Ackerbau Für die Stämme und Völker Europas bildete der Ackerbau
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Ackerbau Für die Stämme und Völker Europas bildete der Ackerbau
Ackerbau Für die Stämme und Völker Europas bildete der Ackerbau im frühen Mittelalter weitgehend die Grundlage der Ernährung. Der Ackerbau umfaßte die mit dem →Pflug← u.a. Geräten (→Ackergeräte←) durchgeführte Bodenbearbeitung, gebietsweise entwickelte Methoden der Fruchtfolgegestaltung und Düngung, sowie die Ernte und Lagerung der Anbaufrüchte. Vorrangig war der Ackerbau auf die Erzeugung von Getreide gerichtet. 1. Forschungsmethoden und Quellen: Die Erforschung der Geschichte des Ackerbaus stützt sich v.a. auf schriftliche, archäologische, historisch-geographische und paläoethnobotanische Quellen. Dabei handelt es sich nur teilweise um mittelbare Zeugnisse, die zudem erhebliche Unterschiede in ihren Aussagemöglichkeiten aufweisen. Schriftliche Quellen liegen für die älteren Zeiträume (6. - 9. Jahrhundert) fast nur aus dem westlichen Mitteleuropa und Westeuropa vor (insbesondere die germanischen Volksrechte, Klosterurbare und Betriebsordnungen wie das Capitulare de villis). Über den Ackerbau der slavischen Stämme informieren seit dem 11. Jahrhundert neben einzelnen Urkunden v.a. chronikalische Nachrichten (z.B. →Helmold←). Insgesamt bieten diese Quellen gesicherte und fest datierte Nachrichten über die Anbauarten sowie zu den Betriebsformen, jedoch sind zeitliche und lokale Unterschiede nur schwer erkennbar. Beispielsweise lassen sich mit ihrer Hilfe Verbreitungsgebiete bestimmter Ackergerätetypen ebenso erfassen, wie Veränderungen und Verbesserungen des Ackerbaus. Durch den Nachweis von Wirtschaftsanlagen wie Scheunen, Speichern, Druschplätzen und Webhäusern können Rückschlüsse auf die Organisation und auf Betriebsformen des Ackerbaus gezogen werden. Moderne großflächige Siedlungsgrabungen führten darüber hinaus zum Nachweis von Flurformen. Ausgehend von Pflanzenresten (botanische Großreste), wie sie häufig bei archäologische Siedlungsgrabungen entdeckt werden, entwickelten sich in neuerer Zeit paläoethnobotanische Untersuchungsmethoden. Aus feuchtkonservierten oder verkohlten Getreidefunden kann der mengenmäßige Anteil einzelner Kulturarten bestimmt werden und lassen sich Erkenntnisse zu den Anbauformen (getrennter Anbau oder Mischanbau, Fruchtwechsel), zum Verhältnis von Winter- und Sommergetreide sowie zu den Erntemethoden gewinnen. Aus Moor- und Seeablagerungen gewonnene Bohrprofile (vorwiegend aus den nördlichen Flachlandgebieten) erlauben darüber hinaus pollenanalytische Untersuchungen, die Angaben zum Verhältnis der einzelnen Anbauarten, zum Umfang des landwirtschaftlichen Gesamtertrag vermitteln. Ackerbaus und zu seinem Anteil am Die historisch-geographische Siedlungsforschung erfaßt Reliktfluren (vorwiegend in Wald- und Heidegebieten) und sucht durch die Methode des Rückschlusses aus frühneuzeitlichen Flurkarten ältere Flurformen zu ermitteln; schwierig ist aber die Altersbestimmung solcher Fluren. 2. Kulturpflanzen: Getreide stellt in Mittel- und Osteuropa während des frühen Mittelalter den Hauptteil des Anbaus. Kennzeichnend für den frühmittelalterlichen Ackerbau waren die Einführung neuer Getreidearten bzw. Veränderungen in den Hauptanbauarten (Wandlungen, die zu stabileren und höheren Erträgen führten und zugleich die Anbau- und Ernteverfahren beeinflußten). a) Die seit dem Neolithikum allgemein herrschenden Spelzweizenarten wurden um die Mitte des 1. Jahrtausends weitgehend durch Saatweizen (Triticum aestivum L.) sowie die diesem nahestehende Varietät Zwergweizen (Triticum aestivum var. compactum) verdrängt. Die