Bericht über das Praktische Jahr in der Inneren Medizin am Johns

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Bericht über das Praktische Jahr in der Inneren Medizin am Johns
Berlin, den 10.12.2012
Bericht über das Praktische Jahr in der Inneren Medizin am
Johns Hopkins Hospital in Baltimore
Einer der größten Vorteile des Medizinstudiums an der Charité, den ich erst nach ein paar
Semestern entdeckt habe, ist die Vielzahl von Partnerschaften mit Lehrkrankenhäusern auf der
ganzen Welt. Unter diesen fällt dem informierten Betrachter das Johns Hopkins Hospital in
Baltimore auf. An diesem amerikanischen Krankenhaus mit der dazugehörigen Universität lehrten
und praktizierten weltbekannte Ärzte wie der Internist Sir William Osler und die Chirurgen William
Halsted und Harvey Cushing. Und auch heute gilt es als eine der besten Krankenanstalten der
Vereinigten Staaten und betreibt eine große Menge von Forschungsprojekten.
Meine Entscheidung, mich für einen Austauschplatz am Johns Hopkins Hospital zu bewerben, fiel
relativ spät. Als ich vor einigen Semestern zum ersten Mal auf diese Möglichkeit aufmerksam
wurde, dachte ich, dass es bestimmt zu viele hochqualifizierte Bewerber gibt, so dass meine
Chancen zu gering wären. Mein Interesse an Amerika und der englischen Sprache war jedoch
kontinuierlich hoch. Ich belegte während des Medizinstudiums mehrere Englischkurse und
absolvierte den ersten Teil des amerikanischen medizinischen Examens. Als das PJ dann
näherrückte, entschied ich mich, doch mein Glück zu versuchen und mich zu bewerben. Es sollte
sich lohnen.
Die Vorbereitungen gestalteten sich insgesamt eher holprig. Schon bei einem Gespräch vor der
Bewerbung mit Vertretern der Charité International Cooperation (ChIC) wurde ich gewarnt, dass
die Organisation eines Austauschaufenthaltes am Johns Hopkins Hospital in der Regel mit einigen
Hürden gespickt ist. Das Zusammensuchen der Bewerbungsunterlagen war dabei das geringste
Problem. Auch das englischsprachige Bewerbungsgespräch in den Räumen des ChIC verlief
unkompliziert und in freundlicher Atmosphäre.
Nachdem ich wenige Wochen später die freudige Nachricht von der Zusage für den Austauschplatz
erhalten hatte, musste ich noch einige Dokumente und Formulare einreichen, sowie verschiedene
„Rotationen“ heraussuchen, die ich in der geplanten Zeit von einem halben Tertial durchlaufen
wollte. Das Problem hierbei ist, dass manche Rotationen nicht für Gaststudenten zur Verfügung
stehen. Dies ist jedoch auf der Liste nicht angegeben. Von meiner ursprünglich eingesendeten
Wunschliste wurde ich nur für den „Hospitalist service“ der Allgemeinen Inneren Medizin für 6
Wochen akzeptiert. Um aber tatsächlich auf ein halbes Tertial zu kommen, benötigte ich noch eine
weitere Rotation. Nach mehreren Absagen von verschiedenen Abteilungen kam schließlich in
buchstäblich letzter Minute eine Zusage von der Rheumatologie - drei Wochen vor dem geplanten
Beginn.
Die Reiseplanung musste zwar etwas kurzfristig stattfinden, aber der Flug und auch die
Wohnungssuche liefen dann erstaunlich glatt. Leider stand das alt-ehrwürdige Studentenwohnheim
„Reed Hall“ während meines Aufenthalts wegen Renovierung nicht zur Verfügung. Über das
„Housing Office“ erhielt ich jedoch Zugang zu einer Internet-Plattform für Mieter und Vermieter,
die mir half, eine relativ günstige Wohnung 5 Minuten vom Krankenhaus entfernt zu finden. Es sei
jedoch angemerkt, dass die Miete mit $700 pro Monat für ein WG-Zimmer deutlich über dem aus
Berlin gewohnten Niveau lag. Nach der Registrierung im Büro des Dekans musste ich noch die
Studiengebühr entrichten und konnte danach die Ausweiskarte für das Krankenhaus abholen, die
aus Sicherheitsgründen immer sichtbar getragen werden muss.
