GIST Mutmach-Buch 2008
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GIST Mutmach-Buch 2008
Patientenberichte „Leben mit GIST“ Wer Mut zeigt, macht Mut! Mit Kalender 2008 Inhalt Vorwort Wer Mut zeigt, macht Mut! Adolf Kolping, (1813 - 1865), katholischer Theologe (Kolpingwerk) Herausgeber / Copyright: Das Lebenshaus e.V. Selbsthilfe GIST Frankfurter Strasse 16 D-61203 Reichelsheim Tel.: +49 (0) 700 4884 0700 Fax: +49 (0) 6035 189616 Mobil: +49 (0) 171 4700919 [email protected] www.lh-gist.org Wir können nicht alles tun, aber wir müssen tun, was wir können! Ich schöpfe Mut und Kraft aus dem Versinken in unsere Musik und in das Malen. Karin Pelzing, 1. Vorsitzende Das Lebenshaus e.V. – Selbsthilfe GIST Friedemann, 64, GIST seit 2001 Ich lebe seit fast 6 Jahren – stabil – unter der Therapie. „Simplify your Life“ oder einfacher und glücklicher leben! Ulrich, 69 Jahre, GIST seit 2003 Heiner, 64, GIST seit 2003 Ich habe mich noch nie so gut und lebensfroh gefühlt. Die Krankheit wird uns nicht daran hindern zu leben! Kai, 31 Jahre, GIST seit 2004 Steffi, 34, GIST seit 1992 Fange nie an aufzuhören, höre nie auf anzufangen! Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren. Ute, 44, GIST seit 2003 Christel, 63, GIST seit 1999 Wir holen uns im Gebet neue Kraft… Das Leben ist viel zu kurz, um schlechten Wein zu trinken. Ursula, 45, GIST seit 2001 Ernst-Werner, 63, GIST seit 2006 Das Leben im „Jetzt und Heute“ ist angesagt. Ich bin sicher, dass wir noch lange gemeinsam leben, lieben und streiten. Ursula, 42, GIST seit 2006 Inge, 56, Ehefrau von Ernst-Werner Konzeption / Bearbeitung: Gerade die Angehörigen sind es, die selbst viel Mut brauchen… Unser Körper ist ganz schön schlau. Karin Burger, Markus Wartenberg Martina, 40, GIST seit 2005 Maria, 58, GIST seit 2004 Kalendermotive: Die Zeit, die uns geschenkt wurde, sie ist so erfüllt und so wertvoll! Das Lebenshaus e.V. Kyra, Begleiterin von Friedemann Patientenratgeber GIST Brigitte Wartenberg Grafikdesign: Herbert Thum, www.viskon.de Danksagung, Disclaimer Dezember 2007 – 1.500 Exemplare Spenden Vorwort als im Lebenshaus-Team Anfang 2007 der Gedanke reifte, ausgewählte Geschichten von GIST-Patienten in einem Buch zu veröffentlichen, um anderen Betroffenen Mut und Hoffnung zu geben, dachte ich sofort: „Was hätte ich selbst vor vier Jahren für so etwas gegeben!“ Denn niemand ist allein mit GIST… Die Erkrankung GIST wird im Januar 2008 gerade einmal 10 Jahre. Denn erst 1998 wurde das Sarkom im Magen-Darm-Trakt klassifiziert, nachdem von Professor Hirota, einem japanischen Pathologen, festgestellt worden war, dass GIST Mutationen des c-kit aufweisen. Seit dieser Zeit ist enorm viel passiert – in den Bereichen Diagnostik, Therapien und Forschung. Die Prognosen für uns GIST-Patienten haben sich deutlich verbessert und täglich nimmt das Wissen über GIST weltweit zu. Die Erstlinien-Therapie mit dem Wirkstoff Imatinib (2001) und die Zweitlinien-Therapie mit dem Wirkstoff Sunitinib (2006) sind für viele von uns wertvolle Behandlungsoptionen. Zahlreiche weitere Substanzen und neue Therapie-Konzepte werden in der Fachwelt als mögliche weitere Optionen gesehen und in klinischen Studien erforscht. Diese rasanten Entwicklungen in Medizin und Wissenschaft lassen uns GIST-Patienten zu Recht mit Hoffnung in die Zukunft blicken. Als Vorstandsmitglied im Lebenshaus und Leiterin der GIST-Selbsthilfegruppe Rhein-Ruhr habe ich in den vergangenen drei Jahren viel über andere, aber auch über mich selbst erfahren dürfen. Keiner von uns muss mit GIST alleine fertig werden. Weder mit den medizinischen noch mit den psychischen Belastungen. Es macht mir persönlich enormen Mut zu wissen, dass es unterschiedliche, erprobte Methoden, Wege und Therapien gibt, mit deren Hilfe wir die Erkrankung GIST auch mental bewältigen können. Jeder auf seine persönliche Weise. Ich weiß, dass wir in dem engmaschigen ExpertenNetzwerk, welches Das Lebenshaus aufgebaut hat, nicht nur in medizinischen Fragen immer auf dem neuesten Stand sind. Auch im Austausch untereinander gewinnen wir Klarheit. Im Dialog finden wir sehr viel leichter Antworten auf entscheidende Lebensfragen wie z.B.: Dieses erste Buch soll uns allen dabei helfen, jedem neuen Tag mit Mut entgegen zu blicken, die Erkrankung anzunehmen und mit ihr ein gutes Leben zu leben. • Wie schaffe ich es, mit und trotz meiner Erkrankung wieder möglichst normal zu leben? • Was kann ich selbst noch tun, um zur Bewältigung meiner Erkrankung beizutragen? • Welche Rolle will ich im Umgang mit meiner Krankheit übernehmen? • Welche Kraftquellen helfen mir ganz persönlich dabei, meinen Mut nicht sinken zu lassen? Ich möchte mich im Namen aller Betroffenen bei den Autoren bedanken, die ihre Geschichte für uns aufgeschrieben haben. Ich wünsche allen viel Mut, Energie und Lebensfreude! Denn niemand ist allein mit GIST… Entscheidend für die positive Sichtweise auf meine eigene Erkrankung war die Erkenntnis, dass wir nur als kompetente, informierte und aktive Patienten das Gefühl des Ausgeliefertseins verlieren. Dies zog sich wie ein roter Faden durch viele Gespräche, die ich bis dato mit Patienten, Begleitern und GIST-Experten geführt habe. Karin Pelzing 1. Vorsitzende Das Lebenshaus e.V. Wir können nicht alles tun, aber wir müssen tun, was wir können! (Karin, 64, GIST seit 2002) Meine eigene Geschichte beginnt – wie viele – mit einer Zufallsdiagnose. Im Oktober 2002 noch voll im Berufsleben als Trainerin und Dozentin im Bereich Personalentwicklung wurde ich durch einen Darmdurchbruch mit der Diagnose Krebs konfrontiert. Von GIST war damals noch keine Rede! Nach der OP und dem ersten Schock brauchte ich erst einmal Zeit, um mir überhaupt bewusst zu werden, was sich ereignet hatte. Diese Zeit vergleiche ich heute mit der Phase nach einem schweren Erdbeben. Die äußeren Erschütterungen – ein neuer pathologischer Befund, dann die Diagnose GIST – waren vorbei. Kurz nach der Diagnose blenden die meisten von uns das „normale“ Leben zunächst aus. Nach einem ersten Aufatmen galt es dann, mir darüber klar zu werden, wie meine Welt nach dem Erbeben nun aussieht, was durch dieses Ereignis alles zerstört oder verändert wurde. Es galt herauszufinden, ob ich noch alltagstauglich war. Nach einigen Wochen wollte ich neue Strukturen schaffen, damit mein Leben wieder einen Rhythmus bekam. Bei einem Teil davon handelte es sich um Übergangshilfen im Alltag, bei anderen ging es darum, beruf lich sowohl der Gegenwart als auch der Zukunft gerecht zu werden. Manches musste ich ganz neu planen. Das war der pragmatische Teil. Gleichzeitig fand aber ein anderer Prozess statt: Als die andauernde Anspannung nachließ, hatte die Psyche wieder Zeit, sich Raum zu verschaffen. Während ich in der akuten Phase alle Reserven mobilisiert hatte, meldeten sich erst in der Zeit danach die eigentlichen Gefühle – die erlebte Erschütterung wurde greif bar. Erst zu diesem Zeitpunkt sah ich die Möglichkeit und Aufforderung, mich innerlich und konkret mit dem, was tatsächlich passiert war, zu beschäftigen und in mein Leben zu integrieren. Paradoxerweise war diese Phase aufwühlender und schwieriger als die Zeit des eigentlichen Geschehens. Ich sollte lernen, dass es ein Trugschluss war, zu glauben, ich könnte mich nach „gelungener OP“ nun zurücklehnen, um das Leben wieder im „normalen“ Ablauf zu genießen. Nach acht Monaten hatte ich einen Rückfall: Drei neue Tumoren, der größte 12 cm. Es wurde mir nun ganz deutlich, um was es hier eigentlich ging: Um eine bösartige, aggressive Krebserkrankung. Man hatte meinen GIST nicht nur unterschätzt, man war sich über die möglichen Behandlungsmethoden auch nicht im Klaren. Erst ab August 2003 bekam ich endlich die Therapie mit Imatinib (400mg/Tag). Zu diesem Zeitpunkt kam mein Entschluss, mich aktiv mit meiner Krankheit auseinanderzusetzen. Ich nahm Kontakt zum Lebenshaus auf, auf das ich über das Internet aufmerksam geworden war. Im Jahr 2004 wurde die GIST-Selbsthilfegruppe Rhein-Ruhr gegründet. Meine Erfahrungen und die nicht zu unterschätzenden Nachwehen der ver- 01 Di Neujahr 02 Mi 03 Do 04 Fr Januar 05 Sa 06 So Heilige Drei Könige 07 Mo gangenen Monate mit anderen GIST-Betroffenen auszutauschen und für mich zu verarbeiten, ist mir erst hier ermöglicht worden. Und es bleibt ein fortwährender Prozess. jetzt die Stärke, Chancen und Risiken einer OP mit unseren GIST-Experten realistisch zu besprechen. Nicht jeder machte eine optimistische Aussage, aber ich wusste aus Erfahrung, dass solche Grenzsituationen bei mir Reserven freisetzen, um Entscheidungen zu treffen. Ich hatte Vertrauen zu „meinem Chirurgen“. OP im Mai – R0 Resektion. Die Metastase auf der Leber wuchs bis August weiter. RFA1 – ja oder nein? Ich hatte drei Meinungen und keine Gewissheit auf Erfolg. Ich entschied mich für eine weitere ganz normale OP! Meine „inneres Ich“ hat mich gut beraten. JETZT bin ich tumorfrei!!! Im Mai 2005 erfuhr ich, dass einer der Tumoren wieder wuchs: Progress. Imatinib wurde auf 800mg erhöht, aber die Nebenwirkungen waren für mich auf Dauer zu belastend. Also entschloss ich mich zu einer erneuten OP im August 2005. Ich habe im Evangelischen Krankenhaus in Herne einen guten Chirurgen angetroffen und alle drei Tumoren konnten komplett entfernt werden. Zwei Jahre lang habe ich mein „inneres Ich“ wieder wahrgenommen, auch wenn ich heute weiß, dass ein Konstrukt aus Optimismus, Vertrauen und Zukunftsplänen der größte Halt war. Nun muss ich die Zukunft abwarten, aber ich werde die Gegenwart genießen! Karin Pelzing 1. Vorsitzende Das Lebenshaus e.V. Patientenkontakt der GIST-Selbsthilfegruppe Rhein-Ruhr März 2007 kamen dann ein neuer Befund im unteren Becken und eine Metastase auf der Leber. Eine Dosiserhöhung brachte keine Reaktion. Mein Wissen und eine optimale Unterstützung gaben mir 08 Di 09 Mi 10 Do 11 Fr 12 Sa 13 So 14 Mo 15 Di 16 Mi 17 Do 18 Fr 19 Sa 20 So 21 Mo 22 Di 23 Mi 24 Do 25 Fr 26 Sa 27 So 28 Mo Radio Frequenz Ablation: Bei der RFA handelt es sich um ein örtliches Therapieverfahren, das den Tumor oder die Metastase durch Hitze zerstört. Die Hitze wird durch eine Sonde erzeugt, die unter Ultraschallkontrolle in den Tumor bzw. Leberherd eingebracht wird. (Quelle: www.klinikum.uni-heidelberg.de) 1 29 Di 30 Mi 31 Do Ich lebe seit fast 6 Jahren – stabil – unter der Therapie. (Ulrich, 69 Jahre, GIST seit 2003) Meine GIST-Geschichte währt nun vermutlich schon über 14 Jahre. Im August 1993 wurde bei mir anlässlich einer Dickdarmoperation zufällig – und wie wir sehr viel später erst wissen konnten – der GIST-Primärtumor gefunden. Er war etwa 4 cm groß und wurde damals als Leiomyoblastom diagnostiziert. Das war falsch – aber die Fortschritte in der Wissenschaft erlauben de facto erst seit 1998, dass GIST überhaupt diagnostiziert werden kann. genügend Substanz vorhanden und deshalb waren die beiden Operationen notwendig und die einzigen möglichen lebensrettenden Maßnahmen. Im Februar 2000 fiel mir dann auf, dass im Oberbauch etwas nicht mehr stimmte, weil beim tiefen Atmen etwas an meine Lunge stieß. Die Ultraschall-Untersuchung ergab einen großen Lebertumor, der chirurgisch vollständig entfernt werden konnte – 15x11x14 cm, also kindskopfgroß – und mit ihm die ganze rechte Leberhälfte. Die Diagnose GIST mit großer Mitoserate2 wurde gestellt und damit war klar, dass der 1993 gefundene Tumor der GIST-Primärtumor gewesen war. Im Januar 2001 und im April 2001 mussten erneut lebensbedrohliche Metastasen in der Leber chirurgisch entfernt werden. Ende 2001 sah man dann im CT 6 neue kleine Tumoren (je 1–2 cm groß, verteilt über die Leber). Nun konnte ich ab 5.1.2002 im CHUV Lausanne die Imatinib-Therapie erhalten. Mit einem PETScan vor und 4 Wochen nach Beginn der Einnahme konnte die Wirksamkeit nachgewiesen werden. Ich erhielt 800mg/Tag. Im Juni stellte ich nach Rücksprache über die Life Raft Group bei Professor George Demetri in Boston das Gesuch, von 800 auf 600mg/Tag (aber nicht tiefer!) zu reduzieren, da ich noch im Arbeitsprozess war und mit 800mg/ Tag ziemlich starke Fatigue (Müdigkeit) hatte. Mit 600mg/Tag war dies dann besser und bei dieser Dosierung blieb ich bis jetzt mit bestem Erfolg: Ich bin nun nahezu 6 Jahre unter der Imatinib-Therapie stabil und noch immer leistungsfähig. Neben einigen kleineren Nebenwirkungen geht es mir gut. Ich kann arbeiten und Weltreisen unternehmen, was ich unter Therapie mehrmals gemacht habe. Überlebt hatte ich damals nur Dank der professionellen Arbeit zweier sehr guter Chirurgen und dank einem Freund, der für mich im Internet innerhalb von 24 Stunden herausgefunden hatte, dass Bestrahlung und Chemotherapie bei GIST nichts nützen und dass in der Forschung eine neue Substanz entwickelt wurde, die unter dem Namen STI 571 für CML3 und nachher auch für GIST als wirksam befunden wurde. Es war aber Anfang 2001 noch nicht Ich bin Mitglied der amerikanischen Life Raft Group seit Januar 2002 und war am 24.6.2003 eines der 14 Gründungsmitglieder des deutschen Lebenshauses, GIST-Patientenorganisation für Deutschland, Schweiz und Österreich. Seit November 2003 baue ich die GIST-Selbsthilfegruppe Schweiz als Schweizer Landesorganisation des Lebenshauses auf. Ich tue dies aus Dankbarkeit über meine eigene Rettung und weil ich dies aufgrund meiner Ausbil10 dung (Industrie-Apotheker und Biochemiker) und der verfügbaren Zeit auch kann. Dank der internationalen Vernetzung mit den beiden genannten großen Gruppen sind wir immer an vorderster Linie über GIST und über alle Möglichkeiten der Diagnose und Behandlung orientiert. konnte und ich hoffe, es hilft mir auch weiter. Und neben all diesem lebe ich und schaue, dass es mir gut geht, mache zusammen mit meiner Frau Helga so oft wie möglich Schönes und Interessantes. Da es in diesem Buch um Mut und Mut machen geht – hier vielleicht ein Zeichen für andere Patienten: Wir gehen ab Ende November 2007 für dreieinhalb Monate auf eine Weltreise: Argentinien, Antarktis, Neuseeland. Wir arbeiten eng mit führenden GIST-Experten zusammen und pf legen auch den Austausch mit den Unternehmen, die bei GIST forschen. Die GISTSelbsthilfegruppe Schweiz hat gegenwärtig 67 Mitglieder. Bei einer so seltenen Krankheit ist es wichtig, dass die Patienten gut informiert sind, weil viele Ärzte über GIST nichts oder nicht genug wissen. Dies ist absolut verständlich, denn im Jahr werden in der Schweiz nur etwa 100 Personen mit GIST neu diagnostiziert. Auf unserer Web-Seite www. gastrointestinale-stromatumoren.com sind unsere neuesten Informationen über GIST enthalten. Was kann ich anderen GIST-Betroffenen raten? Leidet nicht allein, sondern sucht den Kontakt in der GIST-Patientenorganisation, im Lebenshaus, in den regionalen Gruppen. Bei uns entsteht sogar gelegentlich eine Freundschaft in diesen Gruppen, man ist nicht allein und kann sich austauschen. Man kennt sich und in der Not kann man anrufen und Rat bekommen. Bei mir kann man auch ganz praktischen Rat bekommen: wo soll ich hingehen für eine Zweitmeinung, für die Operation, was soll ich den Arzt fragen, was kann ich gegen die Nebenwirkungen machen, etc. So ist das sicher auch bei Markus Wartenberg im Lebenshaus in Deutschland. Da hilft auch das Wissen, das ich mit dem Lebenshaus und der Life Raft Group erwerben konnte. Auch der Ratgebende kann nicht immer allein sein und ich bin ja nicht Arzt. Ich kenne und beachte auch meine Grenzen. Aber ich kenne auch die guten Ärzte in unserem Land (Schweiz), die GIST-Kompetenz haben, und das sind nicht so viele! Was gibt mir die Kraft, optimistisch zu bleiben und diesen Kampf zu führen? Ich stand fünfmal vor dem Tod und hatte immer Glück. Ganz bewusst wurde mir das bei den drei großen Leberoperationen und bei der gerade noch rechtzeitigen Einnahme von Imatinib. Ich bereitete alles so vor, dass es im schlimmsten Fall gut geregelt gewesen wäre; ich habe mich mit diesem Freund auseinandergesetzt, der uns alle einmal besuchen wird. Der schlimmste Fall trat nicht ein und ich konnte meine großen anstehenden Aufgaben alle noch gut und selbst erledigen. Und seit November 2003 baue ich nun die GIST-Selbsthilfegruppe Schweiz auf und habe so manches Gespräch mit GIST-Betroffenen geführt und konnte gute Ratschläge geben. Auch die Zusammenarbeit mit den Ärzten von vier Schweizer Kliniken mit GIST-Kompetenz ist wertvoll. Vielleicht half mir das Schicksal, dass ich alle diese Aufgaben erledigen Ulrich Schnorf Leiter der GIST-Selbsthilfegruppe Schweiz 3 Mitosen: Sich gerade teilende Zellen im Wachstums- und Zellerneuerungsprozess. Der Mitose-Index ist der Wert für die Zellteilungsgeschwindigkeit und somit auch für das Tumorwachstum. 3 Chronische Myeloische Leukämie 11 01 Fr 02 Sa 03 So 04 Mo Rosenmontag Februar 05 Di Fastnacht Ich habe mich noch nie so gut und lebensfroh gefühlt. (Kai, 31 Jahre, GIST seit 2004) 06 Mi Aschermittwoch 07 Do Nachdem ich im März 2004 nach einer Blindarmoperation aus dem Krankenhaus entlassen wurde, war für mich die Welt gerade dabei, zur Normalität zurückzukehren. Ich war das erste Wochenende wieder zu Hause und hatte den Samstagabend bei Freunden verbracht. Am Morgen wachte ich auf und hatte Bauchschmerzen. Damit war an Schlafen nicht mehr zu denken. Ich dachte, es wären „normale“ Nachwirkungen der OP und machte es mir auf der Couch mit einem Tee gemütlich. Es wurde aber nicht besser und beim ersten Gang zur Toilette entdeckte ich Spuren von frischem Blut im Stuhl. Das erschien mir dann doch nicht mehr „normal“ und ich machte mich nach einigem Überlegen und gutem Zureden durch meine Freundin wieder auf den Weg zum Krankenhaus. Nach der ersten (und einzigen) Untersuchung an diesem Tag (SONNTAG) blieb ich im Krankenhaus. Ich wurde in das erst am Dienstag von mir verlassene Krankenhauszimmer einquartiert. Aber wenigstens kannte ich die anderen beiden Bewohner schon. 