Ausbreitung des Saatweizens ermöglichte höhere Erträge und erleichterte Ernte sowie Drusch des Getreides, stellte jedoch zugleich höhere Anforderungen an die Saatbettbereitung. b) Roggen (Secale cereale L.) wurde, wie der Saatweizen, seit dem Beginn des frühen Mittelalter in weiten Teilen Mittel- und Osteuropas angebaut. Ursprünglich zu den sekundären Kulturpflanzen zählend, scheint er erstmals während der Eisenzeit in der Waldsteppenzone zwischen Weichsel und Dnepr regelmäßig aufzutreten. Belege fanden sich in den Siedlungen der jüngeren Przeworsk- sowie der Kiever Kultur. Parallel dazu erlangte Roggen in den römischen Provinzen an Rhein und Donau wachsende Bedeutung. Mit der slavischen Landnahme erfolgte die Ausbreitung des Roggenanbaus auf größere Gebiete Mitteleuropas. Gleichzeitig setzte sich der Roggen in den ostrheinischen Teilen des fränkischen Reiches durch. Für Mitteleuropa belegen pollenanalytische Untersuchungen ein sprunghaftes Ansteigen des Roggenanbaus seit dem 5./6. Jahrhundert In der Nichtschwarzerdezone des nördlichen Osteuropa setzte die Verbreitung des Roggens dagegen erst im 9. Jahrhundert ein; bereits im 11. Jahrhundert stellte er auch dort die Hauptgetreideart. c) Gerste (Hordeum vulgare L.) gehörte zu den allgemein verbreiteten, jedoch in unterschiedlichem Umfang angebauten Getreidearten. Bedeutenden Anteil erlangte die Gerste im niederländisch-nordwestdeutschen Flachland seit der Eisenzeit und behielt diesen bis weit in das frühe Mittelalter hinein. Gerste war in den baltischen Ländern bis zum 10. Jahrhundert die dominierende Getreideart. Es kennzeichnet ihre Bedeutung, daß im Lettischen Brot und Gerste auf die gleiche sprachliche Wurzel zurückgehen, für den slavischen Sprachbereich weisen die zusammengehörigen Begriffe žito 'Korn' und žit 'Leben' Ähnliches aus. Noch im 14. Jahrhundert wurde unter žito schlechthin 'Brot' bzw. 'Gerste' verstanden. d) Hafer (Avena sativa L.) fand in Mittel- und Osteuropa seit der Eisenzeit Verbreitung und läßt sich im frühen Mittelalter allgemein nachweisen, scheint aber am Getreideanbau nur Anteile von höchstens 10 % erlangt zu haben. Da Hafer in Speicherfunden häufig fehlt oder nur in geringen Beimengungen vertreten ist, spielte er wahrscheinlich für die menschliche Ernährung nur eine untergeordnete Rolle. Ein Befund von →Arkona← weist darauf hin, daß Hafer zu Futterzwecken angebaut wurde. In der Nähe dieses zentralen nordwestslavischen Kultplatzes wurde Pferdezucht betrieben; Pferde spielten im Kult von Arkona eine bedeutende Rolle. Durch umfangreiche pollenanalytische Untersuchungen auf der Insel Rügen konnte nachgewiesen werden, daß in der Nachbarschaft der Tempelburg Hafer den ungewöhnlich hohen Anteil von 40 % des angebauten Getreides hatte. e) Rispenhirse (Panicum miliaceum L.) läßt sich in ihrer Bedeutung für die Ernährung nur schwer einschätzen. Einerseits ist diese Getreideart unter den Großrestfunden überrepräsentiert, andererseits pollenanalytisch nicht nachweisbar. In den slavischen Siedlungsgebieten gehörte Hirse zu den ständig angebauten Getreidearten, im fränkisch-deutschen Siedlungsraum dagegen fehlt sie in den meisten Funden, ist also entweder gar nicht oder nur sporadisch genutzt worden. f) Leguminosen, insbesondere Erbse (Pisum sativum L.), Linse (Lens culinaris Med.) und Ackerbohne (Vicia faba L.) sind aus so zahlreichen frühmittelalterlichen Fundstellen belegt, daß sie den allgemein bekannten und genutzten Kulturpflanzen zuzurechnen sind; in der Regel dürften sie jedoch in hofnahen Gärten und nicht auf Feldern angebaut worden sein. Einen Ausnahmefall stellten die Ackerbau-Verhältnisse im 9. - 10. Jahrhundert