Dorsch Consult oder Connect Austria? Das ist nicht die Frage!
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Dorsch Consult oder Connect Austria? Das ist nicht die Frage!
TELEKOMMUNIKATIONSRECHT von Paul Hoffmann Dorsch Consult oder Connect Austria? Das ist nicht die Frage! Zum Auslegungsstreit zwischen den GH öffentlichen Rechts bezüglich der Beschwerdemöglichkeit beim VwGH gegen Entscheidungen der Telekom-Control-Kommission vor BGBl. I 26/2000 (Novelle zum TKG 1997). 1. Der VfGH hat in VfSlg 15.427 (Erk. v. 24.2.1999, B 1625/98) ausgesprochen, dass Art 133 Z 4 B-VG insoweit von Art 5a Abs 3 der Richtlinie 90/387/EWG des Rates vom 28.6.1990 verdrängt werde, als durch ihn die Zuständigkeit des VwGH zur Überprüfung der Bescheide der Telekom-Control-Kommission (TCK) ausgeschaltet ist. Diesem Erkenntnis lag eine Beschwerde eines Mobilfunkbetreibers (Connect Austria, nunmehr ONE GmbH) gegen einen Bescheid der TCK zugrunde, in welchem einem anderen Mobilfunkbetreiber (Mobilkom) Frequenzen aus dem GSM-DCS-1800-Bereich innerhalb der Frist des § 125 Abs 3 TKG 1997 zugewiesen wurden. Da der VfGH in diesem Bescheid keine Rechtsverletzung im Sinne des Art 144 Abs 1 B-VG erkennen konnte, wies er die Beschwerde ab, führte jedoch gleichzeitig aus, dass der VwGH im Sinne der genannten Richtlinienbestimmung zuständig sei. Als Begründung dafür zog der VfGH im Wesentlichen folgende Argumente heran: Der Inhalt der genannten Richtlinienbestimmung sei in Bezug auf das Recht auf ein Einspruchsverfahren hinreichend genau, um im Sinne der ständigen Rechtsprechung des EuGH (EuGH verb Rs C-6, C-9/90 Francovich, Slg. 1991, I5357) insofern unmittelbar wirksam zu sein, als es irgendein wirksames (aufsteigendes) Rechtsmittel an eine unabhängige Stelle geben müsse. Aus dieser Bestimmung ergebe sich zwar nicht, welche nationale Instanz zuständig sei; aus den Art 131 Abs 1 Z 1 und 133 Z 4 B–VG sei aber abzuleiten, dass gegen Entscheidungen von Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag nur die Anrufung des VwGH in Betracht komme; sie werde bloß durch Art 133 Z 4 B-VG für den Fall ausgeschlossen, dass sie nicht ausdrücklich für zulässig erklärt ist. Der im innerstaatlichen Recht an sich vorgesehenen Möglichkeit eines Einspruchs im Sinne der erwähnten Richtlinienbestimmung stehe mithin lediglich Art 133 Z 4 B-VG entgegen. Dass die Möglichkeit der Anrufung des VfGH dem Recht auf Einspruch in diesem Sinne nicht genüge, bedürfe angesichts der beschränkten Prüfungsbefugnis des VfGH keiner näheren Begründung. Die dem VwGH obliegende Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sei hingegen in der Lage, die Erfordernisse des Gemeinschaftsrechts zu erfüllen. Ihr stehe auch nicht etwa ein beschränkter, erst vom Gesetzgeber zu erweiternder Aufgabenkreis dieses Gerichtshofes, sondern nur Art 133 Z 4 B-VG entgegen. Der Anwen- dungsvorrang des Gemeinschaftsrechts müsse also dahingehend durchschlagen, dass für den Anwendungsbereich der genannten Richtlinienbestimmung Art 133 Z 4 B-VG verdrängt werde.1) Die einschlägige Richtlinienbestimmung lautet: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass geeignete Verfahren auf nationaler Ebene bestehen, um einer von einer Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde betroffenen Partei das Recht zu gewähren, bei einer von den betroffenen Parteien unabhängigen Stelle gegen diese Entscheidung Einspruch zu erheben.