GIS und WWW -- Vom Prototyp zur Anwendung
Transcription
GIS und WWW -- Vom Prototyp zur Anwendung
Veröffentlicht in: J.STROBL und F.DOLLINGER (1998): Angewandte Geographische Informationsverarbeitung. Beiträge zum AGIT-Symposium Salzburg 1998. H. Wichmann Verlag Heidelberg. ISBN 3-87907-324-4 GIS und WWW – Vom Prototyp zur Anwendung Fitzke, J. und K. Greve Geographische Institute der Universität Bonn Meckenheimer Allee 166, D-53115 Bonn Inhalt: 1. Zusammenfassung 2. Einleitung 3. Kartographie und Karten im WWW – erste Befunde 4. Wege ins Web: Strategien zur Integration von GIS und Internet/WWW 5. Bewertung der Entwicklung Zum Index! - Zur AGIT! 1. Zusammenfassung Die zunehmende Popularisierung von GIS und Computerkartographie – über die Einführung von Desktop-GIS und die Integration von GIS- und Mapping-Funktionen in Anwendungen für jedermann – vollzieht sich heute in besonderem Maße im World-Wide Web. In diesem Beitrag werden einige Befunde zum Einsatz von GIS- und Kartographie im WWW zusammengestellt und die verschiedenen Konzepte und Strategien der Integration von GIS und Internet beleuchtet, um abschließend den Stand der Entwicklung bewertend zusammenzufassen und die konzeptionellen Aufgaben einer inhaltlichen Weiterentwicklung dieses Integrationsprozesses zu identifizieren. Zum Inhalt! 2. Einleitung Bis vor wenigen Jahren war der Einsatz von GIS einer begrenzten Gruppe von Spezialisten vorbehalten. Effektive GIS-Anwendung setzte voraus, daß beträchtliche finanzielle und rechnertechnische Ressourcen aufgewendet und erhebliches Know-How im Umgang mit Daten, Programmen und Problemen verfügbar war. Mit der Einführung von PC-"Desktop"-Programmen entstand eine neue Generation von GIS-Anwendungen und GIS-Anwendern. Ursprünglich angekündigt als "Viewer-Zusatzmodule", als nutzerorientierte Ergänzung der Workstation-GIS, veränderten die PC-gestützten Systeme die Rahmenbedingungen der GIS-Anwendung nachhaltig. Nun war es für einen Einstieg in GIS nicht mehr erforderlich, über besondere Ressourcen zu verfügen. Für die Ausführung vieler GIS- und Mapping-Funktionen bedurfte es nicht mehr des GIS-Spezialisten oder GIS-Operators. GIS breitete sich in die Fläche der Anwendungen aus. Mapping-Funktionen finden wir inzwischen in einfachen Office-Anwendungen. Geschulte Fachanwender und in vielen Fällen auch ungeschulte Laien können sich nun an raumbezogene Datenpräsentationen und -analysen heranwagen. Diese Entwicklung ist weder abgeschlossen noch wissenschaftlich aufgearbeitet, da setzt sich bereits eine weitere Generation von GIS-Anwendungen durch: GIS und Computerkartographie im Internet. Die Mehrzahl der eingeführten GIS-Hersteller bietet neben den Desktop-Viewer-Komponenten, nun auch internetbasierte Systeme an, die GIS-Funktionen für jedermann und GIS-Analysen an jedem (Internet-) Standort versprechen. Doch nicht nur die Softwarehäuser, auch wichtige Datenanbieter wie ● Landesvermessungsämter (zunehmend umbenannt zu Kompetenzzentren für Geoinformation) 1, ● Umweltbehörden, beispielsweise das amerikanische Umweltbundesamt EPA 2, ● internationale Organisationen wie die FAO 3, bieten digitale GIS-relevante Informationen über das Internet und seine graphische Benutzeroberfläche WWW an. Die Entwicklung verläuft sehr dynamisch. Die technischen und konzeptionellen Grundlagen erweisen sich als heterogen und uneindeutig. Als Begleiterscheinung sorgt der hype für Unsicherheit und Verwirrung unter GIS-Nutzern. Die folgende Abbildung zeigt einige Ausrisse aus Publikationen der vergangenen drei Jahre: Abb. 1: Fragmente zum