Praktisches Jahr: Wahlfach Urologie WS 2011/2012

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Praktisches Jahr: Wahlfach Urologie WS 2011/2012
Praktisches Jahr: Wahlfach Urologie
WS 2011/2012
The Johns Hopkins University - School of Medicine
The James Buchanan Brady Urological Institute
Die Kooperation & Kosten
Die Charité – Universitätsmedizin ist die einzige Universität in Deutschland, die mit der
Johns Hopkins University - School of Medicine eine offizielle Kooperation betreibt. Ein
bis zwei Studenten können sich pro akademisches Jahr für einen PJ-Aufenthalt von zwei
Monaten bewerben. Es fällt eine Schulgebühr von 1300$, eine Johns Hopkins KrankenVersicherung von 500$ und eine Miete im Wohnheim von 1100$ an, so dass man mit einem
Hin-und Rückflug von 600$ bei ca. „3500$ total“ landet. Für die tägliche Verpflegung
sollte man zwischen 20-30$ rechnen, da man 6 Tage die Woche ca. 15h pro Tag arbeitet
und daher meistens in der 24h geöffneten Kantine essen wird.
http://www.hopkinsmedicine.org/som/students/international/exchange.html
Wahlfach Urologie
Für viele Studenten ist Urologie ein Fach, in welchem man insbesondere an der Charité
nur gute Erfahrungen sammelt. Man nennt sie die netten Chirurgen und weiß, dass die
Studentenkurse stets gut vorbereitet sind und die Dozenten immer gut gelaunt und
hilfsbereit auch Inhalte über das urologische Fach hinaus vermitteln können und wollen.
Im Weiteren bietet dieses Fach onkologisch so viele Krebsentitäten, wie kaum ein anderes
und man operiert in der Regel mit der modernsten Optik und Technik. Da man also zwei
Monate an der Johns Hopkins University verbringen kann, sollte man die restlichen zwei
Monate unbedingt versuchen an der Charité zu absolvieren.
Urologie am Johns Hopkins Hospital
Das James Buchanan Brady Urological Institute ist, wie das Johns Hopkins Hospital
selbst, das seit 21 Jahren beste und renommierteste Institut auf dem Nordamerikanischen
Kontinent und wurde bis vor kurzem noch von dem wohlbekannten Dr. Patrick C. Walsh
geleitet, der 1982 die radikale Prostatektomie in der Form einführte, wie wir sie heute
kennen. Der aktuelle Chairman Dr. Alan W. Partin wird einigen auch durch die
berühmten Partin Coefficient Tables ein Begriff sein.
PJ in den USA
Die USA bieten eine sehr strukturierte Ausbildungskultur durch alle Level der
medizinischen Hierarchie und da der größte Teil der heutigen Literatur auf angloamerikanischen Studien aufbaut, sollte man sich einen Einblick in dieses System auf
keinen Fall entgehen lassen. Sehr gute Englisch Kenntnisse werden jedoch vorausgesetzt.
Mein Urologie Tertial am Johns Hopkins Hospital – 3.10.2011 bis 3.12.2011
Da ich im Rahmen meiner Promotion bereits für ein Jahr am Massachusetts General
Hospital der Harvard Medical School in Boston geforscht hatte und auch im Anschluss
daran eine Famulatur in der Urologie dieses Hauses absolvierte, wusste ich ungefähr was
auf mich zukam. Aber es wurde wesentlich anstrengender, jedoch auch noch
motivierender als ich es ursprünglich erwartet hatte!
