daS hErMES- carrE - Katharina von der Leyen
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daS hErMES- carrE - Katharina von der Leyen
kultur Seit über 70 Jahren gehört das Hermès-Carré zu den Key Pieces des französischen Modeunternehmens. Es gibt mittlerweile über 1.500 Designs – wobei nicht mehr alle heute noch erhältlich sind –, die Farbpalette im Siebdruckverfahren umfasst mehr als 75.000 Nuancen und wird in der eigenen Seidentuchdruckerei in Lyon hergestellt, die 1937 gegründet wurde. Das Carré etablierte sich umgehend zum französischen Kulturgut: „Das Hermès-Carré wurde immer als eigenständiges Objekt betrachtet, nicht einfach nur als Accessoire“, sagt Pierre-Alexis Dumas, Kreativdirektor der Hermès-Gruppe und in sechster Generation Nachkomme der Gründerfamilie. „Es ist ein perfekt komponiertes Objekt, völlig autonom, das ganz für sich allein steht.“ Ein Objekt der Begierde, ein Sammlerstück, für das – gerade bei älteren Editionen – auf Auktionen teilweise astronomische Preise gezahlt werden. Seit seinen Anfängen kamen ein paar unterschiedliche Formate oder Materialveränderungen dazu – ein 45 cm2-Gavroche kam heraus oder ein 140 x 140 cm großer Schal, immer aus Seide und manchmal noch mit beigemischtem Kaschmir oder Versionen in Krepp, Chiffon oder Twill. 1980 wurde das klassische Tuch plissiert, was die farbenfrohen Designs auf kaleidoskopische Weise in Bewegung versetzte; 2001 wurde das quadratische Tuch in ein rechteckiges verlängert. Die ständige Suche nach dem Außergewöhnlichen führte zur Suche nach den besten Materialien auf der ganzen Welt. Heute kommt die Seide, die dem Hermès-Carré seine ganz eigene Haptik verleiht, aus Brasilien. Die Seidenstränge werden nach Perrin an zwei Familienunternehmen Das HermEs CarrE Das quadratische Seidentuch ist nicht einfach ein Tuch – es ist eine Legende. Seit 1937 gibt es das 90 x 90 cm große, bunt illustrierte Tuch mit dem handgenähten Rollsaum, das in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder neu erfunden und interpretiert wurde. vo n K atha r i n a vo n de r L e y e n 12 Smile 1937 – in dem Jahr des 100-jährigen Bestehens der Firma Hermès – wurde das erste der berühmten Seidentücher produziert: Es hieß Jeu des omnibus et Dames blanches und feierte die Einführung der öffentlichen Omnibusse in Paris. Robert Dumas, Nachfahre der vierten Generation Hermès, überwachte persönlich die Produktion der Seidentücher von Anfang bis Ende und ließ aus der chinesischen Rohseide einen Stoff weben, der doppelt so dick und schwer war wie die üblichen Seidenschals auf dem Markt – damals wie heute. Anschließend wurden sie einzeln mit Pflanzenfarben bedruckt, wobei jede einzelne Farbe einen Monat trocknen musste, bevor eine weitere hinzugefügt wurde: Den Designern standen über 200.000 Farben zur Auswahl, manche der komplexen Designs bestehen aus über 35 verschiedenen Farben. Von links nach rechts: Carré Fluide „Brides de Gala bayadère“, Jersey und Seide; 90 x 90 cm, € 490,00. Carré Fluide „Quadrige“, Jersey und Seide, 90 x 90 cm, € 490,00. beide von hErmÈs. geliefert, die seit einem halben Jahrhundert die Seide für Hermès weben. Das Material wird anschließend in einer Seifenlauge aus Olivenöl gewaschen und dann in einer riesigen, einer Mangel ähnlichen Maschine gepresst und schließlich zu 150 