08 Fr 09 Sa 10 So 11 Mo 12 Di 13 Mi 14 Do Valentinstag 15 Fr 16 Sa 17 So 18 Mo 19 Di 20 Mi 21 Do 22 Fr kam ein Arzt in mein Zimmer. Er erklärte mir knapp, dass ich an diesem Tag schon große Mengen an Blut verloren hatte und es jetzt höchste Zeit wäre, etwas zu unternehmen. Mir blieb nach dieser Information gerade noch Zeit, meine Eltern telefonisch von der OP zu unterrichten, dann stand auch schon der Narkosearzt neben mir. Der Tag nach der OP verschwimmt: Vor allem ist mir noch das „Glücksgefühl“ in Erinnerung geblieben, dass ich zwar eine große Wunde am Bauch hatte, aber alles wieder zugenäht war und nichts auf einen künstlichen Darmausgang hindeutete. Dienstag, anderthalb Tage nach der OP, wusste ich immer noch nicht, was genau mit mir passiert war. An diesem Tag machte ich meine erste, für mich erschreckende Erfahrung mit Ärzten, die mich wohl auch später dazu gebracht hat, mich selber um meine Erkrankung zu kümmern. Kurz bevor ich verlegt werden sollte, kam der Intensivarzt zu mir ans Bett und erklärte mir, dass ich bei der OP zwar sehr viel Blut verloren hätte – ich hatte noch einen HB-Wert von 4,9 (normal ist 13 - 18) – die Ärzte sich aber gegen eine Bluttransfusion entschieden hatten. Ich wäre mit 27 ja noch sehr jung und da ich die nächste Woche „eh“ nur im Bett verbringen würde, wäre es kein Problem, der HB-Wert würde sich von selbst erholen. Er hinterließ seine Telefonnummer, falls ich noch Fragen hätte. Das hätte 23 Sa Den Tag über passierte nicht mehr viel, außer das ich jedes Mal auf der Toilette erschrak, wie viel Blut ich verlor. Man gab mir einen Hämokkult-Test4, dabei bestand mein Stuhl zum größten Teil aus Blut und das war nicht zu übersehen. 24 So 25 Mo 26 Di 27 Mi Bei einem Gang zur Toilette um ungefähr 18.00 Uhr brach mein Kreislauf komplett zusammen und ich lag auf einmal auf dem Flur des Krankenhauses mit ganz vielen besorgten Krankenschwestern und Ärzten um mich herum. Nach einigen Bluttests 28 Do 29 Fr 12 4 13 Teststäbchen für verborgenes Blut im Stuhl mich vielleicht normalerweise stutzig gemacht, aber in meinem Zustand war die Information „so OK“ für mich. Kaum war ich nach der Verlegung auf meiner Station angekommen, standen alle Ärzte der Station um mich herum und fragten mich, (!!!?) warum ich keine Bluttransfusion haben wollte. Da war die Nummer dann doch sehr hilfreich! Ich wusste zu keinem Zeitpunkt wirklich, was ein HB-Wert von 4,9 bedeutet und war auch nicht in der Lage, irgendeine Entscheidung zu treffen. Ich bekam trotz allem keine Transfusion und der HB-Wert erholte sich tatsächlich von alleine wieder. Der Intensivmediziner hatte also Recht gehabt. Zwölf Tage nach der OP gab es dann endlich die Möglichkeit, mit dem Onkologen und dem Chirurgen ein längeres Gespräch zu führen. Auf Raten der Ärzte begleitete mich mein Vater als „neutrale“ Person zu diesem Gespräch, um wirklich alle Informationen aufnehmen zu können. Ein wertvoller Tipp. In diesem Gespräch hörte ich zum ersten Mal die Worte „Gastrointestinaler Stromatumor GIST“. Obwohl ich in einer kleinen „Provinzklinik“ war, hatte ich doch bei beiden Ärzten Glück gehabt. Der Chirurg hatte schon vorher mal einen GIST operiert und der Onkologe kannte Imatinib – fast ein Glücksfall im Jahr 2004, denn Imatinib ist für GIST erst seit 2002 zugelassen. Nach der OP ging es mir die ersten Tage nicht gut. Eine Woche später dann klappte das normale Essen schon wieder. Die Tage vorher hatte ich zwar Appetit, aber alles, was ich versuchte zu essen, kam nach spätestens einer halben Stunde wieder auf ungewolltem Wege aus mir heraus. Von da an ging der Erholungsprozess erstaunlich schnell voran. Nach acht Tagen lief ich wieder alleine auf dem Gang herum und ab dem zehnten Tag ging es mir schon fast wieder so normal, wie es einem im Krankenhaus eben gehen kann. Nach diesem Gespräch war ich schon wieder recht zuversichtlich. Ich hatte erfahren, dass ich eine seltene Erkrankung hatte, der Tumor vor der Operation durchgebrochen war – daher der Blutverlust – aber alle sichtbaren Tumorreste entfernt worden waren und es ein wirksames Medikament gibt, das erträgliche Nebenwirkungen hat. Zwei Wochen nach der OP durfte ich tagsüber nach Hause. Dort nutzte ich die Gelegenheit, mich ausgiebig im Internet über GIST zu informieren. Bei dieser Recherche bin ich zum ersten Mal auf die Seiten des Lebenshauses gestoßen. Allerdings habe ich im ersten Moment gar keinen Gedanken daran verschwendet, mich dort zu melden. „Was soll ich bei einer Selbsthilfegruppe? Das sind doch Kaffeekränzchen älterer Leute!“ waren meine ersten Überlegungen. Die Diagnose verzögerte sich doch um einige Tage. Dass es ein Tumor war, wurde mir eine Woche nach der OP kurz mitgeteilt. Dann war ich erstmal alleine mit dieser Information, da die Besuchszeit im Krankenhaus zu diesem Zeitpunkt schon deutlich überschritten war. Nach einer ziemlich unruhigen Nacht ging es mir am nächsten Tag schon besser. Mehr Informationen konnte ich mir so und so nicht besorgen, da ich ja nur die Begriffe Tumor und Krebs kannte. Also verdrängte ich es die nächsten Tage und versuchte, nicht allzu viel über die möglichen Folgen und Konsequenzen nachzudenken. Nachdem ich 16 Tage nach der OP aus dem Krankenhaus entlassen wurde, brauchte ich einen Arzt, der mich weiterbehandeln würde. Der Kontakt zu der vor Ort niedergelassenen Onkologin wurde schon durch das Krankenhaus hergestellt. Bereits ei- 14 nen Tag nach der Entlassung hatte ich einen Termin bei dieser Ärztin, die mich übrigens bis heute vor Ort betreut. Erst im Nachhinein, durch die Informationen des Lebenshauses und den Kontakt mit den Ärzten, ist mir klar geworden, welche Informationen zu Beginn grundlegend gefehlt haben. So habe ich erst spät die Mitoserate meines Tumors erfahren, die sehr hoch war und ich daher ein Hoch-Risiko-Patient bin. Dass ein blutender Tumor als „metastasierend“ gilt und ich aus diesem Grund Imatinib nehme, ohne eine sichtbaren Tumor zu haben, ist mir auch erst spät klar geworden. Dieser erste Termin verlief etwas anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Nach der Information im Krankenhaus und im Internet war ich doch überrascht, gesagt zu bekommen, dass die Onkologin sich eigentlich nicht mit GIST auskenne, da ich ihr einziger GIST-Patient sei. Die Informationen, die sie mir gab, kannte ich schon alle aus dem Internet. Aber immerhin verschrieb sie mir ein Medikament. Seit dem 26.04.2004 nehme ich nun täglich 400mg Imatinib und von Nebenwirkungen kann ich fast gar nicht berichten. Dass ich – auch im Hochsommer – nicht mehr braun werde, fällt fast nicht auf, da ich von Natur aus eine sehr helle Haut habe. Die einzige andere Nebenwirkung ist ein sehr starkes Schwitzen an den Händen und Füßen, aber auch das ist nicht wirklich beeinträchtigend. Mein Leben mit GIST und unter Therapie Wie hat der GIST mein Leben verändert? Neben den medizinischen Auswirkungen wie regelmäßige Arztbesuche, CT / MRT-Untersuchungen, Nebenwirkungen des Medikaments etc. hat der GIST natürlich mein Leben auch sonst stark beeinf lusst. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus und dem Beginn der medikamentösen Therapie wollte ich nichts mehr als wieder arbeiten zu gehen. Auf eine Reha hatte ich keine Lust – noch drei Wochen nur mit „Kranken“ zu verbringen war einfach nicht meine Vorstellung von Erholung. Etwas stärker sind die Nebenwirkungen der OP am Dünndarm – an der Stelle, an der der Tumor saß. Einige Lebensmittel verursachen starke Bauchkrämpfe, wenn ich nicht aufpasse. Nach jetzt fast drei Jahren habe ich durch Ausprobieren fast alle Nahrungsmittel gefunden, die mir nicht gut tun. Vor allem sind dies Nüsse (frische Kokosnuss ist ganz schlimm) und Pilze in größeren Mengen sowie frisches Obst auf nüchternen Magen. Also fing ich fünf Wochen nach der OP wieder an, ganz normal zu arbeiten. Da ich im Büro tätig bin, stellte mich das auch nicht vor große, körperliche Herausforderungen. Als Kontrolluntersuchung habe ich am Anfang alle drei Monate ein CT gehabt. Nach einem halben Jahr bin ich dann zur Professor Schütte nach Düsseldorf gegangen, um eine zweite Meinung zu bekommen. Seit dieser Zeit werden die Verlaufskontrollen durch CT / MRT bei Professor Schütte durchgeführt. Der Rhythmus dieser Untersuchung ist immer noch alle drei Monate, wobei ich dreimal ein MRT mache und einmal im Jahr ein CT. Im Übrigen ging mein Leben erstmal so weiter wie vor der OP. Freunde treffen, viel unterwegs sein, etwas Sport und wenig Zeit zum Nachdenken. 15 GIST-Selbsthilfe: ein wichtiger Baustein bei der Bewältigung meiner Krankheit Auftritts www.lh-gist.org beteiligt. Rückblickend kann ich nur sagen, dass es eine der guten Entscheidungen in meinem Leben war, mich an Das Lebenshaus zu wenden und nach Bochum zu fahren. Natürlich profitiere ich auch aus der engen Mitarbeit - ich habe immer Zugang zu den neuesten Informationen und kann so meine weitere Behandlung selbst steuern und gegebenenfalls mit dem Arzt auf einer Augenhöhe über die weiteren Schritte diskutieren. Nach den Erfahrungen mit den Ärzten im Krankenhaus und der Unwissenheit der Onkologin habe ich mich dann doch dazu durchgerungen, beim Lebenshaus anzurufen. Und wie es der Zufall so will: In der Woche nach meinem Anruf sollte die regionale GIST-Selbsthilfegruppe (SHG) RheinRuhr in Bochum gegründet werden. Immer noch voller Zweifel, ob eine SHG das Richtige für mich ist, machte ich mich am 18.05.2004 nach der Arbeit auf den Weg nach Bochum. Zur Selbsthilfegruppe in Bochum gehe ich inzwischen regelmäßig und engagiere mich dort als zweiter Patientenkontakt. Es ist alles andere als ein „Kaffeekränzchen“. Wir treffen uns ca. alle sechs Wochen und tauschen uns über unsere Erkrankung mit anderen Betroffenen aus. Es gibt fast immer einen Fachreferenten für spezielle Themen wie: Entspannung, Biologische Krebsabwehr und Sozialleistungen. Die Selbsthilfe ist ein wichtiger Baustein bei der Bewältigung meiner Krankheit geworden. Der erste Eindruck bestätigte meine Vorurteile: ich war mit Abstand die jüngste Person im Raum. „Aber wenn du schon mal hier bist, kannst du dir auch den Vortrag mal anhören“. Am Anfang erzählte Vereinssprecher Markus Wartenberg Einzelheiten über Das Lebenshaus und die laufenden Projekte. Aus medizinischer Sicht kam ich an diesem Abend erstmals mit Professor Schütte in Kontakt, der als Experte für die Gruppe einen Vortrag hielt. Marathon: … nach vier Stunden und 52 Minuten zu den Siegern zu gehören! Nach diesem Abend entschied ich spontan, dass die Mitarbeit in der regionalen Selbsthilfe vielleicht nicht unbedingt mein Ding ist, ich aber auf jeden Fall etwas für Das Lebenshaus insgesamt machen wollte. So kam dann das Angebot an Markus Wartenberg zustande, das Team der Lebenshäusler aktiv zu unterstützen. Aus der Bekanntschaft mit unserem Vereinssprecher Markus Wartenberg hat sich auch noch ein ganz anderes Hobby entwickelt: das Marathonlaufen. Vor der Erkrankung bin ich immer mal wieder Laufen gegangen, aber nie mit einem wirklichen Ziel - außer dem Versuch, Gewicht zu verlieren. Im Sommer 2005 begann ich, nach meiner Erkrankung, häufiger zu laufen und bei unserem dritten Forum im Herbst 2005 in Bad Soden kam in einem abendlichen Gespräch die Idee auf, doch mal zusammen einen Marathon in Angriff zu nehmen. Bald danach stand fest, dass wir im Frühjahr 2006 den Hamburger Marathon gemeinsam bestreiten würden. Schnell wurde ich in die Planung für das 2. GISTForum für Patienten und Begleiter eingebunden. Auf der folgenden Mitgliederversammlung wurde ich dann zum Kassenwart gewählt, da der bis dahin amtierende Kassenwart das Amt aufgegeben wollte. Schnell kamen andere Aufgaben hinzu. So habe ich das Mailsystem für die Mitglieder aufgebaut und war stark an der Neugestaltung des Internet16 Am 23.04.2006 war es dann soweit. Morgens um 9.00 Uhr stand ich mit 17.127 anderen Läufern an der Startlinie und es ging endlich los. Ohne die Erkrankung und ohne die Begegnung mit Markus wäre ich wahrscheinlich nie zu der Erfahrung „Marathon“ gekommen. Es war unglaublich, die vielen Zuschauer zu erleben, die jeden Läufer anfeuern und unterstützen, das Gefühl, nach vier Stunden und 52 Minuten zu den Siegern zu gehören, weil man es über die Ziellinie geschafft hat, sind einfach unvergessliche Erlebnisse (ausführlicher Bericht im LH-Magazin Nr. 8). den anderen Tänzern und wurde voll eingebunden. So gab schon nach dem ersten Abend eigentlich kein Zurück mehr, für mindestens eine Session war ich jetzt Mitglied der Prinzengarde. Die Trainingsphase ging aufgrund der guten Atmosphäre schnell rum und bald standen wir für unseren ersten Auftritt auf der Bühne. Und was soll ich sagen: Wieder eine großartige Erfahrung, die ich ohne GIST nicht gemacht hätte. Inzwischen sind zwei Karnevals- sessionen und etliche Auftritte vorbei, ich bin immer noch aktiv und wir trainieren bereits für die nächste Saison. Selbst die Schmerzen in den Beinen nach dem Marathon haben mich bzw. uns nicht abgeschreckt, ziemlich schnell den nächsten Lauf zu planen. Der zweite Marathon fand dann im Herbst in Frankfurt statt und es war mir sogar möglich, die Zeit auf vier Stunden und 26 Minuten zu verbessern. Beim nächsten Lauf will ich unter vier Stunden kommen. Dieses Ziel, das regelmäßige Lauftraining und die tollen Erlebnisse beim Marathon hätte ich ohne den GIST sehr wahrscheinlich nicht erlebt. Hat der GIST mich verändert? Eindeutig JA! Ich habe seit dem Tag der Notoperation so viele schöne, lustige, gute aber auch traurige und schlechte Erfahrungen gemacht, das geht wohl an niemanden spurlos vorbei. Aber ich habe mich noch nie so gut und lebensfroh gefühlt wie zur Zeit. Zu vielen Dingen ist meine Einstellung wesentlich verändert worden, durch die Erfahrung einer bedrohlichen Krankheit. Ich lebe viel deutlicher im „Jetzt“ und denke viel weniger an die Zukunft. Karneval und Prinzengarde – ohne GIST hätte ich diese großartige Erfahrung nie gemacht! Kai Pilgermann Während meines Krankenhausaufenthaltes bekam ich eines Morgens einen neuen Bettnachbarn, mit dem ich mich auf Anhieb gut verstand. Aus der Bekanntschaft hat sich im Lauf der Zeit eine gute Freundschaft entwickelt. Er und seine Frau sind schon lange als aktive Tänzer im Karneval in Wesel unterwegs. Nach einem Jahr des Geschichtenerzählens hatten die beiden mich dann soweit, dass ich einmal zum Training der Prinzengarde Wesel mitgegangen bin. Ich wollte nur Zuschauen. Doch der Plan der beiden war wohl ein ganz anderer, denn schon nach zwei Minuten stand ich mitten unter Der Autor Name: Geburtstag: Wohnort: Beruf: Im Lebenshaus: GIST seit: Kontakt: E-Mail: 17 Kai Pilgermann 30.08.1976 Wesel Dipl.-Kaufmann Vorstandsmitglied, Web-Master 21.03.2004, Imatinib 400mg/Tag, Status = tumorfrei Tel.: 0179 7914291 [email protected] 01 Sa März 02 So 03 Mo 04 Di 05 Mi Fange nie an aufzuhören, höre nie auf anzufangen! (Ute, 44, GIST seit 2003) 06 Do 07 Fr Im Oktober 2003 bemerkte ich eine Wölbung auf der rechten Seite meines Bauches. Zwei Wochen später ging ich wegen Verdachts auf einen Bruch zu meinem Hausarzt. Dieser konnte mir meine Bruchdiagnose leider nicht bestätigen. Er schickte mich zum CT. Auf den Bildern sah man auf der rechten Seite meines Bauches einen riesengroßen weißen „Ball“, der alle Ärzte erstmal sprachlos werden ließ. Keiner der Ärzte konnte mir sagen, was es war. Eines war sicher: „DER gehört da nicht hin!“ Bei der Besprechung mit meinem Hausarzt war klar, das Ding muss raus. Auf Grund seiner Empfehlung entschied ich mich, die OP in der Unklinik Heidelberg durchführen zu lassen. 08 Sa 09 So 10 Mo 11 Di 12 Mi 13 Do 14 Fr 15 Sa 16 So Palmsonntag 17 Mo nicht fassen, da drei Monate zuvor die Leber absolut normal war. Mein erster Gedanke: METASTASEN! Es wurde sofort eine Leberbiopsie durchgeführt. Der Befund bestätigte es: Lebermetastasierung des schon bekannten GIST. Wieder waren die Ärzte sprachlos. Zum Glück hatte ich ein Jahr zuvor von einer Ärztin beim medizinischen Dienst die E-Mail Adresse eines GIST-Experten bekommen. Es war die Adresse von PD Dr. Peter Reichardt in Berlin. Mein Hausarzt nahm Kontakt mit ihm auf. Dann erste Hoffnung! Es gibt wohl eine Therapie. Von Dr. Reichardt erfuhren wir, dass diese Therapie in der Medizinisch-Onkologischen Tagesklinik (MOT) an der Uniklinik Ulm durchgeführt würde. Einige Tage später fuhren mein Mann und ich zur MOT und trafen dort Dr. K. Dieser erklärte uns, dass GIST per heute unheilbar ist, und in meinem Fall durch den windpockenartigen Befall nicht operabel ist. Aber er konnte uns ein wenig Mut machen: Vielleicht könne das Wachstum der Tumoren gestoppt werden. Darauf hin begann ich mit der Imatinib-Therapie im Juni 2005. Drei Monate später erfuhr ich, dass die Therapie anspricht und bis heute erfolgreich anhält. 