WebGIS-Hype (Quellen: INTERGRAPH 1996, Matuschak 1996, ESRI 1997, EBIT 1997, Thoen 1995, Oesterheld 1997) 4 Mit Möglichkeiten, Konzepten, Strategien und explorativer, prototypischer Umsetzung von GIS-Anwendungen in WWW und Internet setzt sich das Projekt EXSE (GIS EXperimental SErver) an den Geographischen Instituten der Universität Bonn auseinander. Auf den Ergebnissen des Projektes aufbauend, ist es Ziel dieses Beitrages, Ordnung in die verwirrende Vielzahl der Entwicklungsansätze zu bringen und Perspektiven der Weiterentwicklung von GIS unter besonderer Berücksichtigung der neuen Generation von Internet- und WWW-gestützten GIS-Anwendungen aufzuzeigen. Zum Inhalt! 3. Kartographie und Karten im WWW – erste Befunde Kaum ein Web-Site ohne Karten! Kartographische Darstellungen bilden eine beliebte und wichtige Ergänzung des multimedialen Informationsangebotes im WWW. Eingesetzt werden sie in vielfältiger Weise: Als Blickfang und bunte Orientierungshilfe, als Navigationsunterstützung, als selbständige (Teil-) Informationssysteme, aber auch als attraktives Spielzeug ohne wesentlichen Informationswert. Die technischen Angebotsformen sind unterschiedlich. Sie reichen von der gescannten oder mit Graphikwerkzeugen erstellten Abbildung einfacher Papierkarten über interaktive "Clickable Maps" bis hin zu Informationssystemen, die den Nutzern kartengestützte (und damit raumbezogene) Orientierung und Navigation in den angebotenen Informationsbeständen erlauben und es ihnen ermöglichen, die angebotenen Informationen vielfältig kartographisch auszuwerten und zu gestalten. Die Ergebnisse dieser Bemühungen sind verschiedenartig. Auffällig sind viele Beispiele ausgesprochen schlechter Kartographie, die ihre Ursache nicht nur in der mangelnden Erfahrung bzw. fehlenden fachlichen Ausbildung der neuen Kartenhersteller haben. Viele Systeme sind nicht geeignet, ansprechende kartographische Darstellungen zu erzeugen. Die Web-Präsentation erfolgt vielfach auf der Basis der Bildschirmausgabe von Desktop-GIS. Für die Herstellung lesbarer und brauchbarer Karten-Layouts stellen diese Systeme spezielle Layout-Module zur Verfügung, die aber in der Regel im Web nicht verfügbar sind. Dieser Befund sollte nicht zu dem Fehlschluß verleiten, professionelle Kartographie sei mit diesen technischen Mitteln nicht möglich oder gar nicht erwünscht. Ein ähnliches Verdikt hat in den Anfangszeiten den Dialog zwischen Kartographie und der sich entwickelnden Computerkartographie blockiert5 . Aus dem Befund sind zwei Analysen abzuleiten: Zum einen nach den Eigenschaften von Karten als Informationsträger und Informationssystem unter neuen technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen. Zum anderen nach neuen Anforderungen an die wissenschaftliche Kartographie unter den veränderten technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen, sowie aus den Veränderungen folgende neue Informationsbedürfnisse. Eine statische Karte – sei es auf Papier oder am Bildschirm – ist ein Informationssystem mit graphischer Benutzeroberfläche. Interessanterweise bildet die Benutzeroberfläche auch die Datenhaltung des Informationssystems. Das ändert sich mit der Einführung interaktiver elektronischer Karten. Datenhaltung, Informationspräsentation und Benutzerwerkzeuge bilden getrennte, kooperative Schichten eines komplexen Kommunikationssystems. Nicht alle erfaßten Informationen können und müssen gleichzeitig angezeigt werden. Aus dem Kartenleser wird ein Informationsnutzer, der selektives und häufig auch interaktives Information Retrieval betreibt. Wir