Der Biberpelz

Transcription

Der Biberpelz
Gerhart Hauptmann
Der Biberpelz
Eine Diebeskomödie
Rollen
Frau Wolff, eine Waschfrau
Julius Wolff, ein Fährmann
Leontine, ihre ältere Tochter
Adelheid, ihre jüngere Tochter
von Wehrhahn, der Amtsvorsteher
Doktor Fleischer
Philipp, sein Sohn
Herr Krüger, Rentier
Herr Motes
Frau Motes
Herr Wulkow, Schiffer
Herr Glasenapp, Amtsschreiber
Herr Mitteldorf, Amtsdiener
Der Biberpelz • Seite1
Erster Akt
Küche der Familie Wolff.
Es ist Winter. Leontine Wolff ist eingeschlafen. Jemand ist bemüht ist, von außen die Tür
aufzuschließen, in der jedoch von innen der Schlüssel steckt. Dann klopft es.
Frau Wolff
(von außen) Adelheid! Adelheid! (Stille, dann wieder) Wirst du wohl
aufmachen!
Leontine
(im Schlaf) Nein, nein, lassen Sie mich in Ruhe...
Frau Wolff
Mach auf, Mädel, sonst komm´ ich durch ’s Fenster. (sie trommelt
gegen die Tür)
Leontine
(aufwachend) Was? Ach, du bist es, Mama! Ich komm` ja schon! (sie
öffnet die Tür)
Frau Wolff
(trägt einen Sack auf der Schulter) Leontine, was machst du denn
noch hier? Du weißt wohl nicht, wie spät es schon ist? Mach´ bloß,
dass du fort kommst zu deiner Herrschaft.
Leontine
Wenn ich da man nicht ein bisschen zu spät komme!
Frau Wolff
Sieh´, dass du fort kommst.
Leontine
Ich geh da nicht mehr hin, Mama!
Frau Wolff
Ach, das Fräulein geht da nicht mehr hin. Na, das ist ja ganz was
Neues.
Leontine
Na, muss ich mich immer rumkommandieren lassen?
Frau Wolff
(zieht ein Stück Rehwild aus dem Sack) Was? Rumkommandieren
tun sie dich also bei den Krügers? Nein, so ein armes Kind aber
auch! Und so was hab ich aufgezogen! So ein faules Frauenzimmer!
Los, hilf mir mal! (sie hängen gemeinsam das Rehwild auf) Aber bei
mir hast du damit kein Glück! Also, Ich sag es dir zum letzten Mal...
Leontine
Ich geh nicht mehr zu den Krügers. Lieber geh ich ins Wasser!
Frau Wolff
Na, dass du bloß keinen Schnupfen kriegst.
Leontine
Ich tu's wirklich! Ich spring ins Wasser!
Frau Wolff
Dann ruf´ nach mir, hörst du! Ich werde dir ´nen Schubs geben,
damit du auch ja nicht daneben fliegst.
Leontine
Muss ich mir das denn gefallen lassen, dass ich abends noch Holz
reinschleppen muss?
Frau Wolff
Nee! Nicht möglich! Holz sollst du reinschleppen! Nee, diese Leute
aber auch!
Leontine
Und zwanzig Taler krieg ich auf ´s ganze Jahr. Und nicht mal satt
Kartoffel und Hering?
Der Biberpelz • Seite2
Frau Wolff
Achso, Hunger hast Du. Dann red doch nicht erst lange drum herum,
dummes Mädel. Da hast du ein Messer, schneid dir 'n paar Scheiben
Brot ab und Pflaumenmus steht in der obersten Reihe.
Leontine
(tut es) Die Juste von Schulzens kriegt vierzig Taler...
Frau Wolff
Du wirst bei den Leuten ja nicht ewig bleiben. Meinetwegen geh´
zum ersten April. Aber so lange bleibst du an Ort und Stelle! Du
willst doch nicht auf das schöne Weihnachtsgeschenk verzichten,
hm? Fortlaufen willste? Das ist nicht in Mode! Ich geh bei den Leuten
aus und ein. Das will ich nicht auf mir sitzen lassen!
Leontine
Und das Gelumpe, das ich anhabe?
Frau Wolff
Ist auch Geld.
Leontine
Ja! Ganze sechs Märker!
Frau Wolff
Geld ist Geld.
Leontine
Aber wenn ich aber mehr verdienen kann!?
Frau Wolff
Mit ´m Maul?
Leontine
Nee, mit der Nähmaschine. Ich geh´ nach Berlin und nähe
Mäntel. Stechowns Emilie macht das auch seit Neujahr!
Frau Wolff
Komm´ mir bloß nicht mit dieser Schlampe! Die soll mir unter die
Finger kommen! Das wär´ was für dich, was? Mit einem Kerl die
Nacht durchmachen. Nee, Mädel, wenn ich bloß daran denke: ich
hau dich, dass du nicht mehr aufstehst. Jetzt gib Ruh und nimm dich
in acht, der Papa kommt.
Leontine
Wenn der mich haut, dann lauf ich fort.
Frau Wolff
Jetzt maul nicht! Geh und fütter die Ziegen. Die sind heute Abend
auch noch nicht gemolken worden. Und gib den Karnickeln eine
Hand voll Heu.
Leontine
(trifft in der Tür auf ihren Vater) N'Abend, Vater. (an ihm vorbei)
Julius
N'Abend. (er stellt zwei lange Ruder, die er auf der Schulter
getragen hat, in die Ecke und wirft sein Schiffszimmergerät
schweigend ab)
Frau Wolff
Hast du den Schiffer-Emil getroffen? (Julius brummelt vor sich hin)
Kannst du nicht reden? Ja oder nein?
Julius
Schrei mich nicht an.
Frau Wolff
Und die Tür zuzumachen hast Du auch vergessen.
Julius
(schließt die Tür) Was ist´n mit Leontine?
Frau Wolff
Ach, gar nichts! Was hat denn der Emil geladen?
Der Biberpelz • Seite3
Julius
Wie immer Klinker. Was soll er sonst geladen haben? Also: Was ist
mit dem Mädel?
Frau Wolff
Die Kurzfassung oder die ganze Geschichte?
Julius
(jähzornig, aufwallend) Was mit dem Weibstück schon wieder los
ist, will ich wissen!
Frau Wolff
(ihn überbietend) Und was Emil geladen hat, will ich wissen. Einen
halben oder einen ganzen Kahn?
Julius
Einen ganzen Kahn. Und was ist nun mit dem Mädel los?
Frau Wolff
Davon verstehst du. Lass du mich nur für die Mädels sorgen. Das
gehört nicht zu deiner Konferenz. In meine Konferenz gehört das.
Bei Jungen wäre das was ganz anderes. Da würde ich dir auch
niemals reinreden. Jeder hat seine Konferenzen!
Julius
Dann soll sie mir auch nicht über den Weg laufen.
Frau Wolff
Von Bildung ist bei dir wirklich keine Spur. (es klopft) Wenn ich nicht
gewesen wäre, was wär´ dann bloß aus den Mädels geworden? Ich
hab sie gebildet erzogen, verstehste? Bildung ist heutzutage nämlich
das Wichtigste. Und das geht nicht so auf einen Schlag. Immer
schön eins nach dem anderen, pö a pö. (es klopft wieder) Jetzt soll
sie erstmal lernen zu arbeiten.
Es klopft stärker an der Tür.
Adelheid
Mama! Mama! Mach doch bloß mal auf! (Frau Wolff öffnet, Adelheid
kommt herein) Warum machst du mir denn nicht auf, Mama? Ich hab
mir ja Hände und Füße erfroren.
Frau Wolff
Red´ nicht erst lange so'n Blech zusammen. Mach lieber Feuer im
Ofen, dann wird dir schon warm werden. Wo steckst denn du
überhaupt so lange?
Adelheid
Ich hab doch die Stiefel geholt, für Vater.
Frau Wolff
Und dafür bist du zwei Stunden weggeblieben?
Adelheid
Na, ich bin ja erst um sieben losgegangen.
Frau Wolff
Um sieben bist du losgegangen? So. Und jetzt ist es halb elf. Da bist
du ja bloß viereinhalb Stunden unterwegsgewesen, das ist ja nicht
viel, was? Nun hör mir mal gut zu, Frollein: Bleibst du mir noch mal
so lange fort und dann auch noch bei dem lausigen Fielitzschuster –
dann pass mal auf, was dir dann passiert.
Adelheid
Ich soll wohl immer zu Hause bleiben...
Frau Wolff
Bist du wohl still! ich will keinen Ton mehr hören!
Adelheid
Nur weil ich mal kurz zu Fielitzen gehe....
Der Biberpelz • Seite4
Frau Wolff
Ob du wohl still bist! Und erzähl mir nichts über Fielitz! Dessen
Handwerk ist nicht nur Schuhe flicken. Wenn einer schon zweimal
im Zuchthaus war...
Adelheid
Er hat mir gesagt, das ist nicht wahr. Das ist alles zusammen
gelogen!
Frau Wolff
Ach, das weiß doch das ganze Dorf, dumme Gans!
Adelheid
Er verkehrt sogar beim Amtsvorsteher.
Frau Wolff
Na freilich doch. Der Spitzel! Ein Denuntiant ist er obendrein.
Adelheid
Was ist denn das, ein Denuntiant?
Julius
(aufbrausend) Noch ein Wort...
Adelheid wird bleich und geht gleich stumm daran, Feuer im Ofen zu machen. Julius geht
nach nebenan. Leontine kommt herein.
Frau Wolff
(hat den Rehbock aufgebrochen, Herz, Leber usw. herausgenommen und übergibt es Leontine) Da! Schnell, wasch ab!
(Leontine begibt sich an die Arbeit, die Mädchen flüstern, zu Julius)
Hast Du Dich schon um das Brett gekümmert?
Julius
Was denn für ´n Brett?
Frau Wolff
Hinten am Ziegenstall. Der Wind hat ´s doch losgemacht gestern
Nacht. Sieh zu, dass du raus kommst zum Nageln.
Julius
Morgen früh ist auch noch ein Tag.
Frau Wolff
Nee, Nee, daran verschwende keinen Gedanken! Mit so was
wollen wir bei uns gar nicht erst anfangen. Hier nimm dir einen
Hammer, da hast du Nägel und nun sieh zu, dass du fort kommst.
Julius
Gehst du mir auf die Nerven. (ab)
Frau Wolff
Und was sag ich dem Wulkow, wenn er kommt?
Julius
(draußen) Zwölf.
Frau Wolff
Und Ihr seht zu, dass Papa sein Essen kriegt, ja?
Adelheid
(auf das Reh blickend) Was ist denn das, Mama?
Frau Wolff
Ein Klapperstorch! (beide Mädchen lachen)
Adelheid
Ein Klapperstorch mit Hörnern? Das ist doch ein Rehbock, oder,
Mama?
Frau Wolff
Na, wenn du´s weißt, warum fragst du dann?
Adelheid
Hat Papa den geschossen?
Der Biberpelz • Seite5
Frau Wolff
Wieso? Willste durchs Dorf rennen und schreien: Papa hat ´nen
Rehbock geschossen, ja!?
Adelheid
Ich werd´ mich schön hüten.
Frau Wolff
Wenn ein Reh einen Schuss abgekriegt hat und ist am Verenden
und kein Mensch findet es, dann fressen ´s die Raben. Ob wir´s nun
fressen oder die Raben, gefressen wird’s ja doch. Sag mal, Leontine:
Hattest Du vorhin gesagt, du solltest Holz schleppen?
Leontine
Ja, und das bei der Kälte! Um halb zehn spät abends!
Frau Wolff
Und nun?
Leontine
Nun liegt das Holz noch auf der Straße. Vorm Jachtentor.
Frau Wolff
Und wenn nun einer das Holz klaut? Was ist dann?
Leontine
Mir egal. Ich geh da nicht mehr hin zu den Krügers.
Frau Wolff
Sind es grüne Knüppel oder trockene?
Leontine
Das sind richtig schöne trockene Knüppel. (gähnt) Ich bin so
müde. Ich hab mich so abrackern müssen.
Frau Wolff
Meinetwegen bleibste heute Nacht bei uns. Und morgen früh sehen
wir weiter.
Leontine
Mir ist schon alles eingeschlafen.
Frau Wolff
Na, dann mach und geh schon mal schlafen, rauf in die Kammer,
Leontine
Danke, Mama. (im gehen) Ach, der Motes ist übrigens auch fort von
den Krügers. Der Krüger hat ihn rausgeschmissen,´s wär´ so ´n
verlogener, windiger Kerl, sagt er. Und immer so hochmütig zu Herrn
Krüger.
Frau Wolff
Wenn ich Herr Krüger gewesen wäre, hätte ich ihn gar nicht so
lange behalten.