Es ging am 3. Oktober 2011 von Berlin Tegel nach Boston, da ich noch eine Woche durch
Neuengland reiste, weil ich wusste, dass ich den folgenden zwei Monaten außer klinischer
Rotation kaum noch etwas anderes erleben würde. Die anschließende acht-stündige Zug
Reise an einem sonnigen Herbsttag an der Ostküste Amerikas von Boston nach Baltimore,
war eine der bislang schönsten Zugfahrten meines Lebens. Allgemein gilt für das Reisen
mit dem Zug durch die Staaten, dass dieser Reiseweg außer vielleicht mit dem Pferd, einer
der archaischen Reisewege durch dieses Land ist und immer von Nostalgie und erlebter
Geschichte begleitet ist. In Baltimore im Bundesstaat Maryland angekommen, nahm ich
mir auf Anraten vieler Mitreisender und Freunde, ein Taxi zum Hopkins Hospital. Es sei
erwähnt, dass mit 282 Morden im Jahr 2007 Baltimore eine der kriminellsten Städte der
USA ist. Jeder der die TV-Serie „The Wire“ kennt, weiß sich ein Bild zu machen. Aber
dies sollte man immer versuchen auszublenden und sich einfach an ein paar Regeln halten
und dann kann man auch in dieser Stadt ganz gut überleben. Am stark mit Polizei
bewachten Hospital Campus angekommen, steuerte ich zielstrebig das marode, aber doch
geschichtsträchtige Wohnheim Reed Hall an. Hier wurde man freundlich von einer
Polizistin begrüßt und bekam Schlüssel und Plan zum Zimmer. Die Zimmer sind klein,
aber funktional. Der Hygiene Standard ist aufgrund des Sanierungsstands
gewöhnungsbedürftig, aber in Anbetracht der Arbeitszeiten ganz schnell auch
nebensächlich. Aber dazu gleich mehr.
Ich bekam noch am gleichen Abend einen Anruf vom Chief Resident, dass ich mich gleich
am nächsten Morgen zur Visite um 5.00 Uhr einfinden sollte. -Gesagt getan. Nach einer
kurzen Nacht musste ich „im Grunde noch mitten in der Nacht“ durch ein Gewirr
unzähliger Gänge und Schleusen über den gesamten Hospital Campus eilen und erreichte
schließlich um 4.55 Uhr die urologische Station im historischen Marburg Pavillon.
Hier warteten bereits höchst beschäftigt fünf Residents und ein weiterer Student auf den
Chief-Resident und überflogen ihre Aufzeichnungen, die sie schon beim Pre-Rounding, der
Vor-Visite, von 4.30-4.55 Uhr gemacht hatten. Mit dem Eintreffen des Chief-Residents,
der bereits alles über mich zu wissen schien und meinte sich immer die Lebensläufe der
Gaststudenten gründlichst anzuschauen, ging die Visite dann los. Nach einer für
chirurgische Verhältnisse sehr ausgedehnten Visite, ging es für mich erst einmal auf die
Reise von Office zu Office, um alle Dokumente, Ausweis und Passwörter
zusammenzusammeln. Am Nachmittag hatte ich auch gleich einen Termin beim Chairman
des Departments, Dr. Alen W. Partin, den ich bislang nur aus der Literatur kannte. Dieses
Gespräch verlief in amerikanischer Manier sehr offen, freundlich und wie immer höchst
motivierend. Er brachte z.B. auch gleich das Thema Forschung zur Sprache, so dass ich in
Anbetracht meines zwei-monatigen Aufenthalts mindestens einen Abstract, ein CaseReport oder eine Datenanalyse zu verfassen hatte. Ein perfekter Start, da mir die
Forschung stets sehr am Herzen liegt und man so auch ein kleines Souvenir mit nach
Hause nehmen kann.
Ab dem nächsten Tag ging es für die nächsten acht Wochen auch für mich täglich um 4.30
Uhr dem sogenannten Pre-Rounding los. Hier trägt man mit den anderen Studenten
schon einmal alle wichtigen Blutparameter und Auffälligkeiten der Nacht zusammen und
stellt diese dann später bei der 5.00 Uhr Visite dem Chief-Resident vor. Dies ist übrigens
eine sehr gute Übung für das Vorstellen von Patienten in Deutschland. Im Anschluss an
die Visite von ca. 7.00 bis 8.00 Uhr ist dann entweder Resident-Teaching, Journal Club
oder Grand Rounds.
