Progesteronmangel
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Progesteronmangel
Progesteronmangel in der Allgemeinpraxis Biologische Medizin Heft1 / Februar 2003 Autor: Marianne Krug, Fachärztin für Allgemeinmedizin Große Friedberger Str. 44-46 60313 Frankfurt/Main Deutschland Zusammenfassung Einige Glaubenssätze hinter der gängigen Hormonersatztherapie (HRT) sind definitiv falsch und bedürfen der Korrektur. Wir können anhand der klinischen Symptome unterscheiden zwischen Östrogenmangelstörungen, Progesteronmangelstörungen und den Zeichen einer sogenannten Östrogendominanz . Es zeigt sich, daß in der Allgemeinpraxis die Symptome des Progesteronmangels und der Östrogendominanz viel häufiger vorkommen als die des Östrogenmangels. In der Labordiagnostik können Speicheluntersuchungen die freien, also wirksamen Hormonspiegel und das Verhältnis zueinander angeben. In der Therapie ist die Substitution mit dem natürlichen Progesteron gerade bei den Allgemeinsymptomen den synthetischen Gestagenen deutlich überlegen und hat eine große therapeutische Breite. Schlüsselwörter: Progesteronmangel, Natürliche Hormonersatztherapie NHRT, Östrogendominanz, Prämenopause Summary Some concepts of the current regimens of hormone replacement therapy( HRT) no longerhold true and are to be revised. Based on clinical symptoms one can distinguish three different hormonal situations: estrogen deficiency, progesterone deficiency and signs of the so called estrogen dominance. General practitioners observe patients with symptoms of progesterone deficiency or estrogen dominance far more frequently than women withestrogen deficiency. An estimate of the effective hormone concentrations, can be obtained by special laboratory methods that quantitate free hormones and their ratios in saliva. Due to its large therapeutic range, the natural progesterone outclasses by far any synthetic progestine, especially when used in daily practice for substitution in women with more general signs of hormone deficiency Key words Progesterone deficiency, natural hormone replacement therapy (NHRT) , estrogen dominance, premenopause Gynäkologische Probleme in der Allgemeinpraxis Es erlebt jeder Therapeut in der biologisch ausgerichteten Allgemeinpraxis Patientinnen mit Dysmenorrhoen, Zyklusstörungen, prämenstruellem Syndrom, Infertilität, Subfertilität, Mastopathie, Ovarialzysten, Uterusyomen , zyklusabhängigen depressiven Verstimmungen, Schlafstörungen, hormonabhängiger Migräne sowie alle Malignome des gynäkologischen Fachgebietes. Die Betroffenen haben den Wunsch, diese Probleme mit einem ganzheitlichen Ansatz anzuschauen und zu lösen. Gemeinsam ist all diesen Störungen, daß sie durch Progesteronmangel verursacht oder unterhalten sein können. Geschichtlicher Abriß der Hormonersatztherapie Eine große Gruppe stellen die klimakterischen Beschwerden und Störungen dar. Die bekanntesten Beschwerden , die fast beweisend für die hormonelle Genese sind , sind Hitzewallungen und Schweißausbrüche. Diese beiden Beschwerden für sich genommen sind fast ausnahmslos durch Östrogenmangel bedingt . Ihre rasche und zuverlässige Beseitigung durch Zufuhr von Estradiol und seinen Derivaten hat entscheidend zu der großen Verbreitung der Hormonersatztherapie( HRT, abgeleitet vom englichen HormonReplacement-Therapie ) beigetragen. Und ganz nebenbei wurden depressive Tendenzen und Stimmungsschwankungen behoben. Kein Wunder also, dass viele Frauen, ihre Männer und ihre Behandler auf die Hormonbehandlung schworen. Kein Wunder auch, dass es üblich wurde, alle Störungen, die nach Hormonschwankungen aussahen, ebenfalls mit Estradiol zu behandeln. Die Estradiolsubstitution und HRT wurden synonym verwandt und eingesetzt. In der konventionellen Medizin kam dann irgendwann die Einsicht, dass reine Estradiolzufuhr ein vermehrtes Risiko, an Endometriumkarzinom zu erkranken, mit sich brachte und es wurden Gestagene * zusätzlich gegeben, um dieses Risiko zu vermindern. Das physiologische Hormon Progesteron wurde lange Zeit in seiner Bedeutung nicht gesehen. Als seine Hauptaufgabe wurde die Ermöglichung und Aufrechterhaltung der Schwangerschaft angenommen. Extragenitale Wirkungen des Hormons waren nicht bekannt. Unter dieser Prämisse wurde konsequenterweise nur den Frauen Gestagene verabreicht, die noch einen Uterus vorweisen konnten