bei der Wurtensiedlung Elisenhof bei Tönning (Kreis Nordfriesland) dar, wo retardierender Ackerbau als Folge des Meeresspiegelanstiegs die gegen Versalzung weniger empfindliche Ackerbohne zur Hauptanbauart aufrücken ließ. g) Von Öl- und Fettpflanzen fand lediglich Lein (Linum usatissimum L.) allgemeine Verbreitung. Da sich im frühen Mittelalter in frühstädtischen Siedlungen und Pfalzen, seit dem 9./10. Jahrhundert zunehmend auch in dörflichen Siedlungen eine ausgedehnte Textilverarbeitung belegen läßt, die sich neben Wolle hauptsächlich auf Flachs stützte, ist zumindest gebietsweise mit regelmäßigem Feldanbau von Lein zu rechnen. Die einzelnen Getreidearten hatten also in Mittel- und Osteuropa unterschiedlichen Anteil am Ackerbau Weizen gehörte durchweg zu den wichtigen Anbauarten, scheint jedoch nirgends den ersten Platz erreicht zu haben. Dagegen war Gerste im südlichen Nordseeküstengebiet und in den baltischen Ländern bis in das 9./10. Jahrhundert die bevorzugte Getreideart. In der Folgezeit setzten sich dann Roggen bzw. Weizen durch. Für die westslavischen Siedlungsgebiete ließ sich nachweisen, daß vorrangig Roggen angebaut wurde und vielfach mehr als 50 % des Gesamtgetreideertrages erbrachte. An zweiter Stelle stand in der Regel Weizen. Bei den Ostslaven wurde zunächst Gerste und Weizen sowie Hirse angebaut, bis sich im 9. Jahrhundert der Roggenanbau durchsetzte, der in den folgenden Jahrhunderten ähnlich hohe Werte erreichte. Insgesamt bestand am Übergang zum frühen Mittelalter die Tendenz, die traditionellen Getreidearten durch Roggen und Saatweizen zu ersetzen. Roggen ließ als vergleichsweise anspruchslose Art auch bei ungünstigen Klima- und Bodenbedingungen relativ sichere Erträge erwarten. Damit bot er sich insbesondere für den Landesausbau in Waldgebieten, Mittelgebirgslagen und allgemein in den für Ackerbau wenig günstigen Landschaften an. Roggen und Saatweizen besitzen stabilere Ährenachsen, so daß der Verlust bei der Ernte gering ist. Beide Arten eignen sich auch für den Wintergetreideanbau. 3. Bodenbearbeitung, Anbauformen und Erntemethoden: Während die ältere Forschung Fortschritte des Ackerbaus im frühen Mittelalter hauptsächlich mit der Einführung des bodenwendenden Pfluges (Beetpflug) zu erklären suchte, hat sich in neuerer Zeit eine vorsichtigere Bewertung durchgesetzt. Dies ergibt sich v.a. aus der Erkenntnis, daß sich im germanischen wie im slavischen Ackerbau während des frühen Mittelalter gleichgerichtete Tendenzen (z.B. Roggenanbau, geregelte Fruchtwechselwirtschaft) durchsetzten, zumindest der slavische aber durchweg mit dem Haken arbeitete. Bodenwendende Pflüge, vielfach bereits mit Radvorgestell, wurden in den römischen Gutswirtschaften der Donauprovinzen, wahrscheinlich aber auch in Gallien und den Rheinprovinzen allgemein angewandt. In den germanischen Siedlungsgebieten sind, allerdings in geringer Zahl, bislang ausschließlich Hakenschare gefunden worden. Da auch auf frühen Bildzeugnissen des 9. - 11. Jahrhundert nur Haken abgebildet wurden und sprachgeschichtliche Untersuchungen zu gleichen Ergebnissen führten, rechnet die neuere Forschung damit, daß im westlichen Mitteleuropa bis zum 10. Jahrhundert, zumindest überwiegend, mit dem Haken gepflügt wurde. Insbesondere die Erkenntnis, daß der Haken mit dem Vordringen der Franken auch im ehemals provinzialrömischen Gebiet Verbreitung fand, deutet darauf hin, daß dieses Gerät den wirtschaftlichen Möglichkeiten kleiner Bauernwirtschaften, speziell den dort verfügbaren Zugtieren, am besten entsprach. Archäologische Forschungen erbrachten demgegenüber aus den niederländischen und nordwestdeutschen Küstengebieten