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18 K U L T U R B E U T E L VER.DI PUBLIK 05 MAI 2007 SEHEN Elbe | Es beginnt ein bisschen wie Käutners Unter den Brücken: Zwei Männer auf einem Schiff. Nur dass Kowsky und Gero nicht über die Berliner Havel schippern, sondern über die Elbe und um ihre Existenz ringen: Die Hamburger Reederei gibt ihnen keine Arbeit mehr, die Polizei beschlagnahmt den Frachtkahn, weil die letzten Raten nicht bezahlt wurden. Auf einem gestohlenen Boot setzen die Männer ihre Reise fort. Jeder hat seine Geheimnisse und seinen eigenen Kopf: Kowsky hat Frau und Sohn, die von ihm nichts mehr wissen wollen, und sucht den großen Geldsegen als Spieler. Der genügsamere Gero malocht dagegen im Gemüsemarkt, verliebt sich in die Verkäuferin und hilft seinem Kumpel, HÖREN wenn er Mist gebaut hat. Elbe ist eine wunderbar poetische, leise, wenngleich sich auch zum Ende dramatisch zuspitzende Tragikomödie um (Über)lebenskunst, Freundschaft und Verantwortung. Ein Film wie ein Fluss: mal ruhig dahinströmend, mal unter stürmischen Wellen aufbrausend. KL Pornostar oder auch Tierpflegerin“, raunt Klara unsicher. Während Mina („Sag mir nicht, dass ich naiv bin“) unter dem bevorstehenden Wegzug ihres Freundes leidet. Und Tanutscha derweil beinhart („Ich komm aus Kreuzberg, du Muschi“) so manchen Verehrer wortgewaltig zur Schnecke macht. Die drei träumen von Freiheit und Party, finden Öko voll scheiße und geben sich in Liebesdingen vollkommen abgeklärt. Und da sich Bettina Blümners unaufdringliche Kamera dabei wie eine vierte Freundin verhält, ist Prinzessinnenbad ein modernes und wunderbar weibliches Bild des Multikulti-Mikrokosmos Keuzberg. D 2006. R: MARCO MITTELSTAEDT, D: TOM JAHN, HENNING PEKER, STEFFI KÜHNERT U.A., 92 MIN.; START 24. MAI Prinzessinnenbad | Die Kreuzberger Freizeitinstitution „Prinzenbad“ wird für rund 90 Minuten zum Hoheitsgebiet dreier eigenwilliger, typischer Berliner Kiez-Kameradinnen: Prinzessinnenbad portraitiert drei 15jährige Schülerinnen der etwas härteren Gangart, die noch zögerlich, aber immer mit Schnauze an den Scheidewegen des Erwachsenwerdens zu bestehen versuchen: „Vielleicht werd’ ich ROBL D 2007; R: BETTINA BLÜMNER; 92 MIN.; START 31. MAI KLICKEN www.habbo.de | Vielleicht sagen sie ja etwas aus über unsere Gesellschaft, diese digitalen Zweitwelten. Wo sich Millionen via Internet anonym treffen, miteinander reden, gegeneinander spielen oder durcheinander handeln. Vielleicht sind Plattformen wie das US-amerikanische Second Life auch nur Zerstreuungsangebote. Habbo zumindest muss man nicht überbewerten. Zugeschnitten auf Teenager bietet das Mini-Bauklötzchen-Hotel viele bunte Räume, also Abwechslung und Bewegung. Hier mal gucken, da mal kurz winken, dort ein Spielchen mitmachen und sein virtuelles ZweitIch regelmäßig umgestalten. Ein durchaus amüsanter Zeitvertreib für Kinder, auch, um sich darin zu verlie- PREISRÄTSEL ren. Auf die Spieldauer sollten Eltern ein Auge haben. Mit einer Art „Sorgenraum“ der kooperierenden „Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e.V.