erleben die Dissoziation von Datenhaltung und Datenpräsentation auf der einen Seite und die Zerlegung der früheren Einheit des Kartenautors als Informationsbereitsteller und Kartengestalter auf der anderen Seite. In einem interaktiven elektronischen Karteninformationssystem übernimmt der Nutzer vielfältige Aufgaben des Kartengestalters. Zentrale Aufgabe des Informationsanbieters ist die Bereitstellung relevanter Daten und brauchbarer Werkzeuge zur Umsetzung dieser Daten in sinnvolle kartographische Darstellungen. An die wissenschaftliche Kartographie werden neue Anforderungen gestellt. Ihre Aufgabe, Aussagen darüber zu treffen, was gute (effektiv nutzbare) Karten sind und wie solche entstehen, erhält eine neue Dimension: Formale Regeln und Verfahren zu entwickeln, die als rechnergestützter kartographischer Sachverstand den Gestaltungsspielraum eines DV-Systems so ausnützen, begrenzen und orientieren, daß jedermann mit einem Kartographiesystem brauchbare Karten produzieren kann. Ein bereits online verfügbares Informationssystem, mit dem dieser Ansatz verfolgt wird, ist Descartes der GMD6. Diese Anforderung entsteht nicht durch die Integration von GIS- und Mapping-Komponenten in das WWW. Sie ist eine Folge der Einführung und Verbreitung computerkartographischer Werkzeuge, besonders seit der beträchtlichen Verbreitung von Computerkarten durch Einführung von Desktop-GIS-Viewern. Mit der Verbreitung von Computer-Kartographie und GIS im WWW verschärft sich die Situation – denn ● der Nutzerkreis kartographischer Informationsverarbeitung wird stark erweitert. Häufig ist der Informationsnutzer dem Informationsanbieter nicht bekannt. ● die technisch heterogenen und häufig unbekannten, in der Regel nicht beeinflußbaren Zielplattformen – Beispiel: graphische Auflösung – erzwingen "primitive" kartographische Ausdrucksformen und interaktive Benutzerführung. ● Interaktivität wiederum und kurze Betrachtungszeiten erlauben und erzwingen neue Karteninhalte und Kartenaufbereitung. Interaktive Informationsabfrage ersetzt das Kartenlesen. Das Stichwort lautet: Drill down – relevante Detailinformationen wird sukzessive erschlossen. Plakativ ausgedrückt: Eine Information auf einen Blick statt alle Information auf einen Blick. ● Karten im WWW werden in vernetzte (hyperlinked) Informationssysteme eingebunden. Sie können komplex mit Video, Ton, Bild, Text und Graphik verknüpft werden. Zum Inhalt! 4. Wege ins Web: Strategien zur Integration von GIS und Internet/WWW Bei der Integration von GIS- und Mapping-Komponenten in das WWW werden unterschiedliche technische Strategien verfolgt. Vereinfachend lassen sich die verschiedenen Konzepte auf drei Grundansätze reduzieren: 1) GIS per Browser-Fernsteuerung – optional um browserintegrierte Zusatzprogramme erweitert, 2) Erweiterung eines GIS um Internetkonnektivität und 3) Nutzung des WWW als einer Art von Betriebssystems für verteilte GIS-Anwendungen7. 4.1. GIS per Browser-Fernsteuerung Tatsächlich genügt ein einfacher WWW-Browser auf Seiten des Nutzers, um über das WWW einfache bis etwas komplexere GIS-Funktionalität zur Verfügung zu stellen. Auf Seiten des Informationsanbieters ist ein wenig mehr erforderlich: Er braucht einen Web-Server und ein GIS – und GIS und Web-Server müssen in geeigneter Weise miteinander kommunizieren. Dann läßt sich eine "Browser-Fernsteuerung" für ein GIS auf einem fremden Server konstruieren. Technisch ist das kein großes Problem. Im Rahmen des Projekts EXSE wurde an der Universität Bonn ein Hochwasserauskunftssystem im WWW8 entwickelt, das auf einem gekoppelten