Das Weihnachtswunder – ein Schlüsselerlebnis! - Jesus-lebt

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Das Weihnachtswunder – ein Schlüsselerlebnis! - Jesus-lebt
Das Weihnachtswunder – ein Schlüsselerlebnis!
Predigt an Heilig Abend – 24. Dez. 2013 || Theo Enzner
Liebe Gemeinde,
manchmal muss einem so ein Mensch in den Weg treten, so ein Engel begegnen, um uns aus dem Stress
herauszuführen.
Manchmal müssen wir in Leidensdruck geraten, um über Sinn und Unsinn des Festes nachzudenken und die
Rennerei zu stoppen.
Manchmal geschieht es auch in einem solchen Gottesdienst wie heute, dass uns etwas aufgeht. Dass wir etwas
anders machen wollen, dass wir achtsamer leben wollen, dass wir das Wichtige wieder finden wollen. Ja, Gott holt
uns in unserem Rennen und Laufen ein und will uns zur Besinnung bringen.
Wir können uns gut in diese Frau hineinversetzen. Überall Erwartungen und Stimmen, innen und außen: „Ich muss
noch einkaufen. Ich muss die Großeltern anrufen. Ich muss mit der Arbeit fertig werden. Ich muss mich ums Essen
kümmern. Ich muss mehr Sport machen..“ Innere Antreiber, auch äußere. Die Umgebung erwartet das. Das tut man
so. Das machen alle so…
Und die Wirtschaft weiß das noch zu stimulieren, mit tollen Angeboten für die Kauflaune. Aus den banalsten Dingen
wird noch etwas Weihnachtliches gemacht, etwa bei den Christmas-Toilettenrollen. Da fragte neulich eine Frau an
der Kasse des Supermarktes etwas irritiert, warum denn das? Ist das was Besonderes? Nein, das wäre halt so was
zum Fest, anders sind die Rollen auch nicht. Und beiläufig kommentierte die Frau dann: ‚Ach so’n Scheiß!‘ Sehr
treffend. Das gilt auch für viele andere Sachen, die vielleicht originell oder lustig sind, die man aber nicht haben
muss.
Als Fest der Liebe wird Weihnachten beschrieben. Für manche Zeitgenossen wird es zu einem Fest der Hiebe.
Überreizt, überfordert, überschießend, weil alles einfach zu viel ist.So macht Weihnachten keine Freude. Aber
dennoch will ich das Weihnachts-Shopping nicht ganz schlecht reden, es steckt darin auch eine große Sehnsucht.
Nach etwas Stimmigem, nach etwas Liebevollem, nach Glück und Harmonie, nach Verstehen. Dass alles in eine
richtige und gute Ordnung kommt und wieder heil wird.
Ich denke an meine Kindheitstage. Mit meinen drei Geschwistern waren wir in einem bestimmten Alter in einem
Geschenke- und Bastelrausch, jeder aus Familie und engerer Verwandtschaft musste bedacht werden, und die Liste
war lang. Wir geheimniskrämerten. Wir weihten uns gegenseitig in manche Geheimnisse ein, nur eben nicht den
Betreffenden. Es war aufregend, es war stressig.
Aber die größte Aufregung und das größte Geheimnis, das war das Getue und Geraschel der Eltern hinter der
Wohnzimmertür. Wenige Tage vor Hl. Abend war für uns Kinder diese Türe tabu. Keiner durfte durch die Tür ins
Wohnzimmer rein.
Drinnen werkelte der Vater mit dem Baum, dann kamen die Behänge für den Baum, und dann die schöne Krippe,
und dann die Geschenke. Welches Rätselraten und Spekulieren war in unseren Köpfen!!
Und wenn wir wussten, dass Mutter wieder im Wohnzimmer zum Herrichten war, dann war das Schlüsselloch der
Wohnzimmertür für uns so etwas wie ein magisches Auge.
Der Mutigste schaute durch, wir erhaschten einen kleinen Ausschnitt vom Wohnzimmergeheimnis, und das machte
uns selig. Wir spekulierten über die Größe und Art der Geschenke. Und wir mussten höllisch aufpassen, dass nicht
beim Schlüssellock-Gucken plötzlich die Tür aufging, denn wir sollten eben gerade nicht gucken.