Den ersten Teil verbrachte ich mit dem Konsildienst der Rheumatologie. Dies war ein guter Einstieg
zum Kennenlernen des großen Krankenhauses und auch fachlich sehr interessant. Mit jeweils einem
„Fellow“ (i.e. Weiterbildungsassistenten) und einem „Attending“ (Ober- bzw. Chefarzt) streiften
wir durch die verschiedensten Stationen des Krankenhauses, um Patienten mit rheumatologischen
Fragestellungen kennenzulernen und Empfehlungen für die primär behandelnden Ärzte zu erstellen.
Das Spektrum der Krankheiten reichte von Gichtanfällen (typischerweise bei chirurgischen
Patienten nach der Operation) über Lupus in verschiedenen Ausprägungen, bis hin zu dramatischen
Verläufen der Systemischen Sklerose (Sklerodermie) mit Lungen-, Nieren- und Perikardbeteiligung,
die mehrere unsere Patienten zu einem temporären Aufenthalt auf der Intensivstation zwang. Neben
der Teilnahme an den täglichen Visiten bekam ich meine eigenen Patienten, die ich selbst
untersuchen und später vorstellen durfte. Die Zusammenarbeit mit erfahrenen Rheumatologen bei
der Einschätzung dieser oft komplexen Krankheitsbilder sorgte für einige „Aha-Momente“, in
denen mir das Wesen dieser Krankheitsentitäten deutlich klarer geworden ist. Zum Beispiel hatte
einer meiner Patienten alle klassischen Zeichen einer Dermatomyositis, wie „gottron's papules“,
„heliotrope rash“ und „mechanic's hands“. Bei der Untersuchung bemerkte ich diese
Auffälligkeiten, konnte sie jedoch nicht zu diesem Krankheitsbild zusammenfügen. Die
Erklärungen des Attendings halfen mir, den Zusammenhang herzustellen, so dass das Bild dieser
Krankheit nun gut in meiner Erinnerung bleiben sollte.
Des Weiteren durfte ich als praktische Tätigkeit auch unter Aufsicht Kniegelenkspunktionen
durchführen. Freitags fanden dann bis mittags verschiedene Fortbildungen statt. Diese befassten
sich mit so verschiedenen Themen wie Bildgebung von rheumatologischen Erkrankungen,
immunologischen Grundlagen und dem Antiphospholipid-Syndrom. Die interessantesten Vorträge
wurden bei den rheumatologischen „Grand Rounds“ gehalten, für die wir allerdings mit Auto oder
Bus zu dem kleineren Bayview-Campus weiter im Osten von Baltimore fahren mussten.
Meine zweite Rotation war dann eine sogenannte „Sub-Internship“ in der Allgemeinen Inneren
Medizin. Als „Sub-Intern“ wird von einem erwartet, als Student im letzten Jahr die Aufgaben eines
Assistenzarztes im ersten Jahr (i.e. „Intern“) zu übernehmen. In der Praxis bedeutete das, dass ich
stets zwischen zwei bis vier eigene Patienten hatte. Ich kümmerte mich um die Aufnahme der
Patienten, die Veranlassung von Diagnostik und Konsilen, die Anordnung von Medikamenten, die
Dokumentation und war der primäre Ansprechpartner für die Patienten und ihre Angehörigen.
