D GESCHICHTE UND LÄNDERKUNDE DGAA Deutschland

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D GESCHICHTE UND LÄNDERKUNDE DGAA Deutschland
D
GESCHICHTE UND LÄNDERKUNDE
DGAA
Deutschland
Deutsche Ostgebiete
1900 - 1945
AUFSATZSAMMLUNG
11-2
Als der Osten noch Heimat war : was vor der Vertreibung geschah: Pommern, Schlesien, Westpreußen / mit Beiträgen von
Włodzimierz Borodziej ... - Reinbek bei Hamburg : RowohltTaschenbuch-Verlag, 2011. - 315 S. : Ill., Kt. ; 19 cm. - (Rororo ;
62547). - Lizenz des Rowohlt-Verlags, Berlin. - ISBN 978-3499-62547-3 : EUR 8.99
[#1824]
Die Zeit kurz vor, während und nach der Flucht und Vertreibung der Deutschen aus Schlesien, Westpreußen und Pommern ist Thema der fünf Beiträge dieses zuerst 1999 anläßlich einer Fernsehserie des WDR erschienenen Sammelbandes. 1 Eingerahmt werden die entsprechenden Beiträge
über die drei verlorengegangenen deutschen Provinzen mit den einleitenden Worten von Beate Schlanstein: Unter geteiltem Himmel. Als der Osten
noch Heimat war (S. 7 - 29) und von der abschließenden Darstellung der
aktuellen polnischen Sicht der Dinge aus der Feder des bekannten Warschauer Zeitgeschichtlers Włodzimierz Borodziej: Nachbarn, Fremde, Okkupanten: Die Deutschen im unabhängigen und besetzten Polen (1919 - 44)
(S. 269 - 310).
Keiner der Beiträger ist unmittelbarer Zeitzeuge der geschilderten Verhältnisse und Vorgänge, und sie dürfen daher für sich die „Gnade der späten
Geburt“ in Anspruch nehmen. Auf Befragungen der Flüchtlinge und der wenigen in der Heimat Gebliebenen stützen sich die Beiträge Das Land unter
dem Kreuz (S. 33 - 113) von Hans-Dieter Rutsch über Schlesien, Goetheschüler. Eine Reise an die Weichsel (S. 117 - 190) von Ulla Lachauer über
Westpreußen und Gutsherren- und Pferdeland, Kartoffelacker und Reichsluftschutzkeller (S. 195 - 268) von Gerald Endres über Pommern.
Gern wird die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich nach dem
Zweiten Weltkrieg als Muster oder Vorbild für die Zukunft des deutschpolnischen Verhältnisses angeführt. Allerdings sind die Schwierigkeiten auf
dem Weg dorthin ungleich größer, wie die aufmerksame Lektüre der hier
aufbereiteten Erinnerungen schnell zeigt. Dabei war die Grenze zwischen
1
Als der Osten noch Heimat war : was vor der Vertreibung geschah: Pommern,
Schlesien, Westpreußen ; das Buch zur WDR-Fernsehserie / mit Beitr. von: Włodzimierz Borodziej ... 1. Aufl. - Berlin : Rowohlt , 2009. - 316 S. : Ill. ; 22 cm. - ISBN
978-3-87134-644-6 : EUR 19.90.
dem Deutschen Reich und dem Königreich Polen seit der Mitte des 14.
Jahrhunderts bis zu den Teilungen überaus stabil, und die nationalen Minderheiten lebten auf beiden Seiten der Grenze verhältnismäßig ruhig nebenund sogar miteinander. Erst nach den Teilungen entwickelten sich aus nationalen und vor allem konfessionellen Unterschieden Konflikte, die sich zu
grenzenlosem Haß, gepaart mit tiefer gegenseitiger Verachtung steigerten.
Wie unterschiedlich die Geschichte und das Leben in den drei, bei uns unter
der pauschalen Bezeichnung als „verlorene deutsche Ostgebiete“ und bei
den Polen als „wiedergewonnene Westgebiete“ bezeichneten Provinzen
waren, zeigen die Erinnerungen der Zeitzeugen. Überaus kompliziert sind
die Verhältnisse in Schlesien, wo der regionale Sejm kürzlich mit einer Resolution des schlesischen Aufstands vor 80 Jahren und der Kämpfe am St.Anna-Berg im Jahre 1921 gedenken wollte. Dazu verweigerten nicht nur
erwartungsgemäß die Vertreter der deutschen Minderheit ihre Zustimmung,
was man entsprechend kommentierte, sondern völlig überraschend auch
die schlesische Autonomiebewegung. Die immer wieder vor die Alternative
gestellten Schlesier, sich zum Polen- oder Deutschtum bekennen zu müssen, haben längst die Nase voll und fordern neuerdings die Anerkennung
ihrer eigenen nationalen Identität.2
Aus der Sicht der ehemaligen westpreußischen Goetheschüler in Graudenz
werden die Verhältnisse in dem an Polen nach dem Ersten Weltkrieg gefallenen „Korridor“ geschildert. Bemerkenswert ist, daß es hier trotz der intensiven Polonisierungsmaßnahmen und der Abwanderung vieler Deutscher
dennoch gelang, 1920 eine neue deutschsprachige Schule zu gründen und
für sie sogar ein neues modernes Gebäude zu errichten. Kontakte mit Polen
mieden die Schüler meist, und nur auf dem Lande gab es sie im gewissen
Umfang. Generell begrüßte man den Ausbruch des Krieges und die sofortige Wiedereingliederung in das Reich, insbesondere da die Internierung der
Deutschen in Polen bei Kriegsbeginn die Minderheit zusätzlich in Angst und
Schrecken versetzt hatte.
Die Zwischenkriegszeit hat die geradezu archaischen Verhältnisse in
Pommern kaum zu verändern vermocht. Man lebte hier noch während des
Kriegs in einer eigenen Welt und war von den Vorgängen „draußen“ kaum
betroffen. Erst als die Männer eingezogen wurden und immer häufiger nicht
mehr von der Front zurückkamen, änderte sich das allmählich. Dennoch war
es für viele zunächst unvorstellbar, die Heimat aufzugeben und vor der anrückenden Roten Armee zu fliehen.
Obwohl die Zwischenkriegszeit und der Krieg auf beiden Seiten tiefen Spuren hinterlassen haben, zeigen die Begegnungen vor allem nach 1989 auch
hoffnungsvolle Ansätze für eine gemeinsame Zukunft in Europa.
Klaus Steinke
2
Vgl. Der neue Schlesier : in Oberschlesien wächst ein neues Selbstbewußtsein
heran, das nicht polnisch und nicht deutsch, sondern „schlesisch“ fühlt ; das gefällt
nicht allen Polen und auch nicht allen in der deutschen Minderheit ; ein Besuch im
„schlonsakischen“ Kattowitz / Konrad Schuller. // In: Frankfurter Allgemeine. 2011-05-21, S. S. : Ill. [KS] http://www.faz.net/artikel/C31325/kattowitz-der-neueschlesier-30337749.html [2011-05-25].
QUELLE
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Wissenschaft
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