System aus Web-Server und einem Standard Desktop-GIS (SICAD Spatial Desktop) basiert (Abb. 2). Ein Bürger, der über einen WWW-Zugang per Standard-Browser verfügt, kann dieses System bedienen und Karten möglicher Hochwassersituationen in Bonn produzieren. Weder ein eigenes GIS, noch GIS-Erfahrungen sind für diese Anwendung erforderlich. Nicht nur hinter dieser Projektlösung, auch hinter den meisten marktgängigen Produkten zur GIS-WWW-Integration steckt eine Browser-Fernsteuerung. ESRI ArcView Internet Map Server, MapInfo MapXsite, SICAD Geomatics SICAD Internet Suite setzen im Grundsatz das gleiche Prinzip um: Der Web-Server sendet im HTML-Format eine einfache Bedieneroberfläche an den Browser des Nutzers. Der Nutzer kann GIS-Operationen auswählen und parametrisieren, indem er das HTML-Formular "ausfüllt" oder Aktionen über eine interaktive Karte ausführt. Der Browser meldet die Wünsche des Nutzers an den Web-Server weiter. Dieser wertet die Anfrage aus und übersetzt sie in Anweisungen an das GIS. Als Ergebnis der GIS-Operationen entsteht eine Karte. Diese wird als Rasterbild, meist im GIF- oder JPEG-Format abgelegt und kann anschließend direkt vom Browser angezeigt werden. Abb. 2: Funktionsprinzip eines Map Server mit Browser-Fernsteuerung Für den Nutzer haben diese Lösungen den Vorteil, daß er lediglich einen Browser benötigt und bei vernünftig gestalteten Benutzeroberflächen auch keine besonderen GIS-Kenntnisse besitzen muß. Dem Informationsanbieter erlaubt diese Lösungsstrategie, beliebige ihm meist unbekannte Nutzer zu erreichen, und sie schützt seine teuren GIS-Daten vor unautorisierter weiterer Verwendung. Denn nicht die GIS-Daten werden an den Nutzer übermittelt, sondern Bilder als Ergebnisse der GIS-Operationen. Alle GIS-Operationen und alle dafür erforderlichen Daten werden nur auf dem Server verarbeitet. Mit diesen Vorteilen sind allerdings auch die spezifischen Nachteile der Lösung verbunden: Nur mit den Mitteln der Standardbrowser lassen sich keine wirklich ergonomisch befriedigenden Nutzeroberflächen gestalten. Das Übersenden von Rasterbildern an den Browser erzeugt recht lange Wartezeiten und bei GIS-Operationen mit erhöhtem Interaktionsbedarf entsteht ein sehr hoher Transaktionsaufwand zwischen Browser und Server und zwischen Web-Server und GIS-Server. Allein das Festlegen eines Kartenausschnittes bedarf mehrerer in sich abgeschlossener Transaktionen9. Erweiterung: Browserintegrierte Zusatzprogramme Diese Nachteile lassen sich vermindern, wenn man nicht die gesamte GIS-Bearbeitung auf dem Server ablaufen läßt, sondern kleinere Operationen auch im Browser durchführt. Dafür muß der Browser ein wenig mehr Funktionalität erhalten, als Standard-WWW-Browser zur Verfügung stellen. Das erreicht man, indem zusätzliche Software aus dem WWW geladen wird, die auf der Funktionalität des Browsers aufsetzt und diese um spezifische Funktionen ergänzt. Beim Hochwasserauskunftssystem Bonn wurde die Browser-Scriptsprache JavaScript genutzt, um eine graphische Benutzeroberfläche (GUI) zu realisieren, die in "Look and Feel" der Originaloberfläche des als GIS-Server zweckentfremdeten SICAD Spatial Desktop angenähert ist. Entsprechende "GUI-Zusätze" finden wir bei den meisten WebGIS-Produkten. Java-Applets unterstützen den Nutzer bei ESRIs ArcView Internet Map Server und MapObjects Internet Map Server sowie bei der SICAD Internet Suite. Autodesks MapGuide und Intergraphs Geomedia Web Map verwenden für ähnliche Zwecke spezielle Browser-Plugins. Derartige Zusätze bringen neben Ergonomie- und Interaktionsvorteilen