2. Weltkrieg: Der Aufstand im Warschauer Ghetto 1943

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2. Weltkrieg: Der Aufstand im Warschauer Ghetto 1943
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2. Weltkrieg: Der Aufstand im Warschauer Ghetto 1943
WIE UND WARUM KAM ES ZUM AUFSTAND IM WARSCHAUER GHETTO?
Im Jahr 1939 eroberte die deutsche Wehrmacht Warschau. Damals betrug die Zahl der jüdischen Einwohner/innen in Warschau mehr als 300.000 Menschen. Das
war ca. ein Drittel der gesamten damaligen Bevölkerung der
Stadt.
Die von Hitler angekündigte „restlose Vernichtung der
jüdischen ‚Rasse’ in Europa“ begann im Jahr 1940 mit der
Einrichtung von Ghettos. Die Wohnbereiche der jüdischen
Bevölkerung in den Städten wurden mit Mauern und Stacheldraht abgeriegelt. Jüdische Menschen waren gezwungen,
in diesen Ghettos zu wohnen.
Weitere antijüdische Maßnahmen der Nazis waren:

Jüdische Menschen müssen Zwangsarbeit unter
schwersten Bedingungen leisten.

Per Gesetz wurden zahlreiche Schikanen errichtet.
Z.B. war es Ghettobewohnern verboten, Brot zu backen.
Die Nichtbefolgung von Gesetzen hatte kollektive Strafen
zur Folge. So wurden z.B. 53 Männer aus einem Wohnblock
des Ghettos erschossen, weil ein Mieter des Hauses sich mit
einem Polizisten geprügelt hatte.
Im abgeriegelten Warschauer Ghetto lebten zeitweise ca.
440.000 Menschen (= ca. 40% der Einwohner) auf 4,5% der
Gesamtfläche der Stadt. Im Durchschnitt mussten sich neun
Menschen einen Raum teilen. Da die Nazis die Lieferung
von Lebensmitteln und Medikamente stark beschränkten,
starben über 100.000 Bewohner des Ghettos an Unterernährung und Entkräftung sowie an Krankheiten wie
Typhus.
Trotz dieser miserablen Bedingungen organisierten die
Ghettobewohner das Einschmuggeln von Nahrungsmitteln, großteils durch Kinder und Frauen. Trotz Verbots gab
es von den Ghettobewohner/innen selbst organisierten
Schulunterricht. Weiters wurden medizinische Versorgung, Büchereien, Konzerte, Theateraufführungen und
Suppenküchen organisiert.
Im Jahre 1941 wurde im Warschauer Ghetto erstmals
bekannt, dass 40.000 jüdische Menschen aus Lodz (Polen)
sowie mehrere hundert „Zigeuner“ (= Roma und Sinti) in
einem NS-Vernichtungslager durch Vergasung ermordet
worden waren. Im Juli 1942 wurden 60.000 in den Augen
der Nazis „unproduktive“ Juden, die nicht fähig waren,
extrem lang und schwer zu arbeiten, aus dem Warschauer
Ghetto ins Vernichtungslager Treblinka deportiert und
dort durch Vergasung ermordet. Das war die sogenannte
„erste Liquidierungswelle“.
Eingangstor
zum Konzentrationslager
Auschwitz
Unter den verbleibenden jüdischen Bewohner/inn/en
bildete sich im Herbst 1942 die "Zydowska Organizacja
Bojawa", abgekürzt ZOB, was in etwa „Jewish Combat
Union“ oder „Jüdische Kampforganisation“ bedeutet. Zu
Beginn verfügte die ZOB nur über ein einziges Gewehr, mit
dem sie sogenannte „Kollaborateure“ ausschaltete. Nichtjüdische polnische Widerstandsgruppen lieferten einige
Pistolen und Handgranaten, die ins Ghetto geschmuggelt
wurden.
Als die Nazis im Januar 1943 einen weiteren Teil der
Bewohner/innen in die Gaskammern deportieren wollten,
stießen sie erstmals auf bewaffneten Widerstand im Ghetto. Der Abtransport konnte deshalb nicht wie geplant
durchgeführt werden. Bei der nächsten „Liquidierungswelle“ im April 1943 kam es zum Aufstand. Einige hundert Ghettobewohner/innen, bewaffnet mit einigen
Pistolen, Gewehren, Handgranaten und Molotowcocktails sowie mit einem einzigen Maschinengewehr, kämpften
gegen ein Bataillon der Waffen-SS sowie zwei Artillerieabteilungen der deutschen Wehrmacht unter Führung von
Jürgen Stroop. Die Wehrmacht musste sich geschlagen
geben, der geplante Transport ins Vernichtungslager
konnte nicht durchgeführt werden. Das Ghetto wurde
aber von der SS in Brand gesteckt, bei den Häuserbränden
starben viele Bewohner.
Erst im Mai 1943 konnten die Nazis bei einem weiteren
Angriff mit Artillerieeinheiten die Gegenwehr der Ghettobewohner/innen brechen und das Ghetto „erobern“.
Einige Bewohner/innen konnten durch Abwasserkanäle aus
dem Ghetto fliehen, die restlichen Bewohner/innen wurden
in Vernichtungslager transportiert und ermordet.
Emanuel Ringelblum erklärte seine Teilnahme am Aufstand 1943 so: „Wir brauchen uns keine Gedanken um
unser Überleben zu machen, denn jeder von uns trägt sein
Todesurteil bereits in der Tasche. Wir sollen besser daran
denken, mit Würde zu sterben, im Kampf zu sterben.“
Der Aufstand im Warschauer Ghetto 1943 konnte die
Vernichtung der jüdischen Menschen durch die Nazis nicht
beenden. Aber durch ihn erhielt der Widerstand gegen
das Dritte Reich in ganz Europa neuen Aufschwung.
Allein in Frankreich verdoppelte sich u.a. aufgrund der
Nachrichten über den Aufstand in Warschau im Frühling
1943 die Anzahl der Mitglieder in der „Résistance“.
Glossar:
Artillerie: Große Geschosse mit hoher Reichweite
Bataillon: Mehrere Kompanien mit Maschinengewehren,
insgesamt ca. 800 - 1000 Soldaten
Deportation – Zwangsweiser Abtransport von Menschen
Liquidierung - Ermordung, Tötung
Kollaborateur – Jemand, der mit einer Besatzungsmacht
zusammenarbeitet und sie unterstützt
Résistance – Französisches Wort für Widerstand
ZOB - Jüdische Widerstandsorganisation im 2. WK
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