“ ist jedoch eine Möglichkeit zu anonymer Hilfe integriert. Die ist, wie andere Kinderschutzbemühungen der Habbo-Macher, zu begrüßen. Die Euro-Abzocke für das Kaufen von „Talern“, der Habbo-Währung für Möbel, aber geht in die falsche Richtung. HEST www.37sechsblog.de/: Das Blog für Betriebsrat und JAV | Sehr pfiffig, Herr Skowronek. Der Name Ihres Internet-Tagebuchs „37.6“, der bezieht sich ja auf den so nummerierten Artikel-Absatz des Betriebsverfassungsgesetzes, der das Betriebsräterecht auf Freistellung für Weiterbildung regelt. So liefern Sie, als Urheber dieses Web-Tagebuchs, schon im Titel die Lizenz zum Lesen und Kommentie- • • • 1 1 • • • 1 G Die Zigarren, sein Markenzeichen als Politiker, hätten eigentlich scheußlich geschmeckt Y Er habe nie geglaubt, dass die soziale Marktwirtschaft sich langfristig gegen den Turbokapitalismus durchsetzen könne N Er war nie Parteimitglied der CDU Unter allen richtigen Einsendungen verlosen wir diesmal 5 x mal das Sachbuch Wenn die Flüsse Man lernt nie aus – auch weil versiegen es ständig neue Begriffe in unserer von Fred Arbeitswelt gibt. Was etwa ist ein Pearce Gigaliner? 1 Einer der ungewöhnlichsten Teilnehmer bei der Kunstmesse documenta 12 in Kassel, die am 16. Juni eröffnet wird, ist der spanische Künstler Ferran Adriá. Sein wichtigstes Werk trägt den Namen „El Bulli“. Dabei handelt es sich um C das bekannte Standbild eines männlichen Rindes vor der Frankfurter Börse O sein Restaurant in Barcelona, das als das innovativste und beste Europas gilt Z einen schrill bemalten VW-Bus, der kürzlich bei Christie’s für 18 Millionen Euro versteigert wurde • • • 1arbeiter Die Telekom will 50 000 Mitin eine neu zu gründende Firma auslagern. Dort sollen diese E länger arbeiten, aber weniger verdienen F kürzer arbeiten und dafür geringfügige Abstriche beim Lohn hinnehmen T endlich all ihre Vorstellungen umsetzen, wie Service und Kundenzufriedenheit verbessert werden können • • • 1 Der frühere Bundeskanzler Ludwig Erhard schockte Deutschlands Christdemokraten drei Jahrzehnte nach seinem Tod mit einer erstaunlichen Enthüllung ren Ihrer aufschlussreichen Ausführungen während der Arbeitszeit mit. Denn mitdiskutieren ist bei Ihrem – wie bei jedem guten – Blog ausdrücklich erwünscht. Wie überhaupt Ihr Blog alles hat, was ein attraktives Blog-Format ausmacht: Erstens, ein klares Thema, nämlich die Betriebsrats- sowie die Jugend- und Auszubildendenvertretungs-Arbeit, samt verständlicher Leseransprache; zweitens, dienliche Informationen und der Mut zur eigenen Meinung; drittens, eine aufmerksame Leserschaft und viele nützliche Links. Lediglich bei den unzähligen Kästen mit Eigenwerbung und Google-Anzeigen übertreiben Sie, denn die Menge macht es schwer, Ihre eigentlichen Texte zu orten. HEST L Ein Lkw mit 25 Meter Länge und bis zu 60 Tonnen Gewicht, wie sie derzeit in Deutschland in drei Modellversuchen eingesetzt werden H Ein Passagierflugzeug der übernächsten Generation mit mehr als tausend Passagieren S Ein besonders schwer Kokainabhängiger 1 Das war ja nicht so schwer zu raten. Aber worum handelt es sich bei • • • Power 8? D Ein Konzertprojekt von Bob Geldof und Bono zum G8-Gipfel der wichtigsten Industriestaaten in Heiligendamm X Eine koffeinhaltige Limonade A Das Programm zur Kostensenkung bei Airbus Vor dem G8-Gipfel bereiten die so genannten „Sherpas“, also die jeweiligen Regierungsbeauftragten, die Konferenz vor. Eigentlich ist ein Sherpa ja V ein extrem leistungsfähiger Lastenträger im Himalaya I eine Kaschmirdecke R ein PR-Mann, der für die Medien die Fehler und Versäumnisse der Regierungen schönredet • • • In diesem Heft geht es um Beschäftigte, die Behörden oder der Öffentlichkeit Informationen über Missstände oder Verfehlungen in ihren Betrieben liefern. • • • 1 • • • Sie nennt man M Headhunter K Whistleblower Q Controller Viel zu lesen war Ende März über „Gliese 581c“. Das ist P das Virus, das für den rätselhaften Tod vieler Bienenvölker verantwortlich ist Ü die deutsche Band beim „European Song Contest” B der erste erdähnliche Planet, den Wissenschaftler im Sternbild Waage entdeckt haben Die Kennbuchstaben der richtigen Lösungen ergeben, neu sortiert, einen Begriff, bei dem Schüler oft wortlos bleiben. Viel Spaß! 11111111 Bitte schicken Sie eine Postkarte mit dem Lösungswort bis zum 15. 6. 06 (Datum des Poststempels) an: ver.di PUBLIK Preisrätsel, 10112 Berlin. Lösungswort des letzten Preisrätsels: VERBOTEN Gewonnen haben: R.Dröse (Berlin), S. Schuchmann (Groß-Gerau), J. Bauer (Bad Vilbel), H.-J. Priesemuth (Stuttgart), E. Schäfer (Brandenburg) Paso Doble Les Rita Mitsouko: Variéty | Nein, seit Plastic Bertrand war so gut wie nichts aufgetaucht, was außerhalb der Landesgrenzen auf gnädige Ohren getroffen wäre. Noch in den 80ern schien Frankreich auf ewig verdonnert, die Landkarte der Popmusik mit Chansons zu bevölkern. Auch Les Rita Mitsouko kultivierten mit Macht die Ironie und fuhren gut damit. Ihr erster Hit hieß Marcia Baila und war eine flotte Elektro-Tanznummer mit Punk-Attitüde, die 1985 gerade auch in Deutschland einschlug. Sie verwirrten, weil sie ungefragt Kunst und Kommerz verbanden – damals eine regelrechte Schweinerei! Da sang eine junge Frau mit futuristischen Frisuren und schneidender Stimme eingängige Melodien, begleitet von einem bleistiftdünnen Mann mit Lippenbärtchen, der seine langen Gliedmaßen um die Rockgitarre wickelte. Die Songs waren tanzbar und von Conny Plank produziert, dem legendären Tonmeister von Kraftwerk und Konsorten. Und auch sonst war Cathérine Ringer und Fred Chichin das Interesse der Kunstszene sicher. Gaultier schneiderte für sie drauflos, Godard zückte die Kamera, die Sparks drückten ihnen einen Song aufs Auge, es gab viel weitere Zusammenarbeiten mit internationalen Künstlern. An einem solchen Erfolg samt Glaubwürdigkeit müssen andere Bands lange stricken. Die Zuschreibung „Avantgarde“ schmückt das Duo, das längst in der Mainstream-Kultur des Landes verankert ist, bis heute, obwohl das erste Album The No Comprendo unerreicht blieb. Auch Variéty, ihr siebtes Studioalbum, beschreitet keine neuen Wege, so reduziert auf die klassische Dreifaltigkeit aus Gitarre, Bass und Schlagzeug kommt es daher. Zwölf unaufwendige, aber nach wie vor charmante Popsongs haben sie aufgenommen; Fred Chichin jetzt öfter an der akustischen Gitarre, Cathérine Ringers Gesang unverändert, auf Elektronik – das können andere mittlerweile besser – wurde ganz verzichtet. Es sind musikalische Momentaufnahmen persönlichen Erlebens, die sich das Paar gönnt, das in den letzten 20 Jahren auch drei Kinder aufgezogen hat. Beweisen müssen die beiden nichts mehr. Es reicht, wenn sie ab und zu auftauchen und ihre Fans dazu bringen, neben der neuen Platte auch mal wieder C'est comme ça aufzulegen. JENNY MANSCH CD, WARNER Miss Platnum: Chefa | Der Balkan boomt. Zumindest musikalisch. Hochzeitskapellen aus Rumänien begeistern das Publikum im Westen, und in den Metropolen