Das Teaching wird meistens von Residents für Residents gehalten. Man trägt sich in
kleinen Vorträgen die Grundlagen der Urologie vor und löst im Anschluss gemeinsam
Multiple Choice Questions, da man in den USA jährlich ein MC-Prüfung im Fach Urologie
ablegen muss, die einen für die große Abschlussprüfung am Ende der Facharztausbildung
vorbereiten soll. Auch hier durfte ich als Student einen Grundlagen-Vortrag halten.
Im Journal Club werden meistens zwei bis drei Paper besprochen, die im Vorfeld gelesen
werden müssen. Es gibt dann Fragen von den Professoren an das Auditorium zu diesen
Arbeiten, die auch an Studenten gerichtet sein können; daher immer gut vorbereiten.
In den Grand Rounds sitzt die ganze akademische urologische Abteilung zusammen und es
werden Vorträge aus den eigenen Reihen oder von Gastprofessoren zu aktuellen
Fragestellungen oder Forschungsprojekten gehalten. Die Residents sitzen links und die
Faculty-Member rechts; man trägt eine rote Hopkins Krawatte zum weißen Hemd! Es
gibt bei allen diesen Events immer Kaffee und ein paar Kleinigkeiten zu essen, welche man
auch besser nutzt, da im Anschluss gegen 8.00 Uhr ein ziemlich straffes OP-Programm
beginnt. In Hopkins muss man stets sehr weite Wege zwischen Stationen und OPs
zurücklegen und sollte sehr schnell zu Fuß sein. Denn, wie auch in Deutschland, wird
erwartet, dass man noch vor den Operateuren im Saal steht und sich nützlich macht.
Es gilt auch hier bei der OP-Vorbereitung die gleiche Regel, wie bei uns: wenn man weiß,
wie die Abläufe funktionieren, ist es immer gut sich einzubringen, aber wenn nicht, dann
sollte man sich erst einmal ein paar Tage anschauen, wie das OP-Personal vorgeht und
dann erst mit Eifer an die Sache herangehen. Aber fragen ist sicher immer gut; nur ein
kleiner Tipp. Insbesondere bei den offenen Operationen wird erwartet, dass man sich mit
ein wäscht und mit am Tisch steht. Hier darf man viele schlaue Fragen stellen, sollte aber
auch selbst stets mit klugen Fragen rechnen. Es ist auch hier zu empfehlen die
Patientenanamnese ein wenig zu kennen. Gerade in der Urologie, wo die Patienten v.a. in
den USA meist nie vorstationär kommen, hat die Voruntersuchung meistens weit im
Voraus nur der Operateur durchgeführt. Es wird daher erwartet, bereits am Vorabend
schon einmal die Patientenakten für den Folgetag durchzuschauen. Dies wissen vor allem
die Residents sehr zu schätzen, da sie nach der OP alle Arbeiten am und um den Patienten
erledigen müssen. Denn nach den OPs beginnt die Post-OP-Visite auf der PACU mit den
Residents und später dann auf Station auch wieder mit dem Chief Resident.
Gegen 20.30 Uhr war ich dann meistens von allen Pflichten befreit und konnte mich
endlich einer entspannten Nahrungsaufnahme widmen. Da man meistens von einem
quälenden Hunger geplagt war und nicht mehr die Kraft hatte, noch eine Bus- oder
Taxifahrt bis in einen sicheren Stadtteil zu wagen, aß man meistens in der 24h geöffneten
Kantine und fiel dann erschöpft ins Bett oder las Paper und Bücher für das MorgenProgramm.