sichere Belege eines bodenwendenden Pflügens, deren älteste in die Jahrhunderte um den Beginn der Zeitrechnung zu datieren sind. Da für dieses gegenwärtig siedlungsarchäologisch am intensivsten erforschte Gebiet eine verhältnismäßig kontinuierliche, bis ins hohe Mittelalter reichende Nutzung bodenwendender Pfluggeräte nachzuweisen ist, muß offen bleiben, ob Beetpflüge nicht schon im frühen Mittelalter gebietsweise bzw. in Abhängigkeit von der verfügbaren Zugkraft (z.B. auf Kloster- und Saalgütern) neben dem Haken in Gebrauch waren. Etwa seit dem 10. Jahrhundert fanden im westlichen Mitteleuropa Beetpflüge allgemein Verwendung. In den slavischen Siedlungsgebieten sind bis in das hohe Mittelalter hinein vorwiegend Haken verwandt worden. Allein aus dem Gebiet des Großmährischen Reiches konnten asymmetrische Pflugschare aus dem 8. - 9. Jahrhundert nachgewiesen werden, die eine frühzeitige (möglicherweise nur zeitweilige?) Verwendung des Beetpfluges belegen. Noch im 12. Jahrhundert wurde in Mecklenburg die Zehntabgaben slavischen Bauern nach dem als Haken (slavicum aratrum, Helmold I, 12, 88) bezeichneten Landmaß ermittelt. Dabei benutzten die nordwestslavische Stämme im 6. - 9. Jahrhundert, von wenigen Ausnahmen abgesehen, hölzerne Schare. Erst in den folgenden Jahrhunderten setzten sich dort eiserne Schare und Seche durch. Demgegenüber gebrauchten die Südslaven von Beginn Bodenbearbeitungsgeräte mit Arbeitsteilen aus Eisen, wie Schare, Sech und Socha. Für die ostslavischen Gebiete lassen sich eindeutige Aussagen kaum treffen, da nur wenige Funde von durchweg eisernen Scharen vorliegen, die jedoch beweisen, daß auch bei diesen Stämmen zunächst der Haken bekannt war. Das in der osteuropäischen Waldzone bevorzugte Bodenbearbeitungsgerät war die Socha. Auch deren Frühform bestand aus Holz, bevor sich alllmählich und seit dem 11. Jahrhundert weitestgehend die eiserne Socha durchsetzte. Der Wendepflug spielte in den ostslavischen Waldgebieten keine Rolle. Neben dem Pflug gehörte die Egge (→Ackergeräte←) zu den in Mittel- und Osteuropa verbreiteten Ackerbaugeräten. Archäologische und ikonographische Quellen bezeugen, daß vorwiegend hölzerne Rahmeneggen Verwendung fanden. Regelmäßiges, auch mehrfaches Eggen des gepflügten Ackers ist seit dem Beginn des frühen Mittelalter allgemein verbreitet gewesen. Damit konnte eine bessere Bodenstruktur erreicht werden, die für den Roggen- und Saatweizenanbau erforderlich war. Getreide wurde in der Regel nach Arten getrennt angebaut. Geringe Anteile einer zweiten Getreideart in einzelnen Fundkomplexen sowie die Analyse der Artenzusammensetzung der Unkräuter ermöglichen den Nachweis, daß Roggen vorwiegend, vielfach aber auch Weizen, als Wintergetreide angebaut wurden. Die Ausbreitung des Roggens kennzeichnet somit die Durchsetzung der Herbstaussaat. Soweit erkennbar, war dies mit Fruchtfolgesystemen verbunden, wonach ein Wechsel zwischen Sommergetreide, Wintergetreide und Brache vorgenommen wurde. Diese Anbauform hat sich um die Mitte des 1. Jahrtausends in germanischen wie slavischen Siedlungsgebieten Mitteleuropas durchgesetzt. Entsprechende Befunde liegen aus der ukrainischen Waldsteppenzone für das 8./9. Jahrhundert vor, während in Novgorod der Wintergetreideanbau nicht vor dem 10. Jahrhundert, also mit dem Aufkommen des Roggens einsetzte. Für Südosteuropa sind bisher kaum entsprechende Untersuchungsergebnisse bekannt. Gleiche Entwicklungsrichtungen deuten sich jedoch in einzelnen Befunden (z.B. Krivina, Bulgarien) sowie nach dem Niveau der Bodenbearbeitung an, das aus dem verfügbaren Bestand an Ackerbaugeräten zu erschließen ist. Der Anbau von Winter- und Sommergetreide