“ In weiterer Folge wurde von der Beschwerdeführerin der VwGH angerufen, wobei mit der Beschwerde ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden wurde. Diesem Antrag wurde vom VwGH mit Beschluss vom 17.6.1999, Zl. AW 99/03/0027, aus inhaltlichen Gründen nicht stattgegeben. Bedenken hinsichtlich seiner Zuständigkeit dazu äußerte der VwGH darin nicht. In weiterer Folge änderte sich dies: Es erging der Vorlagebeschluß vom 24.11.1999, in welchem der VwGH den EuGH um Vorabentscheidung über seine Zuständigkeit und – für den Fall der Bejahung dieser Frage – über einen inhaltlichen Aspekt der Frequenzzuweisung an Mobilkom, und zwar über die Zulässigkeit der unentgeltlichen Zuweisung der Frequenzen, ersuchte. Die erste Vorlagefrage wurde damit begründet, dass die Ansicht des VfGH angesichts des Urteils des EuGH vom 17.9.1997 in der Rechtssache C 54/96, Dorsch Consult, Slg. 1997, I-4961, zweifelhaft sei. Der VwGH wollte sich also nicht, zumindest nicht ohne weiteres, der Rechtsansicht des VfGH anschließen. Die beiden Gerichtshöfe waren schon mehrmals in Meinungsverschiedenheiten verstrickt, die immer wieder recht prägnante literarische Kommentare2) provoziert haben. Nach dem Konzept des B-VG stehen sie Mag. Paul Hoffmann ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Foglar-Deinhardstein & Brandstätter, Wien und hat die Connect Austria GmbH gemeinsam mit Rechtsanwalt Dr. Andreas Foglar-Deinhardstein im gegenständlichen Verfahren vor dem EuGH und den GH öffentlichen Rechts vertreten. 1) Damit wurde in der Judikatur des VfGH erstmals festgestellt, dass der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich auch gegenüber Verfassungsrecht durchschlägt; s. dazu und zu allfälligen Einschränkungen dieses Grundsatzes, zu welchen der VfGH nicht Stellung genommen hat, Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht9, Rz 246/9f mwN, und Öhlinger/ Potacs², Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht, 49f. 2) Z.B. Bernard, Aus der Böhmischen Hofkanzlei oder: Szenen einer Verfassungsehe, ÖJZ 1997, 161ff; Schwartz, Emanzipation eines Höchstgerichts, ecolex 2000, 168f. medien und recht 2/04 153 154 TELEKOMMUNIKATIONSRECHT bekanntlich nicht im Verhältnis der Über- und Unterordnung zueinander, wenn man vom Sonderfall des Kompetenzkonfliktes absieht, und ihre Kompetenzen überschneiden sich nicht. Daher sind beide seit jeher sehr bemüht, sich jeweils vom anderen keine Rechtsansicht aufzwingen und sich nicht – den erwähnten Sonderfall ausgenommen – Zuständigkeiten zuweisen zu lassen. Ob insbesondere der letzte Umstand zum Entschluss des VwGH beigetragen hat, die Zuständigkeitsfrage dem EuGH vorzulegen, muss freilich offen bleiben. Der EuGH hat sich in seiner Entscheidung vom 22.5.20033) zwar nicht ausdrücklich, jedoch ziemlich eindeutig der Auffassung des VfGH angeschlossen; ausdrücklich deswegen nicht, weil er es dem VwGH überlassen hat zu prüfen, ob dem Einzelnen aufgrund der anwendbaren Bestimmungen des nationalen Rechts gegen die Entscheidungen der nationalen Regulierungsbehörde ein Anspruch auf Nachprüfung zuerkannt werden kann, der der genannten Richtlinienbestimmung entspricht (Rz 42 des Urteils; in diesem Sinne schon – nahezu wortgleich – Rz 46 des Urteils Dorsch Consult). Dass die Zuständigkeit nicht beim VfGH liegen kann, hat der EuGH gleich selbst festgehalten (ebenso wie der Generalanwalt). Erst wenn diese Prüfung keinen derartigen Anspruch ergibt, ist nationales Recht, welches dem gewünschten Ergebnis, i.e. Nachprüfungsmöglichkeit im Sinne der Richtlinie, entgegensteht, unangewendet zu lassen. Die Verdrängung hat also subsidiären Charakter. Erwähnenswert ist, dass der Gerichtshof nicht den Schlussanträgen des Generalanwalts gefolgt ist