Beaufsichtigt wurde das Ganze von den Attendings, die sich um eine größere Anzahl von Patienten
kümmerten und mit denen ich Probleme und die nächsten diagnostischen bzw. therapeutischen
Schritte besprechen konnte. Das Spektrum der Krankheiten umfasste so verschiedene Themen wie
Herzrhythmusstörungen, Pneumonie, Beinvenenthrombosen und Drogenmißbrauch. Daneben gab
es fast täglich Fortbildungsveranstaltungen, manchmal sogar mehrere an einem Tag. Bei den
sogenannten „Noon Rounds“ wurde zu Mittag gegessen, während man einem Vortrag lauschte.
Jeden Freitag Morgen gab es dann noch die „Medicine Grand Rounds“ mit interessanten Vorträgen
zu aktuellen Themen.
Diese Rotation war eine neue und lohnenswerte Erfahrung für mich. Das hohe Maß an
Verantwortung, das mir als Sub-Intern übertragen wurde, war herausfordernd und ich verbrachte
einige Abende vor dem Einschlafen damit, mir über meine „Sorgenpatienten“ Gedanken zu machen.
Auch blieb ich oft bis spät abends im Krankenhaus, um die elektronische Dokumentation
ausführlich einzutragen, keine wichtigen Anordnungen zu vergessen und noch ein paar Themen
nachzulesen, die bei der Beschäftigung mit den Patienten aufgekommen sind. Dabei fühlte ich mich
jedoch nie alleingelassen, denn die Attendings waren sehr hilfsbereit und standen jederzeit für
Fragen zur Verfügung. Ich wurde jedoch stets angehalten, die Situation erst mal selbst
einzuschätzen und selbst einen Vorschlag zum Vorgehen zu machen. Zudem erwarteten die
Attendings, dass ich meine Patienten gut im Verlauf kenne; das heißt über Anamnese, körperlichen
Status und Resultate der Diagnostik Bescheid weiß.
Im Laufe dieser Rotation zeigte sich ein deutlicher Lerneffekt. Ich konnte mir immer besser die
Details über die Patienten merken, wie z.B. verschiedene Laborwerte. Nach anfänglicher
Unsicherheit lernte ich, meiner eigenen Einschätzung der Patienten zu vertrauen und wurde so in
einem Fall auch frühzeitig darauf aufmerksam, dass einer der Patienten eine Sepsis entwickelte.
Und die Telefonate mit Radiologie, Labor, Konsil- und Hausärzten kosteten mich anfangs einige
Überwindung, wurden jedoch bald zur Routine, so dass ich die Anliegen meiner Patienten mit mehr
Selbstbewußtsein vertreten konnte.
Insgesamt war mein Aufenthalt am Johns Hopkins Hospital eine lohnende Erfahrung, die ich nur
weiterempfehlen kann. Man wurde als Student ernst genommen und aktiv in die Betreuung der
Patienten eingebunden. Die vielfältigen Beschwerden der Patienten, die Offenheit der erfahrenen
Ärzte für Fragen und die vielen Fortbildungsveranstaltungen sorgten für große Lernfortschritte. Am
lohnendsten war die Erfahrung, selbst Verantwortung für die Behandlung der Patienten zu
übernehmen und Vertrauen in die eigenen Kenntnisse und Fertigkeiten zu entwickeln. Die Kehrseite
bestand darin, dass dies teilweise durchaus belastend war – zeitlich und seelisch. Ich hatte im
gesamten Studium noch nie soviel Zeit im Krankenhaus verbracht (bis zu 80 Stunden pro Woche).
Und wenn einer meiner Patienten in schlechter Verfassung war, ging ich abends mit Sorgen nach
Hause.
Dieser Grad an persönlicher Anteilnahme, verbunden mit der Übernahme von Verantwortung für
die Patienten, ist wichtig für das spätere Berufsleben und wurde von mir im Studium vorher noch
nie in diesem Grad erlebt. Darum halte ich die Zeit am Johns Hopkins Hospital für eine der
wertvollsten Erfahrungen meines Studiums.

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