18 Di Im November 2003 wurde also bei einer zehnstündigen OP ein doppelfaustgroßer Tumor entfernt. Die Histologie ergab, dass es sich dabei um einen Gastrointestinalen Stromatumor (GIST) der Duodenalwand am Zwölffingerdarm handelte, der CD117 / c-kit positiv war. Da der Tumor nach der feingeweblichen Untersuchung im Gesunden entfernt worden war (R0-Resektion), wurde ich im Dezember 2003 ohne weitere adjuvante Therapie5 entlassen. Ich musste lediglich vierteljährlich verschiedene Tumornachsorgeuntersuchungen machen lassen. Einen Reha-Aufenthalt lehnte ich ab, da ich nach Hause in ein gesundes Umfeld wollte. 19 Mi 20 Do 21 Fr Karfreitag 22 Sa 23 So Ostersonntag 24 Mo Ostermontag 25 Di 26 Mi 27 Do 28 Fr Im Juni 2005 war ich zur Magenspiegelung und Sonographie bei einem Gastroenterologen. Bei der Ultraschalluntersuchung der Leber entdeckte Dr. L. viele Schatten auf meiner Leber. Er konnte es gar 29 Sa 30 So Beginn der Sommerzeit 31 Mo 18 5 adjuvant: Die Wirkung einer Therapie zusätzlich unterstützend. z.B. eine Art „vorsorgliche Therapie“ 19 Psycho-Onkologie: Trotz Krebserkrankung wieder lebensfroh und glücklich Er hat mich auch auf die GIST-Selbsthilfegruppe hingewiesen. Ich nahm Kontakt zum Lebenshaus auf und merkte: Ich bin nicht allein mit GIST. Es wurde mir auch klar, wie wichtig es ist, von einem echten GIST-Experten behandelt und begleitet zu werden. Bei einer Veranstaltung vom Lebenshaus hörte ich einen Vortrag von Dr. Schlemmer. Gerade zu dieser Zeit hat mein betreuender Onkologe die Uniklinik Ulm verlassen. Für mich war klar, wenn ich einen Termin im Klinikum Großhadern bei Dr. Schlemmer bekomme, lasse ich mich künftig dort behandeln. Schon das erste Telefonat war positiv und auf bauend. Es führte dazu, dass ich bis heute dort begleitet werde. Diese zweite Diagnose belastete mich psychisch sehr stark. Trotz der positiven Nachricht über das Ansprechen der Imatinib-Therapie hatte ich Todesängste. Ich fand mich im Alltag nicht mehr zurecht, wurde kraftlos und litt unter Fatigue6. Im September 2005 war ich bei meinem Hausarzt, um die Blutwerte zu besprechen. Er kennt mich schon seit über 20 Jahren und stellte fest, dass meine Lebensqualität erheblich unter der Erkrankung litt. Er empfahl mir, eine Psychotherapie zu machen. Ich war sehr skeptisch und nicht davon überzeugt, dort Hilfe zu bekommen. Ich sagte zu ihm: „Ich brauche niemand, der mit mir meine KindergartenProbleme aufarbeitet. Ich brauche jemand, der mir hilft, mit meiner Erkrankung und meiner jetzigen Lebenssituation fertig zu werden!“ Dr. Sch. klärte mich über die Psychoonkologie auf und dass es eine Praxis ganz in unserer Nähe gibt. Ich ließ mich überzeugen und war bereit für ein erstes Gespräch in dieser Praxis bei Dr. W.! Zusätzlich zu meiner GIST-Erkrankung kam ich ungewöhnlich schnell in die Wechseljahre. Eine Hormonuntersuchung beim Gynäkologen ergab, dass meine Hormonwerte denen einer Frau in den Wechseljahren entsprachen. Er empfahl mir, eine Hormonersatztherapie durchzuführen. Auch er kannte mich schon sehr lange und stellte eine negative psychische Veränderung bei mir fest. Diese könne tatsächlich hormonell bedingt sein, wie er meinte. Nach Rücksprache mit meinem Onkologen, der die Hormonersatztherapie sofort befürwortete, begann ich Anfang 2006 mit dieser zusätzlichen Therapie. In meinem Fall spricht die Therapie bis heute nur positiv an. Ich denke sogar, sie hat mich vor einer beginnenden Depression bewahrt. Schon das erste Gespräch war für mich so befreiend, dass mir klar wurde, das könnte ein Weg für mich sein. Herr Dr. W. war vor Jahren selbst an Krebs erkrankt und ich fühlte mich von ihm sofort verstanden. Vieles, was er mir mitteilte, traf zum Teil auf mich in gleicher Weise zu. Ziel der Therapie war in erster Linie, Bewältigungsstrategien für mich und meine Erkrankung zu erarbeiten. Heute weiß ich, dass ich es mitunter ihm zu verdanken habe, trotz meiner Krebserkrankung wieder lebensfroh und glücklich zu sein. Seit Oktober 2005 werde ich psychoonkologisch begleitet. Jedem, der sich in ähnlicher Situation befindet kann ich nur empfehlen sich einen Psychoonkologen zu suchen. Einen Versuch ist es wert. Ich fühle mich heute wie neugeboren. Heute ist mir auch klar, dass der GIST nicht für alle Symptome in meinem jetzigen Lebensabschnitt verantwortlich ist. Es ist wichtig Körper, Geist und Seele ganzheitlich zu betrachten. Fatigue: Besonders quälende Müdigkeit. Kommt entweder durch die Krebserkrankung selbst oder als Nebenwirkung (und Folge) einer Therapie. 6 20 Ich habe die Kraft, wieder mein Leben zu genießen. zurück in den Alltag, arbeiten. Dann wird schon alles wieder wie früher werden. Für eine Reha war ich nicht bereit. Ich kämpfte und schaffte es bereits ab März 2004, wieder voll zu arbeiten. Ich danke jeden Tag, dass ich noch hier sein darf und lebe sehr bewusst im Heute. Seit meiner Erkrankung habe ich, was die zwischenmenschlichen Beziehungen betrifft, sehr viel dazugelernt. Ich bin mit mir zufrieden und habe als Kraftquelle die Natur entdeckt. Es war ein schwerer, holpriger Weg bis dahin, immerhin habe ich fast 4 Jahre gekämpft und ich kämpfe weiter; es lohnt sich! Aber es wurde nichts mehr wie früher. Meine Energie kam nicht zurück. Erschöpft und kraftlos schleppte ich mich täglich zur Arbeit. In meiner Freizeit konnte ich fast gar nichts mehr unternehmen, meine Freunde und Bekannten hatten nicht wirklich viel Verständnis für mich. Klar ich funktionierte ja auch nicht mehr für sie wie früher. Im Juli 2004 war es dann soweit. Ich bekam eine Sommergrippe, von der ich mich lange nicht erholte. Mein Mann und ich beschlossen dann, während unseres Segelurlaubes am Bodensee, dass ich mir einfach mal eine Auszeit nehme, um wieder Kraft und Energie zu bekommen. Chronologie August 2003: Ich feierte meinen 40. Geburtstag. Bis dahin war für mich und meine Familie die Welt in Ordnung. Glücklich verheiratet, eine gesunde tolle 20-jährige Tochter, im Job sehr erfolgreich, finanziell keine Probleme, wir waren rundum zufrieden. Es funktionierte! Im September 2004 kündigte ich meine Arbeitsstelle. Mein Hausarzt befürwortete meine Entscheidung. Er meinte, es sei gut, dass die Entscheidung von mir selbst kam, sonst hätte ich die ganze Situation nie akzeptiert. Die Nachsorgeuntersuchungen waren seit meiner Entlassung von Heidelberg nicht auffällig. Es waren keine Tumoren sichtbar. Oktober 2003: Von heute auf morgen traf mich die Diagnose wie ein Blitz: Weichteiltumor, Verdacht auf Krebs. Bis dahin hatte ich keinerlei gesundheitliche Probleme oder irgendwelche Anzeichen, schwerkrank zu sein. Wegen der Größe des Tumors entschied ich mich, die OP in der Uniklinik Heidelberg durchführen zu lassen. Durch meine bereits damals in der Sache pedantische Art, erhielt ich relativ schnell einen Termin. Die OP überstand ich ohne Komplikationen. Das Ärzte- und Pf legeteam auf der onkologischen Chirurgie war einfach perfekt. Das gesamte Team hat sich sehr einfühlsam und kompetent um mich bemüht. Von September 2004 bis Januar 2005 war ich zu Hause. In dieser Zeit bekam unsere Familie Zuwachs. Der acht Wochen alte Boxerrüde „Ferrit“ zog bei uns ein. Die Freude war groß. Das Hundebaby tat mir nur gut. Er lenkte mich ab und hielt mich auf Trapp, manchmal mehr, als mir recht war. Ende 2004 machte die Krankenkasse Druck. Nach Rücksprache mit dem medizinischen Dienst einigten wir uns auf eine Halbtagesstelle. Ich fand schneller als gedacht einen Job, der mir sehr viel Spaß machte. Die Aufgabe bestand in der Organisa- Die vielen schwerkranken Menschen auf der Station, mit denen ich auf einmal konfrontiert war, belasteten mich sehr stark. Ich hatte nur ein Ziel: So schnell wie möglich nach Hause, fit werden und 21 tion von Messen und Ausstellungen. So ließ es sich leben: Vier Stunden arbeiten, den restlichen Tag Zeit für mich, viel im Freien und in der Natur mit unserem Hund. Kraft und Energie kamen langsam wieder zurück. Zwar nicht mehr so wie früher, aber immerhin es ging aufwärts. Der Druck wurde immer größer und ich immer einsamer. Das Schauspielen kostete viel Kraft, die hatte ich aber nicht. Am wohlsten fühlte ich mich bei den Waldspaziergängen mit unserem Boxer Ferrit. Wir waren stundenlang in der Natur. Dies war die einzige Kraftquelle, die ich noch hatte. Ferrit war und ist bis heute mein bester Krankenpf leger! Er bringt mich zum lachen. Er tröstet mich. Er freut sich immer, wenn er mich sieht. Er strotzt vor Energie und fordert mich auf, aktiv zu sein. Er tut mir ganz einfach gut. Ich kann es nicht aufs Papier bringen, wie wichtig er für mich war und heute noch ist. Trotzdem löste das alles nicht meine Alltagsprobleme. Gott sei Dank bemerkte mein Hausarzt die Veränderung an mir und riet mir, eine psychoonkologische Therapie zu machen. Ich bin froh, dass ich den Mut dazu gefasst habe. Dann im Juni 2005 die erneute Diagnose: Metastasen. Wieder wie vom Blitz getroffen, ich konnte es gar nicht glauben, es schien doch alles wieder gut zu werden. Ich hatte zum ersten Mal Todesangst. Ich versuchte, ganz stark zu sein. Halt fand ich in meiner Familie. Nur mit meinem Mann und unserer Tochter konnte ich darüber reden. Sie machten mir viel Mut und gaben mir das Gefühl: Wir sind bei Dir, egal was kommt. Und wir schaffen das. Ansonsten teilte ich mich niemandem mit. Ich hatte sogar Angst, mit meinen Eltern darüber zu reden. Besser gesagt: es fehlte mir die Kraft dazu. Meine Eltern waren ebenfalls gesundheitlich angeschlagen und ich wollte sie nicht noch mit mir belasten. Also versuchte ich, ganz normal weiterzuleben. In der Firma schwieg ich auch darüber, weil ich aus Erfahrung wusste, dass für Kranke wenig Verständnis erwartet werden kann. Erster Schritt war natürlich, meine Eltern zu informieren, und somit das Versteckspiel zu beenden. Nachdem dies geschehen war, merkte ich, wie befreit ich war. Verblüffend war für mich auch, dass die Reaktionen meiner Eltern ganz anders waren wie von mir erwartet. So „outete“ ich mich nach und nach in meinem Umfeld. In der Firma sprach ich erst über meine Erkrankung, als ich meine Arbeitsstelle kündigte. Im Januar 2006 hatte ich mich entschlossen, meine verbleibende Kraft mir und meiner Familie zu widmen. Mit dem Erscheinen der Metastasen wurde mir das Medikament Imatinib verschrieben. Dieses habe ich bis heute relativ gut vertragen. Die Nebenwirkungen (Ödeme in den Augenlidern, Fatigue und manchmal Übelkeit) habe ich gut im Griff. So kam es, dass ich mich, ohne es zu merken, zu verstecken begann und mich für mein Umfeld nicht nachvollziehbar veränderte. Gekannt hatte man mich als offenen, lebenslustigen Menschen. Ich wurde verschlossen, war traurig, konnte mich nicht mehr freuen und hatte Angst vor den Reaktionen, vor dem Tod und davor, dass meine Eltern es von Anderen erfahren würden. Viele meiner „Freunde“ blieben auf der Strecke. Sie waren mit mir und meiner Erkrankung überfordert. Seltsam war für mich auch, dass auf einmal alle Menschen mit mir über ihre Krankheiten sprachen. Egal wo ich war, wen ich traf, jeder hatte für mich seine Krankengeschichte parat. Ich vermute, sie wollten mich damit trösten, dass es Ihnen auch schlecht geht. Ich fühlte mich dabei natürlich überhaupt nicht wohl und konnte mit diesen für mich sehr belanglose Krankheiten relativ wenig anfan22 gen. Sehr schnell merkte ich auch, dass viele Bekannte mir aus dem Weg gingen. Sie konnten mich nicht einschätzen, da ich äußerlich überhaupt nicht dem Bild einer Krebskranken entsprach. Ich stellte fest, dass Krebs in der heutigen Zeit leider immer noch ein Tabuthema ist. Ich verzeihe ihnen, ich war ja selber lange Zeit damit überfordert. Poesie, Qi-Gong und Meditation als Kraftquellen Die Autorin Name: Geburtstag: Wohnort: Familie: Kinder: Haustiere: Beruf: GIST seit: Kontakt: E-Mail: Als nächsten Schritt lernte ich in der Psychoonkologischen Therapie, mich abzugrenzen. Ich bekam eine ganz andere Einstellung zum Leben und zum Tod. Langsam aber sicher bekam ich meine innere Stärke zurück. Die unkontrollierbaren Gefühlsausbrüche bekam ich in Griff, indem ich begann, Gedichte zu schreiben. Ich konfrontierte mich dadurch mit meiner Erkrankung, indem ich mir „einen Reim darauf “ machte. Ich belegte einen Qi-Gong Kurs, begann zu meditieren und wurde immer aktiver. Die Angstzustände verloren sich langsam. Aussagen von anderen wie z.B.: „Du hast es ja noch gut, musst keine Chemotherapie machen, hast ja deine Haare noch….“ verletzen mich heute nicht mehr. Ich könnte Seiten darüber füllen, was ich in dieser Zeit alles erlebt habe. Heute habe ich wieder ganz tolle Sozialkontakte geknüpft und ganz liebe einfühlsame Menschen kennen gelernt. Die Psychoonkologie hat mir beim Kampf zurück ins Leben geholfen. Sie unterstützt mich heute immer noch vor und nach meinen Untersuchungen. Diese Zeit ist immer sehr belastend für mich. Am glücklichsten sind wir, wenn wir erfahren, dass ich wieder ein Vierteljahr Leben geschenkt bekomme! Nach dem Motto: Fange nie an aufzuhören, höre nie auf anzufangen. Ute Angerer 23 Ute Angerer 28.08.1963 Aulendorf Verheiratet 1 Tochter 1 Hund 10 Jahre im elterlichen Busunternehmen 10 Jahre als Vertriebsleiterin in einem Verlag für mediz. Bücher 1 Jahr halbtags als Messeorganisatorin seit 1/2006 nicht mehr berufstätig November 2003, OP Tumorfrei bis Juni 2005 Metastasen auf der Leber seit Juni 2005 Imatinib 400mg/Tag bis heute Tel.: 07525 2365 [email protected] 01 Di April 02 Mi 03 Do 04 Fr Wir holen uns im Gebet neue Kraft… (Ursula, 45, GIST seit 2001) 05 Sa 06 So 07 Mo Als ich im April 2001, zehn Monate nach der Geburt meines dritten Kindes, die Diagnose GIST gestellt bekam, war mein erster Gedanke: „Warum schenkt mir Gott noch ein Kind, und macht mich dann so krank?“ Heute, fünfeinhalb Jahre nach dieser Diagnose, habe ich wieder sehr viel Gottvertrauen und glaube daran, noch lange leben zu dürfen. 08 Di 09 Mi 10 Do 11 Fr 12 Sa 13 So sen) hatte, wobei ich sehr viel Blut verlor. Der HBWert betrug bei meiner Einlieferung 7,2 – (normal ist 13 - 18). Es ging weiter mit den Untersuchungen – neuerliche Gastroskopie, CT, EKG usw. Nach einer Woche stand fest, dass mir der Magen entfernt werden muss. Die Operation erfolgte am 6.4.2001 (Gastrektomie, Lymphadenektomie und Thrombektomie). Nachdem die Befunde ausgewertet waren, stellte sich heraus, dass ich an einem GIST mit multipler Leber- und Lungen-Metastasierung leide. Zum damaligen Zeitpunkt stand fest, dass neben der chirurgischen Resektion (Entfernung) keine sinnvolle Therapieoption für GIST besteht. Mein behandelnder Arzt Professor Dr. Wolfgang Hilbe wusste jedoch von einem Medikament, das bei dieser Art von Tumor eingesetzt wird. Da das Medikament zu diesem Zeitpunkt in Österreich jedoch noch nicht zugelassen worden war, musste er Erkundigungen einholen. Inzwischen durfte ich (acht Tage nach der Operation) nach Hause, um mich zu erholen. Es war jedoch sehr schwierig ohne Magen, da ich nur winzige Mahlzeiten (acht bis zehn Mal am Tag) zu mir nehmen konnte. Vieles vertrug ich überhaupt nicht, einiges nur sehr schwer. Während dieser Zeit nahm mein Arzt Kontakt mit dem Klinikum der Universität München-Großhadern auf und bekam für mich einen Platz in der EORTC Studie 62005. Am 27.3.2001 hatte ich einen Termin beim Internisten, da ich mich in der letzten Zeit eher schwach gefühlt und seit einigen Tagen an Durchfall und Schmerzen im Oberbauch gelitten hatte. Ich vermutete, dass ich an Eisenmangel litt. 14 Mo 15 Di 16 Mi 17 Do Nachdem eine Ultraschalluntersuchung gemacht worden war, überwies mich der Arzt sofort in die UniKlinik Innsbruck (Gastroambulanz). Dort wurden sogleich ein großes Blutbild und eine Gastroskopie gemacht, aufgrund derer die Ärzte eine Magenblutung feststellten. Ich wurde umgehend stationär aufgenommen. Da auch eine Thrombose in der Pfortader festgestellt worden war, bekam ich Blutverdünnungsmittel. Dadurch wurde allerdings die Magenblutung verstärkt, durch die ich sehr viel Blut verlor. Somit verbrachte ich die erste Nacht auf der Intensivstation, wo ich Blutkonserven bekam. Am nächsten Morgen wurde ich auf die Normalstation verlegt und meine Krankengeschichte wurde aufgenommen. Bis auf die starken Durchfälle der letzten Tage, die mich sehr schwach gemacht hatten, hatte ich bis dato keine Beschwerden, erst recht keine Magenschmerzen. Mir wurde erklärt, dass ich schon zu Hause Magenblutungen (diese wären am Teerstuhl zu erkennen gewe- 18 Fr 19 Sa 20 So 21 Mo 22 Di 23 Mi 24 Do 25 Fr 26 Sa 27 So 28 Mo 29 Di 30 Mi 24 Am 17.5.2001 wurde ich im Klinikum Großhadern stationär aufgenommen. Nach dem Zufallsprinzip wurde ich der Gruppe 2 zugeteilt. Ich musste vier 25 01 Do Tag der Arbeit / Christi Himmelfahrt Mai 02 Fr Tabletten STI571 (heute Imatinib) morgens nach dem Frühstück und weitere vier Tabletten abends nach dem Abendessen einnehmen. Die Nebenwirkungen des Medikaments wurden von Tag zu Tag stärker. Dazu kamen die Schwierigkeiten, mit denen man ohne Magen zu kämpfen hat. Nach einer Woche wurde ich nach Hause entlassen, im Gepäck das Medikament für die nächsten zwei Monate. gibt nach wie vor viele Höhen und Tiefen in meinem Leben. Am Anfang meiner Krankheit nahm ich auch psychoonkologische Betreuung in Anspruch. Aber bald wurde mir klar, dass ich es auch alleine bzw. mit Unterstützung meiner Familie und meiner Verwandten schaffe, die mir sehr großen Halt geben. 