erforderte bzw. begünstigte die Entwicklung der Fruchtwechselwirtschaft, wobei sich nach botanischen Befunden zu Beginn des frühen Mittelalter geregelte Formen ausbildeten. Nach wie vor läßt sich nur schwer beurteilen, wie weit sich zugleich entsprechende Bodennutzungssysteme durchsetzten. Schriftliche Quellen belegen die ausgebildete Dreifelderwirtschaft mit Zelgensystem und Flurzwang, also die konsequenteste Form geregelter Fruchtfolge für Südwestdeutschland, die Nordschweiz und Frankreich seit dem 8. Jahrhundert Diese Dreifelderwirtschaft im eigentlichen Sinne scheint zunächst v.a. auf großen Grundherrschaften angewandt worden zu sein. In gleichem Zusammenhang wurde die langstreifige Parzellierung eingeführt, die die bis dahin vorherrschenden Blockfluren zu ersetzen begann. Nur zögernd setzte sich die Dreifelderwirtschaft in weiten Teilen Deutschlands bis zum 12. Jahrhundert durch. Demnach war sie über längere Zeiträume von weniger systematisch geregelten Formen der Fruchtwechselwirtschaft, die sich aus dem individuellen Parzellenanbau ohne Flurzwang ergeben, begleitet. In den slavischen Gebieten wurden auf der Grundlage der Blockfluren, die der ausschließlichen Verwendung des Hakens entsprachen, möglicherweise ähnliche, weniger fest geregelte Anbauformen entwickelt, da einerseits die Fruchtwechselwirtschaft üblich war, andererseits die Dreifelderwirtschaft zusammen mit neuer Flureinteilung nach Hufen und Gewannfluren erst im Gefolge der deutschen Ostkolonisation (→Landesausbau← während des 13. Jahrhundert durchgesetzt wurde. Roggen und Saatweizen mit ihren stabilen Ährenachsen begünstigten bodennahe Ernteverfahren. Im frühen Mittelalter wurde die Getreideernte ausschließlich mit eisernen Sicheln durchgeführt; Sensen, die in der Form der kurzen Hausense bekannt waren, konnten lediglich zur Heumahd eingesetzt werden. Aus ikonographischen Quellen ist zu schließen, daß das Getreide etwa in Kniehöhe oder in Bodennähe geschnitten wurde. Damit ist zumindest ein Teil des Strohs eingebracht worden und stand u.a. für eine Stallhaltung zur Verfügung. Die Aussagen der Bilddarstellungen aus dem 9. - 12. Jahrhundert finden in denen der germanischen Volksrechte eine Ergänzung, die mehrheitlich neben dem Speicher die Getreidescheune kennen (machulum, scuria). Vieles spricht dafür, daß seit dem 5./6. Jahrhundert im germanisch-deutschen Siedlungsgebiet Ernte und Drusch des Getreides zeitlich getrennt wurden, das Getreide also auf dem mehr oder weniger lang belassenen Halm eingelagert wurde. Nachweise von Getreidescheunen fehlen dagegen aus dem slavischen Gebiet. Da diese auch im ethnographischen Material der frühen Neuzeit nur eine geringe Rolle spielten, ist das Getreide wahrscheinlich ohne Halm eingebracht worden. Dem entspricht die Beobachtung, daß die Stallhaltung bei den Slaven weitgehend unüblich war, so daß für Stroh nur geringe Verwendungsmöglichkeiten bestanden haben. Die Lagerung des ausgedroschenen Getreides erfolgte in gesonderten, teilweise gestelzten Speichern (Spiker) oder in Holz- bzw. Tongefäßen. In Gebieten mit trockenen, tiefgründigen Lößböden, besonders in der Ukraine, wurden birnenförmige Silogruben angelegt. Da das Getreide vor der Einlagerung gedarrt werden mußte, eigneten sich diese allerdings nicht für das Saatgetreide. 