und daher auch im Gegensatz zu ihm die zweite Vorlagefrage beantwortet hat. Das vom VwGH als Begründung für seine Bedenken herangezogene Urteil Dorsch Consult erwähnte der EuGH in seiner rechtlichen Würdigung mit keinem Wort. Auf den ersten Blick könnte man daraus schließen, dass er sich von diesem Urteil distanziert. Dies ist allerdings bei genauerer Betrachtung der Urteile nicht der Fall, weil kein Widerspruch zwischen ihnen besteht. Mit Erkenntnis vom 9.9.2003, Zl 2003/03/0095 (früher 99/03/0071) hat der VwGH in der Sache selbst entschieden und den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil für die Beantwortung der Frage der (Un-)Entgeltlichkeit der Sachverhalt von der TCK nicht ausreichend ermittelt wurde. Mit derselben Begründung wurden vom VwGH überdies zwei weitere bei ihm angefochtene Bescheide der TCK aufgehoben, die ebenfalls Frequenzzuweisungen an Konkurrenten der Beschwerdeführerin auf Basis des § 125 Abs 3 TKG 1997 zum Inhalt hatten; zum Prüfungsanfang und -maßstab der TCK in den fortgesetzten Verfahren siehe MR 2003, 414. Mittlerweile wurden diese Verfahren durch nahezu gleich lautende Ersatzbescheide der Behörde beendet, welche rechtskräftig wurden. 2. Die hinter der ersten Vorlagefrage des VwGH stehende Ausgangssituation ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie sich Auslegungsgrundsätze vermeintlich im Wege stehen können. In den schriftlichen Erklärungen an medien und recht 2/04 den EuGH ebenso wie in den Schlussanträgen des Generalanwalts wurden einerseits der sogenannte Anwendungsvorrang von Gemeinschaftsrecht vor nationalem Recht, andererseits die Nichtmitwirkung des EuGH bei der Lösung von Zuständigkeitsfragen angesprochen und diese Prinzipien gegeneinander gestellt; auch die unmittelbare Wirkung von Gemeinschaftsrecht und dessen mangelnde Bestimmtheit standen in Rede4). Hielte man das Prinzip der Nichteinmischung des EuGH bei nationalen Zuständigkeitsstreitigkeiten für stärker als jenes des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht, käme man zum Ergebnis, dass der VwGH unzuständig sei, wie es ihm durch seinen Hinweis auf das Urteil Dorsch Consult offensichtlich vorgeschwebt ist. Allerdings hat der EuGH in diesem Urteil keine Rangfolge der erwähnten Prinzipien vorgenommen. Die nationale Rechtslage Deutschlands, welche dieses Verfahren auslöste, unterschied sich von der österreichischen im Urteil Connect Austria im wesentlichen darin, dass es keine deutsche Vorschrift gab, die im Falle ihrer Zurückdrängung den Weg zu einer nationalen Instanz freigegeben hätte. Denn die deutsche Vergabeverordnung zu jener Zeit galt von vornherein nur für Liefer- und Bauaufträge, nicht jedoch für die verfahrensrelevanten Dienstleistungsaufträge und das damalige deutsche Haushaltsgrundsätzegesetz, dessen Regelungsgegenstand zwar Dienstleistungsaufträge umfasste, wies den eingerichteten Instanzen aber keine Zuständigkeiten für diese Materie zu; es handelte sich lediglich um ein Grundsatzgesetz ohne Einräumung subjektiver Rechte. In Österreich jedoch besteht der VwGH, der durch die Art 129 und 130f B-VG derart zur Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung eingerichtet ist, dass ein Rechtsschutzsuchender Ansprüche darauf geltend machen kann. Damit trifft das B-VG – anders als das damalige deutsche Vergaberecht – eine grundsätzliche und subjektivrechtliche Anordnung. Ausnahmen davon sind in Art 133 Z 4 B-VG aufgezählt, welche aber am Grundsätzlichen der Anordnungen der Art 129 und 130f B-VG nichts ändern. Daher ist es dem Gesetzgeber auch nicht schlechthin