tanzt das junge Clubvolk auf BalkanBeats. Miss Platnum kam als kleines Mädchen aus Rumänien, war ihren geflohenen Eltern nach Deutschland nachgereist. Mit der Folklore ihrer Heimat hatte sie weniger am Hut, nahm stattdessen Gesangsunterricht bei der Jazz- und Soul-Sängerin Jocelyn B. Smith und landete bei den Produzenten der erfolgreichen Reggae-BigBand Seeed. Die schneiderten der extravaganten Künstlerin nicht nur ein zeitgemäßes musikalisches Kostüm aus dicken Beats und fetten Bläsern, sondern gaben ihr auch das Selbstbewusstsein einer „Gypsy-Queen“ zurück. Und so präsentiert sich Miss Platnum als Missy Elliot des wilden Ostens, überdreht das Klischee der zickigen aber souveränen, halbseidenen Zigeunerbraut, die es faustdick hinter den Ohren hat und sich von ihrem zukünftigen Prinzen höchstens mit Essen oder einem Auto locken lässt. Die charmante Selbstironie entfaltet sich aber nicht nur auf dem Debüt-Album, sondern live auf der Bühne – in der umwerfenden Show dieser neuen Balkan-Soul-Diva. Nicht verpassen! VICK Move against G 8 | Die Vorbereitungen für die Proteste gegen den G8Gipfel Anfang Juni in Heiligendamm gehen in die letzte Runde. Sogar an die richtigen Töne wurde dabei gedacht. Die Initiative „Move against G8“, zu der sich Künstler und globalisierungskritische Gruppen zusammenschlossen, hat 19 angesagte Bands dazu bewegen können, bisher unveröffentlichte Songs für einen Solidaritäts-Sampler zur Verfügung zu stellen. Unter dem Label der Globalisierungskritik haben sich Bands zusammengefunden, die sonst musikalisch wenig Berührungspunkte haben. Die Spannweite reicht von den Toten Hosen, Wir sind Helden über Jan Delay bis zu Tomte, Blumfeld und Tocotronic. Damit hat die Initiative den Beweis erbracht, dass sich politisch engagierte Musiker längst nicht mehr nur in der Liedermachersparte finden lassen. „Wenn unsere Musik den Leuten einen Anreiz dafür bietet, nach Heiligendamm zu fahren, dann hat der Sampler seinen Zweck erfüllt“, erklärt Mal Élevé von der Mannheimer Band Irie Revoltes. Ein Großteil der Künstler wird auch während der Aktionstage rund um Heiligendamm live auftreten, sie alle haben auf mögliche Gagen verzichtet. NOWA CD-SAMPLER, 12 € IM PLATTENLADEN CD, FOUR MUSIC / SONY BMG ODER UNTER WWW.MOVE-AGAINST-G8.DE VER.DI PUBLIK 05 MAI 2007 LESEN SPIELEN Vom Wasser lernen Fred Pearce: Wenn die Flüsse versiegen | Wasser und Globalisierung sind ein interessantes Paar. Leider gebären sie nicht unbedingt eine globale Vernunft, sondern lokale Feindseligkeiten und Naturkatastrophen: Wenn sich zwischen Israelis und Palästinensern unerklärte Wasserkriege um die Aquifere (natürliches Wasserreservoir) unter dem Westjordanland abspielen, wenn indische Bauern in großem Stil das Wasser aus ihren Reservoiren abzapfen und an Fabriken verkaufen, wenn man den Gelben Fluss nochmals stauen will und dafür Millionen Menschen umsiedelt, wenn die kalifornische Agrarindustrie den Colorado, die afghanischen Opiumbauern den Hilmand oder die Israelis aus Tel Aviv das Wasser des Jordan plündern – dann vor allem versiegen die Flüsse. Der britische Wissenschaftsjournalist Fred Pearce bereist und erforscht die großen Flüsse der Welt – Amazonas, Colorado, Rio Grande, Gelber Fluss, Nil, Ganges. Dort erkundet er die „hydraulischen Gesellschaften“, die mit Flussstauungen eher mittelfristig die