auch Nachteile mit sich: Plugins funktioneren nicht mit allen Browsern und auf allen Betriebssystemplattformen. Bei Updates der Browser, sind häufig auch die Zusatzprogramme zu überarbeiten. Nicht mehr alle WWW-Nutzer sind mit dieser Technologie zu erreichen. Zusatzprogramme im Browser können für mehr eingesetzt werden, als zur Gestaltung ergonomischer Oberflächen: Sie können auch zur Nachbereitung der vom Server heruntergeladenen Ergebnisdaten verwendet werden. Dann muß der GIS-Server nicht mehr nur "dumme" Bilder schicken. Er kann auch Vektordaten oder spezifische weiterzuverarbeitende Graphikformate senden. Damit wird stärker interaktives Arbeiten unterstützt und die Dauer der Datenübertragung verkürzt. Es lassen sich spezielle Lösungen konstruieren, die vorverdichtete Daten vom Server herunterladen und diese lokal nachbearbeiten wollen. 4.2. Web-enabled GIS Die Fernsteuerungs-Strategie erweitert Web-Software um GIS-Funktionalitäten. Für Profinutzer, die über ein eigenes GIS und entsprechende Kenntnisse verfügen, kann auch eine andere Strategien verfolgt werden. Sie besteht darin, das GIS selbst webfähig zu machen, indem man es mit ausgewählten Browserfunktionen ausstattet. Verbreitet ist diese Integrationsform bereits bei der Bürosoftware. Es wird also direkt aus dem GIS auf entfernte Internet-Ressourcen zugegriffen, die dann unmittelbar von dem Desktop-GIS verarbeitet werden. Mit dem ArcExplorer verfolgt ESRI diese Strategie. Das GIS erschließt das Internet für den Nutzer. Allerdings: Nicht das gesamte Internet ist gleichermaßen interessant bzw. verfüg- und nutzbar. Ein internetfähiges GIS kann nur mit speziellen GIS-Servern Kontakt aufnehmen. Innerhalb des Internets werden spezielle und für sich abgeschlossene GIS-Netzwerke aufgebaut. Beim Einsatz webfähiger GIS muß sich der Informationsanbieter kaum Gedanken über Oberflächengestaltung und Nutzerführung machen. Der Informationsanbieter wird zum Daten-Broker. Hier treten ganz andere Probleme auf, denn die heruntergeladenen Daten können lokal weiterverarbeitet werden. Bei Profilösungen wird man sich mit Fragen der Authentifizierung beschäftigen müssen, also der eindeutigen Identifikation von Informationsanbieter, Informationsnachfrager und manchmal auch des Datenbestandes selbst. 4.3. WWW als Betriebssystem für verteilte(s) GIS Technologisch betrachtet stellen weder die "Browser-Fernsteuerung von GIS" noch die Client-zentrierte Integration von Browserfunktionen in GIS besonders bahnbrechende Innovationen dar. Vielmehr handelt es sich um die konsequente Anwendung der Internet- und Web-Technologie. Konsequenter als ein herkömmliches GIS mit Browserfunktionalität auszustatten ist es, die GIS-Funktionalität mittels eines internetkonformen Programmierinstrumentes wie Java oder ActiveX neu zu erzeugen. Ein so entwickeltes GIS ist dreifach internetintegriert: Es kann von Web-Servern heruntergeladen werden, läuft unter Verwendung von WWW-Browsertechnologie lokal ab und verfügt über internetspezifische Konnektivitätsmechanismen. GIS-Server und GIS-Client teilen sich die Arbeiten aufgabenspezifisch. Integrierte WebGIS-Clients können vorverarbeitete Daten von WebGIS-Servern oder Funktionen (als Applets oder ActiveX-Controls) von Funktionsservern beziehen. GIS-Clients sind nicht auf einen Web-Server zentriert, sondern können, vermittelt über Metainformationssysteme Kontakt mit verschiedenen Servern aufnehmen und verschiedenartige, heterogene Datenbestände erschließen. Daß es sich bei diesen Vorstellungen nicht um Visionen oder Science Fiction handelt, sondern mittels verfügbarer Technologie umsetzbare Lösungen, zeigen beispielhaft die Ergebnisse des Kölner InterGIS-Projektes10 und die OpenMap-Demo des U.S. Federal Geographic Data Comittee, in der über das Internet verschiedenartige GIS und heterogene Datenbestände integriert werden11,. Zum Inhalt! 