03 Sa 04 So 05 Mo 06 Di 07 Mi Ja, das Leben hat sich seit dieser erst niederschmetternden Diagnose GIST verändert. Aber trotzdem liebe ich das Leben und die Menschen, die zu meinem Leben gehören. Ich versuche, so gut es geht „normal“ zu leben. Ich mache mit meiner Familie Urlaub, gehe gerne in die Berge oder lade Freunde zu mir nach Hause ein. Ich bin mit Leib und Seele Hausfrau und Mutter. In unserer Gemeinde gibt es einen kleinen Wallfahrtsort, den mein Mann und ich sehr gerne aufsuchen. Dort holen wir uns im Gebet neue Kraft, um immer weiter zu kämpfen und niemals aufzugeben. Ich hoffe und wünsche mir von ganzem Herzen, dass mir Gott noch viele schöne Jahre im Kreise meiner Familie schenkt. Dies wünsche ich auch allen Patienten und ich appelliere hiermit auch an sie, die Hoffnung niemals aufzugeben. Zu Hause wurde es noch schlimmer, ich konnte auch nur mehr wenig Flüssigkeit bei mir behalten und hatte ständig Durchfall. Mein behandelnder Arzt in Innsbruck nahm darauf hin Kontakt mit München auf und bat um Reduzierung auf vier Tabletten täglich. Damals wog ich noch 45 kg bei einer Größe von 167 cm. Von da an ging es mir ein kleines bisschen besser. Alle zwei Monate musste ich zur Kontrolle nach München, wo ich einer genauen Untersuchung unterzogen wurde. Das Ergebnis war für mich jedes Mal positiv, da keine wesentlichen Befundveränderungen vorlagen. Im Laufe der Zeit wurden auch die Nebenwirkungen des Medikaments erträglicher und ich hatte endlich wieder Lust zu essen. Nachdem im März 2003 meine Krankenkasse die Kosten für weitere Untersuchungen in München nicht mehr übernahm und das Medikament nun auch in Österreich erhältlich war, wurde ich fortan wieder in Innsbruck untersucht. Bis heute nehme ich täglich nach dem Frühstück 400 mg Imatinib. Die Nebenwirkungen sind so gut wie verschwunden. Auch mein Gewicht, das mittlerweile wieder 51 kg beträgt, kann ich relativ gut halten. Obwohl bei den Kontrolluntersuchungen immer wieder kleine Veränderungen entdeckt werden, zeigt sich weiterhin eine stabile Erkrankungssituation. Nach meiner Diagnose „Krebs“ war ich vorerst am Boden zerstört. Doch bald wusste ich, dass ich mit allen Mitteln gegen diese heimtückische Krankheit kämpfen musste. Ich tue das ganz besonders für mich, meinen Mann und meine drei Kinder. Es Ursula Riedl Die Autorin Ich heiße Ursula Riedl, geb. am 18.10.1962 in Innsbruck, wohne in St. Jodok, ca. 20 km von Innsbruck entfernt, bin seit 20 Jahren verheiratet und habe 2 Töchter im Alter von 19 und 21 Jahren und einen Jungen von 6 Jahren. Meinen Beruf als Sekretärin übte ich vor, zwischen und nach den Geburten meiner Töchter aus. Mein größtes Hobby ist meine Familie. Ich koche sehr gerne, lese, wenn ich Zeit habe, auch gerne ein gutes Buch, gehe gerne Wandern und in den Wald, um Beeren oder Pilze zu sammeln. 26 08 Do 09 Fr 10 Sa 11 So Pfingstsonntag / Muttertag 12 Mo Pfingstmontag 13 Di 14 Mi 15 Do 16 Fr 17 Sa 18 So 19 Mo 20 Di 21 Mi 22 Do Fronleichnam 23 Fr 24 Sa 25 So 26 Mo 27 Di 28 Mi 29 Do Im Lebenshaus: Patientenkontakt der 30 Fr GIST-Selbsthilfegruppe Tirol/Österreich 31 Sa 27 Das Leben im „Jetzt und Heute“ ist angesagt. (Ursula, 42, GIST seit 2006) Im Februar 2006 war ich mit meinem Lebensgefährten Manfred auf den Philippinen. Es ging mir gut, aber ich hatte ab und zu eigenartiges „Bauchzwicken“. Anfang März ging es mit Bauchweh, Blähungen, Schmerzen in der Beckengegend, weiter. Ab und an hatte ich Durchfall, immer ein Gefühl der Völle und wenig Appetit. Dazu kam ein ständiges Ziehen in der Nierengegend. Mein Bauch wirkte wie angeschwollen. Als ich eine ganze Nacht nicht geschlafen hatte, entschloss ich mich, zum Frauenarzt zu gehen. Vielleicht eine Blasenentzündung? Im Ultraschall: „freie Flüssigkeit“ im Bauchraum. Der Gynäkologe überwies mich sofort an das Landeskrankenhaus Salzburg. Noch am selben Tag wussten die Ärzte: „Hier ist etwas, wir wissen aber nicht, was es ist“. Blutabnahme. Einweisung für kommenden Montag, fünf Tage später. „schöne Grieche“ vermittelte mir die Diagnose. Den Herrn Primar traf ich zufällig auf dem Krankenhausf lur – er sagte das Gleiche. Dass „alle so froh sind, dass es kein Eierstock-Karzinom sei, denn dann wäre es zu spät gewesen“. Übers Wochenende durfte ich nach Hause. Ich war nervös und konnte nicht schlafen. Es folgte eine Magen- und Darmspiegelung. Ein kleiner „Punkt“ am Dünndarm. Wahrscheinlich der Primärtumor. Bei einem Termin in der Chirurgie wurde mir erstmals halbwegs erklärt, was GIST ist. „Sie kommen in das Tumor-Board nächsten Montag. Dort wir in einer Expertenrunde entschieden, wie onkologisch fortgefahren wird. Eine OP ist nicht vorgesehen, weil die Tumore zu stark durchblutet sind und ihr Bauchfell zu viele Tumore beinhaltet“. „Es wird schon nichts Schlimmes sein“, meinten alle. Ich hatte kein gutes Gefühl. Dann das CT: Eierstock-Karzinom in fortgeschrittenem Stadium, der Bauchraum voller Metastasen. Der Herr Primar teilte mir im Beisein von zwei Ärzten und drei Krankenschwestern die Diagnose mit: „Krebs, es schaut schlecht aus. Er ist sehr weit fortgeschritten. Es wird eine sehr große Operation. Wir werden versuchen, was wir tun können.“ Das Wochenende verbrachte ich damit, mich im Internet über GIST zu informieren. Las alles über Das Lebenshaus und lernte, dass herkömmliche Chemound Strahlentherapien bei GIST nichts bringen. Beim folgenden Termin auf der Onkologie traf ich auf einen netten Onkologen, der selbst krank war und an Parkinson litt – mit 42 Jahren! Er erklärte mir alles Mögliche über eine Chemotherapie, die mir bevorstünde. „Vielleicht werden „Strahlen“ eingesetzt.“ Er sprach von Haarausfall, Mundgeschwüren, usw. Dann fragte ich: „Und was ist mit Imatinib?“ Ich ließ nicht locker und sagte ihm, dass ich das im Internet gelesen hätte. Er: „Ein Am übernächsten Tag machte man eine Biopsie. Ein Gynäkologe, ein fescher, schwarzhaariger Grieche, hatte sich der Meinung des Herrn Primar widersetzt. Er wollte auf keinen Fall eine voreilige OP. Dann „endlich“ das Ergebnis: GIST. Der 28 ausgezeichnetes Medikament, in Österreich aber noch nicht zugelassen“. Ich widersprach ihm, worauf er ans Telefon ging und mit der Krankenkasse telefonierte. Mir wurde inzwischen Blut abgenommen. Er kam zurück - mit der Bewilligung der Krankenkasse in der Hand und sagte: „Das werden wir schon schaffen.“ an bin ich müder als die anderen. Blähungen kriege ich nach fast jedem Essen, das verursacht auch anständig Schmerzen, die geschwollenen Augen habe ich immer noch. Aber wenn ich nicht öfters Bauchschmerzen und Durchfall hätte und die dicken Augen nicht wären, dann würde ich fast vergessen, dass ich unheilbar krank bin. Gegen Konzentrationsschwierigkeiten, die ich unumstritten manchmal habe, hilft es mir, mich ganz stark zusammen zu reißen. Und meine Schlafschwierigkeiten bekämpfe ich mit Baldrian-Hopfen-Kapseln. Dank meiner Hartnäckigkeit nehme ich nun seit Ende April 2006 täglich 400mg Imatinib. Die ersten drei Wochen waren schlimm: Übelkeit, Bauchkrämpfe, Durchfall und ein ständiger Schmerz im Bauchraum. Die Beine und Füße schwollen an, die Augen waren dick, ich sah schlecht und litt unter Schwindel. Aber ganz langsam wurde es besser. Mein dicker Bauch wurde dünner. Tag für Tag. Ich hatte fast keine Schmerzen mehr und begann, mich wieder mich zu bewegen, und an die frische Luft zu gehen. Ich gewann meine Lebenslust zurück. Im Herbst 2006 war ich in Ägypten beim Schnorcheln, Anfang 2007 in Laos und Thailand und vor vier Wochen in der Türkei. Ich konnte alle Urlaub genießen - so wie vorher. Anders ist, dass ich pünktlich um 13.15 Uhr meine Tabletten zu mir nehme. Und ich kriege wieder 60 (!) Kilo auf die Waage! Zwei Monate später hatte ich die erste Kontrolluntersuchung. Es war kaum zu fassen: Beinahe alle „Auffälligkeiten“ waren weg! Es wurde entschieden, dass wir mit der Therapie weitermachen. Die Termine, die Zusammenarbeit mit meinem Onkologen gestalten sich gut. Ich muss nie lange warten und darf alles fragen. Er nimmt sich Zeit und vermittelt mir nie das Gefühl, dass er in Eile ist oder dass ich ihm lästig bin. Heute schreiben wir den 7.11.2007, meine dreimonatigen Becken-, Abdomen- und Thorax-CTs sind immer noch unauffällig, meine Blutbefunde recht anständig – nichts Beunruhigendes. Dann fuhr ich für drei Wochen in ein Erholungsheim in den Berge. Das tat mir gut. Ich begann, immer mehr von meiner Kraft zurück zu gewinnen. Die Küche in diesem Erholungsheim der Krankenkasse war sehr gut. Ich war den ganzen Tag auf den Beinen, begann wieder an Gewicht zuzunehmen. Als ich im März 2006 ins Krankenhaus gekommen war, hatte ich bei 170 cm Größe ein Gewicht von 48 Kilo. Mehr muss ich, glaube ich, nicht sagen… Seit der Diagnosestellung ist einige Zeit vergangen und ich weiß, dass es viele andere, schlimme Verläufe gibt, auch bei mir wird die Zeit wieder kommen, das sehe ich nicht blauäugig. Mein Onkologe schon gar nicht. Weil nicht alle GIST-Verläufe gleich sind, bin ich sehr froh über meinen momentanen Zustand. Ich schätze dies jeden Tag mehr. Seit dem 20. August 2006 arbeite ich wieder. Ganztags und ohne zu „schwächeln“. Nach der Einnahme von Imatinib wird mir manchmal etwas übel, dagegen nehme ich „Zofran-Zydis“, ab und 29 01 So Juni 02 Mo Vielleicht kann diese Tatsache auch anderen ein wenig Mut machen. Das Leben im „Jetzt und Heute“ ist angesagt. Was morgen kommt, wissen wir alle nicht – und das gilt ja nicht nur für GIST-Patienten! dass „mein direkter Arbeitsplatz“ gesichert ist und ich dahin zurückkehren kann. Das ist nicht selbstverständlich. Das war ein gutes Gefühl, für das ich heute noch dankbar bin. Ich habe viele gute Tage. Aber manchmal wache ich in der Früh auf und frage mich: „WARUM ICH?“ Und: „WIE WIRD ES WEITER GEHEN?“ Doch dann beginnt der Tag, mit seinem normalen Ablauf, es geht mir eigentlich recht gut und alles scheint nicht mehr so schlimm. Verdrängen ist manchmal hilfreich. Nur so kann ich es mir persönlich ermöglichen, das Leben „normal“ zu führen. Ich denke, wir sollten uns gemeinsam Mut machen! Aufgeben nützt nichts! Und Danke auch an Das Lebenshaus für all seine so wichtigen und immer aktuellen Informationen. Danke für diese Unterstützung, die man immer in Anspruch nehmen kann. Es ist so wichtig, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen! Es ist ein sehr gutes Gefühl, hier Bewohner zu sein! 03 Di 04 Mi 05 Do 06 Fr 07 Sa 08 So 09 Mo 10 Di 11 Mi 12 Do Eine weitere Überzeugung hilft mir: Es kommt wie es kommt. Ändern kann ich die Situation nicht, auch den Fortgang meiner Krankheit nicht. Aber ich kann hoffen, dass die Medizin einmal so weit fortschreitet, dass mir immer wieder ein Stück weiter geholfen werden kann. Ich denke mir, dass es wichtig ist, mental nicht aufzugeben. Ursula Steiner 13 Fr 14 Sa 15 So Die Autorin Name: Geburtstag: Wohnort: Familie: Beruf: Hobbies: GIST seit: E-Mail: Meine schönste Erfahrung ist, dass ich es schaffe, manche Dinge gelassener zu sehen. Ich danke so vielen Menschen in meinem Umfeld. Meinen Eltern, die die ersten zwei, drei Therapie-Wochen mit mir durchgestanden haben: Kochen, streicheln, gut zureden, Bett frisch überziehen. Sie hätten mir die Krankheit am liebsten abgenommen. Ich wünschte mir nichts mehr, als dass ich ihnen diese Zeit hätte ersparen können. Meinem Partner, der meine körperlichen und emotionalen Hoch- und Tiefgänge bis heute noch erträgt. Meinem Bruder, der mir mental immer wieder auf die Sprünge half. Meiner Nichte Daniela und meinem Neffen Linus und meiner besten Freundin Gitte. Meinen Kollegen in der Firma, die mir von Anfang an beigestanden sind, aber auch meinem Arbeitgeber, der mir zum Zeitpunkt der Diagnose sofort vermittelt hat, Ursula Steiner Jahrgang 1965 Salzburg, Österreich ledig, keine Kinder, seit 10 Jahren Lebensgefährte, Manfred, 46 Jahre Bankangestellte Reisen (Asien!), Wandern, Rad fahren, Schwammerl-Suchen, Langlaufen, meine Familie April 2006 [email protected] 16 Mo 17 Di 18 Mi 19 Do 20 Fr 21 Sa Sommeranfang 22 So 23 Mo 24 Di 25 Mi 26 Do 27 Fr 28 Sa 29 So 30 Mo 30 31 Gerade die Angehörigen sind es, die selbst viel Mut brauchen… (Martina, 40, GIST seit 2005) Meine „GIST-Geschichte“ begann im Oktober 2005. Bei einer vaginalen Ultraschalluntersuchung durch meine Gynäkologin wurde ein unbekannter Tumor erstaunlicher Größe festgestellt. Abgekapselt, inhomogene Echostruktur. Ich war beunruhigt, dachte aber nicht an Krebs. Tags darauf musste ich ins Krankenhaus zur vorstationären gynäkologischen Untersuchung: Verdacht auf gutartigen Eierstock-Tumor (Dermoid-Tumor) aufgrund seiner Echostruktur im Ultraschall. Übers Wochenende wurde ich beurlaubt und ging nach Hause. Stundenlange Recherchen im Internet führten zu nichts. Am Sonntagabend rückte ich wieder ein und konnte mich kaum noch beruhigen. Für den nächsten Tag war ein CT geplant. Danach kam die Radiologin zu mir und sagte, dass sie nur einen großen Tumor sehen würde, ansonsten wäre nichts zu erkennen. Dies zeigte auch die durchgeführte Bauchspiegelung vor einer Woche: Eine Geschwulst, aber nichts Verdächtiges auf anderen Organen. Beruhigt hatte mich das zwar, aber nicht wirklich. Denn mir wurde schlagartig klar, dass ich um eine große Bauch-OP nicht mehr herumkam. Mehrere weitere Untersuchungen und Ultraschall durch den Chefarzt und andere Ärzte schienen den Verdacht zu bestätigen. Vorsorglich wurden Tumormarker bestimmt, die jedoch in Ordnung waren. Die Größe der „Raumforderung“ betrug in etwa 10x7x7 cm. Geplant wurde die Entfernung des Tumors durch eine Bauchspiegelung. Als ich aus der Narkose erwachte, wurde ich mit den Worten „Sie haben zwei wunderschöne Eierstöcke“ begrüßt. Folglich war der Tumor noch drin. Er konnte nicht entfernt werden, war aber gut sichtbar, nämlich aufsitzend auf dem Darm unter dem Bauchfell. Unsicherheit machte sich in mir breit. Ich wollte nur noch nach Hause. Die Frage, ob bösartig oder nicht konnte mir niemand beantworten. „Wir sind alle sehr gespannt, was Sie haben!“ Ratlose Ärzte??!! Dass ich im Laufe der folgenden Woche das Zimmer nacheinander mit drei krebskranken Frauen teilen musste, trug nicht gerade zur besseren Laune bei. Am nächsten Tag nach dem CT wurde eine Darmspiegelung gemacht. Das Abführmittel trank ich literweise, die Nerven lagen blank. Von der Darmspiegelung selbst merkte ich nichts. Befund: Tumor sitzt auf dem Darm auf, kein Gewebe ist infiltriert! Mir drängten sich langsam Gedanken auf: Was tue ich, wenn es bösartig ist?, Was wird dann aus den Kindern?, Wie lange lebe ich noch?. Die Darmspiegelung war spät am Nachmittag, so dass die konkreten Ergebnisse nicht mehr rechtzeitig für die OP am nächsten Tag da waren. Der OP-Termin wurde somit einen weiteren Tag verschoben. Die Anspannung stieg. Noch dazu wurde mir der Platz für ein Dünndarm-Stoma und für ein Enddarm-Stoma „für alle Fälle“ mit dickem schwarzen Edding auf den Bauch gemalt. Auf klärungsgespräche über Port, Chemo und auch über die künstlichen Darmausgänge machten mir langsam bewusst, was im schlimmsten Fall auf mich zukommen könnte. 32 Eine Nacht vor der OP nahm ich das erste Mal in meinem Leben eine Schlaftablette. Gegen vier Uhr wurde ich hellwach, lauschte auf die Schritte der Schwestern, stellte mich schlafend, wenn die Nachtschwester zu mir herein sah und machte mir fast in die Hosen vor lauter Angst vor der OP. Bisher war ich noch nie im Leben ernsthaft krank, eine OP in diesem Ausmaß musste ich nie über mich ergehen lassen. Der Tag der OP begann. Ich kam als erstes dran, halb acht Uhr, Schnitt war für halb neun angesetzt. Bei der OP waren der Chefarzt der Frauenklinik, meine behandelnde Ärztin und natürlich der Chirurg anwesend. Meine Beruhigungstablette wirkte noch nicht. Ich kam also völlig klar und ohne „Wurschtigkeitsgefühl“ in die OP-Vorbereitung, wurde verkabelt, hatte ständig eine Uhr vor Augen. Dennoch begriff ich schnell, dass das, was ich hatte, außerordentlich interessant und selten sein musste und dass eigentlich keiner richtig Bescheid wusste. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich immer noch keinen Arzt vom OP-Team sprechen können. Wie sich schon beim CT herausgestellt hatte, war mein GIST 10,5x9x7 cm groß. Am sechsten Tag nach der OP ließ sich dann endlich der Operateur bei mir blicken. Das Gespräch lief in etwa so ab: „Ja Frau Friedl, ich habe Ihnen da was rausgeholt, wie Sie schon von Dr. H. wissen, war es ein GIST, der ist bösartig. Ich komme später noch mal bei Ihnen vorbei!“ Und Tschüss. Im Übrigen habe ich den Arzt bis zu meiner Entlassung nicht mehr wieder gesehen… Eine Woche und einen Tag nach der Operation wurde ich mit den Worten „Sie haben Glück gehabt! Passen Sie gut auf sich auf “ entlassen. Im Entlassungsschreiben las ich nach, dass alles vollständig im Gesunden entfernt werden konnte (R0-Resektion) und ich somit für mein Heimat-Klinikum als geheilt gelte. Als Nachsorge wurde halbjährlich ein CT vorgeschlagen. Eigene Recherchen taten Not. Ich war nicht bereit, diese dürftigen Informationen ohne Rückfrage einfach so zu schlucken. Trotz großer Bauchnarbe und Probleme mit der Wundheilung recherchierte ich im Internet so oft es ging. Teilweise Erschreckendes, teilweise Beruhigendes erfuhr ich. Ich trat in Kontakt mit dem Münchner Patientenkontakt der GIST-Selbsthilfegruppe vom Lebenshaus. Ebenso telefonierte ich mit dem Lebenshaus. Trotz dieser tollen und sofortigen Hilfestellung per E-Mail und Telefon kam ich nicht raus aus meinem Loch. Ich wollte nichts mehr hören und nichts mehr sehen. Dann war die OP vorbei und ich wachte auf! Ich fasste auf meinen Bauch, er war dick verbunden und hurra! Kein künstlicher Darmausgang. Kein Arzt, der bei der OP anwesend war, hielt es für nötig, mal bei mir vorbeizuschauen. Nur ein angehender Chirurg antwortete auf meine Frage, ob Chemo oder Bestrahlung nötig wären mit einem kurzen „Nein“ und war schon wieder weg. Ich lag insgesamt 27 Stunden auf der Intensivstation, eine einschneidende Erfahrung. Seither kann ich keine Wanduhren mehr sehen. Auf Station hörte ich dann vor meiner Türe die Ärzte tuscheln: „Frau Friedl - das ist die mit wahrscheinlich GIST….