Ökonomie, langfristig aber die Ökologie beeinflussen. Beispielhaft war die Neugestaltung des Industales (heute Pakistan) durch das britische Empire. Mit zahllosen Staustufen wurde im 19. Jahrhundert die traditionelle Landwirtschaft verdrängt und durch ein komplett neues Wirtschafts- und Sozialsystem ersetzt. Ein Musterfall für den globalisierten Zugriff auf die Flüsse, schließlich ging es – wie heute beim Aralsee in Usbekistan – um den Anbau von exportfähigen Produkten. Wasser kann auch abstrakt sein – im Kilo Kaffee etwa stecken 20 000 Liter Wasser, Pearce nennt es virtuelles Wasser. Damit sind wir also direkt an der globalen Wasserverschwendung landwirtschaftlicher Monokulturen beteiligt. Schön, faszinierend und lehrreich ist das Wasser auch, besonders wenn es rückwärts fließt wie im Fluss Tonle Sap beim Mekong. Er bringt die laichenden Fische in die Wälder und zu den Hunderttausenden von Waldbewohnern auf schwimmenden Dörfern, ein ökologischer Jahreskreislauf, seit Jahrtausenden in das natürliche Wechselspiel der Fluten integriert. Das globale Spektrum lokaler Alternativen ist groß: Tauteiche in England, uralte Kanaten für langsame Ableitungen aus den Bergen in Palästina oder Syrien, Monsunsammelteiche in Indien, Nebelfänger am Atlantik oder die dynamische Tropfenbewässerung. Pearce sieht da Impulse einer Blauen Revolution, die das „momentan gültige Paradigma des Privatbesitzes an Ressourcen“ ablösen könnte – eine Wassermusik der Zukunft MARTIN ZÄHRINGER SACHBUCH, AUS DEM ENGLISCHEN VON GABRIELE GOCKEL UND BARBARA STECKHAN, KOLLEKTIV DRUCKREIF. VERLAG ANTJE KUNSTMANN 2007, 398 SEITEN, 24,90 € Michael Degen: Mein heiliges Land | Der Schauspieler Michael Degen bewährt sich mit diesem Buch zum zweiten Mal als Erzähler. Nach dem ersten Teil seiner Autobiographie Nicht alle waren Mörder (über seine Jahre im Untergrund während der Nazizeit) berichtet er nun von seiner Suche nach dem älteren Bruder, der schon früher nach Palästina auswanderte. Der Vater wurde ermordet, und die Mutter schickt Michael nach Israel. Der Bruder hat sich inzwischen verständlicherweise von Adolf zu Arié umbenannt und hilft dem Jüngeren, sich in dem neuen Staat mit seinen neuen Regeln zurechtzufinden und die fremde Sprache zu lernen. Denn Degen will unbedingt Schauspieler werden, und auch das schwierige Hebräisch kann ihn nicht aufhalten. Dumm ist nur, dass der deutsche Akzent beim Publikum nicht gut ankommt. Eine besonders wichtige und rührende Figur ist der hundertjährige, fromme und lebensweise Großonkel, der ein paar Jahre unterschlägt, weil er fürchtet, beim Erreichen des biblischen Alters sonst von Gott abberufen zu werden. Ein abenteuerliches und zu Herzen gehendes Buch. KLIX ROWOHLT BERLIN, 2007, 315 SEITEN, Heidi Rehn: Blutige Hände | Lohndumping, Belegschaftserpressung, Verarmung durch Arbeitslosigkeit, Streiks, prekäre Beschäftigung: Diese höchst aktuellen Probleme sind zwar lebendigstes 19. Jahrhundert, bislang aber kaum ein Thema für Krimis. Nun wählt die Münchner Historikerin Rehn in ihrem vierten Roman den vierwöchigen Streik von mehreren hundert Münchner Schneidergehilfen im April 1870 als Hintergrund für ihre Geschichte über den Mord an einem Nähmaschinenhändler, der standesgemäß mit einer Schneiderschere verübt wird. Der Fall ist zwar erfunden, das Milieu, der Streik, die Versammlungen und