Leontine
Und mit dem Dr. Fleischer hat er sich auch gezankt.
Frau Wolff
Na, wer sich mit dem zankt...!
Leontine
Er darf gar nicht mehr zu Fleischers hinkommen.
Leontine geht. Es klopft.
Frau Wolff
Immer rein in die Bude!
Wulkow tritt ein.
Wulkow
Ich wünsche schönen guten Abend.
Frau Wolff
Na, sieh mal einer an, Adelheid, da kommt doch wieder einer an, die
Wolffen ein bisschen übers Ohr zu hauen.
Der Biberpelz • Seite6
Wulkow
Umgekehrt wird ´n Schuh draus!
Frau Wolff
Aber, aber, Wulkow. Hier, sehen Se mal. (zeigt auf das Reh) Das ist
doch ein Kapitalhirsch, hm? Was wollen Sie geben?
Wulkow
(das Reh befühlend) Ich hab schon vier Böcke auf meiner Zille
liegen.
Frau Wolff
Wegen dem da geht sie nicht unter.
Wulkow
Nee. Aber was, wenn ich nun liegen bleibe? Ich muss mit den
Dingern doch rein nach Berlin. Bei dem Eis ist eh schlechtes
Fortkommen auf der Spree und wenn es die Nacht so weiter geht,
dann sitz ich fest mit meinem Kahn und hab´ die Dinger am Hals.
Frau Wolff
Na, Adelheid, dann spring mal rüber zu Wachtmeister Schulzen. Sag
ihm nen schönen Gruß, und er soll mal rauf kommen, die Mutter
hätte was zu verkaufen.
Wulkow
Hab´ ich gesagt, ich will es nicht kaufen?
Frau Wolff
Mir ist das doch ganz egal, wer es kauft und wer nicht will, der lässt
´s halt bleiben.
Wulkow
Ich kaufe das Stück! Was soll er denn bringen?
Frau Wolff
Dreißig Pfund. Aber gut und gerne, kann ich Ihnen sagen. Adelheid
und ich konnten´s kaum auf einen Nagel heben, was?
Adelheid
Ja...ich hab´ mir richtig was ausgerenkt.
Wulkow
Schön. Mit dreizehn Mark ist er bezahlt. Da verdiene ich nicht mal
zehn Pfennige bei.
Frau Wolff
Na, dann wünsche Ihnen eine glückliche Reise nach Berlin.
Wulkow
Mehr wie dreizehn kann ich wirklich nicht geben.
Frau Wolff
Ja, ja, lassen Sie man gut sein.
Wulkow
Ich kann nicht mehr geben. Gott soll mich strafen! So wahr, wie
ich hier stehe. Und wenn ich auch sagen wollte: vierzehn, dann setz
ich zu, dann habe ich Verlust von einer Mark. Aber gut, damit Ihr
meinen guten Willen seht: Vierzehn Mark.
Frau Wolff
Lassen Sie's gut sein! Das Reh werden wir schon los, da warten wir
nicht mal bis morgen früh.
Wulkow
Ich hab doch schon vier Stück liegen. Sonst würd ich ja mehr bieten.
Frau Wolff
Nee, Wulkow, heute kommen wir eben nicht ins Geschäft. Gehen
Sie ruhig ein Haus weiter, wir haben uns geschunden hier über den
See. Um ein Haar saßen wir fest im Eis, konnten nicht vorwärts und
nicht rückwärts. Nach so was kann man den nicht wegschenken.
Der Biberpelz • Seite7
Wulkow
Na, hab ich etwa groß was davon? Seit vierzig Jahren plag´ ich mich
nun die Spree rauf und runter. Und was hab´ ich davon? Das Reißen
hab ich. Wenn ich morgens früh aufstehe, schrei ich wie ein junger
Hund. Ich will mir schon seit vielen Jahren einen Pelz kaufen, dass
haben mir alle Ärzte geraten. Aber ich hab mir noch keinen kaufen
können, Bis heute noch nicht, so wahr, wie ich hier stehe!
Adelheid
(zur Mutter) Hat Leontine 's dir erzählt?
Wulkow
Na, gut, ich sag mal: Sechzehn Mark!
Frau Wolff
Nee, is nich! Achtzehn! (zu Adelheid) Was soll Leontine mir erzählt
haben?
Adelheid
Na, Frau Krüger hat sich doch einen Pelz gekauft. Fünfhundert Mark
hat der gekostet. Ein Biberpelz.
Wulkow
Ein Biberpelz?
Frau Wolff
Die Krüger?
Adelheid
Ja. Für Herrn Krüger zu Weihnachten.
Wulkow
Das Mädchen ist wohl bei Krüger im Dienst?
Adelheid
Ich nicht. Meine Schwester.
Wulkow
Ja, wenn ich so was haben könnte. Um so etwas bemüh ich mich
schon lange. Da gäb ich auch sechzig Taler für. Das Doktor- und
Apothekergeld, das geb´ ich doch lieber für einen Pelz aus, was?
Frau Wolff
Gehen Se doch mal rüber, Wulkow, zu Krüger. Vielleicht verschenkt
er ihn ja.
Wulkow
Nee, freiwillig bestimmt nicht. Aber wie gesagt: Für so was
interessiere ich mich sehr.
Frau Wolff
Ja, so einen Pelz möchte ich auch mal haben.
Wulkow
Also, was ist denn nu mit dem Bock? Sechzehn?
Frau Wolff
Unter achtzehn ist nicht. Nicht unter achtzehn, hat Julian gesagt.
Mit sechzehn Mark darf ich dem gar nicht erst kommen. Wenn
der sich was in den Kopf setzt... (Julius kommt herein) Julius,
du hast doch gesagt: Achtzehn Mark?
Julius
Was hab´ ich gesagt?
Frau Wolff
Du hörst wohl wieder mal nicht gut! Du hast doch gesagt, nicht
unter achtzehn. Für weniger soll ich den Bock doch nicht hergeben.
Julius
Achtzehn? Das hab ich gesagt? Ja...! So! Hm! Nee, achtzehn ist
nicht zu viel.
Wulkow
(nimmt Geld heraus und zählt) Also, damit das nu mal ein Ende hat:
Siebzehn Mark, ja?
Der Biberpelz • Seite8
Frau Wolff
Ihr seid schon ein beschissener Kerl. Ich hab ´s ja gesagt, wie er
zur Tür rein kam: Der braucht bloß über die Schwelle zu treten,
da hat er einen schon über ´s Ohr gehauen.
Wulkow
Ja, ja... (holt einen Sack hervor) Nu helft mir mal, ihn hier rein zu
bugsieren. (Frau Wolff ist behilflich, das Reh in den Sack zu
stecken) Und wenn Sie mal was zu Hören kriegen sollten von so
was...von so ´nem Pelz beispielsweise. So sechzig, siebzig Taler,
würde ich dafür hinlegen.
Frau Wolff
Ihr seid wohl nicht recht bei Trost! Wir sollen wir denn zu so einem
Pelz kommen?
Mitteldorf
(ruft von draußen) Frau Wolffen! Frau Wolffen! Sind Sie noch wach?
Frau Wolff
(erschrocken, heftig, gepresst) Fix. Alles wegstecken! Und da rein,
alle Mann. (sie löscht das Licht, drängt alle in das Hinterzimmer und
schließt die Tür)
Mitteldorf
Frau Wolffen! Frau Wolffen, sind Sie noch wach? (die Stimme
entfernt sich singend) Morgenro-ot, Morgenro-ot, leuchtest mir zum
frühen To-od...
Frau Wolff
(horcht eine Weile, öffnet dann leise die Tür und horcht wieder, dann
schließt sie sie beruhigt und zündet das Licht an. Hierauf lässt sie
die andern wieder herein) Das war bloß Amtsdiener Mitteldorf.
Wulkow
Zum Teufel, ihr habt ja schöne Bekannte!
Frau Wolff
Nun sehen Sie zu, dass Sie fortkommen, Wulkow. Aber hinten raus
durch den Gemüsegarten. Julian, geh ihm aufmachen.
Wulkow
Und wie gesagt, wenn so was mal wär wie so´n Biberpelz...
Frau Wolff
Na freilich, jetzt macht!
Wulkow
Wenn die Spree nicht zufriert, dann bin ich in drei, vier Tagen wieder
zurück von Berlin. Dann liege ich mit meinem Kahn wieder unten.
Adelheid
An der großen Brücke?
Wulkow
Wo ich immer liege.
Wulkow und Julius ab. Ein lang gezogener Ruf aus der Ferne: „Hol über!“
Adelheid
Da will jemand über die Spree, Mama.
Frau Wolff
Na, dann geh mal, Papa ist ja unten am Wasser. Trag die Ruder zu
Papa. Er soll bloß erst Wulkow ein Stück fortlassen.
Adelheid ab mit den Rudern. Frau Wolff ist eine Weile, eifrig arbeitend, allein. Adelheid
kommt wieder.
Adelheid
Papa hatte die Ruder schon unten im Kahn.
Frau Wolff
Wer will denn so spät noch übers Wasser?
Der Biberpelz • Seite9
Adelheid
Ich glaube, Mama, es ist der dämliche Motes.
Frau Wolff
Was? Wer? Der Motes?
Adelheid
Ich glaube, es war seine Stimme.
Frau Wolff
Geh schnell runter, lauf! Papa soll rauf kommen. Der dämliche
Motes soll drüben bleiben. Der braucht mir nicht erst im Haus
rumschnüffeln.
Adelheid ab. Frau Wolff versteckt und räumt alles beiseite, was an die Rehbockepisode
erinnern könnte. Adelheid kommt zurück.
Adelheid
Zu spät, Mama, ich hör sie schon reden.
Frau und Herr Motes erscheinen nacheinander in der Tür. Er trägt über dem linken Auge
eine schwarze Binde. Julius hinterher.
Frau Motes
Meine Nase ist ganz blau gefroren...
Frau Wolff
Warum gehen Sie spazieren in der Nacht. Sie haben doch am
Tage Zeit genug.
Motes
Schön warm ist ´s hier. Wer hat Zeit am Tage?
Frau Wolff
Na Sie!
Motes
Und ich lebe wohl von meiner Rente, was?
Frau Wolff
Weiß ich ja nicht, von was Sie leben.
Frau Motes
Na, Mutter Wolffen, nun sein Sie man nicht so glupsch. Wir wollten
nach unserer Rechnung fragen. Wir müssen doch endlich mal
bezahlen.
Frau Wolff
(erstaunt) Bezahlen wollen Sie?
Motes
Sie dachten wohl, wir würden Ihnen durchbrennen, was?
Frau Wolff
Nee, so was werd´ ich doch wohl nicht denken. Wenn Sie so gut sein
wollen: Es sind also elf Mark und dreißig Pfennige.
Motes
Frau Wolff
Das riecht ja hier so nach Hasenbraten. (er will den Deckel von der
Kasserolle nehmen)
(verhindert es) Nee, nee, Topfgucken is nich!
Frau Motes
Wir haben was gefunden, Mutter Wolffen.
Frau Wolff
Ich hab´ nichts verloren.
Frau Motes
Da, sehen Sie mal. (sie zeigt ihr zwei Drahtschlingen)
Frau Wolff
(ohne aus der Fassung zu geraten) Das sind Schlingen. Aus Draht.
Frau Motes
Die haben wir ganz in der Nähe gefunden. Kaum zwanzig Schritte
von Ihrem Garten.
Der Biberpelz • Seite10
Frau Wolff
Kinder, was heutzutage bloß gewilddiebt wird!
Frau Motes
Wenn Sie aufpassen, Mutter Wolffen, dann können Sie den Wilddieb
sicher fassen.
Motes
Wenn ich so´n Halunken treffe, der kriegt zuerst´n paar hinter die
Ohren und dann bring ich ihn zur Anzeige. Förster Seidel hat wieder
´n Wilddieb gefasst. Wird morgen nach Moabit gebracht. Hat
Schneid, der Kerl, das muss man sagen. Ich hab´ auch schon so ´n
paar denunziert. (Frau Wolff und ihren Mann abwechselnd scharf
fixieren) Und die anderen, die laufen mir schon auch noch in die
Hände. Die Schlingenleger sollen nur nicht denken, dass ich sie
nicht kenne. Ich kenn sie genau!
Frau Wolff
Ich dachte, Sie wollten die Rechnung ausgleichen.
Frau Motes
Sonnabend, Mutter Wolffen. Wir haben's im Moment nicht so dicke.
Frau Wolff
Na ja, da weiß ich schon, was das heißt.
Frau Motes
Wir sind ja von Krüger auch schon weggezogen.
Frau Wolff
Weil Sie mussten
Frau Motes
Wir mussten? Du, Männe, hör doch mal! (sie lacht gezwungen)
Frau Wolff sagt, wir mussten von Krüger fortziehen!