Und schließlich kam der ersehnte Augenblick, die Stunde der Wahrheit, das Glöckchen erklang, alles war
bereit, und wir waren in diesem Moment die bravsten Kinder, die man sich vorstellen kann – für einige Minuten..
Dann wurden Lieder gesungen, Geschichte vorgelesen – und dann nacheinander Geschenke ausgepackt.
Kindheitsromantik pur. Ist ihnen das vertraut?
Diese Schlüsselloch-Perspektive aus Kinderzeiten, kennen Sie die?
Ein kleiner Ausschnitt, der Appetit macht auf mehr, der unsre Sehnsucht befeuert.
Ich nehme das als ein Gleichnis. Denn ich glaube, wir Menschen haben im Blick auf die Wirklichkeit Gottes, im Blick
auf die Ewigkeit, von uns aus nur so eine Schlüsselloch-Wahrnehmung. Wir sehen oder ahnen einen Teil, wir erleben
gelegentlich einen Glanz von Harmonie und Liebe, aber ganz und vollständig ist uns das nicht vergönnt.
Der Apostel Paulus sagt selbst von unserer Liebe, die wir erleben und geben können, dass sie Stückwerk ist, also
nicht vollkommen ist. Er schreibt an Christen in Korinth:
Jetzt sehen wir nur ein undeutliches Bild wie in einem trüben Spiegel. Einmal aber werden wir Gott von
Angesicht zu Angesicht sehen. Jetzt erkenne ich nur Bruchstücke, doch einmal werde ich alles klar erkennen, so
deutlich, wie Gott mich jetzt schon kennt. (1.Kor. 13,12) Manches, was wir sehen oder erleben, hat den Charakter
von Stückwerk, von einer Schlüsselloch-Wahrnehmung. Wir ahnen vielleicht etwas, aber wir sehen nicht alles.
Jetzt schauen Sie einmal auf die Postkarte, die wir auf die Plätze gelegt haben. Die schlichte Hütte, darinnen
helles Licht, drum herum das Dunkel – und von oben ein Glanz, ein Strahl, der sich genau auf die Hütte richtet. Ein
Stern? Ein Engel? Vielleicht.
Für mich war der erste Gedanke: dieser himmlische Lichtkegel ist wie ein helles Schlüsselloch in die Ewigkeit.
Der Strahl von oben wie ein Schlüsselloch – und auf symbolische Weise bedeutet das für mich: Hier, in und
durch die Geschichte von der Jesusgeburt in Bethlehem können wir auf ein Geheimnis schauen. Etwas Schönes,
etwas Leuchtendes – eine göttliche Wahrheit und einen ewiger Glanz können wir hier ahnen. Wir sehen es noch mit
Abstand, es weckt aber Neugier, wir müssen da hingehen zu dieser Hütte von Bethlehem – um uns zu vergewissern.
Wir müssen hingehen, um mehr von diesem Glanz zu sehen. Machen wir es wie die Hirten und die Weisen
und viele andere Menschen und schauen in die Hütte, schauen auf das Neugeborene, auf ein kleines Bündel Leben,
das da im Futtertrog liegt.
Was ist das, was uns Gott hier in dieser heiligen Nacht schenken will?
Das soll der Retter und Helfer sein? Von dem sollen die Propheten geredet haben? Dieses zerbrechliche Wesen soll
erlösen? Ja, er ist die Schlüsselperson, die Schlüsselfigur - so sagt die Bibel.
Er bringt ‚Heil und Leben‘ für alle, die sich retten lassen wollen.
Er ist gesandt vom Schöpfer, dem himmlischen Vater.
Und er ging zum Vater zurück, und sitzt zur Rechten seiner Herrschaft.
Jesus, die Schlüsselperson der Bibel schlechthin. Jesus, der Liebesbrief Gottes.
Alles, was vor ihm prophezeit wurde, zielt auf ihn – und wird durch ihn erfüllt, verstärkt, erweitert auf alle
Menschen.
Gott schließt in Jesus seine ewige Welt für uns auf.
„Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis, der Cherub steht nicht mehr dafür. Gott sei Lob, Ehr und
Preis“ – so haben wir es eingangs gesungen.
Gott wird Mensch, hat in Jesus menschliche Gestalt angenommen, schließt uns in ihm den Himmel auf. Und wer
Jesus anschaut, der schaut auf Gott.
Wer ihm begegnet, der begegnet Gott selbst.