erlaubt, durch Überführung einer Vielzahl von Zuständigkeiten an Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag (ohne die Anrufung des VwGH ausdrücklich für zulässig zu erklären) die Kompetenzen des VwGH auszuhöhlen, wie auch der VfGH in dem Erkenntnis zu diesem Fall ausgesprochen hat. Die Einrichtung von Verwaltungsbehörden mit richterlichem Einschlag stellt gemäß mittlerweile ständiger Rechtsprechung5) des VfGH eine Ausnahme dar, der dieses Charakteristikum vom einfachen Gesetzgeber nicht genommen werden darf. Auch dem einfachen Verfassungsgesetzgeber ist es wohl nicht gestattet, durch eine Anreicherung des Ausnahmekatalogs des Art 133 B-VG dem VwGH die ihm durch die Art 129 und 130f B-VG eingeräumten Befugnisse weitgehend zu nehmen, 3) Rs C-462/99, ABl 2003/C 171/01; s. dazu bereits Feiel/Lehofer, MR 2003, 191ff. 4) Vgl. dazu auch Lattenmayer, ecolex 2000, 830ff, und Lattenmayer-Latyer, ecolex 2003, 723f. 5) StRspr seit VfSlg 11.500. TELEKOMMUNIKATIONSRECHT zumal die Kontrolle der staatlichen Verwaltung durch den VwGH zum Rechtsstaatsprinzip der Verfassung gehört und eine substanzielle Beschneidung seiner Kompetenz zu einer Gesamtänderung der Bundesverfassung führen würde6). Mag auch oftmals die Wirkung gleich sein, wenn ein Regelungssystem wie jenes des B-VG (Regel-Ausnahme-Prinzip) oder wenn ein Regelungssystem wie im damaligen deutschen Vergaberecht (einschränkende Kompetenzfestsetzung von vornherein) gewählt wird, so ist doch bei juristischer Betrachtung der Regelungsgefüge festzustellen, dass Unterschiede bestehen. Diese treten etwa dann zutage, wenn – wie im vorliegenden Fall – weitere Rechtsvorschriften, wie europarechtliche Richtlinien, hinzukommen. Die grundsätzlichen Anordnungen der Art 129 und 130f B-VG stellen somit eine Eingangspforte für eine Verdrängung von Art 133 B-VG dar (dies verkennt der Generalanwalt in Rz 55 seiner Schlussanträge). Daraus folgt auch, dass sich der VfGH nicht selbst für zuständig zur Behandlung eines Einspruchs im Sinne der Richtlinienbestimmung hätte erklären können, da seine Zuständigkeit zur Überprüfung von Bescheiden von Verwaltungsbehörden von vornherein durch Artikel 144 B-VG eingeschränkt eingerichtet ist, also die Verdrängung einer österreichischen Vorschrift nicht zu einer Erweiterung seiner Kompetenzen führt. Das B-VG lässt in den Art 129, 130f und 133 B-VG einen Verdrängungsmechanismus zwischen Verfassungsrecht und Gemeinschaftsrecht entstehen, für welchen im damaligen deutschen Vergaberecht kein Platz war. Überdies schafft das B-VG selbst im Verhältnis zwischen Verfassungsrecht und dem einfachen Bundesgesetzgeber und auch den Landesgesetzgebern dasselbe Verdrängungssystem, indem Art 133 Z 4 letzter Halbsatz B-VG den Ausschluss vom Ausschluss der Zuständigkeit des VwGH durch Bundes- oder Landesgesetz ausdrücklich ermöglicht. Würde dieser Verdrängungsmechanismus nicht auch zwischen dem B-VG und dem Gemeinschaftsrecht (qua Anwendungsvorrang) gegeben sein, käme man zu dem merkwürdigen Ergebnis, dass nur Bundes- und Landesgesetze, nicht aber auch Akte des Gemeinschaftsgesetzgebers Ausnahmen von Art 133 Z 4 B-VG statuieren könnten. Der beschriebene Verdrängungsmechanismus ist hier somit Voraussetzung für den Anwendungsvorrang von Gemeinschaftsrecht, soferne sein Inhalt hinreichend genau ist, um unmittelbar wirksam zu sein; dies war im gegenständlichen Fall eindeutig gegeben. Die Berufung eines Einzelnen (der Beschwerdeführerin) auf nicht umgesetzte materielle Richtlinienbestimmungen im Sinne einer Anspruchserhebung gegenüber dem Mitgliedstaat – vgl. dazu etwa die Ausführungen in Rz 44 des Urteils Dorsch Consult – war in den beiden Fällen nicht einschlägig. An seiner stRspr, wonach es nicht seine Aufgabe ist, an Zuständigkeitskonflikten des nationalen Rechts mitzuwirken, hat der EuGH im Fall Connect Austria ausdrücklich festgehalten (Rz 35 des Urteils). 