Leitsymptom Juckreiz
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Leitsymptom Juckreiz
Juli 2010 Diagnostic Update Fallbericht Von Kollegen für Kollegen: Leitsymptom Juckreiz Diagnose Otitis, Verdacht auf eine milde Hypothyreose, Allergie Tierärztin Birgit Fernholz, Kleintierpraxis am Hellweg, Bochum Therapie Meggys Besitzer berichteten über rezidivierendes Erbrechen und Durchfall. Das Hauptproblem und der Grund der Vorstellung jedoch war ein rezidivierender, generalisierter Juckreiz. Der Juckreiz äußerte sich unter anderem durch massives Bebeißen der Pfoten. Im Frühjahr 2008 kam es zu einer Verschlechterung der Symptome. Beim vorbehandelnden Haustierarzt wurde bereits ein Allergietest durchgeführt, der ein positives Ergebnis brachte. Das Ergebnis dieses Tests liegt leider nicht vor. Zum Zeitpunkt der Vorstellung erhielt Meggy einmal täglich 2,5 mg Prednisolon. Parallel zur Labordiagnostik wurde die Fütterung umgestellt. Meggy bekam zunächst Sensititvity Control® von Royal Canin. Später wurde sie auf Grund ihrer Adipositas auf Hypoallergenic moderate energy® (Royal Canin) umgestellt. Die Otitis wurde lokal mit einem Kombinationspräparat mit Clotrimazol, Dexamethason und Marbofloxacin (Aurizon®, Firma Vetoquinol) behandelt. Die Besitzer badeten die Pfoten in Betaisodona Lösung (Vet-Sept® Lösung, Firma Albrecht). Um ein Belecken der Pfoten zu verhindern, musste Meggy Socken tragen. Gegen den Juckreiz wurde lokal ein Hydrokortisonspray (Cortavance Spray®, Firma Virbac) aufgetragen. Meggy wurde mit einem antibakteriellen und einem Shampoo gegen Schuppen (Dermazyme Anti-Bac® und Anti-Seb®, Firma CEVA) gebadet. Systemisch wurde eine Antibiotikatherapie mit Cefalexin (Chassot Cefaseptin forte®, Firma Vetoquinol) in der Dosierung 900 mg bid verabreicht. Obwohl das TT4 und das FT4 nur leicht erniedrigt waren und das TSH im Normbereich lag, wurde eine Thyroxinsubstitution (Forthyron®, Firma Albrecht) mit 300 µg bid eingeleitet. Klinische Untersuchung Laborwertkontrolle Die Hündin ist bei der Erstvorstellung leicht adipös. Ihr Fell ist schütter, z. T. schuppig und welpenfellartig. Axillar und inguinal besteht eine Pyodermie mit Hyperpigmentation, sekundären Collarettes und mittelgradigem Juckreiz. Außerdem hat Meggy eine Pododermatitis und eine Otitis mit stark zugeschwollenen Gehörgängen. Der Gesamtthyroxinwert wurde 2 Wochen nach Therapiebeginn 4 – 6 h nach der Tablettengabe kontrolliert und lag im Normbereich (TT4: 2,9 µg/dl). Falldarstellung Im Juni 2008 wurde die Mischlingshündin „Meggy“ zum ersten Mal in der Kleintierpraxis am Hellweg vorgestellt. Meggy wurde 2001 geboren, war also zum Zeitpunkt der Erstvorstellung 7 Jahre alt. Sie ist weiblich-kastriert und wog 30 kg. Vorbericht Verlauf Nach der initialen Untersuchung wurde ein Ohrtupfer entnommen und zytologisch untersucht. Es konnten massiv Kokken und Hefepilze nachgewiesen werden. Vor der weiterführenden Diagnostik wurde zunächst das Kortison ausgeschlichen. Aufgrund der Ergebnisse der klinischen Untersuchung wurden die Schilddrüsenwerte (Schilddrüsenprofil I: Gesamtthyroxin (TT4), Freies Thyroxin (FT4) und Canines TSH) bestimmt. Vier Monate nach der Erstvorstellung ist Meggy