Jesus, die Schlüsselperson für uns. Er ist der Retter und Heiland.
Er ist der, der das Sagen hat. Er ist der, der zuschließen und aufschließen kann.
Der die Herzen aufschließen kann, der das Böse wegschließen kann.
Im letzten Buch der Bibel (Offbg 1,17f) sagt der Auferstandene: … Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige.
Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.
Jesus ist die Schlüsselfigur – sogar in der Ankündigung seiner Geburt wurde es deutlich, als der Engel der Maria den
Sohn ankündigte:
Du wirst ein Kind erwarten und einen Sohn zur Welt bringen. Jesus solle er heißen. Er wird mächtig sein, und
man wird ihn Gottes Sohn nennen. Die Königsherrschaft Davids wird er weiterführen und die Nachkommen Jakobs für
immer regieren. Seine Herrschaft wird kein Ende haben. (Lukas 1, 31-33, Lesung!)
Er hat also Schlüsselgewalt, königliche Macht.
Dieser Jesus ist der Heiland, der Retter, nach dem die dahinrennende Welt sich im Grunde sehnt. ‚Der Heil und Leben
mit sich bringt, derhalben jauchzt mit Freuden singt..‘, so heißt es in dem Adventslied ‚Macht hoch die Tür‘.
Er kommt nicht als ein Superman, er kommt in unscheinbarer Gestalt. Er kommt in Niedrigkeit, er kommt in
Schlichtheit. Sein Anfang ist in der Krippe, sein Ende am Kreuz.
Er entspricht nicht unserem Bild von Schönheit, von Macht und Herrlichkeit. Er ist kein ‚Wunschzettel-Jesus‘ und er
ist kein Abbild vom Weihnachtsmann. Aber er entspricht dem Bild Gottes!
Liebe Gemeinde, wenn dem so ist, dann liegt es auf der Hand, dass wir in Kontakt kommen sollen mit Jesus, der
göttlichen Schlüsselperson.
Wie das geht?
Die Gläubigen haben es erfahren und bekennen es immer wieder fröhlich.
Auch die Weihnachtslieder singen davon, wie es geht, nämlich: Demütig werden, hingehen, anschauen, anbeten..
Demütig heißt sicher nicht, sich ängstlich ducken, aber es bedeutet, dass ich um meine Begrenztheit, um meine
Bedürftigkeit, um Schuld, Mangel und Versagen weiß.
Einer alten jüdischen Legende zufolge wird ein Rabbi von seinem Schüler gefragt:
„Früher gab es Menschen, die Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen haben.
Warum gibt es die Leute nicht mehr?“
Der Rabbi antwortete: „Weil sich heute niemand mehr so tief bücken will.“
Wir sollen uns tief bücken, wir sollen demütig werden, sonst kommen wir nicht zum Jesuskind. Nur bedürftige,
bittende Leute sind in Jesus Gott begegnet.
Es heißt in der Bibel: ‚Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade (1.Petrus 5,5). Die
Demütigen beschenkt Gott.
Das ist ein göttliches Prinzip.
Wenn wir das nicht beachten, kann es uns gehen wie einem bestimmten Mann, den sie alle kennen: „Nach ihm ist
ein beispielloses Sozialprogramm benannt worden. Ab 1993 war er der Personalvorstand der Volkswagen AG. 1994
verlieh ihm die Universität Trier die Ehrendoktorwürde. 2002 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse
ausgezeichnet. 2004 wurde ihm vom Ministerpräsidenten des Saarlandes der Ehrentitel ‚Professor‘ verliehen. Am
25.Januar 2007 verurteilte ihn das Landgericht Braunschweig wegen Untreue und Begünstigung in 44 Fällen zu zwei
Jahren Gefängnis auf Bewährung und einer Geldstraße von 576 000 Euro. Wenig später gab Peter Hartz das
Bundesverdienstkreuz freiwillig zurück, bevor es ihm aberkannt werden konnte.“ (aus: ÜberLeben-Kraftquellen für
den Glauben im Alltag, hg.von E.Werner u. K.Pache, S.62).
Jetzt sind wir versucht, zu denken: Ja, die da oben! – Nein, nicht nur: die da oben. Die Krankheit der
Selbstüberschätzung ist oben wie unten. Sie ist bei anderen genauso wie auch bei uns selbst. Wir sind gern von uns
eingenommen.