Die Rotation ist sehr gut strukturiert und sah für mich vier Wochen Adult Urology und
vier Wochen Pediatric Urology vor. Und jede Woche gab es einen festen Termin, an dem
man sich mit einem der Faculty Member persönlich in deren Büros traf. Hier wurde man
dann entweder ein wenig in deren Spezialgebiet abgeprüft oder es wurden aktuelle
Forschungs- oder Gesundheitspolitische Themen diskutiert. Man sollte keine Angst vor
diesen Treffen haben, sie dienen vornehmlich dem Kennenlernen und sind eine großartige
Gelegenheit alle Größen des Departments einmal persönlich zu treffen. Am 11.11.2011 um
11.00 Uhr war dann jedoch mein persönliches Highlight. Ich hatte ein Treffen mit Patrick
C. Walsh und durfte einen ganzen Tag lang mit ihm Patienten treffen und
Behandlungskonzepte diskutieren und besprechen. Dies war wohl mein bislang
prägendster Tag im Zusammenhang mit dem Fach Urologie. Dieser trotz seines
fortgeschrittenen Alters noch sehr dynamische Herr, operiert seit Juli 2011 zwar nicht
mehr, empfängt aber noch Patienten zur Voruntersuchung. Ich habe selten einen so
charismatischen und motivierenden Menschen treffen dürfen. Er ist auch in Anbetracht
der Vielzahl an Veröffentlichungen und vor allem entwickelter Operationstechniken eine
wirkliche Berühmtheit in der Urologie und hat die akademische Urologie weltweit sehr
geprägt und stark beeinflusst. Dieser Tag wird mir noch sehr lange in Erinnerung bleiben!
Als besonders beeindruckend und prägend empfand ich dann meinen Monat auf der
Kinderurologie, wo ich tagtäglich Dr. John P. Gearhart und sein Team bei unzähligen und
mir vormals auch unbekannten Eingriffen begleiten durfte. Hier schrieb ich auch
schließlich meinen Case Report, da es kaum einen Tag gab, an dem wir nicht einen
unglaublichen Fall operierten.
Aber wenn es dann endlich einmal Sonntag war, hatte man seinen wohlverdienten freien
Tag. Ich musste mich ganz ordentlich aufraffen, um nach der einzigen Nacht mit mehr als
8h Schlaf noch etwas zu unternehmen, da sich doch ein beträchtliches Schlafdefizit
angesammelt hatte. Aber ich schaffte es schließlich nach Washington, Philadelphia und
am Thanksgiving Donnerstag auch nach New York zu fahren. Washington DC ist in 45
Minuten mit der Bahn zu erreichen und ist sehr zu empfehlen, da es einen sehr sauberen
und sicheren Gegenpart zu Baltimore darstellt. Alle Museen in Washington können
Eintritt frei besucht werden und besonders Arlington Cemetery und Georgetown sind ein
Muss.
In Baltimore selbst gibt es den sicheren Inner Harbor, mit einigen Geschäften,
Restaurants und einem riesigen Aquarium. Sehenswert und ebenfalls „sicher“ ist der
Johns Hopinks Homewood Campus, der den gewohnten Eindruck eines New England
Brick Building Campus vermittelt und in Baltimore wirklich einer Oase gleicht. Wenn
man einmal früher freihaben sollte (gelegentlich samstags), dann sollte man hier ein wenig
ausgedehnter sein Abendessen einnehmen, denn hier gibt es Studenten Restaurants und
Kneipen, die zum Verweilen einladen. Es gibt ein kostenloses Shuttle vom Hospital
dorthin.
Schließlich bleibt mir nur allen weiteren Bewerbern viel Erfolg und Glück zu wünschen
und ich möchte mich noch einmal von ganzem Herzen bei Frau Birgitt Heller für Ihre
stete Unterstützung bedanken.
Andreas Maxeiner
Bilder
Victorian Dome of the Original JHH
Main Entrance Hall of JHH
Mr. James Buchanan Brady
Urology Ward - Marburg Pavillon
View of Reed Hall
Baltimore Inner Harbor
Dr. Patrick C. Walsh
The New JHH Campus
Johns Hopkins Homewood Campus
Baltimore Inner Harbor