste im
niederländisch-nordwestdeutschen Flachland seit der Eisenzeit und behielt diesen bis weit in das
frühe Mittelalter hinein. Gerste war in den baltischen Ländern bis zum 10. Jahrhundert die
dominierende Getreideart. Es kennzeichnet ihre Bedeutung, daß im Lettischen Brot und Gerste
auf die gleiche sprachliche Wurzel zurückgehen, für den slavischen Sprachbereich weisen die
zusammengehörigen Begriffe žito 'Korn' und žit 'Leben' Ähnliches aus. Noch im 14. Jahrhundert
wurde unter žito schlechthin 'Brot' bzw. 'Gerste' verstanden.
d) Hafer (Avena sativa L.) fand in Mittel- und Osteuropa seit der Eisenzeit Verbreitung und läßt
sich im frühen Mittelalter allgemein nachweisen, scheint aber am Getreideanbau nur Anteile von
höchstens 10 % erlangt zu haben. Da Hafer in Speicherfunden häufig fehlt oder nur in geringen
Beimengungen vertreten ist, spielte er wahrscheinlich für die menschliche Ernährung nur eine
untergeordnete Rolle. Ein Befund von →Arkona← weist darauf hin, daß Hafer zu Futterzwecken
angebaut wurde. In der Nähe dieses zentralen nordwestslavischen Kultplatzes wurde Pferdezucht
betrieben; Pferde spielten im Kult von Arkona eine bedeutende Rolle. Durch umfangreiche
pollenanalytische Untersuchungen auf der Insel Rügen konnte nachgewiesen werden, daß in der
Nachbarschaft der Tempelburg Hafer den ungewöhnlich hohen Anteil von 40 % des angebauten
Getreides hatte.
e) Rispenhirse (Panicum miliaceum L.) läßt sich in ihrer Bedeutung für die Ernährung nur
schwer einschätzen. Einerseits ist diese Getreideart unter den Großrestfunden überrepräsentiert,
andererseits pollenanalytisch nicht nachweisbar. In den slavischen Siedlungsgebieten gehörte
Hirse zu den ständig angebauten Getreidearten, im fränkisch-deutschen Siedlungsraum dagegen
fehlt sie in den meisten Funden, ist also entweder gar nicht oder nur sporadisch genutzt worden.
f) Leguminosen, insbesondere Erbse (Pisum sativum L.), Linse (Lens culinaris Med.) und
Ackerbohne (Vicia faba L.) sind aus so zahlreichen frühmittelalterlichen Fundstellen belegt, daß
sie den allgemein bekannten und genutzten Kulturpflanzen zuzurechnen sind; in der Regel
dürften sie jedoch in hofnahen Gärten und nicht auf Feldern angebaut worden sein. Einen
Ausnahmefall stellten die Ackerbau-Verhältnisse im 9. - 10. Jahrhundert bei der Wurtensiedlung
Elisenhof bei Tönning (Kreis Nordfriesland) dar, wo retardierender Ackerbau als Folge des
Meeresspiegelanstiegs
die
gegen
Versalzung
weniger
empfindliche Ackerbohne
zur
Hauptanbauart aufrücken ließ.
g) Von Öl- und Fettpflanzen fand lediglich Lein (Linum usatissimum L.) allgemeine Verbreitung.
Da sich im frühen Mittelalter in frühstädtischen Siedlungen und Pfalzen, seit dem
9./10. Jahrhundert
zunehmend
auch
in
dörflichen
Siedlungen
eine
ausgedehnte
Textilverarbeitung belegen läßt, die sich neben Wolle hauptsächlich auf Flachs stützte, ist
zumindest gebietsweise mit regelmäßigem Feldanbau von Lein zu rechnen.