5. Bewertung der Entwicklung Der größte Teil der als WebGIS-Lösungen bezeichneten Anwendungen verdient nur sehr eingeschränkt die Bezeichnung GIS. Im Vordergrund steht die Darstellung von räumlichen Informationen. Komplexere Abfrage- und Analysefunktionen bieten diese Systeme in der Regel nicht. Allerdings ist auch die Frage, ob es dafür überhaupt Bedarf gibt, noch nicht beantwortet – zumindest, was das Internet angeht. Die überwältigende Mehrzahl der WebGIS-Lösungen beschränkt sich auf Map Server, Lösungen auf der Basis einfacher oder erweiterter Browser-Fernsteuerungen. Der Standort des GIS im Netz wird im Sinne einer Client-Server-Lösung verändert, nicht aber die grundsätzliche Vorgehensweise. Der Zugriff auf heterogene und im Netz verteilte GIS-Daten und -Funktionen wird nicht unterstützt. Zwar ist es das Ziel des OpenGIS-Consortium, über die Definition abstrakter Schnittstellen eine Annäherung der verschiedenen GIS-Welten zu erreichen, doch besteht der Verdacht, daß dieser Prozeß noch einige Jahre in Anspruch nehmen wird und zudem nicht alle – je nach Anwendungsbereich sehr unterschiedlichen – Anforderungen berücksichtigen wird. Zunächst werden Interimslösungen mit offener Systemstruktur dazu beitragen , die Anforderungen an abstrakte Schnittstellen zu konkretisieren und auf diese Weise den OpenGIS-Prozeß zu steuern und seine Ergebnisse für die Praxis zu bewerten. Das Potential der Integration von GIS und WWW wird erst ausgeschöpft, wenn raumbezogene Problemstellungen in verteilten Systemen bearbeitet werden können. Beschränken wir unsere Analyse auf den Bereich der Raum- und Umweltplanung und den diesen Planungen vorhergehenden Analyseschritten, dann ist festzustellen: Es liegen außerordentlich vielfältige Informationen in digitaler Form vor. Die Informationen verfügen über einen Raumbezug und sind vielfältig und komplex miteinander zu verknüpfen, um sinnvolle Analysen und Planungen zu ermöglichen12 . Bisher wurde die Kommunikation zwischen Informationssystemen durch Datenintegration im Einzelfall gelöst, wobei redundante Datenbestände aufgebaut wurden. Die heute verfügbaren WWW- und Objekt-Technologien erlauben es dagegen, über einfache pragmatische Schnittstellen und Kommunikationsprotokolle kooperierende raumbezogene Informationssysteme im Netz zu realisieren. Das Web kann als ein Betriebssystem für verteilte Informationsbereitstellung und -analyse gedacht werden. Aus netzintegrierten GIS-Anwendungen kann eine neue Generation von Werkzeugen und Methoden zur verteilten raumbezogenen Informationsverarbeitung entwickelt werden. Damit ergeben sich neue Probleme. Kooperation und Kommunikation setzen nicht nur Schnittstellen voraus, sondern auch Synchronisation zwischen den Kommunikationsinhalten. Verteilte Geodaten-Bestände und GIS-Funktionen können somit nur effizient genutzt werden, wenn die Benutzer Informationen zum Auffinden relevanter Datenbestände und zum Zugriff darauf erhalten. Metainformationssysteme und Navigationsunterstützung in komplexen Informationsbeständen lauten die Stichworte. Abb. 3: Systementwurf: Web-Zugriff auf verteilte heterogene GIS Für Aufbau und Fortschreibung dieser Metainformations-/Navigationssysteme werden Konzepte benötigt, die eine automatisierte Extraktion von Informationen