3. Der EuGH hat in den bisherigen Entscheidungen zum Anwendungsvorrang weder einen Unterschied gemacht, ob es sich bei den verdrängenden oder verdrängten Rechtsvorschriften um solche des materiellen oder des prozessualen7) Rechts handelt, noch hat er etwa ausgesprochen, dass der Anwendungsvorrang hinter das Prinzip der Nichteinmischung in nationale Zuständigkeitskonflikte zurücktrete. Vielmehr ergibt sich aus den Entscheidungen, dass diese Grundsätze nebeneinander bestehen. Im Urteil Dorsch Consult ebenso wie in den sonst einschlägigen8) Entscheidungen hat der EuGH klargemacht, dass verfahrensrechtliche Richtlinien nationales Recht verdrängen (können)9); allerdings hat dies dem Einzelnen dann nichts genützt, wenn durch eine Verdrängung keine nationale Zuständigkeit hervorgetreten ist. Würde man dagegen die Aussagen über die Nichtmitwirkung bei Zuständigkeitskonflikten in der Weise generalisieren, dass der Anwendungsvorrang dort nicht gilt, wo es um derartige Konflikte geht, wäre das Prinzip des Anwendungsvorrangs eingeschränkt. Dies stünde allerdings in eklatantem Widerspruch zu Art 10 EG und den Richtlinien selbst, worauf der EuGH in Rz 38 des Urteils Connect Austria und in Rz 43 des Urteils Dorsch Consult jeweils ausdrücklich aufmerksam macht. Nur dort, wo es keine verdrängte Zuständigkeit gibt, nützt der Anwendungsvorrang dem Rechtsschutzsuchenden also nichts. Der EuGH und Europarecht können keine völlig neuen Kompetenzen schaffen bzw. gleichsam erfinden, sondern (nur) – in der Diktion von VfSlg 15.427 – an sich vorgesehene aufleben lassen. Ergänzend ist noch zu erwähnen, dass die Kompetenz des VwGH im Bereich des Fernmeldewesens, zu welchem das Mobilfunkwesen gehört, keineswegs neu für ihn war bzw. ist, weil er schon zur Überprüfung von Bescheiden der sonstigen in letzter Instanz entscheidenden Behörden nach TKG 1997 (Bundesminister als oberste Fernmeldebehörde und Telekom Control GmbH, soferne gegen ihre Entscheidungen nicht doch der Instanzenzug zum BM führt, worüber eine Entscheidung des VwGH noch aussteht) und darüber hinaus auch vor Inkrafttreten des TKG 1997 zur Überprüfung von Bescheiden der obersten Fernmelde- und Telegraphenbehörden nach den einschlägigen Gesetzen (Fernmeldegesetze aus 1993 und 1949, Telegraphengesetz aus 1924 sowie die von diesem aufgehobenen Vorschriften) zuständig war. 4. Die Urteile Dorsch Consult und Connect Austria stehen, wie gezeigt, in keinem Widerspruch. Sie enthalten auch mehrere sinn- und teilweise sogar wortgleiche rechtliche Erwägungen des EuGH, sodass sie vielmehr einwandfrei miteinander harmonieren. Lediglich die unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen führen zu verschiedenen Ergebnissen. 6) Rill/Schäffer in Rill/Schäffer (Hrsg), BVR Komm, Rz 35ff zu Art 44; zu einem verfassungswidrigen Verfassungsgesetz im Bereich des Vergaberechts s. VfGH v. 11.10.2001, G 12/00. 7) S zB Urteil d. EuGH v 19.6.1990, Factortame, Slg 1990, I-2433, in welchem eine Regelung, die der Gewährung vorläufigen Rechtschutzes (einer einstweiligen Anordnung) entgegenstand, für verdrängt angesehen wurde. 8) S zB die Verweise in Rz 38 des Urteils Connect Austria. 9) Dies übersieht offenbar Lattenmayer-Latyer, aaO (FN 4), 722 (Überschrift). medien und recht 2/04 155