Die einzelnen Getreidearten hatten also in Mittel- und Osteuropa unterschiedlichen Anteil am
Ackerbau Weizen gehörte durchweg zu den wichtigen Anbauarten, scheint jedoch nirgends den
ersten Platz erreicht zu haben. Dagegen war Gerste im südlichen Nordseeküstengebiet und in den
baltischen Ländern bis in das 9./10. Jahrhundert die bevorzugte Getreideart. In der Folgezeit
setzten sich dann Roggen bzw. Weizen durch. Für die westslavischen Siedlungsgebiete ließ sich
nachweisen, daß vorrangig Roggen angebaut wurde und vielfach mehr als 50 % des
Gesamtgetreideertrages erbrachte. An zweiter Stelle stand in der Regel Weizen. Bei den
Ostslaven wurde zunächst Gerste und Weizen sowie Hirse angebaut, bis sich im 9. Jahrhundert
der Roggenanbau durchsetzte, der in den folgenden Jahrhunderten ähnlich hohe Werte erreichte.
Insgesamt bestand am Übergang zum frühen Mittelalter die Tendenz, die traditionellen
Getreidearten durch Roggen und Saatweizen zu ersetzen. Roggen ließ als vergleichsweise
anspruchslose Art auch bei ungünstigen Klima- und Bodenbedingungen relativ sichere Erträge
erwarten. Damit bot er sich insbesondere für den Landesausbau in Waldgebieten,
Mittelgebirgslagen und allgemein in den für Ackerbau wenig günstigen Landschaften an. Roggen
und Saatweizen besitzen stabilere Ährenachsen, so daß der Verlust bei der Ernte gering ist. Beide
Arten eignen sich auch für den Wintergetreideanbau.
3. Bodenbearbeitung, Anbauformen und Erntemethoden: Während die ältere Forschung
Fortschritte des Ackerbaus im frühen Mittelalter hauptsächlich mit der Einführung des
bodenwendenden Pfluges (Beetpflug) zu erklären suchte, hat sich in neuerer Zeit eine
vorsichtigere Bewertung durchgesetzt. Dies ergibt sich v.a. aus der Erkenntnis, daß sich im
germanischen wie im slavischen Ackerbau während des frühen Mittelalter gleichgerichtete
Tendenzen (z.B. Roggenanbau, geregelte Fruchtwechselwirtschaft) durchsetzten, zumindest der
slavische aber durchweg mit dem Haken arbeitete.
Bodenwendende Pflüge, vielfach bereits mit Radvorgestell, wurden in den römischen
Gutswirtschaften der Donauprovinzen, wahrscheinlich aber auch in Gallien und den
Rheinprovinzen allgemein angewandt. In den germanischen Siedlungsgebieten sind, allerdings in
geringer Zahl, bislang ausschließlich Hakenschare gefunden worden. Da auch auf frühen
Bildzeugnissen des 9. - 11. Jahrhundert nur Haken abgebildet wurden und sprachgeschichtliche
Untersuchungen zu gleichen Ergebnissen führten, rechnet die neuere Forschung damit, daß im
westlichen Mitteleuropa bis zum 10. Jahrhundert, zumindest überwiegend, mit dem Haken
gepflügt wurde. Insbesondere die Erkenntnis, daß der Haken mit dem Vordringen der Franken
auch im ehemals provinzialrömischen Gebiet Verbreitung fand, deutet darauf hin, daß dieses
Gerät den wirtschaftlichen Möglichkeiten kleiner Bauernwirtschaften, speziell den dort
verfügbaren Zugtieren, am besten entsprach.
Archäologische Forschungen erbrachten demgegenüber aus den niederländischen und
nordwestdeutschen Küstengebieten sichere Belege eines bodenwendenden Pflügens, deren
älteste in die Jahrhunderte um den Beginn der Zeitrechnung zu datieren sind. Da für dieses
gegenwärtig siedlungsarchäologisch am intensivsten erforschte Gebiet eine verhältnismäßig
kontinuierliche, bis ins hohe Mittelalter reichende Nutzung bodenwendender Pfluggeräte
nachzuweisen ist, muß offen bleiben, ob Beetpflüge nicht schon im frühen Mittelalter
gebietsweise bzw. in Abhängigkeit von der verfügbaren Zugkraft (z.B. auf Kloster- und
Saalgütern) neben dem Haken in Gebrauch waren. Etwa seit dem 10. Jahrhundert fanden im
westlichen Mitteleuropa Beetpflüge allgemein Verwendung.