Hochmut kommt aber vor dem Fall, sagt der Volksmund. Demut ist uns Menschen angemessen, gerade vor
Gott, gerade an Weihnachten. Der Demütige weiß um seine Bedürftigkeit und er freut sich über das Geschenk von
Gnade, Rettung und Vergebung.
Der sterbende Martin Luther sagte ‚Wir sind Bettler, das ist wahr!‘ – er, der große Verdienste hatte, wusste
um seine Bedürftigkeit vor Gott.
Demütige sind in Bethlehem, bei Jesus, willkommen. Was bringen wir mit?
Wenn wir Besuch bei Neugeborenen machen, dann bringen wir oft etwas mit.
In Bethlehem zählt nicht das Imponierende, Gelungene, Gute – sondern es zählt das Schlechte, Miese, der Mangel,
das Schuldigwerden. Und alle die Schachteln, die Kartons, die wir uns im Stress haben aufbürden lassen. Das sollen
wir abladen.
Und was das Wunderbare ist: wir gehen beschenkt und entlastet weg!
Einmal habe ich das als Jugendlicher intensiv erlebt.
Der üblichen Feiern überdrüssig, habe ich trotzig beschlossen, zu Hause zu bleiben und nicht den gewohnten Gang in
die Kirche mit zu gehen. Man ging in die Kirche. Das ganze Dorf ging zur Kirche, aber ich wollte nicht. Ich weiß heute
nicht mehr genau die Motive, aber was dann passierte, weiß ich genau. Es war für mich ein Schlüsselerlebnis.
Nämlich dass Gott reden kann. Dass er einem die Bibel aufschließen kann.
Ich nahm die Bibel zur Hand und war zutiefst bedürftig, mit vielen Fragen.
Erwartungsvoll fing ich an zu lesen, Weihnachtsgeschichte und anderes mehr.
Was für mich oft genug ein Buch mit sieben Siegeln war, das fing an zu reden, sprach in mein Leben hinein..
ich war überwältigt, bewegt, beschämt über so viel Glück, und die Tränen flossen. In meiner Seele kam vieles in
Ordnung, weil Gott redete.
Wer mit offenem Herzen und mit heiliger Sehnsucht zu Gott kommt, die Bibel zur Hand nimmt, betet - der wird
überrascht von Freude, Liebe und Güte, als würde Gott sagen:
‚Es ist in Ordnung, dass du da bist.
Es ist in Ordnung, wenn du nicht alles schaffst und nicht allen gerecht wirst.
Mir bist du recht.
Ich weiß um dein Rennen und Laufen, um dein Versagen, um dunkle Schuld, ich will sie wegnehmen, weit, weit weg.
Ich will dir dafür ein Geschenk geben. Das ist das Leben bei mir, das Leben mit mir.
Meinen Frieden gebe ich dir. Ich halte dich in meiner Hand.‘
Ich wünsche ihnen solche ‚Schlüsselerlebnisse‘.
Friedrich von Bodelschwingh formulierte dieses Wunder so. Sie haben diesen Spruch auf der Karte:
„Das ist das
Wunder der Heiligen Nacht, dass ein hilfloses Kind unser aller Helfer wird, dass in die Dunkelheit der Erde die helle
Sonne scheint, und dass traurige Leute ganz fröhlich werden können. Dieses Kind nimmt unser Leben in seine Hände,
um es niemals wieder loszulassen.“
Liebe Gemeinde,
wenn die Stimmen aus dem Hintergrund wieder auftauchen und sie wieder peinigen, dann wünsche ich ihnen einen
Engel, einen Menschen, der sie stoppt und aufhält.
Denn Sie müssen nicht alles das erfüllen, was andere von ihnen erwarten. Sie dürfen vor Gottes Gegenwart, vor dem
Altar anbeten – ihre Last und die Schachteln der seichten Frohsinns, die Kartons mit Last und Schmerz ablegen – und
den Frieden mitnehmen, den wir uns nicht selbst geben können.
Friede, der unsre Hetze überdauert.
Friede, der ein Leben lang hält, bis über den Tod hinaus.
Frieden, der hier auf der Erden anfängt und bis in den Himmel reicht.
Dafür wurde Jesus geboren und dafür ist er auch gestorben.
Und dieser Friede, den wir uns selbst nicht schenken können,
der bewahre unsre Herzen und Sinne in Jesus, unserem Herrn! Amen.