“ Aha, die redeten über mich. GIST? Nie gehört! Kann so schlimm nicht sein. Der Chefarzt der Chirurgie klärte mich über GIST folgendermaßen auf: „Wir müssen noch die genaue Untersuchung des Gewebes abwarten, es könnte bösartig sein. GIST lässt sich gut therapieren“. Ich dachte mir, Krebs könne es ja dann nicht sein. Glück gehabt? Wer konnte schon mit dem Wort „Gastrointestinaler Stromatumor“ was anfangen? Vom Lebenshaus erfuhr ich, dass es einen Arzt im Klinikum Großhadern in München gibt, der eine GIST-Sprechstunde hat. Ich rief Dr. Marcus Schlemmer an und machte mit ihm einen Termin 33 01 Di Juli 02 Mi aus. Als ich ihn traf, war ich erst mal überrascht: Der ist aber nett. Nach meinen bisherigen Erfahrungen mit den „Göttern in Weiß“ war das eine angenehme Abwechslung. Alle drei Monate ist seither das CT fällig, die Angst davor kommt und geht, aber damit habe ich gelernt umzugehen. Mittlerweile ist das fast schon Routine und gehört zu meinem Leben. Anfang Dezember 2007 endet die adjuvante Studie unter Imatinib für mich. Ich bin bisher von einem Rezidiv oder anderen bösartigen „Untermietern“ verschont geblieben und hoffe, dass das noch sehr lange so bleibt. Im November 2005 entschied ich mich für eine adjuvante Studie mit Imatinib. Inhalt der Studie: Imatinib wird tumorfreien Patienten wie mir gegeben (oder auch nicht, das würfelt der Computer aus), um zu prüfen, ob es ein Rezidiv vorsorglich verhindern kann und um Informationen über die Gesamtüberlebenszeit zu bekommen. Ich hatte Angst: “Was ist, wenn ich die Tabletten nicht bekomme?“ Doch Glück gehabt – ich wurde ausgewürfelt: für die Tabletteneinnahme. Anfang Dezember 2005 bekam ich meine erste „Tablettten-Ration“. Die ersten vier Wochen musste ich jeden Tag nach Großhadern, später nur noch alle drei Monate für die nächsten eineinhalb Jahre. Die Gespräche dort bauten mich jedes Mal auf. Die Nebenwirkungen des Medikamentes machten mir etwas zu schaffen, überwiegend Blähungen und Wasseransammlungen, ansonsten fühlte ich mich sehr wohl. 03 Do 04 Fr 05 Sa 06 So 07 Mo 08 Di Gerade die Angehörigen sind es, die selbst viel Mut brauchen im Umgang mit dem Betroffenen. Es ist mit Sicherheit für sie nicht immer leicht. Von daher möchte ich mich ganz herzlich bei meiner Familie bedanken, vor allem bei meinem Vater, der mir in seinem Kampf gegen Krebs immer ein Vorbild sein wird, aber im Besonderen bei meinem Mann Peter, der tagein tagaus an meiner Seite steht und mir unermüdlich in allen Höhen und Tiefen den Rücken stärkt. 09 Mi Martina Friedl 17 Do 10 Do 11 Fr 12 Sa 13 So 14 Mo 15 Di 16 Mi 18 Fr Die Autorin Name: Geburtstag: Wohnort: Familie: Beruf: Martina Friedl 11.11.1967 Manching Verheiratet, drei Kinder Sekretärin Im Lebenshaus: Patientenkontakt der GIST- Selbsthilfegruppe München Betreuerin der regionalen Selbst- hilfegruppen Deutschland-Süd GIST seit: Oktober 2005, OP 10/2005 Tumorfrei seit 10/2005 seit 1.12.2005 Imatinib 1 Tabl./400 mg bis 30.11.07 (adjuvante Studie) Kontakt: Tel.: 08459 326990 E-Mail: [email protected] Im Februar 2006 besuchte ich das erste Mal die Selbsthilfegruppe vom Lebenshaus für GIST in München. Zuerst war ich skeptisch, Jammerei konnte und wollte ich nicht ertragen. Dr. Schlemmer hielt einen Vortrag zum Thema „Arzt und Patient im Gespräch“, anschließend fand eine Gesprächsrunde statt. Keiner hat gejammert, ich sah aufgeklärte und interessierte Patienten. Dieser Abend baute mich wider Erwarten sehr auf und ich beschloss, beim Lebenshaus aktiv zu werden. Seit April 2006 betreue ich die Selbsthilfe-GIST München. 34 19 Sa 20 So 21 Mo 22 Di 23 Mi 24 Do 25 Fr 26 Sa 27 So 28 Mo 29 Di 30 Mi 31 Do 35 Die Zeit, die uns geschenkt wurde, sie ist so erfüllt und so wertvoll! (Kyra, 41) Ich schreibe diese Geschichte als Begleiterin. Friedemann war einst mein Musiklehrer und Chorleiter im Gymnasium. Streng aber gerecht, vor Energie strotzend und viel geschätzt bei den Schülern – wenn auch nicht bei allen. Von meinem Bruder weiß er da ein Lied zu singen… Hätte man mir damals gesagt, dass der Herr Ziegler einmal mein Mann werden würde – ich hätte einfach nur gelacht! den. Die OP hätte ihn etwas geschlaucht, aber man hätte alles „in sano“ entfernen können. Zu Weihnachten hin kreuzten sich unsere guten Wünsche in Form einer CD: Er hatte Violinsonaten eingespielt, und meine Aufnahme mit Werken des „fin de siècle“. Im darauf folgenden Frühjahr ging dann alles sehr schnell. Friedemanns Trennung von seiner damaligen Frau. Schmerzhaft! Energie raubend! Alles war im Auf bruch und ich stand staunend mittendrin. Die Zeit war so kostbar geworden. So endlich. Nicht einfach durch langes Zögern zu verschwenden. Jeder Tag war und ist ein großes Geschenk. Was wir damals noch nicht wissen konnten, wie Recht wir mit unserem forschen Voranschreiten hatten. Im September feierten wir Friedemanns runden Geburtstag mit einer Bergtour auf die Pyramidenspitze im Zahmen Kaiser Gebirge. Eigentlich hielt ich mich für einen ganz guten Bergsteiger, aber Friedemann kam ich kaum hinterher. Zu der Zeit hatte er sein tägliches Trainingsprogramm ( Joggen) wieder aufgenommen, und war unglaublich agil und belastbar. Trotz GIST! Viele Jahre vergingen, Studium, Ehe und Scheidung trennten unsere Wege. Von der Schule und meinen damaligen Lehrern bekam ich praktisch nichts mehr mit. Als eines Tages eine befreundete Schulmusikerin mir erzählte, sie würde bald als Musiklehrerin nach Mössingen gehen, Herr Ziegler würde demnächst in den Vorruhestand verabschiedet – „Die haben dem den ganzen Magen raus genommen. Krebs.“ – war ich völlig schockiert. Das waren zwei Bilder, die ich nicht zusammenbringen konnte: der dynamische, vor Tatendrang strotzende Musiklehrer und ein kranker, krebskranker, schwacher, gebrochener Mann. Bei seiner Verabschiedung war ich dabei. Es hätte ja sein können, es wäre das letzte Mal, dass ich ihn sehen würde... Den Stadtlauf hatte er mit Platz drei in seiner Altersklasse mit Bravour gemeistert und im Dezember sollte er sogar noch einen Halbmarathon durchstehen – wenn auch gegen Ende nur mehr an der Hand eines Freundes. Die Diagnose, die uns im Oktober erwartete, traf uns wie ein Blitz. Bedingt durch Friedemanns guten Zustand und nicht aufgeklärt über den zu erwartenden Verlauf von GIST, Friedemann hatte schon Pläne fürs nächste Jahr und fragte mich, ob ich Lust hätte, solo in Bachs Magnifikat zu singen – wenn es ihm gut ginge. In genau einem Jahr. Ich hörte lange nichts mehr von ihm. Drei Monate vor dem Konzerttermin rief er mich an, dass er nicht genug Kraft hätte für ein Konzert. Zudem seien Metastasen in der Leber entdeckt wor36 waren keine computertomographischen Kontrollen anberaumt worden. Die Sonographie ergab „keine Auffälligkeiten“. Nur die Leberwerte waren nicht in Ordnung. Auf Anraten des Internisten wurde ein CT veranlasst. Der Befund war vernichtend: multiple inoperable Metastasen in der Leber, Lokalrezidiv in der Milzbucht. vorstellen können: Im August 2006 wurde Friedemann und mir noch ein Enkelkind, unser süßer Spatz, beschert. Die Zeit, die uns geschenkt wurde, sie ist so erfüllt und so wertvoll. Ein Kleinod, ein Geschenk, eine Kostbarkeit erfüllt von Musik, Malerei, Reisen und viel, viel Liebe. Kyra Astfalk Angehörige / Begleiterin Die Hoffnung: Es gibt ein Medikament, das helfen kann:. Imatinib. In genau diese Zeit fiel das erste GIST-Forum des Lebenshauses in Heidelberg. Ursprünglich wollte Friedemann da gar nicht hin. Er war ja „geheilt“. In dieser Zeit waren es vor allem Albträume in der Nacht, Angst vor dem großen Unbekannten. Das Nichtwissen, das uns zermürbte. Die Autorin Name: Beruf: E-Mail: Friedemann fuhr nach Heidelberg. Die große Informationsf lut, die ihn damals zunächst fast erschlug, aber auch das Entdecken, nicht mehr allein zu sein, machten ihm Mut. Die Perspektiven, die sich eröffneten, ließen ihn Ruhe und Gelassenheit finden. Das war 2003. Im Dezember des gleichen Jahres hatten wir uns noch gefragt, ob wir wohl noch ein gemeinsames Weihnachtsfest würden feiern können, ob der nächste Frühling wohl unser letzter gemeinsamer Frühling sein würde. Nun haben wir 2007. Imatinib wirkt. In der Zwischenzeit wurde unser Traum einer kleinen Wohnung auf dem Land inmitten von Schafen und Kühen wahr. 2005 konnten wir sogar heiraten. Klein, bescheiden. Nur wir beide und der Standesbeamte, der den Bund besiegelte. Und was keiner sich hätte 37 Kyra Astfalk, 41 Gesangslehrerin, Sängerin [email protected] 01 Fr Ich schöpfe Mut und Kraft aus dem Versinken in unsere Musik und in das Malen. (Friedemann Ziegler, 64, GIST seit 2001) 02 Sa 03 So 04 Mo August 05 Di 06 Mi 07 Do Friedemann Ziegler ist heute im Ruhestand und lebt als Maler und Musiker mit seiner Frau Kyra in Wankheim. Er hat in zwei Ausgaben des Lebenshaus-Magazins aus seinem Leben erzählt. Die GIST-Geschichte des ehemaligen Musik-Lehrers begann 2001 mit einer Notaufnahme in die Tübinger Uniklinik. Diagnose: sehr großer GISTPrimärtumor in der Magenhinterwand mit inneren Blutungen. Zwei Wochen später Gastrektomie. Er wurde ohne Magen als „geheilt“ nach Hause entlassen. auch den Zusammenhang mit der Biografie von Friedemann Ziegler und seiner Auseinandersetzung mit der Erkrankung GIST. 08 Fr 09 Sa 10 So „Der ganze Krankheitsverlauf, und dass es mir heute so gut geht, ist für mich wie eine Wiedergeburt, die mich umso mehr mit tiefer Dankbarkeit für die Zeit auf dieser Welt erfüllt und mir die Augen umso mehr für die Schönheit der sichtbaren Welt öffnet.“, so Friedemann bei einer Ausstellungseröffnung. Seine Ausstellungen standen mehrfach unter dem Titel „Farbe, Tiefe, Leben“. Im April 2002 zeigen sich Metastasen in der Leber. Er sucht nach alternativen Heilmethoden - ohne Erfolg. Die Metastasen wachsen. 2002: Eine weitere OP. Er wird zum zweiten Mal als „geheilt“ entlassen - und weiß über GIST nichts, außer, dass er bösartig ist und metastasiert. „In dieser Situation begegnete ich Kyra, die mir half, loszulassen. 2003 kam er zum Lebenshaus. Er nannte es selbst einen „Befreiungsschlag“ (…) (nachzulesen in den Lebenshaus-Magazinen 6/2005 und 8/2006) Man kann sich der Kraft und Lebendigkeit seiner Bilder nicht entziehen. Eine echte Kraftquelle – für den Maler, wie für den Betrachter. Zwanzig Prozent aus dem Verkaufserlös seiner Bilder spendet Friedemann schon seit zwei Jahren regelmäßig an Das Lebenshaus. „Ich will etwas von der Hoffnung zurückgeben, die ich durch Das Lebenshaus wieder gewonnen habe.“ 11 Mo 12 Di 13 Mi 14 Do 15 Fr 16 Sa 17 So 18 Mo 19 Di 20 Mi 21 Do 22 Fr 23 Sa Am 29.10.2007 schreibt Friedemann an Das Lebenshaus: „Morgen ist mein nächster Kernspintermin, das kostet jedes Mal wieder viel Kraft. Sonst geht es uns gut. Wir haben viel Musikalisches vor.“ Und eine Woche später: „Die Spannung ist vorbei, meine Untersuchung hat nur positive Ergebnisse gebracht, alles unverändert still! Das ist jedes Mal wie ein weiterer Geburtstag!“ Wenn man seine Bilder sieht, ist es kaum zu glauben, dass er im Februar 2004 erst mit der Malerei begonnen hat. „Die Idee, überhaupt einen Pinsel in die Hand zu nehmen, kam daher, dass eine Staffelei wohl eher zufällig, durch ein Erbe in den Haushalt gekommen ist.“ Das Bildermalen hat Friedemann Ziegler sofort gefesselt. Mit Fotorealismus versucht Friedemann, die Wirklichkeit so abzubilden, wie sie sich unseren Augen bietet. Und hier erkennt man Friedemann Ziegler 24 So 25 Mo 26 Di 27 Mi 28 Do 29 Fr 30 Sa 31 So 38 39 „Simplify your Life“ oder einfacher und glücklicher leben! (Heiner, 64, GIST seit 2003) Im Juli 2003 wurde ich nach heftigen Unterleibsschmerzen als Notfall ins Krankenhaus eingeliefert. Es bestand der Verdacht auf einen Darmverschluss. Am gleichen Tag wurde ich noch operiert. Nach der Operation wurde mir eröffnet, dass ein etwa faustgroßer Tumor, der sich um den Dünndarm herum ausbreitete, zusammen mit ca. 60 cm Dünndarm entfernt wurde. Die Operation verlief soweit komplikationslos. Nach einigen Tagen bangen Wartens wurde mir dann mitgeteilt, um was für ein Tumor es sich handelt: einen GIST. Ich hörte den Namen zum ersten Mal und auch mein Chirurg wusste nicht viel mehr dazu zu sagen, als dass es sich um einen seltenen Gastrointestinalen Stromatumor handle. Ob gut- oder bösartig wollte er sich nicht festlegen. Er versicherte mir jedoch, dass er alles Tumorgewebe im Gesunden entfernen konnte und somit keine weitere Gefahr bestehe. längere Zeit zu schaffen. Trotz der beruhigenden Worte des Chirurgen wollte ich mich im Internet schlau machen, was es mit diesem GIST so auf sich hat. Hier erfuhr ich zum ersten Mal, dass es sich dabei um einen sehr aggressiven, lebensbedrohenden Tumor handelt! Es war Sonntagnachmittag und ich erinnere mich noch sehr gut, als wenn es heute wäre: Ich druckte mir die einschlägigen Passagen aus, inklusive der statistischen Lebenserwartung (sechs bis 18 Monate Überlebenszeit vor Imatinib. Diese Perspektive hat sich Dank der enormen Fortschritte in der Medizin bis heute um ein Vielfaches verbessert!) Ich gab es kommentarlos meiner Frau zum Lesen. Ja, und dann weinten wir erst einmal zusammen. Auch waren wir wütend auf meinen Chirurgen, der uns nicht besser über die GIST-Erkrankung informierte. Aber vielleicht trifft ja auch alles gar nicht auf mich zu, beruhigten wir uns wieder. Der Chirurg hatte uns doch versichert, dass er alles Tumorgewebe im Gesunden entfernt habe. Trotzdem, wir waren vorgewarnt. Kurz vor der Entlassung hatte ich noch ein Gespräch mit einem Onkologen. Er wusste etwas mehr über den GIST und informierte mich, dass in Amerika seit kurzem ein Medikament (Imatinib) mit überdurchschnittlichem Erfolg dagegen eingesetzt werde. In der Schweiz sei dieses Medikament, außer in Studien, jedoch noch nicht zugelassen. Auch er betonte nochmals meine eigentlich recht privilegierte Situation, da ja alles entfernt werden konnte. So wurde ich nach 10 Tagen, ohne irgendwelche Nachbetreuung, als geheilt aus dem Spital entlassen. Nun wollte ich nichts mehr dem Zufall überlassen. Ich habe mich bei der Krebsliga über das Bestehen einer Selbsthilfegruppe informiert. Tatsächlich gab es in meiner Stadt (damals Winterthur) eine solche und ich habe mich dort angeschlossen. Es war eine gemischte Gruppe mit Personen diverser Krebsdiagnosen in unterschiedlichen Stadien. Was mir aber wichtig war: Auch meine Partnerin durfte teilnehmen und wir fühlten uns von Anfang an willkommen und verstanden. Weiter besuchte ich einen Kurs (acht Abende), organisiert von der Krebsliga, Natürlich war ich froh, wieder zu Hause zu sein. Eine Wundinfektion machte mir allerdings noch 40 zum Thema „Umgang mit einer Krebserkrankung“. Dies brachte mir zwar wenig neue Erkenntnisse, war ich doch der einzige Mann neben fünf Frauen mit Brustkrebs. Dennoch profitierte ich davon, ging es doch auch darum, unabhängig von der Diagnose, neue Lebensperspektiven mit Krebs zu entwickeln. und habe praktisch keine Nebenwirkungen, abgesehen von gelegentlichen lästigen Schleimhautentzündungen (Aphten) im Mund. Die anfänglichen Verdauungsprobleme habe ich in der Zwischenzeit ebenfalls medikamentös (Loperamid) in den Griff bekommen. Sie stehen jedoch nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit Imatinib, sondern mit der Entfernung von wesentlichen Abschnitten des Dünndarms (Kurzdarmsyndrom). Auf etlichen Umwegen gelangte ich schliesslich zu unserem heutigen Patientenkontakt Dr. Ulrich Schnorf, der im Begriff war, eine schweizweite Selbsthilfegruppe für GIST-Patienten ins Leben zu rufen. Dies war für mich die entscheidende Wende. Nun darf ich sagen, dass ich dank der ImatinibTherapie ein absolut normales, glückliches Leben führe und mich an der wieder gewonnenen Lebensqualität täglich erfreue. Ja, noch etwas hat sich verändert: Wir haben unsere große sechseinhalb-Zimmer Eigentumswohnung in Winterthur verkauft, sind in eine halb so große vier-Zimmer Wohnung ins Bündnerland umgezogen (dort, wo andere Leute Ferien machen) und haben uns ein Wohnmobil angeschafft. „Simplify your Life“ heisst jetzt unser Motto oder zu Deutsch „einfacher und glücklicher leben!“ Im Januar 2004, also ein halbes Jahr nach meiner Primärdiagnose, fand das erste GIST-Treffen in Zürich statt. Dabei erfuhr ich von andern Betroffenen, wie wichtig eine periodische Nachkontrolle mittels CT sei, um ein mögliches Rezidiv oder Metastasen frühzeitig zu erkennen. Mein Hausarzt war sofort damit einverstanden, obwohl ich sein erster GISTPatient war. Im Mai 2004 hatte ich dann meine erste CT-Kontrolluntersuchung. Der Befund war niederschmetternd: Tumorrezidiv in der Grösse von 4 cm, im Dünndarm wieder an etwa der gleichen Stelle. Diese zweite Diagnose traf mich stärker als die erste. Sofort nahm ich Kontakt mit dem GIST-Kompetenzzentrum in Lausanne auf. Professor Leyvraz entschied dann, sofort mit der Imatinib-Therapie (400mg) zu beginnen und eine Operation auf später zu verschieben. Glücklicherweise habe ich sehr gut auf die Therapie angesprochen. Ein Kontroll-CT nur drei Monate später ergab, dass sich das Tumorrezidiv bereits auf die Hälfte verkleinert hatte. Heiner Stamm Der Autor Name: Heiner Stamm 31.03.1943 CH-7013 Domat/Ems Verheiratet, 2 Kinder (Tochter 34, Sohn 32) Beruf: Freiberuf licher Unternehmens- berater, heute (früh-)pensioniert Hobbys: Singen, Malen, Wandern, Skifahren, Fahrradfahren, Reisen GIST seit: Juli 2003 Lebensmotto: Das Leben vereinfachen und genießen E-Mail: [email protected] Geburtstag: Wohnort: Familie: In einer zweiten Operation im Januar 2005, diesmal im Universitätsspital Zürich, wurde mir dann der Resttumor operativ entfernt. Seither nehme ich weiterhin täglich meine 400mg Imatinib zu mir 41 01 Mo 02 Di 03 Mi 04 Do September Die Krankheit wird uns nicht daran hindern zu leben! (Steffi, 34, pädiatrischer GIST seit 1992) 05 Fr 06 Sa 07 So August 2004. Der Schock. Flecken auf der Leber 08 Mo Nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus vergehen weitere Wochen – endlich steht die Diagnose fest: metastasierter GIST – Operation unmöglich. – im Ultraschall sind sie deutlich zu sehen. „Bis zum Beweis des Gegenteils gehe ich davon aus, dass es sich um etwas Bösartiges handelt.