In den slavischen Siedlungsgebieten sind bis in das hohe Mittelalter hinein vorwiegend Haken
verwandt worden. Allein aus dem Gebiet des Großmährischen Reiches konnten asymmetrische
Pflugschare aus dem 8. - 9. Jahrhundert nachgewiesen werden, die eine frühzeitige
(möglicherweise
nur
zeitweilige?) Verwendung
des
Beetpfluges
belegen.
Noch
im
12. Jahrhundert wurde in Mecklenburg die Zehntabgaben slavischen Bauern nach dem als Haken
(slavicum aratrum, Helmold I, 12, 88) bezeichneten Landmaß ermittelt. Dabei benutzten die
nordwestslavische Stämme im 6. - 9. Jahrhundert, von wenigen Ausnahmen abgesehen, hölzerne
Schare. Erst in den folgenden Jahrhunderten setzten sich dort eiserne Schare und Seche durch.
Demgegenüber gebrauchten die Südslaven von Beginn Bodenbearbeitungsgeräte mit
Arbeitsteilen aus Eisen, wie Schare, Sech und Socha. Für die ostslavischen Gebiete lassen sich
eindeutige Aussagen kaum treffen, da nur wenige Funde von durchweg eisernen Scharen
vorliegen, die jedoch beweisen, daß auch bei diesen Stämmen zunächst der Haken bekannt war.
Das in der osteuropäischen Waldzone bevorzugte Bodenbearbeitungsgerät war die Socha. Auch
deren Frühform bestand aus Holz, bevor sich alllmählich und seit dem 11. Jahrhundert
weitestgehend die eiserne Socha durchsetzte. Der Wendepflug spielte in den ostslavischen
Waldgebieten keine Rolle.
Neben dem Pflug gehörte die Egge (→Ackergeräte←) zu den in Mittel- und Osteuropa
verbreiteten Ackerbaugeräten. Archäologische und ikonographische Quellen bezeugen, daß
vorwiegend hölzerne Rahmeneggen Verwendung fanden. Regelmäßiges, auch mehrfaches Eggen
des gepflügten Ackers ist seit dem Beginn des frühen Mittelalter allgemein verbreitet gewesen.
Damit konnte eine bessere Bodenstruktur erreicht werden, die für den Roggen- und
Saatweizenanbau erforderlich war.
Getreide wurde in der Regel nach Arten getrennt angebaut. Geringe Anteile einer zweiten
Getreideart in einzelnen Fundkomplexen sowie die Analyse der Artenzusammensetzung der
Unkräuter ermöglichen den Nachweis, daß Roggen vorwiegend, vielfach aber auch Weizen, als
Wintergetreide angebaut wurden. Die Ausbreitung des Roggens kennzeichnet somit die
Durchsetzung der Herbstaussaat. Soweit erkennbar, war dies mit Fruchtfolgesystemen
verbunden, wonach ein Wechsel zwischen Sommergetreide, Wintergetreide und Brache
vorgenommen wurde. Diese Anbauform hat sich um die Mitte des 1. Jahrtausends in
germanischen wie slavischen Siedlungsgebieten Mitteleuropas durchgesetzt. Entsprechende
Befunde liegen aus der ukrainischen Waldsteppenzone für das 8./9. Jahrhundert vor, während in
Novgorod der Wintergetreideanbau nicht vor dem 10. Jahrhundert, also mit dem Aufkommen des
Roggens einsetzte. Für Südosteuropa sind bisher kaum entsprechende Untersuchungsergebnisse
bekannt. Gleiche Entwicklungsrichtungen deuten sich jedoch in einzelnen Befunden (z.B.
Krivina, Bulgarien) sowie nach dem Niveau der Bodenbearbeitung an, das aus dem verfügbaren
Bestand an Ackerbaugeräten zu erschließen ist.