Motes
Der Mann ist ein Wucherer und ein Halsabschneider. Ich warte nur,
bis ich Beweise habe. Der soll sich vor mir nur ja in acht nehmen.
Der und sein Busenfreund Dr. Fleischer. Der ganz besonders. Wenn
ich bloß wollte: ein Wort genügte, da säß´ der Mann hinter Schloss
und Riegel. Also, Nacht. (ab)
Frau Motes
(scheinbar vertraulich) Mit meinem Manne ist nicht zu spaßen.
Wenn der sich was vornimmt, der lässt nicht locker. Er steht
auch sehr gut mit ´n Herrn Amtsvorsteher. Haben Sie 'n paar Eier für
mich, Mutter Wolffen?
Frau Wolff
Was? Mitten im Winter? (widerwillig) Na, fünfe hab ich grad noch
liegen. (Frau Motes packt die Eier ein) Sind Sie nu zufrieden?
Frau Motes
Gewiss doch. Freilich. Es sind doch gute Eier?
Frau Wolff
So gut, wie sie meine Hühner gelegt haben.
Frau Motes
(hastig, um ihrem Mann nachzukommen) Na, dann: Gute Nacht!
Bis nächsten Sonnabend. Wegen dem Geld! (ab)
Frau Wolff
Ja doch, ja doch! (schließt die Tür) Bei allen Leuten bloß nichts wie
Schulden. Was geht´s die bloß an, was wir essen? Die sollen doch in
ihre eigenen Töpfe gucken. Geh´ schlafen, Adelheid.
Adelheid
Gute Nacht, Mama. (gibt ihr einen Kuss und will gehen)
Frau Wolff
Na, gibst du Papa keinen Gutenachtkuss?
Der Biberpelz • Seite11
Adelheid
Gute Nacht, Papa. (küsst ihn, er brummt, Adelheid ab)
Frau Wolff
Dass man das immer erst extra sagen muss...
Julius
Musstest du denen denn alle Eier geben?
Frau Wolff
Ich soll mir den Kerl wohl zum Feind machen? Mach du ihn dir
lieber auch nicht zum Feind, Julian. Ich sag dir, das ist ein ganz
gefährlicher Kerl. Der hat nichts zu tun wie auf Leute aufpassen.
Komm, setz dich und iss was. Hier hast du ´ne Gabel. Und die
Schlingen legst du am besten gleich hinten in den Garten. Das
waren doch deine? (Julius brummt) Dass ausgerechnet der dämliche
Motes sie finden muss. Hier in der Nähe, am Haus, verstehste, da
legst du mir keine Schlingen mehr. Nachher heißt es noch, wir haben
sie gelegt.
Julius
Hör bloß mit dem Gequassel auf.
Beide essen.
Frau Wolff
Holz ist auch alle.
Julius
Ich spür die Knochen schon gar nicht mehr.
Frau Wolff
Am besten wär ´s, wir machen ´s gleich.
Julius
Soll gehen, wer will, mir isses egal!
Frau Wolff
Ihr Männer habt immer ein großes Maul, und wenn´s drauf ankommt,
dann könnt ihr nix. Ich arbeite euch dreimal in den Sack und wieder
raus, euch alle miteinander. Wenn du heute nicht mehr raus willst,
hilft es nix: Morgen musst du. Wenn du bloß nicht auch noch so feige
wärst - dann hätten wir schon schnell ein paar Meter Holz – dann
bräuchten wir uns gar nicht erst so zu schinden – dann bräuchten wir
auch gar nicht erst weit zu gehen.
Julius
Jetzt lass mich wenigstens essen, ja!?
Frau Wolff
Julius
Na, ich will mal nicht so sein, pass mal auf! (eine Flasche Schnaps
hervorholend) Hier! Siehste, das hab´ ich dir mitgebracht. Nu
machste auch gleich ein freundlicheres Gesicht! (gießt ihm ein)
(trinkt) Das ist...bei der Kälte...tut das gut!
Frau Wolff
Na, siehste woll! Sorg ich nu für dich?
Julius
Gut war der. Der war ganz gut! (er gießt sich ein und trinkt.
Frau Wolff
Der Wulkow – das ist ein richtiger Halunke. Er tut immer so, als
würd's ihm schlecht gehen.
Julius
Der soll mal still sein, der, mit seinem Handel.–
Frau Wolff
Hast du das gehört mit dem Biberpelz?
Julius
Ich hab überhaupt nichts gehört.
Der Biberpelz • Seite12
Frau Wolff
'S Mädel hat von Frau Krüger erzählt, sie hat dem Krüger einen Pelz
geschenkt.
Julius
Na, die haben ´s ja...
Frau Wolff
Und Wulkow meinte, wenn er so einen Pelz auch mal kriegen
könnte, würde er sechzig Taler dafür geben.
Julius
Der soll sich mal selber die Finger verbrennen.
Frau Wolff
(ihrem Manne eingießend) Na, komm, trink man noch einen!
Frau Wolff holt ein Oktavbüchelchen hervor und blättert darin
Julius
Wie viel haben wir denn?
Frau Wolff
Dreißig Taler sind abbezahlt.
Julius
Dann bleiben noch äh – äh...?
Frau Wolff
Siebzig. Man kommt halt auf die Art nicht weiter. So fünfzig, sechzig
Taler auf einmal, wenn man die auf einmal so hinlegen könnte. Da
wär der Grund und Boden bezahlt. Da könnte man so hundert bis
zweihundert wieder aufnehmen und vielleicht ein paar hübsche
Zimmer einrichten. Einen Sommergast können wir doch so nicht
aufnehmen, und Sommergäste, die bringen´s...
Julius
Ich arbeite doch...
Frau Wolff
Mit dem bissl Arbeiten wirste weit kommen...
Julius
Ich soll wohl umfallen, was?
Frau Wolff
Wer nicht wagt, der gewinnt auch nicht. Und wenn du erst reich bist,
Julian, und kannst in der ersten Reihe sitzen, dann fragt dich kein
Mensch mehr, wo du ´s her hast. Ja, wenn man ´s von den armen
Leuten nähme! Aber wenn wir nun zu den Krügers gehen würden
und das Holz auf einen Schlitten laden und es einfach bei uns in den
Schuppen stellen...dann sind die Leute noch lange nicht ärmer.
Julius
Holz? Was denn für'n Holz?
Frau Wolff
Du kümmerst dich eben um rein gar nichts. Deine Tochter, die sollte
Holz schleppen, abends um zehn, und deswegen ist sie davongelaufen. Nu liegt das Holz auf der Gasse draußen. Na, wenn
ich nun sagen würde, wenn du meine Tochter zum Holzholen jagst
und sie fortläuft, dann nehm ich eben dein Holz...
Julius
Und was könnt ich mir dafür kaufen. Ich kann doch nicht mehr wie
Brot essen.
Frau Wolff
Nu rede nicht lange und hol deine Strippen. Zeig den Leuten, dass
du Mumm hast. In einer Stunde ist alles gemacht. Dann geh´n wir
schlafen, und damit gut. Und morgen brauchste nicht in den Wald,
dann haben wir mehr Holz wie wir brauchen.
Der Biberpelz • Seite13
Julius
Von mir aus. (steht auf, ab)
Frau Wolff
Und weck bloß die Mädel nicht auf.
Mitteldorf
(von draußen) Frau Wolffen, Frau Wolffen, sind Sie noch wach?
Frau Wolff
Na freilich, Mitteldorf, kommen Sie doch rein! (sie öffnet die Tür)
Mitteldorf
(tritt ein, im abgetragenen Dienstanzug und Überzieher) Guten
Abend, Frau Wolffen.
Frau Wolff
Gute Nacht, wollten Sie wohl sagen.
Mitteldorf
Ich bin schon vorhin mal hier gewesen. Erst war es mir so als sähe
ich Licht, dann war es mit einmal ganz dunkel. Es hat mir auch
weiter keiner geantwortet. Nu hab´ ich es aber ganz deutlich
gesehen, dass diesmal Licht an war, und da dachte ich mir, ich
komm mal rein zu Ihnen.
Frau Wolff
Und? Was bringen Sie mir, Mitteldorf?
Mitteldorf
(hat sich gesetzt) Deswegen bin ich ja hergekommen. Ich hab´ was
von der Frau Amtsvorsteher.
Frau Wolff
Ich soll wohl waschen kommen, hä?
Mitteldorf
Jawoll!
Frau Wolff
Wann denn?
Mitteldorf
Morgen. Morgen früh.
Frau Wolff
Und deswegen kommen Sie zur mir? Nachts um zwölf?
Mitteldorf
Es ist morgen Waschtag bei der Frau Amtsvorsteher und ich hatte es
sonst wieder vergessen. Mir geht so viel im Kopf herum, dass ich
sowas auch mal leicht verschwitze. Und wenn Sie morgen nicht
kommen, Mutter Wolffen, dann geht es mir madig schlecht morgen
früh.
Frau Wolff
Ich werd´ schon kommen, lassen Sie ´s gut sein. Da, trinken Sie
einen! Sie können ´s gebrauchen. (schenkt ihm ein)
Ich bin gekündigt, wissen Sie's schon? Der Amtsvorsteher hat mir
gekündigt. Ich ginge am liebsten gar nicht nach Hause; denn wenn
ich komme, dann gibt es Zank. Dann weiß ich mich nicht zu retten
vor lauter Vorwürfen.
Mitteldorf
Frau Wolff
Halten Sie sich einfach die Ohren zu!
Mitteldorf
Und nur, weil man mal n bisschen ins Wirtshaus geht, dass die
Sorgen einen nicht ganz unterkriegen. Ja, nichts darf man! Nu war
ich heute wieder da, einer hat ´n Fässchen aufgemacht –
Frau Wolff
Sie werden sich doch vor einem Weib nicht fürchten. Wenn se
halt schimpft, dann schimpfen Se wieder, und wenn sie haut,
denn hauen Sie wieder. Nu kommen Sie mal her, Sie sind größer
Der Biberpelz • Seite14
wie ich. Nun langen Sie mal die Strippen da runter.
Mitteldorf holt von einem hohen Wandbrett Strippen und Zugstricke herunter.
Julius
(erscheint in der Tür) Ich kann den Schlitten alleine nicht
rauskriegen. N'Abend, Mitteldorf.
Mitteldorf
Guten Abend.
Julius
Es liegt alles drunter und drüber da draußen. Und ohne Licht
geht es schon gar nicht.
Frau Wolff
Du weist dir nur wieder mal keinen Rat. Na, warte, ich werd´ dir
helfen kommen. Dort die Laterne, Mitteldorf! (Mitteldorf nimmt
mühsam eine Laterne herunter und gibt sie Frau Wolff) So, danke
schön! (sie steckt das Licht in die Laterne) Das stecken wir hier rein,
und nu helf ich dir, den Schlitten raus zuziehen. (sie geht mit der
Laterne los, in der Tür, bleibt sie stehen, geht zu Mitteldorf und gibt
ihm die Laterne) Sie können uns ein bisschen leuchten!
Mitteldorf
(leuchtend und vor sich hin singend, ab)
Morgenro-ot, Morgenro-ot....
Der Biberpelz • Seite15
Zweiter Akt
Amtszimmer beim Amtsvorsteher von Wehrhahn.
Es ist ein heller Wintervormittag. Der Schreiber Glasenapp sitzt kritzelnd auf seinem Platz.
Amtsvorsteher von Wehrhahn tritt ein.
Wehrhahn
Moin!
Glasenapp
(steht auf) Moin, Herr Amtsvorsteher.
Wehrhahn
Was vorgefallen, Glasenapp?
Glasenapp
Herr Amtsvorsteher – zuerst war da der Gastwirt Fiebig. Er bittet
um die Erlaubnis, am nächsten Sonntag Tanzmusik abhalten zu
dürfen.
Wehrhahn
Fiebig? Hat einer doch neulich den Saal für die Freisinnigen
hergegeben?
Glasenapp
Ja, Herr Amtsvorsteher.
Wehrhahn
Dann werden wir den mal ein bisschen an die Kandare legen!
Amtsdiener Mitteldorf tritt ein.
Mitteldorf
Moin, Herr Baron!
Wehrhahn
Hören Sie, Mitteldorf, ein für allemal: Im Dienst bin ich der Herr
Amtsvorsteher.
Mitteldorf
Jawohl. Zu Befehl, Herr Baron. Herr Amtsvorsteher.
Wehrhahn
Dass ich Baron bin, ist Nebensache. Also, es ist natürlich nicht
wirklich nebensächlich, aber es kommt hier jedenfalls nicht in
Betracht. (zu Glasenapp) Bitte, Glasenapp, weiter. War der Motes
da?
Glasenapp
Jawohl, Herr Amtsvorsteher.