über die Datenbestände und die jeweiligen Zugriffsmechanismen erlauben. Im Rahmen der zweiten Phase des Projektes EXSE wird am Beispiel eines Planungsauskunftssystems für Berlin (Abb. 3) prototypisch eine solche Navigations- und Metainformationskomponente entwickelt. Da diese Komponente zur Unterstützung der Arbeit mit raumbezogenen Informationen dient, nutzt sie – auch bei der Verarbeitung von Metainformationen – WWW-gestützte digitale Karten zur Navigation und GIS-Methoden zur Extraktion und Bestimmung relevanter Informationsinhalte. Zum Inhalt! 6. Anmerkungen 1. Beispielsweise Terra Bavaria Katasterdaten im Internet: http://www.geoware.de oder der online-Service des Amts für Geoinformation und Vermessung Hamburg: http://www.hamburg.de/Behoerden/Vermessungsamt – Zurück zum Text 2. http://www.epa.gov, mit dem Umweltinformationssystem zum Great Lakes-Gebiet http://epawww.ciesin.org – Zurück zum Text 3. http://apps.fao.org – Zurück zum Text 4. INTERGRAPH (1996): Produktblatt zu GeoMedia. – MATUSCHAK, Brian J. (1996): "Commentary: GIS is Being Redefined by Current Computing Trends", in: The Electronic Atlas Newsletter, Vol. 7, Nr. 9, http://www.electronic-atlas.com/ean79a.html. – ESRI (1997): Produktblatt zu MapObjects. – EBIT (1997): Ankündigung des Seminars "GIS im Internet/Intranet". – THOEN, Bill (1995): "Interactive Mapping and GIS Thrive on the Web", in: GIS World, Oktober 1995, S. 58f. – OESTERHELD, G. (1997): "Objekt- und Komponententechnologie, heterogene GIS-Lösungen und OpenGIS", Plenarvortrag auf der AGIT'97, Salzburg, http://www.sbg.ac.at/geo/agit/agit97/p/oes_big/sld001.htm – Zurück zum Text 5. ARNBERGER, E. (1987): Thematische Kartographie. Mit einer Kurzeinführung über EDV-unterstützte Kartographie und Quellen der Fernerkundung. Braunschweig. S. 208f – Zurück zum Text 6. ANDRIENKO, G.L. u. N.V. (1998): Interactive Maps for Visual Data Exploration. Working paper prepared for the May, 1998 ICA Commission on Visualization. http://allanon.gmd.de/and/icavis/ – Zurück zum Text 7. FITZKE, J., C. RINNER, u. D. SCHMIDT (1997): "GIS-Anwendungen im Internet", in: GIS Geo-Informations-Systeme 10(6), S. 25–31 – Zurück zum Text 8. http://www.giub.uni-bonn.de/exse – Zurück zum Text 9. Schön gelöst und doch sehr umständlich ist die Gebietsauswahl beim Great Lakes Map Server des amerikanischen Umweltbundesamtes EPA: http://epawww.ciesin.org/arc/map-home.html – Zurück zum Text 10. EBBINGHAUS, J. (1996): Austausch von Geodaten bei der Stadt Köln - Machbarkeitsstudie. Ulm (FAW-Dokumentation). – EBBINGHAUS, J. u. W.-F. RIEKERT (1996): "Organisationsübergreifender Austausch von Geodaten über Weitverkehrsnetze am Beispiel der Stadt Köln". In: Informatik für den Umweltschutz. 10. Smposium, Hannover 1996. Hrg. v. H. LESSING u. U. LIPECK. Marburg. – Zurück zum Text 11. http://javamap.bbn.com:8080/demo/ – Zurück zum Text 12. Beispieluntersuchungen: PAGE, B., A. HÄUSLEIN u. K. GREVE(1993): Das Hamburger Umweltinforma-tionssystem HUIS – Aufgabenstellung und Konzeption. Hamburg . – FÜRST, D., W. ROGGENDORF, F. SCHOLLES u. R. STAHL (1996): Umweltinformationssysteme. Problemlösungskapazitäten für den vorsorgenden Umweltschutz und politische Funktion. Hannover (Beiträge zur räumlichen Planung 46) – MAYER-FÖLL, R. u. A. JAESCHKE (Hrsg.)(1993–1997): Projekt GLOBUS. Berichte der Projektphasen I–IV, Karlsruhe (Forschungszentrum Karlsruhe, Wissenschaftliche Berichte, FZKA 5863, 5700, 5900, 6000), http://www.uis-extern.um.bwl.de/lfu/uis/globus/ – Zurück zum Text Zum Inhalt! © 1998 Institut für Geographie der Universität Salzburg