“ Zack! So also klingt es, wenn ein Arzt einer Patientin sagt, dass sie vermutlich Krebs hat. Mir bleibt die Luft weg. Wie in Trance verlasse ich den Raum, irre durch die Flure des Krankenhauses, bis ich in meiner Station ankomme. Da ist ein Pf leger. „Könnten Sie mich bitte in den Arm nehmen?“, frage ich ihn. Er starrt mich an, wirft einen Blick in meine Krankenakte, verschwindet kurz und kommt dann mit einem Beruhigungsmittel wieder. Das ist nicht das, was ich gewollt habe. „Spreche ich denn Chinesisch?“, will ich sagen, aber ich habe nicht die Kraft dazu. Brav schlucke ich die Tablette und rufe dann meinen Mann an: „Bitte komm schnell, wahrscheinlich habe ich Krebs!“ Der Nachmittag ist trostlos. Mein Mann und ich sitzen in einem Aufenthaltsraum der Klinik, halten einander im Arm und weinen. Wir haben Angst. Wie soll es jetzt weiter gehen? Keine Ahnung, da ist nirgendwo ein Arzt, den wir fragen könnten. 09 Di 10 Mi 11 Do 12 Fr 13 Sa 14 So 15 Mo 16 Di 17 Mi 18 Do 19 Fr 20 Sa 21 So 22 Mo Herbstanfang 23 Di 24 Mi Die Diagnose wirft auch ein neues Licht auf die Vergangenheit: 1992, im Alter von knapp zwanzig Jahren, wurde ich am Magen operiert, weil eine Wucherung im Magen blutete. Nach der Operation informierte mich ein Arzt, ich sei geheilt und könne unbesorgt nach Hause gehen. Das war ein Irrtum. 2004, also zwölf Jahre später, dann die Entdeckung: da sind Metastasen. Ich bin einunddreißig Jahre alt – ich hatte ein Leben vor mir! September 2004. Die Therapie annehmen. Dia- gnose GIST, für mich bedeutet das: Chemotherapie und Bestrahlung kommen nicht in Frage, stattdessen muss ich jeden Tag ein Medikament namens Imatinib nehmen. Es kann mich nicht heilen, aber wenn ich Glück habe, kann es die Krankheit in Schach halten. Obwohl das Medikament meine einzige Chance ist, habe ich Angst, die Tabletten zu schlucken. Aber ich weiß auch: ich habe keine Wahl, ich muss das Medikament nehmen. Ich versuche es mit einer Art Beschwörung. Jedes Mal, bevor ich Imatinib schlucke, halte ich die Tablette in der Hand und sage: „Ich segne dich. Hilf mir, den Krebs zu besiegen. Vernichte alle Krebszellen, verschone alle übrigen Körperzellen. Du bist mein Freund. Zeig mir, dass ich dir vertrauen kann.“ Ein Ritual, das hilft. Mir wird ein Bett in der onkologischen Abteilung zugewiesen. Es folgen zahllose Untersuchungen. Ich freue mich über jedes Organ, das sich als tumorfrei erweist: Na schön, da sind Metastasen in der Leber und auch eine im Bauchraum, aber: ich habe eine gesunde Lunge, ein wunderbar funktionierendes Herz, meine Knochen sind nicht befallen, genauso wenig die Lymphknoten oder mein Gehirn. Das ist doch immerhin etwas, oder nicht? 25 Do 26 Fr 27 Sa 28 So 29 Mo 30 Di 42 43 Weinen und Schreien: eine Erleichterung. In den Angst im Zaum zu halten! Ich mache mir Vorwürfe, fühle mich von Tag zu Tag schlechter. Bis ich mich frage: Ist Angst wirklich so schlimm? Ich schwebe in Lebensgefahr. Ist es da nicht das Natürlichste der Welt, Angst zu haben? ersten Wochen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus funktioniere ich ganz normal weiter. Ich weiß, dass ich Krebs habe, aber ich fühle es zunächst nicht. Dann, eines Abends, spüre ich die Bedrohung auch körperlich. Ich sitze in der Falle. Gleich kommt das Monster und frisst mich. Von tief unten in meinem Bauch steigt ein Schluchzen hoch, ich fange an zu weinen. Es schüttelt mich, das Weinen geht in Schreien über. Es bricht aus mir heraus, es ist, als sei ein Damm gebrochen. Ich schreie und schreie aus Leibeskräften, meine Stimme überschlägt sich, ich kann gar nicht mehr auf hören. Ich sitze im Bad auf dem Boden und schreie. Ich schreie vor Angst. Ich schreie an gegen das Schicksal. Ich schreie um zu beweisen: „Ich lebe noch!“ Das Schreien zeigt mir, wie viel Kraft ich doch noch habe. Schreiend fühle ich mich nicht ganz so hilflos. Also schreie ich. Ich habe Angst vor Schmerzen. Ich habe Angst davor zu sterben. Die Vorstellung, meine kleine Tochter zurücklassen zu müssen, macht mich unendlich traurig. Ich habe Angst, dass mit dem Tod alles zu Ende ist. Diese Vorstellung finde ich beklemmend. Aber was, wenn es ein Leben nach dem Tod gibt? Dann bin ich dort ganz allein, ohne meine Familie. Ich beschäftige mich mit meinen Ängsten. Das lässt sie nicht verschwinden. Aber mit der Zeit kann ich sie besser ertragen. Und ich weiß jetzt: falls die Tumoren weiter wachsen sollten, hat das nichts mit meiner Angst zu tun, dann heißt das „nur“, dass das Medikament nicht wirkt. Dann bin ich leer geschrien. Alle Tränen, die geweint werden mussten, sind geweint, alle Verzweiflung ist hinausgeschrien. Ich bin nun ruhig. Es geht mir viel besser. Eine gute Erfahrung. Was ich auch gelernt habe: Ich brauche keine Schuldgefühle zu haben, weil ich Krebs habe. Es kann jeden treffen. Auch Menschen, die sich gesund ernähren und regelmäßig Sport treiben, Nichtraucher sind und kaum Alkohol trinken, können an GIST erkranken. Die Krankheit ist auch nicht die Folge irgendeiner Persönlichkeitsstörung, die berüchtigte „Krebspersönlichkeit“ gibt es nicht. Es tut gut, das zu wissen. Sich der Angst stellen. Bald weiß ich: hiermit komme ich nicht allein klar, ich brauche Hilfe. Also rufe ich eine Musiktherapeutin an. Sie sagt: „Es ist schön, dass Sie so kraftvoll klingen. Für Krebspatienten ist es wichtig, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Wenn man Angst hat, dann spielen die Tumorzellen verrückt.“ Dieser letzte Satz verfolgt mich. Was, wenn die Therapeutin Recht hat? März 2006. Lernen, den Weg mit dem Partner gemeinsam zu gehen. Die Müdigkeit. Schon seit Jah- ren begleitet sie mich. Von einer Minute zur anderen bin ich vollkommen erschöpft, fühle mich ausgelaugt. Selbst sprechen ist anstrengend, ich möchte mich um gar nichts mehr kümmern müssen. Ich darf keine Angst haben, sonst wachsen die Metastasen weiter. Ich bekomme Angst vor der Angst. Ein Teufelskreis. Vor meinem inneren Auge sehe ich, wie die Krebszellen meine Leber zerstören – immer schneller und schneller. Und das nur, weil ich versagt habe, weil es mir nicht gelingt, meine 44 In solchen Situationen erwartet mein Mann zumindest eine Ansage von mir: Sollen wir uns auf eine Bank setzen oder sollen wir nach Hause fahren? Aber wenn ich so erschöpft bin, dann überfordern mich selbst solch einfache Entscheidungen. Mein Mann hat das Gefühl, dass ich ihn allein lasse, ich habe das Gefühl: wenn ich ihn am dringendsten brauche, ist er nicht für mich da. Juli 2007. Wie wunderbar, ich lebe noch! Und ich habe viel weniger Angst, bin viel ruhiger geworden. Woran liegt es? Psychotherapie, Heileurythmie, Yoga, Homöopathie, Singen im Chor – das alles hat mir geholfen. Dazu kommt: ich habe am eigenen Körper erfahren, dass Patienten mit metastasiertem GIST jahrelang weiterleben können – ich selbst lebe schon fast drei Jahre mit dem Wissen um meine fortgeschrittene Erkrankung – warum sollten nicht weitere Jahre drin sein? Die Angst. Manchmal habe ich leichte Schmerzen in der rechten Seite. Dann fühle ich mich bedroht. Die Folge: ich werde aggressiv und teile aus. Immer wieder bin ich gemein zu meinem Mann. Dann streiten wir und verletzen einander ganz fürchterlich. Mein Mann und ich sind immer noch zusammen, wir gehen meist liebevoll miteinander um, wir bedeuten einander sehr viel. Wir sind froh, dass wir beisammen geblieben sind. Oder Thema Sexualität: monatelang ist es, als hätte ich keinen Unterleib mehr. Meine Psychologin hat dafür eine naturwissenschaftliche Erklärung: Wenn der Körper ständig Stresshormone ausschüttet, dann wird gleichzeitig die Produktion von Sexualhormonen gedrosselt. Zu Deutsch: ich kämpfe gerade mit einem Tiger, es geht um Leben und Tod, da hat die Lust keine Chance. Unsere vierjährige Tochter weiß, dass ich Krebs habe. Wir haben daraus nie ein Geheimnis gemacht. Sie weiß auch, dass ich an dieser Krankheit sterben kann. Das Thema Tod beschäftigt sie sehr. Immer wieder fragt sie, wie lange sie noch leben wird. Eines Tages erzählt sie: „Ich habe gebetet und Gott gefragt, ob wir weiter leben dürfen. Er hat gesagt: ja!“ Mein Mann und ich sprechen viel über unsere Probleme, auch mit Paartherapeuten. Langsam lernen wir, einander besser zu verstehen. Ich erkenne, wie viel Kraft die Krankheit auch ihn kostet. Mir ist klar: es können wieder schlechte Zeiten kommen. Vielleicht halte ich bald wieder einen Angst machenden Befund in Händen. Aber diese Krankheit wird meine Familie und mich nicht daran hindern zu leben. Immer wieder gelingt es uns, dieses Leben zu genießen – wenn wir einen Ausf lug in den Zoo machen, oder wenn mein Mann und ich unsere Tochter durchkitzeln, und sie kichert und kichert und kichert. Ein sehr zerbrechliches Glück, aber doch: Glück! Dann ein neuer Schock: Imatinib scheint nicht mehr zu wirken. Nun werde ich an einer klinischen Studie teilnehmen, in der Hoffnung, dass mir Sunitinib helfen kann, ein neues Medikament. Mein Mann und ich haben große Angst, und wir sind beide sehr traurig. Aber die Angst und die Trauer schmieden uns dieses Mal auch zusammen. Wir sind einander sehr nah. Da ist trotz allem viel Liebe zwischen uns. Ich hoffe, dass das so bleibt. Ich bin 34 Jahre alt, und ich lebe! Steffi 45 01 Mi 02 Do 03 Fr Tag der Deutschen Einheit 04 Sa Oktober 05 So Erntedankfest Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren. (Christel, 62, GIST seit 1999) 06 Mo 07 Di Meine Krankengeschichte begann bereits im Juli 1999. Damals hatte ich zum ersten Mal eine Blasenentzündung, die ein Urologe mit Antibiotika behandelte. Bis zum Jahresende erhielt ich noch dreimal Antibiotika vom Hausarzt, da ich im Wechsel Harnwegsentzündungen und Blasenprobleme hatte. Ein Blutbild im November zeigte wohl auffallende Werte, aber kurz vor Weihnachten: siehe oben. Es wurde immer nur an den Symptomen gearbeitet, aber nie Ursachenforschung betrieben. 08 Mi 09 Do 10 Fr 11 Sa 12 So 13 Mo 14 Di ärztin die Überweisung zur Onkologin, die mich am Freitag ins MRT schickte. Am Montag stand fest: Raumgreifende Veränderung im Bauchraum, Größe: 16x12cm. Sofortige Einweisung in die Klinik auf die Chirurgie. Nach etlichen Untersuchungen stand fest: Gebärmutter und Eierstöcke eingebunden (daher die vermuteten Verdauungsstörungen – es war alles schwarz beim Ultraschall!), also Verlegung auf die Gynäkologie. Es folgte die OP (4 ½ Std.) mit dem Befund: GIST-Tumor, vom Dünndarm ausgegangen und an der Blase angedockt; daher operierten Ärzte aus beiden Abteilungen. 15 Mi Ab Januar ging es mir psychisch und physisch sehr schlecht: Ich saß zu Hause und heulte – ohne Grund – vor mich hin. Zunächst dachte ich an ein Burn-Out-Syndrom. 30 Jahre als Sonderschullehrerin einer Schule für Körperbehinderte waren Grund genug für diese Annahme. Bei einem Besuch meiner Gynäkologin entschied diese, mir ein Hormonpf laster aufzukleben, da ich seit einigen Jahren keine Hormone mehr nahm, ohne einen Hormonspiegel zu machen. Sie äußerte darüber hinaus die Vermutung, dass meine Verdauung erheblich gestört sei, was ich aber verneinte. Auch hier wurde nicht „nachgehakt“. 16 Do 17 Fr 18 Sa 19 So 20 Mo 21 Di 22 Mi 23 Do 24 Fr Gesagt wurde mir, dass es sich bei einem GIST um ein Sarkom handelt, „das ist gerundet, und kann problemlos rausgeschält werden“. Von Tumor wurde mir nichts gesagt, also war ich auch NICHT krebskrank. Es interessierte mich auch nicht, was ein „GIST“ ist. Diese Meinung vertrat ich auch in der Anschlussheilbehandlung in der Krebs-Klinik in Meschede. Allerdings gab mir die dortige Psychologin den Rat, mir in Köln einen Psychologen zu suchen. 25 Sa Fast auf den Tag genau sechs Wochen später, in Köln war Aschermittwoch, wurde bei mir eine doppelte Thrombose im rechten Unterschenkel diagnostiziert. Am Donnerstag und Montag wurden große Blutbilder gemacht. Da war das Ergebnis vom Donnerstag noch schlechter als das erste. Der Laborarzt hatte es kommentiert mit: „Entzündlicher Prozess???!!! Ich erhielt von der Thrombose- 26 So Ende der Sommerzeit 27 Mo 28 Di 29 Mi 30 Do 31 Fr 46 Ich fand einen sehr guten Psychoonkologen, der mich über einen Zeitraum von fast fünf Jahren begleitet und mich durch viele Hochs und Tiefs geführt hat. Dank seiner Hilfe bin ich ein „mündiger Patient“ geworden und dazu muss Mann/Frau viele Hürden überwinden 47 Nach den Herbstferien begann ich wieder nach dem Hamburger Modell zu unterrichten. Dann am 13. Dezember erneutes MRT: Metastasen in der Leber. Erst da wurde mir klar, was dieser GIST wirklich bedeutet. Meine Freunde gaben mir Adressen von Ärzten, Therapien oder Krankenhäusern weiter, die Krebskranke aus ihrem Bekanntenkreis behandelt hatten. Schnell begriff ich, dass es sich fast ausschließlich um Therapien bei Karzinomen handelte. Und „mein“ Sarkom? Meine Onkologin entschied, dass ich ab 2.1.2001 eine Chemotherapie mit Ifosphamid, Vincristin, Adriablastin erhielt, sechs Zyklen geplant: alle drei Wochen vier Tage lang von 8.00 bis ca. 16.00 Uhr. Nach zehn Tagen fielen mir – mit Ankündigung – die Haare aus. Nach der dritten Runde gab es ein Kontroll-MRT. Das Ergebnis: trotz Chemo waren die Metastasen von 2 cm auf 3,5 cm gewachsen. Heute weiß ich: bei GIST hilft keine Chemo! Eine Adresse war Mainz. Dort erfuhr ich, dass es eine Studie mit einem Spezial-Medikament für Leukämie gab. Dieses Mittel sollte bald in eine GIST-Studie nach Berlin kommen. Überglücklich und voller Hoffnung nahm ich Kontakt zu Dr. Reichardt auf. Drei Wochen tägliche Anrufe in Berlin, und das Warten auf die Zulassung zur Studie spannten meine Nerven ins Unerträgliche. Am 10. April 2001 f log ich nach Berlin. Dort wurde der Ist-Stand ermittelt (MRT, Blutbild, usw.). Am Abend erschien Dr. Pink bei mir und übergab mir das „Wundermittel“ STI 571, von dem ich täglich 400mg nehmen sollte. Meine Onkologin war betroffen, erbat sich Bedenkzeit von fünf Tagen aus. Zu diesem Termin erschien ich mit meinem Sohn (23 Jahre). Die Ärztin sagte, dass sie ehrlich sein werde und teilte uns mit: sie habe keine Vorschläge für eine weitere Therapie: “Reisen Sie mit ihren Söhnen“, war ihr „gut gemeinter“ Rat. Da war ich also an einem Tiefpunkt angekommen; ein Todesurteil in der Tasche, keinen behandelnden Arzt mehr… und was nun? Ich fuhr nun drei Monate jede Woche am Dienstag nach Berlin und am Mittwoch zurück. Da ich noch von der früheren Chemo geschwächt war, habe ich den Donnerstag fast nur schlafend verbracht. Dann zeigte das MRT, dass die Metastasen nicht weiter wuchsen. Ein tolles Gefühl! Erst alle 14 Tage, später alle drei Wochen stand Berlin auf meinem Kalender. Alle Touren machte ich per Zug. Ich hatte das Glück, bei einer Freundin übernachten zu können. Da sie Kölnerin ist, freuten wir uns beide über diese Treffen. 48 Die Nebenwirkungen von STI 571 – heute Imatinib – sind für mich erträglich. Anfangs gab es Probleme mit Wasser in den Beinen und besonders meine Augen bekomme ich nicht in den Griff: sie tränen fast immer, Tropfen bringen nur kurzfristig Linderung – und ich habe sicher schon 20! verschiedene ausprobiert. Mit Hilfe meiner Heilpraktikerin und Akupunktur habe ich einen guten Stand des Wohlbefindens erreicht. gab es – außer mir – anfangs keine weiteren GISTPatienten. Also habe ich anfangs mit Karin Pelzing in Bochum in der schnell wachsenden SHG mitgearbeitet. Die Arbeit in der SHG bedeutet mir sehr viel, zumal ich seit 01.01.2005 nicht mehr berufstätig bin. Ich möchte vielen Patienten meine positive Einstellung zu dieser schwerwiegenden Krebs-Erkrankung erklären und hoffe, dass sie davon etwas für sich mitnehmen können und es ihnen ein Stück weit besser geht. Der Erfolg des Medikaments hielt genau 14 Monate an. Dann begannen die Metastasen wieder zu wachsen, nachdem sie auf mehr als die Hälfte zurückgegangen waren. Ich nehme seitdem 800mg/ Tag und bin seit 49 Monaten = 1460 Tagen ohne neue Befunde… und ich fühle mich super! Meine Begeisterung für diese Therapie war groß und ich dachte bereits im Oktober 2001 an die Gründung einer GIST-SHG. Meine Nachfrage in Berlin ergab, dass die zuständigen Ärzte keine Erfahrung mit dieser Möglichkeit hatten. Christel Jäger-Freysoldt Vorstandsmitglied Das Lebenshaus e.V. Patientenkontakt der GIST-Selbsthilfegruppe Köln-Bonn Im Juni 2003 lernte ich telefonisch Dr. Felix Soldan kennen, der die Idee zur Gründung einer GIST- Patientenorganisation „Das Lebenshaus“ mitentwickelt hatte, die zunächst als Internet-Plattform für Patienten, Begleiter und Ärzte zur Verfügung stehen sollte. Dank seiner Einladung wurde ich Gründungsmitglied und bin dafür sehr dankbar. Mein Wunsch, in Köln eine GIST-SHG zu gründen, ging erst im Juli 2005 in Erfüllung. In Köln 49 01 Sa Allerheiligen 02 So 03 Mo 04 Di November Das Leben ist viel zu kurz, um schlechten Wein zu trinken. 