Der Anbau von Winter- und Sommergetreide erforderte bzw. begünstigte die Entwicklung der
Fruchtwechselwirtschaft, wobei sich nach botanischen Befunden zu Beginn des frühen
Mittelalter geregelte Formen ausbildeten. Nach wie vor läßt sich nur schwer beurteilen, wie weit
sich zugleich entsprechende Bodennutzungssysteme durchsetzten. Schriftliche Quellen belegen
die ausgebildete Dreifelderwirtschaft mit Zelgensystem und Flurzwang, also die konsequenteste
Form geregelter Fruchtfolge für Südwestdeutschland, die Nordschweiz und Frankreich seit dem
8. Jahrhundert Diese Dreifelderwirtschaft im eigentlichen Sinne scheint zunächst v.a. auf großen
Grundherrschaften angewandt worden zu sein. In gleichem Zusammenhang wurde die
langstreifige Parzellierung eingeführt, die die bis dahin vorherrschenden Blockfluren zu ersetzen
begann. Nur zögernd setzte sich die Dreifelderwirtschaft in weiten Teilen Deutschlands bis zum
12. Jahrhundert durch. Demnach war sie über längere Zeiträume von weniger systematisch
geregelten Formen der Fruchtwechselwirtschaft, die sich aus dem individuellen Parzellenanbau
ohne Flurzwang ergeben, begleitet.
In den slavischen Gebieten wurden auf der Grundlage der Blockfluren, die der ausschließlichen
Verwendung des Hakens entsprachen, möglicherweise ähnliche, weniger fest geregelte
Anbauformen entwickelt, da einerseits die Fruchtwechselwirtschaft üblich war, andererseits die
Dreifelderwirtschaft zusammen mit neuer Flureinteilung nach Hufen und Gewannfluren erst im
Gefolge der deutschen Ostkolonisation (→Landesausbau← während des 13. Jahrhundert
durchgesetzt wurde.
Roggen und Saatweizen mit ihren stabilen Ährenachsen begünstigten bodennahe Ernteverfahren.
Im frühen Mittelalter wurde die Getreideernte ausschließlich mit eisernen Sicheln durchgeführt;
Sensen, die in der Form der kurzen Hausense bekannt waren, konnten lediglich zur Heumahd
eingesetzt werden. Aus ikonographischen Quellen ist zu schließen, daß das Getreide etwa in
Kniehöhe oder in Bodennähe geschnitten wurde. Damit ist zumindest ein Teil des Strohs
eingebracht worden und stand u.a. für eine Stallhaltung zur Verfügung. Die Aussagen der
Bilddarstellungen aus dem 9. - 12. Jahrhundert finden in denen der germanischen Volksrechte
eine Ergänzung, die mehrheitlich neben dem Speicher die Getreidescheune kennen (machulum,
scuria). Vieles spricht dafür, daß seit dem 5./6. Jahrhundert im germanisch-deutschen
Siedlungsgebiet Ernte und Drusch des Getreides zeitlich getrennt wurden, das Getreide also auf
dem mehr oder weniger lang belassenen Halm eingelagert wurde. Nachweise von
Getreidescheunen fehlen dagegen aus dem slavischen Gebiet. Da diese auch im
ethnographischen Material der frühen Neuzeit nur eine geringe Rolle spielten, ist das Getreide
wahrscheinlich ohne Halm eingebracht worden. Dem entspricht die Beobachtung, daß die
Stallhaltung bei den Slaven weitgehend unüblich war, so daß für Stroh nur geringe
Verwendungsmöglichkeiten bestanden haben.
Die Lagerung des ausgedroschenen Getreides erfolgte in gesonderten, teilweise gestelzten
Speichern (Spiker) oder in Holz- bzw. Tongefäßen. In Gebieten mit trockenen, tiefgründigen
Lößböden, besonders in der Ukraine, wurden birnenförmige Silogruben angelegt. Da das
Getreide vor der Einlagerung gedarrt werden mußte, eigneten sich diese allerdings nicht für das
Saatgetreide.