4. Wirtschaftsformen, Leistungs- und Ertragsentwicklung: Insgesamt geben sich in den Entwicklungsprozessen und Veränderungen des frühmittelalterlichen Ackerbaus beträchtliche Produktivitätsfortschritte zu erkennen. Die Durchsetzung von geregelter Fruchtfolge, der Anbau von Wintergetreide und insbesondere des dem Klima und den Bodenbedingungen weiter Teile Mittel- und Osteuropas entsprechenden Roggenanbaus sicherten im ganzen höhere, v.a. aber stabilere Ernteerträge. Zugleich dürfte der Kornertrag im Verhältnis zur Saatmenge während des frühen Mittelalter jedoch nur eine begrenzte Steigerung erfahren haben. Untersuchungen zur Korngröße, die Einblick in den Züchtungsstand erlauben, zeigen, daß Größenunterschiede in erster Linie von wechselnden Boden- und Witterungsbedingungen bestimmt wurden, eine tendenzielle Größen- und Gewichtszunahme jedoch nicht zu beobachten ist. Auch die Körnermenge kann sich nur innerhalb enger Grenzen erhöht haben. Während für das 5./6. Jahrhundert allgemein ein durchschnittlicher Ertrag mindestens des 2,0 - 2,5fachen Korns vorausgesetzt werden muß, sind im hohen und späten Mittelalter Werte vom 3,5 - 4,0fachen Korn erreicht worden. Daraus ergeben sich zwischen dem 6. und dem 12. Jahrhundert vergleichsweise geringe Ertragssteigerungen, die allein nicht ausreichen konnten, den wachsenden Bedarf an Ackerbauprodukten zu befriedigen. Der Ausweg bestand folgerichtig darin, die Ackerbauflächen zu erweitern. Pollenanalytische Untersuchungen beweisen, daß am Beginn des frühen Mittelalter nicht nur der Anteil der landwirtschaftlichen Nutzflächen in den siedlungsnahen Räumen beträchtlich zunahm, sondern, daß innerhalb dieser ein Übergewicht der ackerbaulich genutzten Flächen erreicht wurde. Teilweise ergab sich dies als direkte Folge des Wintergetreideanbaus und der damit verbundenen Formen geregelter Fruchtwechselwirtschaft. Der Übergang vom einfachen Wechsel zwischen Getreide und Brache zur Abfolge Wintergetreide - Sommergetreide - Brache verkürzte bzw. verringerte den Bracheanteil. Darüber hinaus haben aber v.a. der weitreichende innere und äußere Landesausbau zu einer erheblichen Ausdehnung des Ackerbaus geführt. Diese vorwiegend extensive Erweiterung des Ackerbaus sicherte zwar die Ernährungsgrundlage für eine ständig wachsende Bevölkerung, konnte aber nur in dem Umfang zur Erweiterung eines landwirtschaftlichen Mehrprodukts beitragen, wie sie zugleich mit Formen einer intensiveren Bodenbearbeitung verbunden wurde. Insbesondere der Anbau von Wintergetreide hatte zur Voraussetzung, daß eine gründlichere Vorbereitung des Saatbettes erfolgte. Dazu gehörte das sorgfältige, auch mehrmalige Pflügen und Eggen der Saatfelder. Da bis zum 10. Jahrhundert für diese Arbeiten keine wesentlich produktiveren Arbeitsgeräte zur Verfügung gestanden haben, ließ sich dies v.a. durch steigende Arbeitsleistungen der Bauern erreichen. Über die Eigenversorgung hinaus hatten sie Zehnt- und andere Abgabenleistungen zu erbringen bzw. Hand- und Spanndienste zu leisten. Welches Ausmaß die Intensität bäuerlicher Dienste annahm, hing somit direkt mit der Durchsetzung von Herrschaftsverhältnissen und mit der Einbeziehung von Tributleistungen und sonstiger Abgaben zusammen. Daher hat es erhebliche regionale Unterschiede gegeben. Die im Vergleich zu angrenzenden westslavischen Gebieten weitreichendere Einbindung deutscher Bauern in grundherrschaftlich strukturierte Agrarverhältnisse hat daher schon im Altsiedelland eine intensivere Bodenbearbeitung gefördert und in der Folgezeit die Einführung und Verbreitung entwickelter Produktionsverfahren (schwerer Beetpflug, Pferdeanspannung [→Anspannen,Anschirren← und →Ackergeräte←], Dreifelderwirtschaft) begünstigt, so daß hier im 12. Jahrhundert beträchtlich höhere Erträge erwirtschaftet werden konnten. Peter Donat Lit.: A. V. KIR'JANOV, Istorija zemledelma novgorodskoj zemli X - XV vv., in: Trudy novgorodskoj archeologičeskoj ėkspedicii 3, 1959, 306 - 362 (= MIA 65); S. H. 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