05 Mi (Ernst-Werner, 63, GIST seit 2006) 06 Do 07 Fr 08 Sa 09 So 10 Mo 11 Di 12 Mi 13 Do 14 Fr 15 Sa 16 So Volkstrauertag 17 Mo 18 Di 19 Mi Buß- und Bettag August 2005 Es sind Sommerferien in NRW. Leider ist kein Urlaub geplant. Der Platz vor unserem Haus muss gepf lastert werden. Der Altersf leck an der linken Hand juckt immer mehr. Vielleicht sollte ein Hautarzt ihn sich einmal anschauen. Aber jetzt habe ich keine Zeit, auch wenn meine Frau und meine Tochter nerven!!! 15.11.2005 CT der Leber mit intravenöser Kontrastmittelgabe geplant. Wird aber aus nicht erklärten Gründen ohne die iv. KM-Gabe gemacht. Einige Tage später erhalte ich einen Anruf von der Hautklinik. Das CT sollte wiederholt werden – eben mit Kontrastmittel. Dieses Mal ist mir dann doch etwas unwohl – Termin sofort. 08.09.2005 Heute habe ich einen Termin beim Hautarzt. Nach der Untersuchung werde gleich weiter zur Hautklinik geschickt. Dort entfernt man mir den „juckenden Altersf leck“. Nach der Resektion teilt man mir mit, dass ich telefonisch benachrichtigt werde – gleich am nächsten Tag, wenn es sich um das maligne Melanom handelt. 21.11.2005 09.09.2005 Man empfiehlt mir, eine Biopsie und eine Gastroskopie zu machen. Bis zur Biopsie dauert es zwei Wochen – in meiner Vorstellung eine zu lange Zeit, um etwas Schlimmes zu sein – hat man ja schon mal davon gehört, dass Privatpatienten auch mal unnötige Untersuchungen haben. Wiederholtes CT der Leber, diesmal mit iv. KM-Gabe (Beurteilung: große Raumforderung (5,1x4,4x11cm) im rechten Mittel- bis Unterbauch, dorsal8 der Bauchwandmuskulatur mit Kontakt zur Leber. Der Tumor zeigt eine inhomogene9 Kontrastmittelaufnahme mit teilweise nekrotischen19 Arealen.) Zum Glück kommt kein Anruf! 20 Do 12.09.2005 Nun doch ein Anruf: Es ist zwar nicht das maligne Melanom, aber es ist ein Plattenepithelkarzinom7. Man erklärt mir, dass dieses sehr selten Metastasen bildet, aber wenn, dann in der Lunge und der Leber. Es wird ein Termin für Röntgenaufnahme und Ultraschall gemacht. Ich finde es beruhigend, dass der Termin erst in ca. sechs Wochen ist. Kann also nichts Schlimmes sein. 21 Fr 22 Sa 23 So Totensonntag 24 Mo 25 Di 26 Mi 27 Do 05. – 06.12.2005 CT gesteuerte Punktion11 des Abdomens12. Die Punktion belastet mich kaum. Es wird mir mitgeteilt, dass ich in kurzer Zeit über das Ergebnis unterrichtet werde. 26.10.2005 Man erklärt mir, dass im Bereich der Leber etwas entdeckt wurde, dass noch durch ein CT näher untersucht werden sollte. Ich bekomme einen Termin drei Wochen später. Wieder ein ruhiges Gefühl – kann nicht so schlimm sein; sonst würde man schneller handeln; bestimmt alles nur Sicherheitsmaßnahmen. 28 Fr 29 Sa 30 So 1. Advent 50 Plattenepithelkarzinom: von den Epithelien der Haut und der Schleimhäute ausgehende bösartige (maligne) Tumoren aus der Gruppe der Karzinome. Das Epithel ist neben Muskel-, Nerven- und Bindegewebe eine der vier Grundgewebearten. 8 dorsal: rückenwärts, 9 inhomogen: eine ungleiche Verteilung von Masse. 10 nekrotisch: abgestorben, 11 Punktion: (von lat. punctum, der Stich) ist in der Medizin das gezielte Setzen einer Nadel oder eines anderen spitzen Instrumentes, 12 Abdomen: Bauch 7 51 15.12.2005 Da ich bis zum heutigen Tage noch kein Ergebnis habe, frage ich in der Hautklinik nach. Ich erfahre, dass der Bericht noch ca. eine Woche dauert. meiner Frau über den richtigen Zeitpunkt. Meiner Meinung nach muss es nicht sofort sein – schließlich beginnt am 09.01.2006 nach den Weihnachtsferien wieder der Schulalltag. Schließlich habe ich gleich am 1. Schultag neben meinem normalen Unterricht auch Vertretungsunterricht. Ich möchte die Stundenplaner nicht unnötig beschäftigen. Wieder finden wir einen Kompromiss: Ein Telefonat mit meinem Chef – er rät zur sofortigen Untersuchung. 15:00 Uhr: Telefonat mit dem Klinikum wegen Termin zur stationären Aufnahme 22.12.2005 Nach wiederum einer Woche starte ich eine erneute Nachfrage in der Hautklinik. Wieder ist die Antwort: Bericht ist noch nicht vorhanden. Man entschuldigt sich für die lange Zeit. Nun bin ich einigermaßen sicher, dass alle erfolgten Untersuchungen nicht nötig waren. Aber was soll es – jetzt weiß ich, dass ich rundherum gesund bin. Ich feiere mit meiner Familie Weihnachten und Neujahr – zum 1. Mal mit meiner kleinen Enkelin Emma. Ich freue mich auf dieses neue Jahr ganz besonders. Ich bin immer noch nicht davon überzeugt, dass dieser ganze Wirbel erforderlich ist. Mir geht es ausgezeichnet; warum soll ich dann so blöde Untersuchungen wie Koloskopie und Co. über mich ergehen lassen? 04.01.2006 12:00 Uhr: Anruf aus der Hautklinik: Raumforderung am Lobus quadratus ist kein dermatologischer Befund. Eine Abklärung sei erforderlich: Welche Tumorart? Dazu sind Darmspiegelung und internistische Untersuchungen erforderlich! Die Unterlagen hat bereits ein Internist der Inneren – den soll ich nun anrufen. Da ich diesen Anruf nicht machen will, habe ich eine Diskussion mit meiner Frau. Wir schließen folgenden Kompromiss: Der Hausarzt wird eingeschaltet. Er wird besser als ich dieses Gespräch führen können. Schließlich bin ich medizinischer Laie. 12:30 Uhr: Gespräch mit dem Hausarzt mit der Bitte, im Klinikum anzurufen, um herauszufinden, ob die geplanten Untersuchungen notwendig sind. 13:30 Uhr: Gespräch mit dem Hausarzt: Nach der Rücksprache mit dem Klinikum erklärt er mir, dass eine Abklärung erforderlich sei. Aber wahrscheinlich handelt es sich um eine gutartige Geschwulst, die mit Medikamenten behandelt werden kann. Sie kann sonst in zwei bis drei Jahren ein Problem werden. Stationäre Aufnahme soll für min. 2 Tage erfolgen. Wieder habe ich eine heftige Diskussion mit Aufnahme in der Med. Klinik, Haus 10 des Kasselers Klinikums, Beginn der Untersuchungen – Labor, Sonografie, Abdomen, Gastroskopie. Mein kläglicher Versuch, die Stimmung von vorher zu retten: „Aber das Herz werden Sie mir doch lassen?“ Niemandem ist zum Lachen zumute!!! sitiv für CD 117. Aufgrund der Tumorgröße und der Mitoserate muss von einem mittleren Risiko eines aggressiven klinischen Verhaltens ausgegangen werden. 12.01.2006 Vorstellung in der Chirurgie, Haus 1 (Klinikum Kassel) Gespräch über die notwendige OP – Bestätigung über die möglichen Ausmaße der OP 16.-18.01.2006 Bis heute liege ich auf der Über- wachungsstation. Anfänglich habe ich gedacht, dass ich nie wieder auf die Beine komme – schließlich bin ich noch nie operiert worden und kenne diesen Zustand der totalen Hilf losigkeit überhaupt nicht. Zu Hause recherchiert meine Frau fieberhaft im Internet und versorgt mich mit Informationen. Ich habe einen ganz seltenen Tumor. Sie findet Berichte über einen neuen Wirkstoff. Vielleicht kann man die Operation vermeiden. Aber ich erfahre auch, dass nach wie vor die Resektion die erste Wahl ist. 18.-26.01.2006 Nach der Verlegung auf die Nor- malstation erhole ich mich in Rekordzeit. Dabei hilft mir mein bisheriger ausgezeichneter Gesundheitszustand. Ich übe in den Treppenhäusern des Klinikums. Am Entlassungstag kenne ich die meisten Treppen und Flure des Hauses I. Man empfiehlt mir eine adjuvante Therapie14 mit Imatinib, die nur im Rahmen von Studien möglich ist. Deshalb nimmt die Klinik Kontakt zu Dr. Armbrust von der Uniklinik in Göttingen auf. 13.01.2006 Aufnahme in der Klinik für Allgemeinchirurgie, Auf klärung und Belehrung 09.01.2006 10.01.2006 Koloskopie 11.01.2006 Endosonografie des Magens. Nachmittags habe ich Besuch von einigen Kollegen. Wir lachen und machen Witze über meinen „unnötigen“ Aufenthalt im Krankenhaus. Mein behandelnder Arzt kommt zur Visite und möchte mir die Diagnose mitteilen. Da ich nichts zu befürchten habe, habe ich nichts dagegen, dass meine Kollegen dabei bleiben. Dann der Schock: Verdacht GIST (was ist das?) am ehesten von der Magenwand ausgehend, mit Kontakt zur Leber – mögliche Maßnahmen: Entfernung des Magens, Konstruktion eines neuen Magens aus dem Darm, Entfernung der Milz und der Galle, Entfernung eines Teils der Leber. 52 Nun will ich die OP auch, und finde es gut, dass sie bereits am 16.01.2006 sein wird. Vielleicht bin ich dann bis Ende März wieder soweit fit, dass ich mit meiner Klasse zum Skilaufen fahren kann. Ich gebe mir selbst das Versprechen, auch ohne Magen werde ich das schaffen. Meine 38. Fahrt in die Berge - bis zur Pensionierung möchte 40 x gefahren sein. 26.01.2006 Ich freue mich auf zu Hause. Da bin ich für die nächsten 14 Tage. Dann fängt meine Anschlussheilbehandlung in Masserberg in der thüringischen Rhön an. 16.01.2006 Operationstag. Nach und nach wache ich auf. Irgendjemand f lüstert mir ins Ohr, dass ich meinen Magen behalten habe. Gott sei Dank! Glück gehabt, denke ich. 07.-11.03.2006 Im tief verschneiten Masserberg fühle ich mich sofort wohl. Ich liebe den Schnee; es kann nie genug sein. Ich komme hier richtig auf meine Kosten. Bald liegt der Schnee so hoch, dass die Patienten im Erdgeschoss nicht mehr aus dem Fenster hinaus sehen können. Mein Auto steht irgendwo unter diesen Schneemassen. Die OP ist nicht so umfangreich wie befürchtet. Das Gutachten spricht von einem 11x8x5cm großen gastrointestinalen Stromatumor mit einer Mitoserate13 >10 pro 50 HPF. Der Tumor ist glatt begrenzt, reicht jedoch bis an die Resektionsränder heran. Ergebnis der Pathologen: Das Tumorgewebe zeigt eine intensive positive Reaktion für CD 34. Ferner immer wieder einzelne Zellen po- Mitoserate: Zellvermehrungsrate, Zellteilungsrate. adjuvante Therapie: Therapie, die nach vollständiger operativer Entfernung aller erkennbaren Tumoranteile angewandt wird, um mögliche, bisher aber noch nicht nachweisbare Tumorabsiedlungen (Mikrometastasen) zu bekämpfen und dadurch die langfristigen Heilungsaussichten zu verbessern. 13 14 53 Hier sind fast ausschließlich Krebspatienten – aber meine anfängliche Befürchtung, dass dadurch alle in tiefe Traurigkeit verfallen, ist unbegründet. Wir haben viel Spaß und wieder richtig Freude am Leben. 07.04.2006 Der Anruf aus Göttingen macht allen Zweifeln ein Ende. Ich bekomme Imatinib und zwar für 36 Monate. 08.04.2006 Ich nehme am regionalen Treffen des Lebenshauses in Heidenheim teil und fühle mich gut informiert. Ich beschließe, am Mailsystem teilzunehmen. Juli/Aug. 2007 Mit meinem Cousin aus Österreich und einem Freund gehe ich auf Bergtour in Vorarlberg. Es ist für mich eine Herausforderung, die ich meistern möchte. Unser Schritt ist zwar nicht mehr so schnell wie früher, aber nicht nur meinetwegen. Die beiden anderen sind auch älter geworden und müssen es langsamer angehen lassen. Imatinib trifft gegen Mittag bei mir ein. Ich fahre mit meiner Frau nach Düsseldorf, um mit Professor Schütte, einem der GIST-Experten, über meine Erkrankung und meine Prognose zu sprechen. Professor Schütte klärt mich darüber auf, dass ich mit der Tumorgröße und der Mitoserate eher zur Hochrisikogruppe für einen Rückfall gehöre. Er empfiehlt auf jedem Fall den Einschluss in eine Studie. Auf der Rückfahrt sprechen wir über unsere Zukunft. Die Schatten sind wieder da. Wir beschließen, unserer Tochter vorzuschlagen, mit ihrer kleinen Familie zu uns zu ziehen. 22.10.2006 14.03.2006 09.04.2006 Ich beginne mit der Einnahme von Imatinib. Die Sequenzierung15 meines Tumors durch die Pathologen hat ergeben, dass in c-kit keine Mutation vorliegt. Die Mutation wurde im PDGFR-Gen gefunden (Exon 18 Punktmutation in Codon 846 mit Austausch Aspartat gegen Tyrosin (D846Y)). Mutationen im PDGF-Rezeptor sind bei etwa 5-10% aller GIST als auslösende Veränderung beschrieben worden. Seit heute bin ich mit halber Stundenzahl wieder in der Schule. Der Alltag hat mich wieder. Zwischenzeitlich habe ich den Bescheid bekommen, dass ich zu 100% schwer behindert bin. 27.02.2007 Heute habe ich meinen letzten Tag als Lehrer in der Schule. In die Freude mischt sich ein wenig Wehmut. Abends haben wir eine Einladung, aber ich habe überhaupt keine Lust. Meine Frau muss mich schon sehr überreden, damit ich mich „ausgehfein“ mache. Als ich den Raum betrete, in dem die Feier stattfindet, blicke ich ausschließlich in bekannte Gesichter, die alle gespannt auf meine Reaktion warten. Es ist eine Überraschungsparty, die meine Frau organisiert hat. So kann ich mit Kollegen, Freunden und Verwandten meine Pensionierung feiern. Sept. 2007 Ich nehme mit meiner Frau am Treffen des Lebenshauses in Fulda teil. Die vielen Gespräche mit den anderen Betroffenen, den Angehörigen und den Experten machen Mut. Wir hängen noch einen Tag dran, schauen uns Fulda an und genießen die Annehmlichkeiten des Hotels. Den Rhythmus meines täglichen Lebens bestimme ich jetzt überwiegend selbst – mit einer Ausnahme: Wenn ich zum Frühstück komme, wartet schon meistens meine Enkelin Emma auf mich. Mit „Sneller, sneller Opa!“ treibt sie mich an, damit ich mit ihr spiele. In einigen Monaten wird auch Oscar Anspruch auf mich erheben und die beiden werden sich streiten, wer auf meinem Schoß sitzen darf. Ich hoffe, dass dies für ganz, ganz lange Zeit geschieht. 24.04.2006 16.03.2006 Heute habe ich den Termin in Göttingen, um in eine Studie aufgenommen zu werden. Doch plötzlich steht der Einschluss in die Studie wieder in Frage, denn mein Plattenepithelkarzinom kann der Grund dafür sein, dass ich nicht aufgenommen werde. 28.4.-01.05.2006 Ich mache die alljährliche Fahrradtour mit meinen beiden Kollegen und Freunden. Wir fahren von der Ruhrquelle bei Winterberg bis zur Mündung in Duisburg. In diesem Jahr ist diese Tour der Test, wie gut ich mich erholt habe. Die Nebenwirkungen von Imatinib halten sich im Moment in Grenzen. Trotz sehr schlechtem Wetter habe ich großen Spaß. 17.03.2006 Dr. Armbrust teilt mir telefonisch mit, dass das Plattenepithelkarzinom kein Ausschlusskriterium ist, dass aber mein Tumor noch einmal histologisch beurteilt werden muss, weil CD 117 nur vereinzelt nachgewiesen wurde. Juli 2006 Die extreme Hitze macht mir sehr zu schaffen; die Wassereinlagerungen nehmen zu und die Müdigkeit zwingt mich immer wieder zu Ruhepausen. Da meine Tochter mit Familie zu uns gezogen ist, sind einige Umbauten erforderlich. Früher war das für mich keine große Herausforderung, jetzt muss ich für einige Dinge doch einen Handwerker nehmen. 03.04.2006 Die Zeit verrinnt – am 10.04.2006 werden 12 Wochen nach der Operation vergangen sein. Das ist ein Ausschlusskriterium für die Studie. Ist schon merkwürdig: erst wollte ich nicht unbedingt; jetzt wo die Aufnahme fraglich ist, will ich unbedingt. Durch den Streik (den ich verstehe) an den Unikliniken ist es bisher nicht möglich gewesen, meinen Tumor erneut zu beurteilen. 15 54 März 2007 Das Versprechen, dass ich mir vor der OP gegeben habe, kann ich einlösen. Ich fahre zum 38. Mal mit einer Klasse in die Berge zum Skifahren. Meine ehemaligen Kollegen nehmen mich mit und freuen sich über meine Hilfe. 