deutlich munterer. Sie hat 1 kg abgenommen. Ihr Fell wächst nach und sie hat keine Verdauungsstörungen mehr. Meggy knabbert jedoch weiterhin an ihren Pfoten. Die Ohren werden als Langzeittherapie alle 3 Tage mit MalAcetic-Otic® (Essigsäure und Borsäure, Firma Albrecht) behandelt. Im November 2008 zeigt sie erneut hochgradiges Bebeißen der Pfoten, woraufhin ein Allergietest durchgeführt wird. Aufgrund des positiven Ergebnisses im ALLERCEPT® Screeningtest wird eine Einzelallergenbestimmung nachgefordert. Tabelle1 Tabelle 2 Diagnostik Untersuchung Ergebnis Normwert Maßeinheit Untersuchung Ergebnis Gesamtthyroxin 1,4 1,5 – 4,5 µg/dl ALLERCEPT® Screening Test (ELISA) Freies Thyroxin 0,6 0,6 – 3,7 ng/dl Milben/Flohspeichel positiv Canines TSH 0,09 < 0,5 ng/ml Gräser, Kräuter, Bäume positiv Bäume positiv Diagnostic Update Fallbericht Meggys starker Juckreiz wird vorübergehend mit Prednisolon in der Dosierung von 5 mg sid und später 2,5 mg sid therapiert. Entsprechend der Einzelallergenaustestung wird im Dezember 2008 eine Hyposensibilisierung eingeleitet. Im Frühjahr und Sommer 2009 sind Meggys Symptome milderer als in den Vorjahren. Die Gabe von Prednisolon ist nicht nötig. Meggys Hauptproblem - das massive Pfotenbeißen - kann mit lokaler Therapie und Sockenschutz auf ein erträgliches Maß reduziert werden. Die Otitis muss immer wieder lokal therapiert werden, heilt dann aber ab. Im Februar 2010 wird Meggy erneut vorgestellt. Zu diesem Zeitpunkt hat sie geringfügig zugenommen (28,4 kg) und ist etwas lustloser. Das Gesamtthyroxin wird kontrolliert (TT4: 2,9 µg/dl) und die Forthyron Dosierung auf Grund der klinischen Symptomatik auf 400 µg bid erhöht. Im Mai 2010 kommt Meggy zur Kontrolle in unsere Praxis. Sie hat wieder abgenommen und wiegt 27 kg. Ihr Fell ist voll und glänzend, die Ohren sind unauffällig. Weiterhin beißt sich Meggy gelegentlich in die Pfoten. Es liegt jedoch keine Pododermatitis vor. Nach einem Wiesenspaziergang zeigt Meggy inguinal eine leichte Kontaktallergie und Pyodermie, die auf topische Therapie mit einem antibakteriellen Shampoo (Dermazyme Anti-Bac®, Firma CEVA) und Antibiose Cefalexin (Chassot Cefaseptin forte®, Firma Vetoquinol) über 7 Tage gut anspricht. Der Juckreiz ist laut Meggys Besitzer deutlich weniger als in den beiden Jahren zuvor. Zusammenfassung Meggy ist ein typischer Fall aus der tierärztlichen Praxis. Eine eindeutige Diagnosestellung ist bei Hautpatienten häufig dadurch erschwert, dass mehrere Ursachen zusammen kommen. Schilddrüsenunterfunktion – was bedeuten die einzelnen Laborparameter? Die Bestimmung von Gesamtthyroxin dient als Screeningparameter für eine Hypothyreose. Das körpereigene TT4 wird ausschließlich in der Schilddrüse gebildet und dient damit als guter Parameter, um bei Hunden eine Hypothyreose auszuschließen, da nur sehr wenige Hunde mit Hypothyreose einen TT4 Wert im Referenzbereich aufweisen. Aufgrund des fehlenden Feedbacks von Thyroxin wird bei Hunden mit primärer Hypothyreose ein erhöhtes cTSH erwartet. Dies ist je nach Studie jedoch bei 20 – 40 % der Hunde nicht der Fall. Bei Meggy waren die Schilddrüsenhormone Gesamtthyroxin und freies T4 marginal erniedrigt. Das canine TSH lag bei Meggy im Normbereich. Somit ist bei Meggy eine milde Hypothyreose denkbar. Das gute Ansprechen auf die Thyroxinsubstitution kann nicht eindeutig als beweisend gewertet werden, da häufig auch bei euthyreoten Hunden durch die stoffwechselsteigernde Wirkung Vet Med Labor GmbH Division of IDEXX Laboratories IDEXX Vet•Med•Labor Mörikestr. 