Wehrhahn
So. Da bin ich doch außerordentlich neugierig. Wollte er
wiederkommen?
Glasenapp
Gegen halb zwölf will er wieder hier sein.
Wehrhahn
Hat er Ihnen gesagt, worum es geht, Glasenapp?
Glasenapp
Er kam in Sachen des Dr. Fleischer.
Wehrhahn
Dr. Fleischer?
Glasenapp
Er wohnt seit zwei Jahren in der Villa Krüger und nennt sich
Provatgelehrter.
Wehrhahn
Pri! Pri! Nicht Pro! Privatgelehrter.
Der Biberpelz • Seite16
Glasenapp
Der Briefträger meint, er liest zwanzig Zeitungen. Auch demokratische.
Wehrhahn
Hat Motes etwas Bestimmtes gesagt, Glasenapp?
Glasenapp
Bestimmtes hat er mir nicht gesagt. Er meinte, der Herr Vorsteher
wüsste schon...
Wehrhahn
Ich hatte den Mann ja schon länger im Auge. Ich meine Dr.Fleischer.
Was hat denn Motes so für einen Leumund? (Glasenapp und Mitteldorf sehen einander an) Pumpt sich wohl rum, was?
Glasenapp
Er sagt, er hat ja seine Pension.
Wehrhahn
Pension?
Glasenapp
Er hat doch ´n Schuss ins Auge bekommen.
Wehrhahn
Wohl so eine Art Schmerzensgeld.
Glasenapp
Sie werden verzeihen, Herr Amtsvorsteher. Ich glaube, der Mann
hat wirklich Schmerzen. Von Geld hat noch keiner bei dem was
bemerkt.
Wehrhahn
Haben Sie vielleicht mal was läuten hören, dass Fleischer die Zunge
nicht recht im Zaum hält?
Glasenapp
Nicht dass ich grade im Augenblick wüsste.
Wehrhahn
Man hat mir das nämlich zugetragen. Er führte ungesetzliche
Reden über alle möglichen hohen Personen. Na, wir werden ja
sehen. Haben Sie etwa noch was?
Mitteldorf
Es soll heute Nacht ein Diebstahl verübt worden sein.
Wehrhahn
Ein Diebstahl? Wo?
Mitteldorf
In der Villa Krüger.
Wehrhahn
Was ist denn gestohlen worden?
Mitteldorf
Holz.
Wehrhahn
Von wem haben Sie ´s denn?
Mitteldorf
Ich...habe es...von...
Wehrhahn
Na, von wem?
Mitteldorf
Ich habe...es von Herrn Dr. Fleischer gehört.
Wehrhahn
So! Mit dem Mann unterhalten Sie sich?
Mitteldorf
Herr Krüger hat es auch selber erzählt.
Der Biberpelz • Seite17
Wehrhahn
Der Mann ist der reine Querulant, schreibt mir wöchentlich drei
Briefe. Mal hat ihn einer übers Ohr gehauen, dann hat ihm einer den
Zaun zerbrochen oder seine Grenze verrückt. Nur Scherereien.
Motes
(tritt ein) Moin, Herr Amtsvorsteher.
Wehrhahn
Da sind Sie ja, Motes. Sagen Sie, in der Villa Krüger soll was
gestohlen worden sein?
Motes
Ich wohne nicht mehr in der Villa Krüger.
Wehrhahn
Und Sie haben auch nichts davon gehört?
Motes
Nein. Aber als ich heute morgen bei der Villa vorbeikam, da suchten
Herr Krüger und Doktor Fleischer nach Spuren im Schnee.
Wehrhahn
So? Dr. Fleischer ist ihm behilflich – da sind sie wohl ziemlich
dick befreundet?
Motes
Ein Herz und eine Seele, Herr Vorsteher.
Wehrhahn
Ja, was nun den Fleischer anbelangt – da haben Sie mir einen Brief
geschrieben, der mich außerordentlich aufgeregt hat. Ich habe die
halbe Nacht nicht geschlafen. Meine Aufgabe hier ist: Mustern und
säubern. – Was hat sich im Schutze meines Herrn Vorgängers nicht
alles für Kehricht hier angesammelt! Dunkle Existenzen, politisch
verfemte, reichs- und königsfeindliche Elemente. Aber jetzt kriegen
es diese Leute mit mir zu tun. Herr Motes, Sie sind Schriftsteller?
Motes
Für forst- und jagliche Sachen, jawohl.
Wehrhahn
Und davon können Sie leben?
Motes
Ich hab´ Gott sei Dank mein Auskommen.
Wehrhahn
Sie sind gelernter Forstmann?
Motes
Ich habe in Eberswalde studiert. Kurz vor dem Examen traf mich
dann das Unglück. Auf der Jagd verlor ich ein Auge, Herr Baron. Ich
bekam ein Schrotkorn ins rechte Auge, von wem, war leider nicht zu
ermitteln. Da musste ich denn die Karriere aufgeben.
Wehrhahn
Deshalb tragen Sie die Binde. Verstehe. Und eine Pension
bekommen Sie nicht?
Motes
Nein. Ich habe mich nun auch so ziemlich durchgefressen. Mein
Name ist doch nun schon ziemlich genannt.
Wehrhahn
Gut. Sie schrieben mir also in Ihrem Briefe, Sie hätten Gelegenheit
gehabt, Dr. Fleischer zu beobachten. Erzählen Sie doch mal, was
Sie wissen.
Motes
Als ich vor ungefähr einem Jahr die Villa Krüger bezog, Herr Baron,
da hatte ich keine Ahnung davon, mit wem ich zusammengeraten
würde.
Der Biberpelz • Seite18
Wehrhahn
Sie kannten weder Krüger noch Fleischer?
Motes
Nein, wie das so ist...
Wehrhahn
Was kamen denn da so für Leute ins Haus?
Motes
Ach...Krethi und Plethi...Demokraten...
Wehrhahn
Gab es regelmäßig Zusammenkünfte?
Motes
Alldonnerstäglich, soviel ich weiß.
Wehrhahn
Da wollen wir doch mal ein Augenmerk drauf haben. Und jetzt
verkehren Sie nicht mehr mit den Leuten?
Motes
Es war mir zuletzt nicht mehr möglich, Herr Vorsteher.
Wehrhahn
Es war Ihnen widerwärtig, was?
Motes
Es war mir gänzlich zuwider geworden.
Wehrhahn
Das ganze ungesetzliche Wesen, das freche Gespött über hohe
Personen, das konnten Sie alles zuletzt nicht mehr anhören, was?
Motes
Genau. Und da bin ich weggezogen, Herr Baron. Aber ich habe es
für meine Pflicht gehalten.
Wehrhahn
....die Behörde davon zu unterrichten. Das ist sehr ehrenwert von
Ihnen. Er hat also so ein Wort gesagt - auf eine Persönlichkeit
bezüglich, die uns allen Ehrfurcht gebietend hoch steht.
Motes
Genau, Herr Baron, das hat er gesagt.
Wehrhahn
Das würden Sie eventuell beeiden?
Motes
Das würde ich eventuell beeiden.
Wehrhahn
Sie würden es auch beeiden müssen.
Motes
Jawohl, Herr Baron.
Wehrhahn
Das beste wäre ja allerdings, wir könnten noch einen Zeugen
bekommen.
Motes
Ich müsste mich umsehen, Herr Baron. Nur wirft der Mann so
mit Geld herum, dass...
Krüger tritt ein.
Krüger
Ach Gott! Ach Gott! Guten Tag, Herr Vorsteher. Ich bin...
Wehrhahn
Moment. (zu Motes) Ich bin Ihnen jedenfalls sehr dankbar, dass
Sie mich so tatkräftig unterstützen. Man ist darauf geradezu angewiesen, wenn man heutzutage was ausrichten will. Entschuldigen
Sie einen Augenblick! (zu Krüger) Was wünschen Sie denn?
Der Biberpelz • Seite19
Krüger
(voll Ärger) Bestohlen worden bin ich, Herr Amtsvorsteher.
Wehrhahn
Bestohlen, hm?
Krüger
Jawohl, bestohlen. Ich bin bestohlen worden. Zweit Meter Holz hat
man mir entwendet.
Wehrhahn
Und Ihr Name?
Krüger
Mein Name?
Wehrhahn
Ja, wie Sie heißen?
Krüger
Ist Ihnen mein Name noch nicht bekannt? Ich denke, wir hatten
schon das Vergnügen.
Wehrhahn
Bedaure. Ich wüsste mich kaum zu erinnern.
Krüger
Ich heiße Krüger.
Wehrhahn
Rentier vielleicht?
Krüger
Jawohl. Rentier und Hausbesitzer.
Wehrhahn
Bitte, legitimieren Sie sich.
Krüger
Legitimieren? Krüger heiße ich. Ich wohne seit dreißig Jahren hier.
Mich kennt ja ein jedes Kind auf der Straße.
Wehrhahn
Wie lange Sie hier sind, geht mich nichts an. Ich will hier nur Ihre
Identität feststellen. Glasenapp, ist Ihnen der Herr bekannt?
Glasenapp
Ja! Es ist der Herr Rentier Krüger.
Wehrhahn
Gut. Holz wurde Ihnen also gestohlen?
Krüger
Ja. Holz. Zwei Meter kieferne Knüppel.
Wehrhahn
Haben Sie das Holz im Schuppen gehabt?
Krüger
Das Holz war im Garten. Das heißt: vor dem Garten.
Wehrhahn
Mit andern Worten: es lag auf der Straße?
Krüger
Es lag vor dem Garten auf meinem Grundstück.
Wehrhahn
Dass jeder ohne weiteres daran konnte?
Krüger
Das ist die Schuld unseres Dienstmädchens. Sie sollte das Holz am
Abend reinräumen. Aber sie hat sich geweigert. Und als ich weiter
darauf bestand, da ist sie mir schließlich davongelaufen. Nun werd´
ich dafür die Eltern verklagen. Ich beanspruche Schadenersatz.
Wehrhahn
Das Mädchen ist Ihnen fortgelaufen?
Krüger
Ja, ganz gewiss – zu den Eltern zurück!
Der Biberpelz • Seite20
Wehrhahn
Sind die Eltern am Ort?
Krüger
Was für ein Wort?
Wehrhahn
Ob die Eltern des Mädchens hier am Ort sind?
Glasenapp
Es ist die Tochter der Waschfrau Wolffen.
Wehrhahn
Der Wolffen, die heute bei uns wäscht, Glasenapp?
Glasenapp
Zu Befehl, Herr Vorsteher.
Wehrhahn
Diese fleißige, ehrenhafte Person. (zu Krüger) Verhält es sich so?
Ihr Mädchen ist die Tochter der Wolffen?
Krüger
Es ist die Tochter der Waschfrau Wolff.
Wehrhahn
Und ist das Mädchen zurückgekommen?
Krüger
Bis heute noch nicht zurückgekommen.
Wehrhahn
Wer wohnt außer Ihnen in Ihrem Hause?
Krüger
Herr Dr. Fleischer.
Wehrhahn
Dr. Fleischer? Dr. Fleischer? Der Mann ist -? was?
Krüger
Ein grundgelehrter Mann.
Wehrhahn
Sie sind befreundet?
Krüger
Mit wem ich befreundet bin, ist meine Sache. Das gehört auch gar
nicht hierher... Mir sind zwei Meter Holz gestohlen worden und ich
bin gekommen um den Diebstahl anzuzeigen...
Wehrhahn
Gut. Dann wollen wir doch mal die Wolffen rufen. Mitteldorf, gehen
Sie mal die Frau Wolffen suchen. Sie soll gleich zu mir kommen.
Bitte, setzen Sie sich, Herr Krüger.
Krüger
(setzt sich) Ach Gott, ach Gott, das ist ein Leben!
Wehrhahn
(halblaut zu Motes und Glasenapp) Da muss irgend etwas nicht ganz
stimmen. Ich halte sehr viel von der Wolffen. Das Weibsbild arbeitet
wie vier Männer. Meine Frau sagt, wenn die Wolffen nicht kommt, so
braucht sie statt ihrer zwei Frauen zum Waschen. Und sie hat auch
gar nicht üble Ansichten.
Motes
Ihre Töchter sollen zur Oper gehen...
Wehrhahn
Na ja, da mag wohl ´ne Schraube los sein. Ist aber doch kein
Charakterfehler.
Die Wolffen tritt ein, hinter ihr Mitteldorf.
Frau Wolff
Hier bin ich! Was gibt's?
Der Biberpelz • Seite21
Wehrhahn
Frau Wolff, ist Ihnen dieser Herr bekannt?
Frau Wolff
Na, welcher Herr denn? (mit dem Finger auf Krüger weisend) Der
hier? Das ist Herr Krüger. Den werd´ ich wohl kennen, nicht
wahr? Guten Morgen, Herr Krüger.