auch einige der auftretenden Arbeiterführer aber sind historisch belegt. Rehn schildert die miesen Lebens- und Arbeitsbedingungen der Streikenden und ihrer Frauen und Kinder bis ins kleinste Detail authentisch. Während man die Ermittlungen des Polizeioffizianten Severin Thiel verfolgt und den Tuberkulosetod eines armen Schneidergesellen bedauert, lernt man eine Menge über die frühe Frauenbewegung, die Anfänge der Gewerkschaftsbewegung oder die bayerische Sozialdemokratie vor 135 Jahren. Bei manchen Reden der Arbeiterführer fühlt man sich ganz vertraut im Hier und Jetzt. U.L. 19,90 € EMONS, 330 SEITEN, 11 € K U L T U R B E U T E L 19 FOTOS: PROMO, VERLEIH, RITTERBACH / VARIO-IMAGES Gift Trap | Warum nur bekomme immer ich so einen Mist geschenkt, wo ich doch so passende Geschenke mache und so leicht zu beschenken bin. Schauen wir uns das mal an bei einer Runde Gift Trap. Wir beschenken uns gegenseitig, indem wir aus verschiedenen Geschenken auf Karten jedem von uns verdeckt eines zuteilen. Außerdem legen wir geheim fest, was wir am liebsten und was wir überhaupt nicht haben möchten. Dann wird gewertet, und Punkte gibt’s, wenn unsere Geschenke erwünscht sind und wenn wir das bekommen, was wir am liebsten hätten. Die Geschenke sind in vier Preisklassen eingeteilt. Nehme ich nun lieber ein Bankkonto in der Schweiz oder eine Fettabsaugung? Und wem schenke ich was? Nachdenken müssen wir ein bisschen, uns einfühlen, aber lustig ist’s, wir lachen und meckern und wundern uns manchmal. Wer die meisten Punkte hat, gewinnt. TIRI STEIN-THOMPSON GAMES, DREI BIS ACHT PERSONEN AB 13 JAHREN, ETWA 26 € Guatemala Café | Öffnet man den Spielkarton, entweicht schon der Duft von Kaffeebohnen. Die Spieler werden nach Guatemala getragen, wo in mühsamer Handarbeit die roten Früchte geerntet, deren kostbare Kerne auf Schiffe geladen und in alle Welt verschifft werden. Geröstet wird dann in den deutschen Hafenstädten, aber vereinzelt auch schon im Herstellerland. Dies schafft Arbeit und einen höheren Verdienst. Bevor man ihn jedoch genießen kann, müssen Plantagen angelegt, Arbeiterinnen eingestellt und Straßen zum HaANZEIGE fen an der Küste gebaut werden. Dort warten die Schiffe auf die verschiedenen Kaffeesorten, welche in Ihrem Wert schwanken und man daher nicht weiß, wie groß der Gewinn sein wird. Die anderen Plantagenbesitzer können dabei hilfreiche Nachbarn oder auch TARA harte Konkurrenten sein. INKA & MARKUS BRAND, EGGERT SPIELE 2-4 PERS. AB ZEHN J., DAUER CA. 60 MIN., CA. 32 € Kunstmarkt | Auf stabilen Bildkarten sind Gemälde von 48 verschiedenen Künstlern abgebildet. Das erste trägt den Namen Verkündung und wurde 1450 von Dierick Bouts gemalt. Das letzte Werk Rote Gestalt, stehend wurde von Oskar Koller im Jahr 2003 fertiggestellt und ist im Privatbesitz. Zu jedem Gemälde gibt es zusätzliche Informationen zur Art, dem Bekanntheitsgrad und Größe in Quadratmetern. Als Kunsthändler kaufen wir Gemälde an und stellen diese zum Verkauf in unserer Galerie aus. Die Kunden sind recht wählerisch, und in der Galerie wird auch nicht um Preise gefeilscht. Wenn der Kunde ein tolles Bild gefunden hat, dann kauft er dies unabhängig vom Preis. Ein sowohl taktisches Handelsspiel, wie auch ein Rundgang durch 550 Jahre Kunstgeschichte. TARA VON FRANZ-BENNO DELONGE, PRESTEL V., 3-5 PERS. AB ZEHN J., CA. 45 MIN., 25 €