m langen Rollen verarbeitet, die dann auf Drucktische aufgezogen werden. Genauso aufwändig wie die Produktion ist die Kreation: Vom Entwurf bis zum fertigen Carré vergehen gewöhnlich zwei Jahre. Von Anfang an wurden bedeutende Künstler und Grafikdesigner wie Philippe Ledoux, Henri de Linarés, Kermit Oliver, Annie Faivre, Dimitri Rybalchenko oder der chinesische Künstler Ding Yi eingeladen, ein Carrédesign zu entwerfen. Anhand des Entwurfs schlagen die Koloristen anschließend Farbsysteme vor, wobei jede einzelne Farbe im Team ausführlich diskutiert wird: „Unsere Farbrecherche ist unglaublich perfektionistisch“, sagt PierreAlexis Dumas. „Vielleicht übertreiben wir ja, aber genau das ist es, was die Persönlichkeit und Einzigartigkeit unserer Kollektion ausmacht.“ Die Farben werden noch immer größtenteils per Hand gemischt und gekocht, für jeden Ton gibt es ein eigenes exaktes Rezept. Auf die Seidentwillrollen werden einzelne Rahmen gelegt, einer nach dem anderen, und während des Druckprozesses wird jeweils eine neue Farbe hinzugefügt. Langsam, aber sicher wird das eigentliche Design immer deutlicher. Zum Schluss ist ein deutlicher Rand zu erkennen – dort, wo der Hermès-typische Rollsaum per Hand vernäht wird. Pro Jahr kommen zwei Kollektionen mit je circa 12 Tüchern auf den Markt – davon je sechs neue Entwürfe und sechs Neuauflagen älterer Editionen. D ie Hermès-Carrés altern schön. Vom Tragen bekommen sie Patina, die ihnen steht – zum ehrfürchtigen Wegpacken in die orangene Schachtel sind sie zu schade. Es macht ihnen nichts aus, wenn sie ein bisschen grober behandelt werden: Keineswegs lassen sie sich hauptsächlich als Kopftuch tragen, wie Grace Kelly oder die englische Königin das Hermès-Carré vornehmlich einsetzten, oder als Halstuch, wie unsere Großmütter es trugen. Es taugt außerdem als Haarband, Gürtel, als sexy Top, Krawatte, Minirock, Piratentuch oder Impromptu-Tasche. Was man mit dem edlen Seidenviereck alles anstellen kann, zeigt die Kampagne „J’aime mon carré“ (ich liebe mein Carré) unter www.jaimemoncarre.com: Elf überzeugte Carréträger und -trägerinnen tobten sich in London, Paris und Tokio bei verschiedenen Fotoshootings mit etwa 250 Tüchern, zwei Hunden und 79 Vögeln aus und zeigten, was alles geht – eine wundervolle bunte Hommage an das berühmteste, älteste, modernste, bunteste Seidentuch der Welt: das Hermès-Carré. Wie man ein Hermès-Carré bindet Am 2. April 2011 findet bei Breuninger in Stuttgart eine französische Lehrstunde der besonderen Art statt: In der Hermès Boutique im Erdgeschoss zeigt Ihnen eine Mitarbeiterin von Hermès Paris, auf welche Weisen sich das Carré binden und knoten lässt – danach muss Ihnen garantiert niemand mehr etwas vormachen. „Brides de Gala Bayadère“ – diese Bayadère-Version des berühmten Carré Brides de Gala aus dem Hermès-Archiv bietet die leichte Neuinterpretation dieses Motivs in Seidenjersey, dessen unglaubliche Geschmeidigkeit und Leichtigkeit der Bewegung zahlreiche Trageweisen zulassen. Design: Hugo Grygkar. Die „Quadrige“ ist ein traditionelles Motiv des Designers Pierre Péron, das erstmals 1973 herauskam: Wie Teile eines Puzzles sind die vier graphisch stilisierten Pferdeköpfe mit dem Zaumzeug verwoben, die klare Farbgebung sorgt für ein unverwechselbares, hochmodernes 70s-Gefühl. Smile 13