und hysterektomierte Patientinnen gingen leer aus. Erst vor ganz kurzer Zeit änderte sich dieser Goldstandard und führte zu der Empfehlung der Kombination Estradiolderivat+ Gestagen als Basisempfehlung als HRT für alle klimakterischen Frauen. Durch die verschiedenen Hypothesen über den Nutzen der HRT als Prophylaxe vor kardiovasculären Erkrankungen , Osteoporose und Alzheimer wurde es nach dem Gießkannenprinzip unter die weibliche Bevölkerung gestreut. Jede Frau, die über Beschwerden klagte, die nach hormonellen Schwankungen aussahen und die Vierzig überschritten hatte, wurde mit dieser Kombination versorgt. Die biologisch arbeitende Therapeuten hingegen haben sich immer schwer getan, die HRT zu empfehlen. Schließlich verfügt die Naturheilkunde und Homöopathie über das Wissen, wie gut die meisten geklagten Beschwerden durch regulative oder stimulative Verfahren zu beheben sind: Phytotherapie, Homöopathie, Akupunktur, Neuraltherapie, Eigenblut- und Eigenurintherapie, Thymustherapie , um nur einige zu nennen. Der Blick auf die Nebenwirkungen – geschärft durch die Möglichkeiten der regulativen Verfahren wie z.B. Regulatonsthermografie – führt häufig zu einer Tabuisierung der Hormongabe . Quantensprung in der Hormonersatztherapie??? Östrogendominanz Es ist zu unterscheiden, zwischen der Menopause und ihrem unmittelbaren Zusammenhang Perimenopause - und der Zeitspanne von 10 , ja inzwischen 15 Jahren vor der Menopause – Prämenopause. Ist die Perimenopause überwiegend durch einen Östrogenabfall gekennzeichnet, so finden wir in der Prämenopause einen Abfall des Progesterons. (Abb.1) Das Endokrinium ist ein fein eingestelltes Netz mehrerer kybernetischer Systeme. Hier führt der Blick auf eine Variable allein häufig in die Irre. Das Verhältnis von Hormonen zueinander ist mindestens ebenso wichtig. Es muß also gleichzeitig die absolute Höhe eines Hormonspiegels wie auch die relative Höhe beurteilt werden. Am Beispiel der Prämenopause wird daher deutlich, dass ein Progesteronmangel den Zustand einer Östrogen – Dominanz hervorruft. Im weiteren Zeitverlauf gibt es auch Mischformen aus Östrogendominanz trotz Östrogenmangels und Progesteronmangels. Diese unterschiedlichen Zustände haben unterschiedliche Beschwerdebilder und klinische Zeichen. Dabei ist evident, dass die Bilder von Progesteronmangel und Östrogendominanz sich ähneln müssen. (Tab1) Während die Wirkungen von Östrogen recht weit erforscht und auch bekannt sind, sind die Progesteron –Partialwirkungen weniger gut erforscht und fast gänzlich unbekannt. Beim Zusammentragen der Veröffentlichungen ergibt sich folgendes Bild der unterschiedlichen Partialwirkungen(Tabelle 2). Natürliches Progesteron Beim Blick auf die Partilawirkungen ist es ganz wichtig, hier zwischen der Gruppe der synthetischen Gestagene und dem körpereigenen , sogenannt natürlichen Progesteron zu unterscheiden. Dabei bezieht sich der Begriff „natürlich“ nicht auf etwa menschliche Herkunft , sondern auf die stöchiometrische Formel, die identisch ist mit dem im menschlichen Organismus vorkommenden Stoff. Das natürliche Progesteron wird in einem synthetischen Prozeß aus der Wilden Yamswurzel gewonnen. (Diesen Prozeß kann der Körper nicht vollziehen, so dass eine Substitution mit wilder Yamswurzel ohne Effekt ist.) Es bestehen enorme Unterschiede sowohl im Wirkspektrum als auch im Nebenwirkungsprofil zwischen den Gestagenen und dem natürlichen Progesteron. (Tab.3) Leicht eingängig ist dies am Beispiel der fetalen Schädigung. Synthetische Gestagene sind wegen der möglichen fetalen Schädigungen in der Schwangerschaft kontraindiziert , während das natürliche Progesteron, das die Schwangerschaft ermöglicht und erhält , in der Gestation auf bis zu 1000fach erhöhte Serumspiegel ansteigt , ohne den Foetus zu gefährden. Dies deutet bereits auf die enorme therapeutische Breite des Wirkstoffs Progesteron hin. Doch das ist nur eine Partialwirkung. Die Tatsache, dass natürliches Progesteron und Gestagene so unterschiedliche Allgemeinsymptome haben ist durch verschiedenartige Rezeptorbindung bereits erforscht. Offensichtlich scheint es auch noch je nach Körperregion voneinander abweichende Rezeptoren zu geben. Diagnostik Die labormäßige Erfassung des Progesteronmangels gestaltet sich schwierig. Progesteron unterliegt einer deutlichen Rhythmik im Zyklusverlauf. Die