Adolf Hölzel: „Kunst ist Anschauung“
Transcription
Adolf Hölzel: „Kunst ist Anschauung“
Adolf Hölzel: „Kunst ist Anschauung“ Fotos: alle Adolf Hölzel Adolf Hölzels experimenteller Geist schuf mit der Vielfalt seiner künstlerischen Mittel Grundlagen einer völlig erneuerten Malerei. Figurale Komposition, um 1930. Pastell, Graphit, Kohle und Papier auf Karton. 25 x 44,8 cm D ie „Bruchstelle“, welche die klassische Malerei der Akademien und Salons von jener der Moderne trennt, als „Nahtstelle“ erkennbar zu machen, ist anscheinend eines der zentralen Anliegen des in Regensburg beheimateten Kunstforums Ostdeutsche Galerie. So hatte schon die Wiederentdeckung von Moriz Melzer und vor allem die Ausstellung des Werkes von Lovis Korinth einen bis dahin noch nie so umfassenden Einblick in das Schaffen von zwei Künstlern gewährt. In diese Ausstellungsabfolge reiht sich jetzt die Werkschau „Kaleidoskop. Hölzel in der Avantgarde“ von Gemälden und Grafiken Adolf Hölzels ein. 1853 in Olmütz/ Mähren als Sohn eines Buchhändlers geboren, machte er zunächst eine Schrift82 setzerlehre, konnte aber dank der Unterstützung seines Vaters schon bald seinen künstlerischen Neigungen nachgehen. Er wurde in Wien, anschließend in München in der Kunstakademie ausgebildet. 1887 war ein entscheidendes Jahr für Hölzels künstlerische Entwicklung. In jenem Jahr begegnete er in Paris erstmals den Werken der französischen Impressionisten. Vielleicht hatte deren Begeisterung für das Malen in der Natur ihn dazu bewogen, sich nach dieser Reise im damals noch idyllischen Dachau anzusiedeln. Ab 1888 waren Hölzels Bilder in den verschiedensten Ausstellungen des Münchner Kunstvereins, der Münchner Sezession, der Wiener Sezession (zu deren Gründungsmitgliedern er zählte) ausge- stellt. Von 1916 –1918 war Hölzel Direktor der Stuttgarter Akademie. 1933 sollte zu Ehren seines 80. Geburtstages eine umfangreiche Schau „Hölzel und sein Kreis“ in Stuttgart ausgerichtet werden, diese konnte jedoch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten nicht mehr stattfinden. Im Oktober 1934 verstarb Hölzel nach einem Schlaganfall. Gerhard Leistner, Kurator der jetzigen Ausstellung, hebt hervor, dass Hölzel zu Anfang des 20. Jahrhunderts parallel zu den europäischen Bestrebungen eines Wassily Kandinsky, Piet Mondrian oder Robert Delaunay einen neuen Bildbegriff kreierte, für dessen Entstehung seine frühen ästhetischen Erfahrungen in der Wiener Sezession und sein expeNeuroTransmitter _ 11.2009 NEURO T RANSMITTER-Galerie Journal Wallfahrt (Prozession). 1910 Öl auf Leinwand 41 x 51 cm Große Farbkomposition. 1927 Pastell auf Papier, 52,5 x 68,5 cm rimentelles Wirken in Dachau eine wesentliche Rolle spielten. Die Bilder, die Hölzel dort schuf, seien noch vom Impressionismus beeinflusst. Ihr Ziel war es, farbige Formen zu flächigen Elementen zusammenzufassen, die den Gegenstand immer mehr zurückdrängten. So hat Hölzel mit dem 1905 in Dachau begonnen Bild „Komposition Rot I“ bereits vor Kandinsky ein Gemälde an der Grenze zur Abstraktion geschaffen. Hölzel wurde auch ein bedeutender Theoretiker der modernen Kunst, dessen Überlegungen unter anderem durch die Vermittlung seiner berühmten Schüler wie Johannes Itten, Oskar Schlemmer oder Willi Baumeister eine wichtige Grundlage für die folgende Künstlergeneration NeuroTransmitter _ 11.2009 wurden. Berühmt ist sein Lehrsatz: „Die Kunst steckt in den Mitteln … Die elementarsten Grundlagen sind Linie (vertikal, horizontal, diagonal, gerade, schief, krumm), Form (Dreieck, Quadrat, Kreis), Abtönung (hell, dunkel, Mittelton), Farbe (rot, blau, gelb). Damit ist zu wirtschaften.“ Nach Worten von Leistner habe Hölzel den höchsten Grad der Abstraktion in seiner „absoluten Malerei“ erlangt, indem er ab 1915 in der freien und angewandten Kunst kantenscharfe Linien mit einem überraschenden Farbenprisma vernetzt oder mit pastosen Farbstrichen Ornamente geometrisiert. Für viele Künstler der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gab es engste Verbindungen zwischen der Malerei und der Musik, was Hölzel dazu veranlasste, seine Glasfenster aufgrund ihrer „polyphonen Struktur“ als „musikalische Malerei“ zu bezeichnen, in der er seine Farbenlehre eindrucksvoll ins Bild setzen konnte. az Ausstellung „Kaleidoskop. Hölzel in der Avantgarde“ vom 29. November 2009 bis 28. Februar 2010 im Kunstforum Ostdeutsche Galerie Dr.-Johann-Maier-Str. 5 93049 Regensburg www.kunstforum.net 83