Wehrhahn
Ihre Tochter ist bei Herrn Krüger im Dienst?
Frau Wolff
Wer? Meine Tochter? Jawoll! Leontine. Das heißt: sie ist ihm ja
fortgelaufen.
Krüger
Ja, allerdings!
Wehrhahn
Frau Wolffen, hören Sie auf mich. Ihre Tochter muss gleich in den
Dienst bei Herr Krüger zurückgehen.
Frau Wolff
Nee, die behalten wir jetzt zu Haus.
Wehrhahn
Das geht nicht so einfach, wie Sie denken. Herr Krüger hat
nötigenfalls das Recht, polizeiliche Hilfe anzurufen. Dann
müssten wir Ihre Tochter zurückbringen.
Frau Wolff
Mein Mann will sie nicht mehr weglassen. Und wenn sich mein Mann
einmal was in den Kopf gesetzt hat... wissen Sie, mein Mann ist ja
auch recht jähzornig...
Wehrhahn
Wie lange ist Ihre Tochter denn wieder bei Ihnen?
Frau Wolff
Seit gestern Abend.
Wehrhahn
Sie hat Holz in den Schuppen räumen sollen und hat sich geweigert.
Frau Wolff
Was? Geweigert! Das Mädel verweigert keine Arbeit. Da hätte ich
dem Mädel aber was erzählt! Wenn die mir einmal einen Handgriff
verweigert hätte...
Krüger
Sie hat sich geweigert, das Holz rein zutragen.
Frau Wolff
Ja, Holz reinschleppen, in der Nacht um halb elf, wer das von so
einem Kind verlangt...
Wehrhahn
Das Wesentliche ist, Frau Wolffen, das Holz ist draußen liegen
geblieben, und in der Nacht gestohlen worden. Und nun will der...
Krüger
Ich will, dass Sie mir das Holz ersetzen! Auf Heller und Pfennig!
Frau Wolff
Was, ich? Na, das wäre eine schöne neue Mode! Hab ich Ihnen
vielleicht Ihr Holz gestohlen? Ich bin zu den Leuten gewiss immer
freundlich. Da kann sich kein Mensch über mich beklagen. Aber
wenn´s sein muss, dann rede ich auch mal frisch von der Leber. Ich
tue meine Pflicht, und damit ist ´s gut. Da kann mir keiner im Dorf
was nachsagen. Auf ´m Kopf rumtrampeln lass ich mir nicht!
Wehrhahn
Bleiben Sie ganz ruhig, Frau Wolff. Sie sind uns ja nicht unbekannt.
Dass Sie fleißig sind und ehrenhaft, dass wird Ihnen wohl kein
Mensch bestreiten. Was haben Sie also dagegen zu sagen?
Der Biberpelz • Seite22
Krüger
Die Frau kann gar nichts dagegen sagen!
Frau Wolff
Na nu schlägst aber dreizehn. Das Mädel ist meine Tochter! Und da
soll ich nichts dazu zu sagen haben? Da kennen Sie aber die Mutter
Wolffen schlecht. Ich halte vor niemand hinterm Berge, und wenn´s
der Herr Vorsteher selber ist.
Wehrhahn
Ich begreife ja Ihre Erregung, Frau Wolffen, aber wenn Sie der
Sache nützen wollen, so rate ich Ihnen, ruhig zu bleiben.
Frau Wolff
Da hat man nun bei den Leuten gearbeitet, Zehn Jahre hab ich bei
Ihnen die Wäsche gewaschen. Wir haben uns vertragen die ganze
Zeit. Und auf einmal kommen Sie mir so? Zu Ihnen komme ich nie
mehr, das können Sie mir glauben.
Krüger
Das brauchen Sie gar nicht. Es gibt andere Frauen, die waschen
können.
Frau Wolff
Und das Gemüse und Obst aus Ihrem Garten, das kann Ihnen auch
eine andere verkaufen.
Krüger
Das werde ich los, da ist keine Angst.
Frau Wolff
Ich lass´ meine Tochter nicht schinden.
Krüger
Wer hat Ihre Tochter geschunden, frag´ ich?
Frau Wolff
Ein halbes Gerippe ist das Mädel.
Krüger
Dann soll sie nicht ganze Nächte durchtanzen.
Frau Wolff
Seit sie zurück ist, schläft sie wie ein Stein...
Wehrhahn
Wo haben Sie das Holz denn gekauft, Herr Krüger?
Krüger
Natürlich bei der Forstverwaltung.
Wehrhahn
Das ist durchaus nicht so natürlich. Es gibt zum Beispiel ja auch
Holzgeschäfte. Ich kaufe zum Beispiel mein Holz bei Sandberg.
Warum sollten Sie nicht beim Händler kaufen? Mann kauft überdies
beinahe profitabler.
Krüger
Ich habe nicht länger Zeit, Herr Vorsteher.
Wehrhahn
Was heißt das, Zeit? Sie haben nicht Zeit? Kommen Sie zu mir
oder ich zu Ihnen? Nehme ich Ihre Zeit in Anspruch oder Sie die
meine?
Krüger
Das ist Ihr Amt. Dafür sind Sie hier.
Wehrhahn
Bin ich vielleicht Ihr Schuhputzer, was?
Krüger
Habe ich vielleicht silberne Löffel gestohlen? Ich verbitte mir
diesen Unteroffizierston!
Wehrhahn
Schweigen Sie, Herr Krüger!
Der Biberpelz • Seite23
Krüger
Sie spielen sich hier als wer weiß was auf und schikanieren den
ganzen Ort.
Wehrhahn
Warten Sie nur ab, ich kann Ihnen noch viel unbequemer werden.
Krüger
Das macht mir nicht den geringsten Eindruck. Ein Gernegroß
sind Sie, weiter nichts. Sie wollen sich aufspielen, weiter nichts.
Als ob Sie der König selber wären...
Wehrhahn
Hier bin ich auch König!
Krüger
In meinen Augen sind sie gar nichts. Sie sind ein ganz simpler
Amtsvorsteher. Und selbst das müssen Sie erst noch werden...
Wehrhahn
Herr, wenn Sie nicht augenblicklich schweigen...
Krüger
Dann lassen Sie mich wohl festnehmen? Das möchte ich Ihnen
nicht raten. Das könnte Ihnen gefährlich werden.
Wehrhahn
Gefährlich? Sie? Sie werden mich von der Stelle nicht fortbringen.
Krüger
Wenn Sie sich nicht ändern, das glauben Sie mir, da richten Sie so
viel Unheil an, dass Sie sich selbst fortbringen.
Wehrhahn
Na, Herr Krüger, dann erstatten Sie in Ihrer Sache bitte schriftlich
Anzeige, ich habe im Augenblick keine Zeit für solche Geschichten.
Krüger sieht ihn verblüfft an, wendet sich energisch und geht ohne Gruß hinaus.
Wehrhahn
(zu Frau Wolff) Und Sie machen, dass Sie zum Waschen kommen.
Der Biberpelz • Seite24
Dritter Akt
Morgens gegen acht Uhr in der Wohnung der Frau Wolff. Julius kommt herein.
Julius
Leg das Geld beiseite.
Frau Wolff
(zählt gerade) Ruhe!
Julius greift unschlüssig nach diesem und jenem und fängt schließlich an, einen Stiefel zu
schmieren. Man hört fern ein Jagdsignal blasen.
Julius
Wirst Du jetzt wohl das Geld beiseite legen!
Frau Wolff
Du sollst mich in Ruh´ lassen, Julian. Lass doch den dämlichen
Motes blasen. Der ist im Walde und denkt an nichts.
Julius
Bring du uns man nach Plötzensee!
Frau Wolff
Red doch kein Blech, Julius. Psst! Das Mädel kommt!
Leontine
(kommt, eben aufgestanden) Guten Morgen, Mama!
Frau Wolff
Hast du schön geschlafen?
Leontine
Seid Ihr heut Nacht fortgewesen?
Frau Wolff
Du wirst wohl geträumt haben! Mach Dich man erstmal fertig, Kind
und dann holst Du uns mit Adelheid ein bisschen Holz rein, ja?
Leontine geht.
Frau Wolff
Jetzt hör mal. Ich habe hier von Wulkow neunundfünfzig Taler. Ist
doch immer das Gleiche. Um einen beschummelt er einen immer.n
Sechzig sollte er mir geben. Wie auch immer... - ich tu sie hier in
einen Beutel, verstehst du! Und jetzt nimmst Du dir ´ne Hacke und
gehst hinten im Ziegenstall ein Loch machen, unter der Krippe, wo´s
trocken ist, und da tust du den Beutel rein. Und einen flachen Stein,
deckst du drüber. Ja?
Julius
Sollten wir nicht ein bisschen was davon nehmen und...
Frau Wolff
Du bist doch ein hagelshorndummer Kerl. Wenn du mich nicht
hättest, wärst du längst verloren.
Julius
Nu schrei doch nicht gleich so...
Frau Wolff
Red nicht so dumm daher, dann brauch ich auch nicht schreien.
Hast du den Schlüssel schon in die Spree geschmissen?
Julius
Na, bin ich denn schon ans Wasser gekommen?
Frau Wolff
Nu hast du Zeit, beeil dich. Oder sollen sie den Schlüssel bei dir
finden?
Julius
Meinetwegen... (Julius will fort)
Der Biberpelz • Seite25
Frau Wolff
Warte! Gib den Schlüssel her!
Julius
Was willst du mit ihm machen?
Frau Wolff
(nimmt den Schlüssel) Das geht dich nichts an, das ist meine Sache.
Und nu geh in den Stall und mach das Loch und dann trinken wir
einen Kaffe.
Julius geht brummend ab. Leontine und Adelheid kommen mit Holz herein.
Frau Wolff
Wo habt Ihr das Holz hergenommen?
Adelheid
Na, von dem neuen Knüppelholz.
Frau Wolff
Ihr solltet doch von dem neuen Holz nichts nehmen.
Leontine
Schadet doch nichts, wenn es wegkommt.
Frau Wolff
Wieso?
Leontine
Ich weiß, wo es her ist! Das ist ja stibitzt.
Frau Wolff
Was ist es?
Leontine
Stibitzt. Das ist ja das Holz von Krüger. Ich hab's gleich erkannt.
Frau Wolff
(gibt ihr eine Ohrfeige) Wir sind keine Diebe. (Leontine läuft ab) So
ein Mädel auch! Und Du, geh und mach deine Schularbeiten. Und
mach sie ja sauber, sag´ ich dir. Ich komm nachher und seh´s mir
an.
Adelheid
Heute Nachmittag kann ich vielleicht Schlittschuhlaufen gehen...
Frau Wolff
Lern du man erst deine Bibelsprüche für'n Konfirmationsunterricht.
Ich komme hör dich nachher ab.
Adelheid
(im Abgehen) Und Jesus sprach zu seine Jünger, wer keinen Löffel
hat, isst mit den Fingern.
Julius kommt wieder.
Frau Wolff
Na, alles erledigt?
Julius
Kannst ja nachsehen gehen.
Frau Wolff
Ich will nur wissen, ob Du's auch ordentlich gemacht hast.
Julius
Wenn ´s dir nicht gefällt, denn mach´s das nächste Mal selber.
Frau Wolff
Weiß Gott! Das wäre wohl das Beste. (sie gießt ihm und sich eine
Tasse Kaffee ein und stellt sie auf einen Holzstuhl, dazu Brot und
Butter) Da!
Julius
(sich setzend) Wenn der Wulkow man bloß noch weggekommen ist.
Der Biberpelz • Seite26
Frau Wolff
Na, bei dem Tauwetter wird er schon nicht festsitzen. Der ist jetzt
schon längst ein Stück den Kanal runter.
Julius
Wenn er man nicht noch an der Brücke liegt.
Frau Wolff
Von mir aus mag er liegen, wo er will.
Julius
Der Wulkow wird noch mal gehörig reinschliddern!
Frau Wolff
Das ist seine Sache, nicht unsere Sache!
Julius
Wir stecken dann auch mit in der Patsche. Lass die mal den Pelz
bei ihm finden.
Frau Wolff
Was denn für´n Pelz?
Julius
Na, der Kriegerin ihr Pelz.
Frau Wolff
Das ist meine Sache, nicht deine. Du bist gar kein Mann, du bist
ein altes Weib. Hier hast du Geld und nunu mach, dass du fort
kommst. Geh rüber zu Fiebigen, trink einen Schnaps; meinetwegen
mach´ dir einen lustigen Sonntag. Es klopft. Immer rein, wer rein will.
Dr. Fleischer mit seinem Jungen tritt ein.
Frau Wolff
Ach, kommt uns der Philipp auch mal besuchen. Das ist ja schön, da
freu ich mich aber.
Fleischer
Guten Morgen, Frau Wolffen.