4. Wirtschaftsformen, Leistungs- und Ertragsentwicklung: Insgesamt geben sich in den
Entwicklungsprozessen und Veränderungen des frühmittelalterlichen Ackerbaus beträchtliche
Produktivitätsfortschritte zu erkennen. Die Durchsetzung von geregelter Fruchtfolge, der Anbau
von Wintergetreide und insbesondere des dem Klima und den Bodenbedingungen weiter Teile
Mittel- und Osteuropas entsprechenden Roggenanbaus sicherten im ganzen höhere, v.a. aber
stabilere Ernteerträge. Zugleich dürfte der Kornertrag im Verhältnis zur Saatmenge während des
frühen Mittelalter jedoch nur eine begrenzte Steigerung erfahren haben. Untersuchungen zur
Korngröße, die Einblick in den Züchtungsstand erlauben, zeigen, daß Größenunterschiede in
erster Linie von wechselnden Boden- und Witterungsbedingungen bestimmt wurden, eine
tendenzielle Größen- und Gewichtszunahme jedoch nicht zu beobachten ist. Auch die
Körnermenge kann sich nur innerhalb enger Grenzen erhöht haben. Während für das
5./6. Jahrhundert allgemein ein durchschnittlicher Ertrag mindestens des 2,0 - 2,5fachen Korns
vorausgesetzt werden muß, sind im hohen und späten Mittelalter Werte vom 3,5 - 4,0fachen
Korn erreicht worden. Daraus ergeben sich zwischen dem 6. und dem 12. Jahrhundert
vergleichsweise geringe Ertragssteigerungen, die allein nicht ausreichen konnten, den
wachsenden Bedarf an Ackerbauprodukten zu befriedigen.
Der Ausweg bestand folgerichtig darin, die Ackerbauflächen zu erweitern. Pollenanalytische
Untersuchungen beweisen, daß am Beginn des frühen Mittelalter nicht nur der Anteil der
landwirtschaftlichen Nutzflächen in den siedlungsnahen Räumen beträchtlich zunahm, sondern,
daß innerhalb dieser ein Übergewicht der ackerbaulich genutzten Flächen erreicht wurde.
Teilweise ergab sich dies als direkte Folge des Wintergetreideanbaus und der damit verbundenen
Formen geregelter Fruchtwechselwirtschaft. Der Übergang vom einfachen Wechsel zwischen
Getreide und Brache zur Abfolge Wintergetreide - Sommergetreide - Brache verkürzte bzw.
verringerte den Bracheanteil. Darüber hinaus haben aber v.a. der weitreichende innere und
äußere Landesausbau zu einer erheblichen Ausdehnung des Ackerbaus geführt. Diese
vorwiegend extensive Erweiterung des Ackerbaus sicherte zwar die Ernährungsgrundlage für
eine ständig wachsende Bevölkerung, konnte aber nur in dem Umfang zur Erweiterung eines
landwirtschaftlichen Mehrprodukts beitragen, wie sie zugleich mit Formen einer intensiveren
Bodenbearbeitung verbunden wurde. Insbesondere der Anbau von Wintergetreide hatte zur
Voraussetzung, daß eine gründlichere Vorbereitung des Saatbettes erfolgte. Dazu gehörte das
sorgfältige, auch mehrmalige Pflügen und Eggen der Saatfelder. Da bis zum 10. Jahrhundert für
diese Arbeiten keine wesentlich produktiveren Arbeitsgeräte zur Verfügung gestanden haben,
ließ sich dies v.a. durch steigende Arbeitsleistungen der Bauern erreichen. Über die
Eigenversorgung hinaus hatten sie Zehnt- und andere Abgabenleistungen zu erbringen bzw.
Hand- und Spanndienste zu leisten. Welches Ausmaß die Intensität bäuerlicher Dienste annahm,
hing somit direkt mit der Durchsetzung von Herrschaftsverhältnissen und mit der Einbeziehung
von Tributleistungen und sonstiger Abgaben zusammen. Daher hat es erhebliche regionale
Unterschiede gegeben. Die im Vergleich zu angrenzenden westslavischen Gebieten
weitreichendere
Einbindung
deutscher
Bauern
in
grundherrschaftlich
strukturierte
Agrarverhältnisse hat daher schon im Altsiedelland eine intensivere Bodenbearbeitung gefördert
und in der Folgezeit die Einführung und Verbreitung entwickelter Produktionsverfahren
(schwerer Beetpflug, Pferdeanspannung [→Anspannen,Anschirren← und →Ackergeräte←],
Dreifelderwirtschaft) begünstigt, so daß hier im 12. Jahrhundert beträchtlich höhere Erträge
erwirtschaftet werden konnten.
Peter Donat
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URL: http://www.uni-leipzig.de/gwzo/wissensdatenbank/artikel.php?ArtikelID=13.0000

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