28.03.2007 Mein Enkel Oscar Ernst Anton wird geboren und ich bin glücklich über diesen kleinen Kerl. April 2007 Wieder geht es auf die Fahrradtour – wie jedes Jahr. Dieses Mal fahren wir von der Lahnquelle bis zur Mündung in den Rhein. Ich genieße jeden Kilometer. Mai 2007 Kollegen fragen mich, ob ich Lust habe, eine Klassenfahrt nach Prag zu begleiten. Ich habe – und verbringe schöne Tage in der Goldenen Stadt. die Bestimmung der DNA-Sequenz 55 Ich bin sicher, dass wir noch lange Mein Fazit: Ich hatte Glück im Unglück, und zwar mehrfach! gemeinsam leben, lieben und streiten. nDurch Zufall wurde mein Tumor entdeckt; mir wurde eine Aufnahme als Notfall irgendwann in der Zukunft erspart. nSeit Anfang 2000 gibt es die Möglichkeit, diesen Tumor überhaupt zu klassifizieren. nSeit ca. 2002 gibt es einen Wirkstoff, der Erfolg verspricht. nDer Einschluss in eine Studie ermöglicht mir eine adjuvante Therapie. nVerglichen mit anderen Patientenberichten sind die Nebenwirkungen bei mir relativ milde. nBedingt durch die Schwerbehinderung konnte ich dieses Jahr ich mit 63 Jahren ohne Abzüge in Pension gehen. nIch kann endlich Urlaub machen, ohne auf die Ferienzeiten angewiesen zu sein. nRechtzeitig zur Pensionierung wurde mein zweites Enkelkind geboren. nIch habe eine Familie, die mit mir durch dick und dünn, durch Freud und auch Leid geht. nBisher war jede Verlaufskontrolle in Ordnung. (Inge, 56, Ehefrau von Ernst-Werner) Die Autoren Namen: Ernst-Werner Sohm und Inge Wiggermann-Sohm Geburtstag: 25.02.1944 Familie: seit 12.10.1979 verheiratet seit 20.07.1981 Vater einer Tochter seit 15.10.2004 Schwiegervater seit 05.10.2005 Großvater von Emma Elisabeth seit 28.03.2007 Großvater von Oscar Ernst Anton Beruf: bis zum 28.02.2007 Lehrer am Berufskolleg, seitdem mit großer Freude Pensionär Interessen: Familie, Rad fahren, Skilaufen, (Berg-)Wandern, Surfen, Haus und Garten in Ordnung halten E-Mail: [email protected] Getreu meinem Motto, dass das Leben viel zu kurz ist, um schlechten Wein zu trinken, werde ich auf meinem Gründstück am Wald in Südlage einige Weinstöcke anbauen. Ich bin sicher, dass ich den ersten Ertrag in ca. drei Jahren mit meiner Familie genießen werde. Anders als mein Mann, hatte ich schon nach den ersten Untersuchungen befürchtet, dass diese „Raumforderung“ in seinem Bauch einmal viel Raum in unserem Leben fordern wird. Diese lange Zeit zwischen den einzelnen Untersuchungen hat mich sehr gestresst – und mir war immer zum Hoffen und Bangen. Zu dieser Zeit litt ich auch unter extremen Schwindelanfällen. Alles geriet durcheinander, denn eigentlich wollte ich mit diesem Mann gemeinsam alt werden und nun schien dies unmöglich. Ich war sauer auf ihn und seinen GIST. Zum Glück war ich dann irgendwann in der Lage, mich zur Ordnung zu rufen, denn ich wollte ihm doch eine Hilfe sein und nicht zur Last werden. Zum ersten Mal in unserer Ehe habe ich den Valentinstag 2006 genutzt, um ihm für 32 schöne Jahre zu danken. Ich schickte ihm eine rote Rose für jedes Jahr in die Anschlussheilbehandlung. Zermürbend für mich waren die häufigen Debatten über Sinn und Unsinn der verschiedenen Untersuchungen und letztlich des Krankenhausaufenthaltes. Anders als mein Mann hatte ich dann nach der Diagnose GIST die Möglichkeit, im Internet zu recherchieren. Was ich las, hat mich sehr beunruhigt. Da ich hoffte, dass ich vielleicht auf diesem Weg eine Lösung finde, konnte ich den Computer nicht ausstellen, ohne sofort das Gefühl zu bekommen, etwas Entscheidendes zu versäumen. Ich habe kaum noch geschlafen. Schrecklich war, dass jeder für sich – mein Mann im Krankenhaus und ich zu Hause – die schlimmsten Stunden unseres gemeinsamen Lebens verbringen mussten. Wie macht es Beppo, der Straßenkehrer? Schritt für Schritt, immer ein Stück des Weges nach dem anderen; sich nicht erschrecken und lähmen lassen. Jetzt mache ich es wie Beppo. Ich schaue nicht mehr auf ferne Ziele in der Zukunft. Heute freue ich mich über jeden neuen Tag, den wir verbringen. Ich bin sicher, dass wir noch lange gemeinsam leben, lieben und streiten. Ernst-Werner Sohm 56 57 01 Mo 02 Di 03 Mi 04 Do Dezember Unser Körper ist ganz schön schlau. (Maria, 58, GIST seit 2004) 05 Fr 06 Sa 07 So 2. Advent Als ich im März 2004 die Diagnose „GIST in der Magenwand“ bekam, brach für mich mein „persönliches Lebenshaus“ zusammen. Die Informationen im Internet über GIST und die Patientenberichte machten alles noch viel schlimmer. Alle Berichte und Beispiele verstärkten meine große Angst. Wie froh und dankbar wäre ich seinerzeit gewesen, mal einen Mut machenden Bericht zu lesen. Deshalb hatte ich mir damals schon vorgenommen, wenn ich die Möglichkeit dazu erhalte, dann will ich eine Mut machende Geschichte, nämlich meine Geschichte, erzählen. 08 Mo 09 Di 10 Mi 11 Do 12 Fr 13 Sa 14 So 3. Advent 15 Mo 16 Di 17 Mi wie und was ich vertrage. Auf die medizinisch-körperlichen Details und Schwierigkeiten der ersten Zeit möchte ich hier nicht eingehen, da sich zwischenzeitlich vieles geklärt und gebessert hat. Allen, die ihre Operation noch nicht lange hinter sich haben, kann ich nur sagen, dass unser Körper ganz schön schlau ist. Im Laufe der Zeit sucht er sich neue Wege und entwickelt ein System, damit er mit der veränderten Situation klar kommt. Das bestätigt mir auch eine Freundin, die aufgrund einer GISTOP den kompletten Magen verloren hat. Schwierig war seinerzeit für mich vor allem die Problematik meines desolaten psychischen Zustandes. Da mein Vater an Krebs gestorben ist und ich seinen langen Leidensweg begleitet habe, haben die Ängste, dass mir das jetzt auch bevorsteht, so von mir Besitz ergriffen, dass ich keine Lebensfreude mehr hatte. Ein Segen für mich war, dass ich damals im Internet Das Lebenshaus gefunden habe. Besonders geholfen haben mir die ausführlichen Gespräche mit Markus Wartenberg (Vereinssprecher des Lebenshauses), das Zusammentreffen auf den jährlichen GIST-Foren mit Experten, die sich mit GIST beschäftigen und auskennen, und die Selbsthilfegruppe innerhalb des Lebenshauses, der ich mich angeschlossen habe. Wenn ich Fragen habe, weiß ich nun, wen ich fragen kann, wo ich kompetente Hilfe bekomme. Vor allem möchte ich hervorheben, dass die Menschen im Lebenshaus, ob Ärzte, Mitarbeiter oder Patienten, mich ernst nehmen und sich Zeit für mich nehmen. Das ist beruhigend und menschlich sehr auf bauend. Nach der Diagnose GIST reagierte ich plötzlich so, wie ich mich überhaupt nicht kannte. Vorher galt ich als ein Mensch, der sein Leben im Griff hat und als starke Persönlichkeit erscheint. Plötzlich war ich schwach und überhaupt nicht mehr belastbar. Ich konnte mich auf mich selbst nicht mehr verlassen. Meine verzweifelten Versuche, Klarheit über meine Krankheit und sowohl medizinische als auch seelische Hilfe zu bekommen, gingen zunächst ins Leere. Das Schlimmste für mich war, dass ich nicht wusste, an wen ich mich wenden konnte, um zuverlässige Antworten auf alle meine Fragen zu bekommen. Ich traf niemanden, der sich mit GIST auskannte. 18 Do 19 Fr 20 Sa 21 So 4. Advent 22 Mo Winteranfang 23 Di 24 Mi Heiligabend 25 Do 1. Weihnachtstag 26 Fr 2. Weihnachtstag 27 Sa Am 13. Mai 2004 wurde ich operiert. zwei Drittel des Magens und ein Stück Dünndarm wurden entfernt. Bei meiner Entlassung aus dem Krankenhaus sagte man mir, der Tumor sei komplett entfernt, bezüglich der Ernährung müsse ich ausprobieren, 28 So 29 Mo 30 Di 31 Mi Silvester 58 59 Das Lebenshaus e.V. – Selbsthilfe GIST Nach meiner OP und Anschlussheilbehandlung habe ich eine psycho-onkologische Gesprächstherapie begonnen, die ich erst letztes Jahr im Sommer beendet habe. Hierbei hatte ich das große Glück, dass ich eine Therapeutin gefunden hatte, die gleichzeitig Oberärztin in der Onkologie eines Krankenhauses ist. Sie hat mir geholfen, mein Leben neu zu ordnen und meine Ängste in den Griff zu bekommen. Wenn eine solch einschneidende Diagnose etwas Gutes haben soll, dann in der Form, dass man sein Leben überdenkt und eventuell die Schwerpunkte neu sortiert. Was ist eigentlich wirklich wichtig? So habe ich in diesem Zusammenhang wieder zu meiner tiefen religiösen Überzeugung zurückgefunden. Mein Glaube an Gott gibt mir Kraft und Zuversicht, dass ich das, was kommen wird, auch schaffen werde. Die Autorin Name: Geburtstag: Familie: Beruf: Passion: Maria Born Ich bin 58 Jahre alt Geschieden, ohne Kinder Habe ca. 40 Jahre als Sekretärin gearbeitet Bin sehr zuverlässig und gerne anderen Menschen behilf lich Das Lebenshaus e.V. ist seit 2003 die Gemeinschaft für Patienten mit der Krebserkrankung GIST und deren Angehörige (Begleiter). Der Verein ist als Non-Profit Selbsthilfeorganisation mit einer stetig steigenden Zahl regionaler Gruppen in Deutschland, Österreich und der Schweiz tätig. In professioneller Kooperation mit erfahrenen medizinischen GIST-Experten, der forschenden Pharmaindustrie und anderen GIST-Patientenorganisationen weltweit, informiert und betreut Das Lebenshaus derzeit etwa 600 GIST-Patienten. Status: Non-Profit-Organisation (gemeinnütziger Verein) gegründet am 24. Juni 2003 (14 Gründungsmitglieder), registriert beim Amtsgericht Friedberg (Hessen) unter VR 1152 Finanzierung: Mitgliedsbeiträge, Privat- und Firmen-Spenden, Benefiz, Mitarbeit in EU-geförderten Projekten, Sponsor-Projekte nach dem Prinzip „Fördern ohne zu fordern!“ mit Novartis Oncology, Pfizer Onkologie, Bayer-Schering Healthcare Mission: Das Lebenshaus e.V. will durch engagierte Informations- und Kommunikationspolitik bei GIST ndie Informationssituation der Betroffenen verbessern (Stichwort Patientenkompetenz), ndazu beitragen, die Behandlungsqualität zu optimieren, nund die Interessen der betroffenen Familien vertreten. Ich bin dankbar, dass ich wieder ohne Angst und mit Hoffnung leben kann. Und wenn zwischendurch Komplikationen und Ängste auftreten, kann ich damit umgehen und ich weiß, wohin ich gehe und wer mir helfen kann. Nun sind ca. 3 ½ Jahre seit meiner OP vergangen, teilweise schwere Zeiten, aber auch ganz wichtige Momente in meinem Leben. Ich wünsche allen, die diesen Bericht lesen, dass sie für sich den Weg finden, Kraft zu schöpfen und Hilfe zu finden und die Hoffnung auf Besserung nicht aufgeben. GIST-Patienten: Etwa 600 GIST-Patienten und deren Familien (Stand Dez. 2007) Organe: nVorstand (4 Betroffene) nMitgliederversammlung nLeiter der 17 regionalen Selbsthilfegruppen (Patientenkontakte) nVereinssprecher, Mitarbeiter nMedizinisch-wissenschaftlicher Beirat (14 Mitglieder) nVereinssatzung nRichtlinien für Finanzierungsvereinbarungen des Vereins mit kommerziellen Unternehmen „Fördern ohne zu fordern!“ Der Verein bietet den Betroffenen eine Gemeinschaft für die „Hilfe zur Selbsthilfe“ in der Bewältigung ihrer Erkrankung. Maria Born Das Lebenshaus e.V. leistet seinen Beitrag zu den weltweiten Bemühungen, die Krebserkrankung GIST heilbar zu machen. 60 61 Patientenratgeber GIST: Zweite überarbeitete Auflage erschienen! 17 Regionale Gruppen: Schweiz (4), Österreich (2), München, Nürnberg, Tübingen, Mannheim, Rhein-Main, Rhein-Ruhr, Köln-Bonn, Berlin, Hamburg, Lübeck, Hannover Nationale und internationale Kooperationen: • Kooperation mit www.gist-register.de • Gründungsmitglied KO.SAR (Kompetenznetz Sarkome) • Initiator/Mitglied Global GIST-Network www.globalgist.net • Mitglied von ECPC (European Cancer Patient Coalition) • Partner von CONTICANET (EU-gefördertes Netzwerk • Partner von RARECARE (EU-gefördertes Netzwerk) Medizinisch-wissenschaftlicher Beirat: • PD Dr. Gerald Antoch, Essen • Dr. Sebastian Bauer, Essen • Prof. Dr. Peter Hohenberger, Mannheim • Univ.-Doz. Dr. Thomas Kühr, Wels (Österrreich) • PD Dr. Claus Langer, Göttingen • Dr. Michael Montemurro, Lausanne (Schweiz) • Stefanie Peyk, Berlin (Patientin) • PD Dr. Peter Reichardt, Bad Saarow (Vorsitzender) • Dr. Marcus Schlemmer, München • Dr. Ulrich Schnorf, Zug, (Schweiz, Patient) • Prof. Dr. Hans-Jochen Schütte, Düsseldorf • PD Dr. Gernot Seipelt, Bad Soden • PD Dr. Eva Wardelmann, Bonn • Markus Wartenberg, Reichelsheim (Patienten-Fürsprecher) Kontaktadresse: Das Lebenshaus e.V. – Selbsthilfe GIST Markus Wartenberg oder Anja Zimmer Frankfurter Strasse 16 D-61203 Reichelsheim Tel.: +49 (0) 700 4884 0700 Fax: +49 (0) 6035 189616 Mobil: +49 (0) 171 4700919 [email protected] www.lh-gist.org 62 Seit Ende September 2007 ist der neue Ratgeber für Patienten mit GIST (Gastrointestinale Stromatumoren) des Vereins „Das Lebenshaus e.V.“ erhältlich. Er bietet umfassende Informationen über die seltene Krebserkrankung, über Diagnostik, Therapieoptionen, klinische Studien und Nachsorge. Das Buch ist in Kooperation dem Patienten-Fürsprecher des Lebenshauses Markus Wartenberg mit einem der weltweit führenden GIST-Experten Privat-Dozent Dr. Peter Reichardt, Bad Saarow entstanden. „Wir motivieren unsere Patienten ständig, gut informiert zu sein, um zum einen der natürlichen Angst vor der Erkrankung zu begegnen und zum anderen kompetente Gesprächspartner der Ärzte zu sein“, so PD Dr. Peter Reichardt. „GIST sind so selten, dass es leider nicht so viele Mediziner gibt, die wirklich Expertise haben. Da kann es für Betroffene enorm wichtig werden, gut informiert zu sein und die möglichen Therapieoptionen zu kennen.“, so Dr. Reichardt weiter. Der Patientenratgeber GIST war weltweit das erste Buch für Betroffene mit GIST und wurde bereits in der ersten Auf lage ins Englische und Französische übersetzt. Vor kurzem fiel nun die Entscheidung den neuen Ratgeber in acht Sprachen (Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch, Italienisch, Holländisch, Polnisch und Norwegisch) – über das Global GIST-Network – übersetzen zu lassen. Nur ein Beitrag des Lebenshauses, unsere verbundenen GIST-Patientenorganisationen und deren Betroffene in anderen Ländern zu unterstützen. Bereits die erste Auf lage 2005 ist nicht nur von Patienten bestellt worden, sondern auch von vielen medizinischen Fachkräften, die mehr über GIST erfahren wollten. Der neue Patientenratgeber kann jederzeit von Patienten, Angehörigen. Medizinern und anderen GIST-Interessierten bei Das Lebenshaus e.V. unter Tel. 0700 4884 0700 oder [email protected] bestellt werden. Der gemeinnützige Verein bittet bei Abgabe des Ratgebers um eine Spende. 63 Danksagung Richtlinien für Disclaimer Kooperationsprojekte Vorstand und Autoren danken im Namen des Vereines und aller GIST-Betroffenen den Firmen für die finanzielle Unterstützung dieses Projektes. 64 Das Lebenshaus e.V. ist ein gemeinnütziger Non-Profit Verein – ohne Einf lussnahme Dritter. Das heißt: Alle Kooperationsprojekte z.B. mit Pharmaunternehmen werden vom Verein konzipiert, ausgearbeitet, eingehend geprüft, verhandelt und ohne Einf lussnahme der Unternehmen durchgeführt. nDer Verein Das Lebenshaus e.V. hat sich eigene „Richtlinien für Finanzierungsvereinbarungen mit kommerziellen Unternehmen“ gegeben. Diese sind klar, offen, jederzeit einsehbar und werden täglich gelebt. Im n Fokus stehen immer die Interessen und Bedürfnisse der GIST-Patientengemeinschaft in Bezug auf Information, Austausch, Behandlungsqualität und die Unterstützung von GIST-Betroffenen oder GIST-erfahrenen Medizinern. Alle Informations-, Kommunikationsn und Weiterbildungsmaßnahmen haben keinerlei Umsatz- oder Absatzbezug. nZu jeder Zeit eines Projektes ist der Datenschutz gewährleistet. Das heißt: Es erfolgt keinerlei Weitergabe von Patientenadressen / -daten ohne deren ausdrückliche Zustimmung. Sonstige Patienteninformationen (z.B. bei Erhebungen, Befragungen, Versorgungsanalysen etc.) werden nur in Form von zusammenfassenden Statistiken oder anonymisierten Ergebnisprofilen weitergeben oder veröffentlicht. Sämtliche Rechte vorbehalten – insbesondere Vervielfältigung, Veröffentlichung (auch auszugsweise), Verbreitung, Übersetzung – nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Patientenorganisation Das Lebenshaus e.V. und der zwölf Autoren. Der Einfachheit halber wurde in den Texten meist die männliche Form verwendet. Es ist selbstverständlich, dass die weibliche Form gleichberechtigt ist. Wir haben versucht, das Mutmach-Buch mit größtmöglicher Sorgfalt zu erstellen, dennoch sind Irrtümer und Änderungen nicht auszuschließen. Das ist menschlich! Hierfür übernehmen Verein, Autoren und Gestalter keine Haftung. Sollten Sie Irrtümer und Änderungen finden, bitte machen Sie die Autoren – über uns – unmittelbar darauf aufmerksam. Kontakt: [email protected]. Dieses Buch-Projekt ist ein Informationsangebot auf Spendenbasis des Vereines Das Lebenshaus e.V. – der Gemeinschaft zur Unterstützung von Betroffenen mit GIST. Es dient der Förderung des Austausches zwischen GIST-Patienten und Begleitern (Angehörigen). Vielen Dank! Alle zwölf Beiträge dieses Mutmach-Buches stellen jeweils ganz persönliche Erlebnisse und Meinungen der Autoren dar – sie sollen den Erfahrungs- und Gedankenaustausch ermöglichen. Dieses Buch ist keine offizielle Informationsschrift des Vereines oder des Vorstandes – sie ist daher nicht als generelle Meinung, auch nicht in Auszügen, des Vereins anzusehen. Die Informationen in diesem Buch dürfen auf keinen Fall als Ersatz für die individuelle Beratung oder Behandlung durch onkologisch ausgebildete Fachärzte angesehen werden. Der Inhalt kann und darf nicht verwendet werden, um eigenständig Diagnosen zu stellen oder Behandlungen durchzuführen. 65 Spenden Notizen: Dieses Buch wurde von/für GIST-Patienten und deren Familien geschrieben. Alle im Lebenshaus organisierten Betroffenen wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie zur Deckung der Herstellungs- und Versandkosten einen Beitrag in Form einer Spende leisten würden. Sollten Sie die Zusendung einer Spendenbescheinigung wünschen, dann hinterlassen Sie bitte auf der Überweisung Ihre komplette Anschrift. Aus der Schweiz, Österreich oder anderen Ländern können Sie Ihren Beitrag wie folgt überweisen: SPENDENKONTO Dresdner Bank Bad Nauheim Kto.-Nr. 1 305 207 00 BLZ 513 800 40 SWIFT-BIC.: DRES DE FF 512 IBAN DE91 5138 0040 0130 5207 00 Vielen Dank! 66 67 Patientenberichte „Leben mit GIST“ „Schreiben Sie Anderen Mut!“. Mit diesem Aufruf starteten wir im vergangenen Jahr das Projekt „Mutmach-Buch“. 20 GIST-Patienten und Angehörige haben sich ein Herz gefasst und uns ihre Erfahrungen und Erlebnisse geschrieben. Aus allen Einsendungen haben wir 12 Berichte für dieses Buch ausgewählt – weitere Berichte werden wir unter www.lh-gist.org im Internet veröffentlichen. Einige unserer Autorinnen und Autoren leben seit vielen Jahren mit der Erkrankung GIST und haben eine bewundernswert positive innere Haltung dazu gefunden, von der viele Betroffene lernen können. Durch den Einblick in das Leben anderer Betroffener erhalten Patienten unter Umständen wertvolle Anregungen bei der Beantwortung eigener Fragen. Gleichzeitig soll dieses erste Buch aber auch ein Aufruf sein: Sich weiterhin auszutauschen und sich untereinander mitzuteilen. Ganz egal, ob Sie in Bochum, am Zuger See oder in Oberösterreich wohnen. Ob Sie bereits jahrelang Ihre Diagnose haben, erst seit einigen Wochen diagnostiziert sind, Sie weit über 70 sind oder zu den Jüngeren im Lebenshaus gehören: Senden Sie uns auch künftig Ihren persönlichen Patientenbericht: Für das Internet, den INFORM oder ein nächstes Mutmach-Buch 2009. Ihr Bericht enthält Erfahrungen, die anderen Betroffenen in ihrem Krankheitsverlauf weiterhelfen können. Oder Ihr Text macht anderen eben Mut: Weil Sie z.B. für sich eine positive Sichtweise auf die Erkrankung gefunden haben und Ihre Lebenssituation mit GIST motiviert meistern. Das Lebenshaus-Team im Dezember 2007 Das Lebenshaus e.V. Selbsthilfe GIST Frankfurter Strasse 16 D-61203 Reichelsheim Deutschland Tel.: +49 (0) 700 4884 0700 Fax: +49 (0) 6035 189616 Mobil: +49 (0) 171 4700919 [email protected] www.lh-gist.org