Frau Wolff
Guten Morgen, Herr Doktor, besuchen Sie uns auch mal wieder?
Fleischer
Guten Morgen, Herr Wolff.
Julius
Morgen.
Fleischer
Wir wollen uns gar nicht lange aufhalten.
Frau Wolff
Na, wenn wir so einen schönen Besuch kriegen, gleich in der
Früh´, da werden wir heut´ noch einen glücklichen Tag haben.
Nicht war, mein Junge, du bringst uns Glück, was?
Philipp
Ich bin im Zoologischen Garten gewesen, da hab´ ich Störche
gesehen, die haben sich mit goldenen Schnäbeln gebissen.
Frau Wolff
Nee, ist nicht möglich, du schwindelst mir was vor. Ach, Herr Doktor,
also den Jungen würd ich am liebsten behalt ich. Was macht denn
die Mutter, hm?
Philipp
Die ist gesund, und sie lässt schön grüßen, und Sie möchten doch
morgen früh kommen und Wäsche waschen.
Frau Wolff
Na, sieh´mal einer an. Wollen Sie sich nicht doch ein bisschen
setzen?
Fleischer
Der Junge will unbedingt mal Kahn fahren. Würde das gehen?
Der Biberpelz • Seite27
Frau Wolff
Na, freilich. Die Spree ist frei. (ruft) Adelheid!
Fleischer
Der Junge lässt nun mal nicht locker. Er hat sich das so in den
Kopf gesetzt.
Adelheid
(kommt) Ja, Mama.
Frau Wolff
Ruder den Doktor Fleischer und den Jungen nachher doch mal ein
Stück die Spree runter.
Adelheid
Ja, Mama. Komm, Philipp, ich werd dir was zeigen.
Phillipp
Ohja. Bis gleich, Papa.
Fleischer
Bis gleich, mein Junge.
Adelheid und Phillip ab.
Frau Wolff
Ach, ich weiß nicht, wenn ich so´n Jungen seh... (nimmt den
Schürzenzipfel und schnäuzt sich)
Fleischer
Haben Sie nicht mal so´n Jungen gehabt?
Frau Wolff
Ja... - aber was nutzt es denn! Davon wird er ja auch nicht wieder
lebendig. Ja, ja...so ist es, das Leben...
Fleischer
Man muss zu vorsichtig sein mit den Kindern.
Frau Wolff
Da mag man halt noch so vorsichtig sein. Was kommen soll, das
kommt. Pause. Was haben Sie denn mit Herrn Motes gehabt?
Fleischer
Ich? Nichts. Was soll ich mit ihm gehabt haben?
Frau Wolff
Ich meinte bloß so...
Fleischer
Wie alt ist denn Ihre Tochter jetzt?
Frau Wolff
Zu Ostern kommt sie doch aus der Schule. Wie ist's denn, wollen
Sie sie haben, Herr Fleischer? Zu Ihnen, da geb ich sie gerne in
den Dienst.
Fleischer
Warum nicht? Das wäre gar nicht übel.
Frau Wolff
Sie kann zupacken wie ein strammer Bursche. Wenn sie auch noch
ein halbes Kind ist, ich kann Ihnen sagen, die arbeitet mit jeder um
die Wette. Und dumm ist sie auch nicht. Lassen Sie sie bloß ein
einziges Mal was aufsagen – ein Gedicht oder sonst irgendwas. Da
kann ich Ihnen aber sagen, Herr Doktor, da kommen Sie aus der
Gänsehaut gar nicht mehr raus. Sie können sie ja mal rufen lassen,
wenn Sie wieder einmal Besuch haben. Zu Ihnen kommen doch
immer so allerhand Dichter, oder? Die ist nicht schüchtern, die legt
gleich los. Und sie kann wirklich wunderschön vortragen! Herr
Doktor, darf ich Ihnen einen guten Rat geben? Sie dürfen´s mir aber
nicht übel nehmen.
Fleischer
Einen guten Rat nehme ich niemals übel.
Der Biberpelz • Seite28
Frau Wolff
Sie sollten ein bisschen vorsichtiger sein, Herr Doktor, und nicht so
viel reden. Das macht die Leute bloß stutzig, da heißt es gleich: das
ist ein Demokrat. Ich meine, man kann sich ja denken, was man will,
aber im Aussprechen muss man vorsichtig sein. Da sitzt man
schneller in der Patsche, als man sich versieht... - nehmen Sie sich
vor dem Menschen in acht.
Fleischer
Vor welchem Menschen meinen Sie denn?
Frau Wolff
Na der, von dem wir vorhin geredet haben.
Fleischer
Der Motes?
Frau Wolff
Ich will keinen Namen nennen.
Fleischer
Aber ich verkehre ja gar nicht mehr mit ihm.
Frau Wolff
Na, seh´n Sie, das hab´ ich mir doch gedacht.
Fleischer
Das kann mir kein Mensch verdenken, Frau Wolffen!
Frau Wolff
Ich verdenk´s Ihnen auch nicht.
Fleischer
Das wäre ja noch schöner, mit einem notorischen Schwindler
verkehren.
Frau Wolff
Das ist ein Schwindler, da haben Sie recht.
Fleischer
Jetzt ist er zur Dreiern gezogen. Die arme Frau kann seh´n, wo sie
bleibt. Was die hat, das wird sie schon loswerden. Mit so einem
Kerl...einem förmlichen Zuchthäusler...
Frau Wolff
Und der redet viel...
Fleischer
So!? Über mich?
Frau Wolff
Sie hätten was Schlechtes gesprochen, von einer höheren Person...
Fleischer
Genaueres wissen Sie nicht?
Frau Wolff
Er steckt ja auch viel mit dem Wehrhahn zusammen. Aber ich will
Ihnen was sagen: Geh´n Sie einmal hin zur Dreiern. Die alte Hexe
riecht schon Lunte. Erst hat er sie eingewickelt und jetzt frisst er ihr
die Haare vom Kopf. Geh´n Sie mal zu ihr, das kann nicht schaden.
Die hat mir eine Geschichte erzählt... - er hat Sie zum Meineid
verleiten wollen. Wenn das stimmt, haben Sie den Kerl in der Hand.
Fleischer
Na, ich kann ja mal hingehen, meinetwegen. Aber das müsste ja mit
dem Teufel zugehen, wenn so ein Kerl...na, der soll doch mal
ankommen. Was sagen Sie übrigens zu der Geschichte?
Frau Wolff
Zu welcher?
Fleischer
Sie haben noch gar nichts gehört?
Der Biberpelz • Seite29
Frau Wolff
Nee... (ungeduldig) Wie weit bist Du denn eigentlich mit dem
Kaninchen, Julian? Bei uns gibt’s nämlich heute Kaninchen. Der
Julian muss es noch schlachten.
Fleischer
So...
Julian
Ich geh ja schon, ich muss nur noch meine Mütze suchen...
Fleischer
Jedenfalls...heute Nacht ist bei Krüger was ge...
Frau Wolff
Krüger? Ach, lassen Sie mich mit dem Mann zufrieden! Auf den
hab´ ich vielleicht eine Wut! Macht mich schlecht vor allen Leuten.
Na, was ist denn nun, Julius, gehst du oder gehst du nicht? Ich kann
es einfach nicht sehen, wenn jemand so trödelt...
Julius
Ich geh´ schon, reg´ dich man nicht auf. Ich wünsche einen guten
Morgen, Herr Fleischer!
Fleischer
Guten Morgen, Herr Wolff.
Julius ab.
Fleischer
Ja, wie dem Krüger damals das Holz gestohlen wurde, da hat er sich
wohl mit Ihnen gezankt, was? Aber das hat er längst bereut.
Frau Wolff
Der und bereuen?
Fleischer
Ich denke, es wäre das Beste, Sie beide vertrügen sich wieder. Die
alten Leutchen sind wirklich schlimm dran: Vor acht Tagen das Holz
und heute Nacht...
Frau Wolff
Heute Nacht´- was?
Fleischer
Sie haben halt wieder mal eingebrochen.
Frau Wolff
Eingebrochen? Machen Sie bloß keinen Unsinn.
Fleischer
Wenn ich es Ihnen doch sage...
Frau Wolff
Und? Ist was gestohlen worden?
Fleischer
Stellen Sie sich vor: Ein nagelneuer Pelz...
Frau Wolff
Nee! Also, wissen Sie, nächstens zieh ich hier weg! Da ist man ja
seines Lebens nicht mehr sicher! Was es für Menschen gibt! Man
soll´s nicht glauben!
Fleischer
Und es war wirklich ein recht teures Stück, ich glaube, Nerz.
Frau Wolff
Ist das so ähnlich wie Biber, oder?
Fleischer
Ja, ess kann sogar Biber gewesen sein. Die Frau Krüger waren ganz
stolz darauf.
Frau Wolff
Was müssen das bloß für Menschen sein! Das will einem doch gar
nicht in den Kopf. So andere Leute um ihr Eigentum bringen...
Der Biberpelz • Seite30
Fleischer
Ich vermute ja, der Pelz ist im Ort geblieben. Können Sie nicht mal
so ´n bisschen rumhorchen?
Frau Wolff
Ja, na sicher. Haben Sie denn niemand in Verdacht?
Fleischer
Da hat so eine Waschfrau bei Krüger gewaschen...
Frau Wolff
Die Millern?
Fleischer
Die hat so ´ne große Familie...?
Frau Wolff
Eine große Familie hat die Frau, aber stehlen...nee. Ach, wenn ich
Amtsvorsteher wär, Herr Doktor, dann...aber der Wehrhahn, mein
Gott, ist der dumm. Horndumm ist der. Ich seh durch mein Hühnerauge mehr wie der durch sein Glasauge...
Adelheid und Phillip kommen herein.
Fleischer
Na, komm, Philipp, wir müssen jetzt geh´n.
Frau Wolff
Dann zieh dich mal an, Adelheid und ruder die beiden ein bisschen
rum.
Adelheid
Ja, Mama. Ich zieh mir nur schnell eine Jacke über. (ab)
Fleischer
Nur ja gut einpacken. Du auch, Philiip. Er ist so anfällig, wissen Sie.
Und auf dem Wasser wird´s windig sein.
Frau Wolff
Wie geht´s denn mit Ihrer Gesundheit?
Fleischer
Viel besser, seit ich hier draußen lebe.
Leontine kommt schnell herein.
Leontine
Mama, der Herr Krüger...
Frau Wolff
Wer?
Leontine
Herr Krüger.
Frau Wolff
Ist nicht möglich!
Fleischer
Dann schnell, Phillip. Auf. Wiedersehen, Frau Wolff.
Frau Wolff
Wiedersehen. Komm, Mädel, hilf mir, dass wir das Holz wegkriegen.
Leontine
Wegen dem Herrn Krüger?
Frau Wolff
Weswegen denn sonst, dumme Gans! Gehört sich das etwa, wie's
bei uns aussieht? Was soll denn Herr Krüger von uns denken?
Krüger erscheint.
Krüger
Morgen, Frau Wolff. Morgen, Leontine.
Der Biberpelz • Seite31
Leontine
Guten Morgen, Herr Krüger.
Frau Wolff
Herr Krüger, seh´n Sie sich bloß nicht um. Bei uns sieht´s noch ganz
schrecklich aus.
Krüger
Ach, lassen Sie gut sein, Frau Wolff. Sie gehen die ganze Woche auf
Arbeit, da kann am Sonntag nicht alles gefegt sein. Sie sind eine
ordentliche Frau. Morgen. Sie sind eine ehrliche Frau, Frau Wolffen.
Und was zwischen uns vorgefallen ist...ich meine, wir sollten das
vergessen.
Frau Wolff
Ich hab niemals etwas gegen Sie gehabt. Ich hab´ immer gern bei
Ihnen gearbeitet. Aber da Sie halt gleich so heftig wurden, da
geht halt das Biest auch mal mit einem durch...
Krüger
Sie kommen doch wieder und waschen bei uns, oder?
Frau Wolff
Gern...
Krüger
Und die Leontine...geben Sie sie doch wieder zu uns. Statt zwanzig
bekommt sie auch dreißig Taler. Wir waren sonst immer sehr mit ihr
zufrieden. Vergeben und vergessen wir alles. (er reicht ihr die Hand,
sie schlägt ein) Also, abgemacht! Da bin ich doch wenigstens so weit
beruhigt. Haben Sie denn schon gehört, was mir passiert ist?
Frau Wolff
Ja. Schrecklich, Herr Krüger, schrecklich...
Krüger
Ich gehe jetzt gleich zu dem Wehrhahn und mache die Anzeige.
Diesmal lass ich nicht locker, diesmal muss die Sache rauskommen.