28/3 D – 71636 Ludwigsburg www.idexx.de des Thyroxins eine Verbesserung des Allgemeinbefindens erreicht wird. Dennoch scheint die längerfristige Thyroxinsubstitution bei Meggy positiv auf das Gesamterscheinungsbild zu wirken. Atopische Dermatitis Die atopische Dermatitis ist eine Faktorenerkrankung. Faktoren, die den Ausbruch einer klinisch manifesten Atopie begünstigen sind: 1. Aeroallergene (z. B. Hausstaubmilben, Blütenpollen) 2. Nahrungsmittelallergene 3. Aggravierende Faktoren: Bakterien, Malassezien (Überbesiedlung bzw. Infektion), Defekte in der Hornschicht der Epidermis (z. B. durch trockene Haut), psychogene Faktoren (Stress, Ängstlichkeit, Langeweile), Schwitzen, Feuchtigkeit auf der Haut, Wärmebelastung Die Hyposensibilisierung wird in der Humanmedizin bereits seit 1911 und in der Veterinärmedizin seit über 30 Jahren angewendet. Bei der Hyposensibilisierung werden dem Patienten in bestimmten Intervallen aufsteigende Konzentrationen der im Test ermittelten Allergene injiziert. Der genaue Wirkungsmechanismus ist nicht bekannt. Diskutiert werden die Produktion von neutralisierenden IgG, Zunahme von IgA auf den Schleimhäuten, vermehrte Stimulation von Th1-Lymphozyten sowie eine Abnahme der Anzahl von gewebsständigen Mastzellen. Eine Hyposensibilisierung sollte so allergenspezifisch wie möglich durchgeführt werden. Dafür ist eine Einzelallergenaustestung mittels Serum- oder Intrakutantest notwendig. Die Erfolgsquote einer Hyposensibilisierungstherapie liegt beim Hund bei 50 – 80 %. Bei einem positiven Ansprechen auf die Immuntherapie sollte diese lebenslang fortgesetzt werden, da es bei vielen Hunden nach Absetzen der Lösung zu einem Rezidiv kommt. Bei einem gewissen Prozentsatz der Tiere ist zumindest saisonal zusätzlich zur Immuntherapie eine symptomatische Begleittherapie angezeigt. In solchen Fällen können die oben genannten Präparate Anwendung finden. Bei den meisten Patienten, die einer ergänzenden Therapie bedürfen, kann der begleitende Einsatz von Glukokortikoiden vermieden werden. Eine allergische Genese der Hauterkrankung kann sowohl wegen der positiven Allergietests als auch auf Grund des guten Ansprechens auf die Hyposensibilisierung – wie auch zuvor auf die Kortisontherapie – als erwiesen angenommen werden. Meggys Otitis kann durch die Hypothyreose oder durch die atopische Dermatitis bedingt sein. Bei rezidivierenden Otitiden ist eine Keimbestimmung mit Antibiogramm sinnvoll. Außerdem scheint bei Meggy eine Futtermittelunverträglichkeit vorzuliegen. Meggy spricht sehr gut auf die Fütterung einer hypoallergenen Diät an. Die initial bestehende Magen-Darm-Symptomatik konnte alleine durch die Futterumstellung eliminiert werden. Fachberatung Deutschland Tel: +49 (0)1802 8386 33 Fachberatung Österreich Tel: 0800 20 89 20 6 Cent pro Anruf aus dem dt. Festnetz Fax: +49 (0)7141 6483 555 D495-0610