höchsten Werte im Zyklus liegen in der zweiten Hälfte, der Lutealphase vor. Der vom Labor angegebene Normwert für diese Phase liegt grob zwischen 1 und 22ng/ml. Allein ein Normwert, der um 20 x schwankt besagt, daß die Aussage im Einzelfall ein Rätselraten ist. Hat jetzt eine Frau mit einem Progesteronspiegel von 2.3 ng/ml am 20.Zyklustag ausreichend Progesteron auch wenn der Wert in der Norm liegt? Müßte sie nicht eher 15 oder 18ng/ml haben? Es gibt kurzfristige Hormonpeaks, die man bei einer einmaligen Bestimmung sicher nicht erfasst. Alle Steroidhormone liegen im Serum zu einem sehr hohen Prozentsatz an Transportproteine gebunden vor. Das heißt, der gemessene Wert gibt nicht unbedingt Aufschluss über die der Zelle zur Verfügung stehenden freien Hormone. Eine erste Abhilfe ist die Bestimmung der Steroidhormone aus dem Speichel, da sie hier nur in der freien Form vorkommen. Doch es bleiben auch im Speichel die Probleme mit Normbereichen von bis zu 40x. Die Diagnose sollte mehr als klinische Verdachtsdiagnose gesehen werden, die durch Laboranalytik im günstigen Fall bestätigt werden kann. Keinesfalls sollte man die klinische Verdachtsdiagnose fallen lassen, nur weil die Analytik Normwerte liefert. . Behandlung von Progesteronmangelstörungen . Bei ausreichendem Verdacht ist die probatorische Therapie das Mittel der Wahl. So kann uns der lebende Organismus durch Besserung , Verschlechterung oder gleichbleibendem Befinden die Richtung weisen. Die Erfahrung lehrt, daß die Antwort eines biologischen Systems auf eine Maßnahme verlässlicher ist als Messwerte , die uns mit scheinbar exakten Zahlen ( bis auf die zweite Stelle hinter dem Komma) Sicherheit suggerieren. Bei den regulativen Verfahren wie Akupunktur, Homöopathie , Umstimmungs- und Ordnungstherapien ist die Unterscheidung in die genaue Art der Hormonstörung von untergeordneter Bedeutung in der Praxis, denn die Therapieauswahl folgt anderen Gesetzmäßigkeiten. Bei den stimulativen Verfahren kommen einige auch ohne genaue Differenzierung aus – z.B. Thymustherapie . Bei der Phytotherapie ist die Unterscheidung nach der Art der Hormonstörung schon sehr wichtig . Steht uns für die Gruppe der Östrogenmangelstörungen z.B. Cimicifuga zur Verfügung, so benötigt die Progesteronmangelstörung als wichtigste Pflanze zur Stimulation der Progesteronsynthese Agnus castus. Wenn die vorgenannten Verfahren nicht zu einer Besserung führen kann man probatorisch substituieren. Die Prämisse ist, dass ein physiologischer Stoff in seiner physiologischen Dosierung keine schädigenden Nebenwirkungen zeigt. In Studien belegte Nebenwirkungen betreffen entweder einen synthetischen Stoff oder sind dosisabhängig. Es hat sich der Begriff der Natürlichen Hormonersatztherapie - NHRT ( aus dem englischen: Natural Hormon Replacement Therapy) in der Abgrenzung zur konventionellen Hormonersatztherapie - HRT herauskristallisiert. Sie läuft unter Beachtung folgender Regeln ab: 1. So wenig wie möglich und so viel wie nötig = physiologische Dosierung 2. „Natürliche“ Hormone = physiologische Formel. 3. Schonende Applikation - z.B. transcutane Anwendung zur Leberschonung und Dosisreduktion 4. Berücksichtigung gekoppelter Hormonsysteme - z.B. Hypophyse Schilddrüse, Nebenniere . 5. Individuelle Dosisanpassung nach klinischem - und subjektiven Befinden unter Serum- bzw. Speichelkontrollen Unter sorgfältiger Berücksichtigung dieser Regeln resultiert als eine gute Möglichkeit der Substitutionstherapie von Progesteronmangelstörungen : 1. Natürliches Progesteron 2. als Salbe auf Gesicht, Dekollté 3. z.B. täglich 1g einer 3%igen Progesteronsalbe 4. individuelle Dosisanpassung nach Befinden und gut durch die Patientin machbar. Selbstverständlich ist eine gute Kommunikation mit mitbehandelnden gynäkologischen Kollegen/Innen zum Wohle der Patientin. Tipps für die Praxis Da die Behandlung der Progesteronmangelstörungen nur angerissen werden konnte, seien im Folgenden Tipps für weiterführende Information gegeben: Literatur: Lee John, Natürliches Progesteron, Oberhaching, Akse 2001 Webseiten: Dr.Huber, Wien, www.drhuber.at John Lee, www.johnleemd.com Prof.Heufelder, München www.aner.de Fortbildungen: Dr. Thierry Herthoge , Age Prevention Institute a.s.b.l. 1, Rue des Maximins, L-8247 Mamer © Marianne Krug 2003 [email protected] www.akana-frankfurt.de