Und wenn ich alles auf den Kopf stellen soll. Meinen Pelz werd´
ich wiederbekommen, Frau Wolff. Denken Sie mal, in vierzehn
Tagen zwei solche Diebstähle! Erst das schöne Holz, so schön wie
Sie dort welches haben. (er nimmt ein Stück in die Hand) Ja, genau
so gutes, teures Holz, Frau Wolff.
Frau Wolff
Nee, ärgern könnt´ man sich, dass man grün wird. Pfui Teufel! Nee
so was!
Krüger
Ich werd den Dieben schon auf die Spur kommen. Die gehen ins
Zuchthaus, Frau Wolffen, das schwöre ich.
Der Biberpelz • Seite32
Vierter Akt
Im Amtslokal. Glasenapp sitzt auf seinem Platz. Frau Wolff mit Leontine, die ein in Leinwand
gewickeltes Paketchen vor sich auf dem Schoße hat, warten auf den Amtsvorsteher.
Frau Wolff
Das dauert heute aber wieder gar lange.
Glasenapp
Geduld, Geduld...
Frau Wolff
Na, wenn er heute wieder so spät kommt, da hat er doch wieder
keine Zeit für uns.
Glasenapp
Sie und Ihre Lapalien... - wir haben ganz andere Dinge zu tun.
Frau Wolff
Ihr werdet schon schöne Dinge zu tun haben.
Glasenapp
Vorsicht! Nicht in diesem Ton...
Mitteldorf
(erscheint in der Tür) Sie soll´n mal rüberkommen, Glasenapp.
Herr Vorsteher will was von Ihnen wissen.
Glasenapp
Muss ich schon wieder unterbrechen (geht hinaus)
Frau Wolff
Guten Morgen, Mitteldorf.
Mitteldorf
Guten Morgen, Frau Wolff.
Frau Wolff
Wo bleibt ´n der Vorsteher so lange?
Mitteldorf
Der schreibt ganze Bücher voll. Wichtige Sachen. Es liegt was in der
Luft. Was, weiß ich noch nicht. Aber dass was in der Luft liegt, das
weiß ich sicher. Wenn Sie acht geben, dann werden sie´s erleben.
Es kracht! Und wenn es kracht, dann - hat es gekracht. Aber richtig.
Es muss ja auch was geschehen. Das geht nicht so weiter. Der
ganze Ort muss gesäubert werden. Was der Vorsteher war, der
gestorben ist, der war gegen den bloß ein Eckensteher. Ich könnte
Ihnen allen noch viel erzählen. Ich hab nur keine Zeit. (geht, in der
Tür wendet er sich noch einmal um) Es kracht, Mutter Wolffen,
glauben Sie mir. (ab)
Frau Wolff
Nur Verrückte...
Pause
Leontine
Was soll ich nochmal sagen? Ich hab´s schon wieder vergessen.
Frau Wolff
Was haste denn zu Herrn Krüger gesagt?
Leontine
Na, das ich das Paket hier gefunden habe.
Frau Wolff
Sonst brauchst du auch nichts weiter zu sagen. Du bist doch sonst
nicht auf ´s Maul gefallen.
Wulkow
Ich wünsche guten Morgen.
Der Biberpelz • Seite33
Frau Wolff
Wulkow! Nee! Sie sind wohl nicht gescheit?! Was wollen Sie denn
hier?
Wulkow
Na, meine Frau hat was Kleines gekriegt...
Frau Wolff
Was hat sie gekriegt?
Wulkow
Was Kleines. Ein Mädchen. Deswegen komm ich auf's Standesamt.
Frau Wolff
Ich denke, Sie sind schon längst auf'm Kanal?
Wulkow
Ich hätte auch nichts dagegen. Ich hab ja auch schon losgemacht.
Und wie ich bei den Schleusen ankomme, da geht es nicht weiter.
Ich hab gewartet und gewartet, dass die Spree uns wieder loslässt.
Zwei Tage und Nächte hab ich gelegen und gewartet. Bis das nu mit
meiner Frau noch dazu kam. Da half kein Jammern, da musste ich
ja wieder zurück.
Frau Wolff
Dann haben Sie den Kahn wieder an der Brücke?
Wulkow
Na klar. Wo soll ich den sonst haben?
Frau Wolff
Leontine, geh mal und hol für zehn Pfennig Zwirn beim Kaufmann.
Leontine
Den kann ich doch holen, wenn wir nach Hause gehen.
Frau Wolff
Du gehst und maulst nicht.
Leontine
Ich bin doch kein kleines Mädchen mehr. (ab)
Frau Wolff
Sie haben da draußen an der Schleuse gelegen?
Wulkow
Zwei ganze Tage. Was ich Ihnen sage.
Frau Wolff
Und den Pelz? Den haben Sie angezogen?
Wulkow
Ich? Angezogen? Den Pelz?
Frau Wolff
Na, Sie sind vielleicht ein Kerl! Zieht am hellichten Tag einen Pelz
über! Dass es der ganze Ort gleich zu wissen kriegt, was Ihr für
einen schönen Pelz habt.
Wulkow
Mitten auf Kanal war's halt ganz schön kalt.
Frau Wolff
Mein Mädel hat Euch da sitzen sehen. Sie musste den Dr. Fleischer
rudern, und der hat Sie auch gesehen und fand das ganz schön
verdächtig...(man hört jemand kommen) Psst, seien Sie jetzt bloß
auf Ihrem Posten, Wulkow.
Glasenapp tritt ein, gefolgt von Wehrhahn.
Glasenapp
So...
Wehrhahn
Moin.
Glasenapp
(fragt Wulkow) Was wollen Sie denn?
Der Biberpelz • Seite34
Wulkow
Eine Geburt möchte ich anmelden.
Wehrhahn
Standesamtlich. Die Bücher, Glasenapp. (zu Frau Wolff) Und was
gibt es bei Ihnen, Frau Wolff?
Frau Wolff
Wegen dem Paket...
Glasenapp
Es betrifft den gestohlenen Pelz, Herr Vorsteher.
Wehrhahn
Ach so. Das ist mir heute nicht möglich. Ist Motes noch immer nicht
dagewesen?
Glasenapp
Bis jetzt noch nicht.
Wehrhahn
Mir unbegreiflich! (zu Frau Wolff) Sie können sich ja morgen
nochmal bei mir melden.
Frau Wolff
Wir haben schon ein zweimal mit Ihnen reden wollen.
Wehrhahn
Dann versucht sie´s morgen eben zum dritten mal.
Leontine
(tritt ein) Guten Morgen, Herr Amtsvorsteher.
Wehrhahn
Moin.
Frau Wolff
Es geht um meine Tochter, Herr Vorsteher. Sie hat ein Paket
gefunden.
Wehrhahn
Was für ein Paket?
Frau Wolff
Dieses hier. Das hängt mit der Pelzgeschichte zusammen. Das
heißt: Herr Krüger ist der Meinung, dass es damit zusammenhängt.
Wehrhahn
Was ist denn da drin ?
Frau Wolff
Eine grüne Weste ist drin. Vom Herrn Krüger.
Wehrhahn
Und Du hast es gefunden?
Leontine
Ja. Ich hab es gefunden, Herr Amtsvorsteher!
Wehrhahn
Und wo?
Leontine
Ich sollte für Herrn Krüger am Bahnhof was abholen und wie ich so
zum Bahnhof ging, da gucke ich so und dann...
Wehrhahn
Schön. Wir werden morgen darauf zurückkommen.
Frau Wolff
Mir wär´s schon recht, aber der Herr Krüger ist eifrig dahinter her...
Wehrhahn
Herr Krüger ist mir gleichgültig. Wir haben die Anzeige aufgenommen, seine Waschfrau ist ihm verdächtig gewesen und wir
haben eine Hausdurchsuchung vorgenommen. Der Mann soll still
sein. Und damit reicht es für heute. Morgen stehe ich Ihnen wieder
zu Diensten.
Der Biberpelz • Seite35
Frau Wolff
Uns ist das egal, dann kommen wir aben morgen wieder.
Wehrhahn
Gleich morgen früh.
Frau Wolff
Guten Morgen!
Leontine
Guten Morgen, Herr Amtsvorsteher.
Frau Wolff und Leontine ab.
Wehrhahn
Ich bin doch neugierig, was da rauskommt. Herr Motes meint, die
Dreiern, die Kuchenhexe, die habe dabeigestanden, als Fleischer
sich despektierlich aussprach. Ich kann Ihnen sagen, Glasenapp, es
wäre mir eine direkte Genugtuung, hier mal recht gründlich
aufzuräumen. Dass die Leute merken, mit wem sie ´s zu tun haben.
Bei Kaisers Geburtstag, wer war nicht dabei? Natürlich der Fleischer.
Dem Mann trau´ ich das Schlimmste zu – und wenn der noch so
schafsdumme Gesichter macht. Ein Wolf im Schafspelz ist das.
Kann keiner Fliege ein Beinchen ausreißen, aber wenn ´s drauf
ankommt...
Motes
(kommt herein) Moin, Herr Amtsvorsteher.
Wehrhahn
Moin. Und? Wie steht´s?
Motes
Frau Dreier will gegen elf Uhr hier sein.
Wehrhahn
Gut, Motes. Den Bericht für die Staatsanwaltschaft hab ich verfasst.
Wenn ich ihn heute Mittag abschicke, kann übermorgen der Haftbefehl hier sein.
Motes
Man wird über mich herfallen.
Wehrhahn
Sie wissen, mein Onkel ist Kammerherr. Ich werde mal mit ihm
über Sie sprechen. (es klopft) Herein!
Fleischer
(tritt ein) Guten Morgen! Ich möchte eine Anzeige machen, die sich
auf den neulichen Diebstahl bezieht.
Wehrhahn
Sie sind Dr. Joseph Fleischer?
Fleischer
Ganz recht. Joseph Fleischer ist mein Name.
Wehrhahn
Und Sie wollen eine Anzeige machen?
Fleischer
Wenn Sie gestatten, möchte ich das tun. Ich habe nämlich etwas
beobachtet, was möglicherweise dazu führt, dem Pelzdieb auf die
Spur zu kommen.
Wehrhahn
Und was haben Sie so Wichtiges beobachtet?
Fleischer
Ich bin also gestern Kahn gefahren. Ich hatte den Kahn von der
Wolffen genommen. Und ihre Tochter saß vorn am Ruder.
Wehrhahn
Gehört das zur Sache?
Der Biberpelz • Seite36
Fleischer
Allerdings. Wir fuhren bis in die Nähe der Schleusen. Da hatte ein
Spreekahn angelegt. Das Eis war dort aufgestaut. Wahrscheinlich
war er dort festgefahren.
Wehrhahn
Hm. So. Das interessiert uns nun weniger. Was ist denn der Kern
von der ganzen Sache?
Fleischer
Ich muss gestehen, Herr Amtsvorsteher, dass diese Art...also, ich
komme hierher, durchaus freiwillig, einen freiwilligen Dienst der
Behörde zu leisten...und Sie, Herr Amtsvorsteher...
Glasenapp
Der Herr Amtsvorsteher hat nicht viel Zeit. Sie sollten weniger Worte
machen.
Wehrhahn
Also, was wollen Sie denn nun?
Fleischer
Auf dem Kahn befand sich ein Schiffer – wahrscheinlich der
Eigentümer des Schiffes....
Wehrhahn
Höchst wahrscheinlich.
Fleischer
Dieser Mann saß auf dem Deck in einem Pelze, den ich aus der
Ferne für Biber hielt.
Wehrhahn
So?
Fleischer
Ich fuhr heran, soweit es möglich war, und konnte so ziemlich gut
beobachten. Es war ein dürftiger, schmuddliger Schiffer, und der
Pelz schien durchaus nicht für ihn gemacht. Es war auch ein
nagelneues Stück...
Wehrhahn
Und? Was weiter?
Fleischer
Weiter?
Wehrhahn
Ja. Weiter.
Fleischer
Nichts weiter.
Wehrhahn
Sie wollten mir doch eine Anzeige machen und sprachen von etwas
sehr Wichtigem.
Fleischer
Ja.
Wehrhahn
Sie haben uns hier eine Geschichte erzählt von einem Schiffer,
der einen Pelz trägt. Nun, Schiffer tragen mitunter Pelze. Das ist
keine große Neuigkeit.
Fleischer
Ich habe alles gesagt, was ich sagen wollte. Wenn es Sie nicht
interessiert, ist das nicht mehr meine Sache. Morgen. (geht ab)
Wehrhahn
Ist Ihnen so was schon mal vorgekommen? Der Mann ist ja bodenlos
dumm. Ein Schiffer hat einen Pelz angehabt. Ich selbst besitze einen
Biberpelz und bin deshalb noch lange kein Dieb. (es klopft)
Schockschwerenot! Was ist denn das wieder? Es soll wohl heut´
gar keine Ruhe werden.
Der Biberpelz • Seite37
Krüger, Fleischer, Frau Wolff und Leontine treten ein.
Mitteldorf
Tut mir leid, der Herr Vorsteher ist heute nicht mehr zu sprechen.
Krüger
Ach was! Nicht zu sprechen! Das ist mir ganz gleichgültig.
Wehrhahn
Ich möchte um etwas mehr Ruhe bitten. Wie Sie sehen, ist bereits
jemand hier um mit mir zu sprechen.
Krüger
Sprechen Sie nur. Wir warten. Und dann werden Sie mit uns
sprechen.
Wehrhahn
(zu Motes) Also bitte, gehen Sie schon mal in mein Zimmer. Wir
sprechen weiter, wenn Frau Dreier kommt.
Motes
Jawohl, Herr Amtsvorsteher. (ab)
Krüger
(auf Fleischer zeigend) Der Herr hier weiß auch etwas von der
Frau Dreier. Kann Ihnen sogar etwas Schriftliches geben.
Wehrhahn
Nun also, was gibt ´s? (zu Krüger) Ich werde erst Ihre Sache
erledigen.
Krüger
Darum wollte ich auch dringend bitten.
Wehrhahn
Wir wollen mal von dem „dringend“ ganz absehen. Was hätten
Sie also für ein Anliegen?
Krüger
Kein Anliegen. Gar kein Anliegen habe ich. Ich komme, mein
gutes Recht zu beanspruchen.
Wehrhahn
Was wäre das für ein gutes Recht?
Krüger
Mein gutes Recht, Herr Amtsvorsteher. Das Recht, das ich habe,
als ein Bestohlener, dass die Ortsbehörde mir Beistand leistet,
mein gestohlenes Gut zurückzuerhalten.
Wehrhahn
Ist Ihnen der Beistand verweigert worden?
Krüger
Nein, gar nicht. Das kann ja auch gar nicht sein. Aber dennoch
sehe ich, dass nichts geschieht. Die ganze Sache nimmt keinen
Fortgang. Und ich habe bestimmte Beweise, dass Sie sich
meiner Sache nicht richtig annehmen.
Wehrhahn
Etwas Weiteres der Art anzuhören, läge außerhalb meiner
Amtspflicht.
Krüger
Als preußischer Staatsbürger habe ich Rechte. Und wenn Sie mich
nicht anhören wollen, dann gibt es andere Orte, an denen man mich
gern anhören wird.
Wehrhahn
Nun, bitte.
Krüger
(auf die Wolffen und ihre Tochter zeigend) Hier, diese Frau ist zu
Ihnen gekommen. Ihre Tochter hat einen Fund gemacht. Sie hat
den Weg nicht gescheut, Herr Vorsteher, obgleich sie doch eine
Der Biberpelz • Seite38
arme Frau ist. Sie haben sie gestern abgewiesen, und heute ist sie
wiedergekommen...
Frau Wolff
Der Herr Vorsteher hatte ja keine Zeit...
Krüger
Richtig. Sie haben der Frau ganz gesagt: Sie hätten keine Zeit. Sie
haben nicht einmal die Tochter verhört. Sie wissen auch nicht den
geringsten Umstand; von dem ganzen Vorfall wissen Sie gar nichts.
Wehrhahn
Ich möchte Sie bitten, sich etwas zu mäßigen.
Krüger
Ich bin gemäßigt, ich bin sehr gemäßigt. Ich bin viel zu gemäßigt,
Herr Amtsvorsteher. Ich bin ein viel zu gemäßigter Mensch. Dieser
Herr hier, Herr Dr. Fleischer, ist auch bei Ihnen gewesen, mit einer
Beobachtung, die er gemacht hat. Ein Schiffer trägt einen
Biberpelz...
Wehrhahn
Moment. (zu Wulkow) Sie sind doch Schiffer, oder?
Wulkow
Seit dreißig Jahren, Herr Amtsvorsteher.
Wehrhahn
Und, tragen die Spreeschiffer öfter Pelze?
Wulkow
Manch einer...
Wehrhahn
Der Herr dort hat einen Schiffer gesehen, der hat im Pelz auf
dem Deck gestanden.
Wulkow
Da ist nichts Verdächtiges dabei, Herr Vorsteher. Da sind viele, die
schöne Pelze haben. Ich habe sogar selber auch einen.
Wehrhahn
Na sehen Sie, der Mann hat selbst einen Pelz.
Fleischer
Aber schließlich doch keinen Biberpelz.
Wehrhahn
Das haben Sie ja nicht genau gesehen.
Krüger
Wa? Hat der Mann einen Biberpelz?
Wulkow
Da gibt es viele, kann ich Ihnen sagen, die haben die schönsten
Biberpelze. Warum auch nicht? Das Geld langt ja dazu.
Wehrhahn
So. Sie sehen, der Mann hat selbst einen Pelz. Es wird uns doch
deshalb im Träume nicht einfallen, zu sagen: Er hätte den Pelz
gestohlen. Das wäre ja absurd.
Krüger
Was? Ich verstehe kein Wort.
Wehrhahn
Dann muss ich vielleicht etwas lauter reden. Und da ich mal gerade
im Reden bin, da möchte ich Ihnen auch gleich mal was sagen. Nicht
in meiner Eigenschaft als Beamter, sondern als Mensch wie Sie,
Herr Krüger. Ein immerhin ehrenwerter Bürger, der sollte mit seinem
Vertrauen mehr haushalten und sich nicht auf das Zeugnis von
irgendwelchen Leuten berufen...
Der Biberpelz • Seite39
Krüger
Irgendwelche Leute? Da geben Sie nur auf sich selber acht. Solche
Leute wie Motes, mit denen Sie sich umgeben, die sind bei mir aus
dem Hause geflogen.
Fleischer
Dem Mann, der in Ihrem Zimmer wartet, dem hab ich bei mir die Tür
gewiesen.
Krüger
Er hat mich um meine Miete beschwindelt.
Frau Wolff
Da sind nicht viele hier am Orte, die der nicht hat hinten und
vorne beschwindelt, um Pfennige, um Märker, um Taler, um
Goldstücke.
Fleischer
(zieht aus seiner Tasche ein Papier) Der Mann ist auch reif für den
Staatsanwalt. (er hält Wehrhahn das Papier hin) Ich bitte gefälligst,
das durchzulesen.
Krüger
Das Blatt hat Frau Dreier selbst unterschrieben. Er hat sie zum
Meineid verleiten wollen.
Fleischer
Sie hat gegen mich aussagen sollen.
Krüger
Das ist ein unbescholtener Mann, und den will dieser Schuft ins
Elend bringen. Und Sie reichen dem Menschen die Hand dazu.
Wehrhahn
Ich bitte um Ruhe! (Ruhe tritt ein, zu Fleischer) Nehmen Sie mal
Ihren Wisch da wieder zurück.
Fleischer
Der Wisch da kommt vor den Staatsanwalt.
Wehrhahn
Das mögen Sie halten, wie Sie wollen. Also, Sie wollen, dass ich
mich mit dem Ding da beschäftige. (deutet auf das Paket) Also,
damit diese Sache nun aus der Welt kommt, Frau Wolff, wo haben
Sie das Ding also gefunden?
Frau Wolff
Ich hab ´s doch gar nicht gefunden, Herr Vorsteher.
Wehrhahn
Na wer denn sonst?
Frau Wolff
Na, meine Tochter.
Wehrhahn
Und wo hat sie das Paket gefunden?
Leontine
Auf dem Wege zum Bahnhof, Herr Amtsvorsteher.
Wehrhahn
Der Dieb ist also wohl nach Berlin. Na, da werden wir wohl kein
Glück bei der Suche haben...
Fleischer
Ich glaube, die ganze Sache mit dem Paket ist angelegt, um uns
irrezuführen.
Frau Wolff
Ja, das kann ganz gut möglich sein.
Wehrhahn
Na, Wolffen, Sie sind doch sonst nicht so dumm. Was hier gestohlen
wird, geht nach Berlin. Der Pelz war längst in Berlin verkauft, noch
ehe wir hier wussten, dass er gestohlen war.
Der Biberpelz • Seite40
Frau Wolff
Herr Vorsteher, nee, ich kann mir nicht helfen. Da bin ich doch
nicht ganz Ihrer Meinung. Wenn der Dieb in Berlin ist, da
möchte ich wissen, warum verliert er so ein Paket?
Wehrhahn
Man verliert doch so was nicht immer absichtlich.
Frau Wolff
Aber sehen Sie sich bloß das Paket mal an, da ist alles so schön
zusammengepackt, die Weste, der Schlüssel, das Stück Papier...
Fleischer
Ich glaube, der Dieb ist hier am Ort.
Wehrhahn
Bedaure, ich neige nicht zu der Ansicht.
Frau Wolff
Na, man soll ja nichts ausschließen, Herr Vorsteher.
Krüger
Und Herr Dr. Fleischer hat doch einen Schiffer mit einem Plez
gesehen...
Wehrhahn
Ach, kommen Sie doch nicht mit dieser Geschichte. Da müsst´ ich
ja alle Tage Hausdurchsuchung halten, mit zwanzig Gendarmen und
Polizisten.
Frau Wolff
Wenn Sie wollen, können Sie direkt bei mir anfangen.
Wehrhahn
Nein, nein, meine Herren, so geht das nicht. So kommen wir nie und
nimmer zu etwas. Ich habe schon meinen Verdacht gefasst und ich
werde das Ganze einstweilen weiter beobachten. Es gibt hier so
einige dunkle Gestalten. Frühzeitig fahren sie rein nach Berlin, mit
schweren Hucken auf dem Rücken, und abends kommen sie leer
zurück.
Krüger
Die Gemüsefrauen gehen so mit ihrem Gemüse auf dem Rücken.
Wehrhahn
Ihr Pelz ist wahrscheinlich auch so gereist.
Frau Wolff
Unmöglich ist ja nichts auf der Welt.
Wehrhahn
Na also. (zu Wulkow) Nun, was wollten Sie anmelden?
Wulkow
Ein kleines Mädchen, Herr Amtsvorsteher.
Krüger
Ich lasse nicht eher Ruhe, Herr Vorsteher, als bis ich meinen Pelz
wiederhabe.
Wehrhahn
Nun, wir tun, was wir können. Die Wolffen kann ja mal ´n bisschen
rumhören.
Frau Wolff
Auf so was versteh´ ich mich zu schlecht. Aber wenn so was nicht
rauskommt, nee, nee, wo bleibt da auch alle Sicherheit!
Krüger
Ich bitte das Päckchen genau zu besichtigen. Da ist eine Handschrift
auf dem Zettel, die zu einer Entdeckung führen kann. Und morgen
früh, Herr Vorsteher, bin ich wieder hier. Guten Morgen!
Fleischer
Morgen.
Der Biberpelz • Seite41
Fleischer und Krüger gehen.
Wehrhahn
Guten Morgen, guten Morgen! (zu Wulkow) Ein Mädchen also, Und
wie heißen Sie?
Wulkow
August Philipp Wulkow.
Wehrhahn
(zu Mitteldorf) Gehen Sie mal rüber in mein Zimmer. Da sitzt der
Schriftsteller Motes und wartet. Sagen Sie ihm, es tät´ mir leid, ich
hätte heut´ morgen anderes zu tun.
Mitteldorf
Da soll er nicht warten?
Wehrhahn
Nein. Soll er nicht.
Mitteldorf ab.
Wehrhahn
(zu Frau Wolff) Ist Ihnen der Schriftsteller Motes bekannt?
Frau Wolff
Bekannt schon, Herr Vorsteher. Aber ich würde lieber schweigen. Ich
könnte Ihnen nicht viel Gutes über den Mann erzählen.
Wehrhahn
Von Fleischer dagegen umso mehr.
Frau Wolff
Das ist auch wirklich kein übler Mensch.
Wehrhahn
Der Fleischer, das ist also ein Ehrenmann?
Frau Wolff
Das ist er, Herr Vorsteher, ja, das ist er.
Wehrhahn
Na, an diesen Satz werden Sie wohl noch mal denken.
Frau Wolff
Und Sie auch, Herr Vorsteher.
Wehrhahn
(zu Wulkow) Das ist unsre fleißige Waschfrau. Die denkt, alle
Menschen sind so wie sie. (zu Frau Wolff) So ist es aber leider nicht
auf der Welt. Sie sehen die Menschen von außen an. Unsereins
blickt nun schon etwas tiefer. Und so wahr es ist, wenn ich hier sage:
die Wolffen ist eine ehrliche Haut, so sage ich Ihnen mit gleicher
Bestimmtheit: Ihr Dr. Fleischer, das ist ein lebensgefährlicher Kerl!
Frau Wolff
Na, Herr Vorsteher, ich weiß nicht...
VORHANG
Der Biberpelz • Seite42