Uran in Namibia – Segen oder Fluch?

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Uran in Namibia – Segen oder Fluch?
NAMIBIA
Uran in Namibia – Segen oder Fluch?
IN NAMIBIA WIRD URAN ABGEBAUT, das in Industrieländern als Brennstoff für Atomkraftwerke genutzt wird,
während Namibia teuren Strom aus dem Ausland importieren muss, um die eigene Energiekrise einigermaßen in
den Griff zu bekommen. Dies soll keineswegs ein Plädoyer für Kernkraft in Namibia sein; im Gegenteil, in einem
Land mit 350 Tagen Sonne im Jahr und guten Windbedingungen gibt es weit bessere Optionen.
Weltweit steht Namibia als Uranproduzent an fünfter Stelle. Das Mineral wird zur
Zeit in zwei Uranminen abgebaut und als
Uranoxyd (yellow cake) exportiert, hauptsächlich nach China, Europa und in die
USA. Die Rössing-Uranmine wird seit 1976
von dem anglo-australischen Rio Tinto Zink
(RTZ) betrieben; 15 Prozent der Anteile sind
im Besitz der iranischen Regierung. Die
Langer-Heinrich-Uranmine startete die Produktion 2007; sie ist zu 75 Prozent in Händen der australischen Firma Paladin Energy,
nachdem Paladin 2013 25 Prozent der Anteile
wegen finanzieller Schwierigkeiten an die
chinesische Firma China National Nuclear
Corporation (CNNC) verkaufte. Trekkopje, im
Besitz der französisch-staatlichen Firma Areva, wurde vor Inbetriebnahme eingemottet.
Es bleibt abzuwarten, wer die Uranmine
schließlich übernehmen wird, denn Areva
ist inzwischen bankrott.
Die Urankonzerne erhoffen sich eine Erholung des Uranpreises, nachdem der Preis
nach der Fukushima-Katastrophe in den
Keller gefallen war. Die Husab-Mine, im
Besitz der chinesisch-staatlichen China Ge-
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neral Nuclear Power Corporation (CGNPC),
wird unter dem Namen Swakop Uranium
demnächst die Uranproduktion aufnehmen,
womit Namibia als Uranlieferant erwartungsgemäß global an die zweite Stelle katapultiert wird.
Weitere Bergbaufirmen stehen in den
Startlöchern, neue Uranminen zu entwickeln, und warten ebenfalls auf den Anstieg
des Uranpreises. Für die meisten Firmen ist
ein Preis von etwa 70 US-Dollar plus/lb (ein
englisches Pfund entspricht 0,453kg) Uran
nötig, um gewinnbringend zu produzieren.
Zur Zeit dümpelt der Preis um 34 US-Dollar/
lb Uran. China wird das selbst geförderte
Uran für den eigenen Bedarf nutzen und ist
somit nicht auf den Marktpreis angewiesen.
Vor dem Fukushima-Disaster bewegte
sich der Uranpreis um 70-80 US-Dollar/
lb Uran. Als Japan nach dem Unfall alle 52
AKWs abstellte, gab es von der Seite keinen
Bedarf mehr. Inzwischen wurden zwei Reaktoren wieder in Betrieb genommen und
über den dritten Reaktor wird zur Zeit verhandelt. Die Entscheidung der deutschen
Regierung, ab 2022 keinen Atomstrom mehr
zu erzeugen, hat sich ebenfalls auf den Uranpreis ausgewirkt.
Folgenreicher Uranabbau
Bis 2008 wurden in Namibia insgesamt
66 Explorations-Lizenzen vom Ministerium
für Bergbau und Energie erteilt. Alle Projekte
– bestehende und geplante – sind im Besitz
ausländischer Firmen. Der internationale
Andrang geriet außer Kontrolle, es wurde
vom „uranium rush“ gesprochen; ein Moratorium wurde verhängt und Gesetze für
den Abbau von nuklearem Material erarbeitet. Als Rio Tinto die Rössing-Uranmine
in Betrieb nahm, gab es im damaligen Südwest-Afrika – seit der Unabhängigkeit 1990
Namibia – keine Gesetze für die nukleare
Industrie. Uran wurde abgebaut wie jedes
andere Mineral. Sicherheitsvorschriften für
die Arbeiter, die Anwohner und die Umwelt
existierten nicht.
Der Abbau von Uran hat zweifellos einen
positiven Einfluss auf die namibische Wirtschaft; der Export von yellow cake ist eine
der größten Einnahmequellen des Landes
und wird als Rückgrat der aufstrebenden
Ökonomie bezeichnet, sie profitiert vom
Uranexport. Arbeitsplätze werden geschaffen, bei der hohen Arbeitslosigkeit ein wichtiger Aspekt.
Allerdings erhebt sich die Frage, ob diese
Vorteile die Aktivitäten der Bergbaufirmen
rechtfertigen, wenn demgegenüber die vielen ökologischen, sozio-ökonomischen und
gesundheitlichen Probleme in Betracht gezogen werden. Neben der zahlreichen Gesundheitsschäden der Minenarbeiter sind
Ausbeutung der geringen Wasserressourcen
in einem ariden bis semi-ariden Land, Kontamination des Grundwassers, Verlust der Biodiversität, riesige Wunden in der Landschaft
und Rückgang des Tourismus nur einige der
Folgen – verursacht durch den Uranabbau.
Die Infrastruktur ist nicht auf den Zuzug
der vielen benötigten Arbeiter mit ihren
Familien vorbereitet. Es fehlen Wohnungen,
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KAUM FÄLLE VON ENTSCHÄDIGUNG
Es sind bisher weltweit nur zwei Fälle bekannt, in denen betroffene Arbeiter von
Uranminen nach jahrelangem Prozess entschädigt wurden. Etwa 5000 Arbeiter der
1990 stillgelegten Wismut-Uranmine, die nachweislich unter Lungenkrebs litten, haben eine Entschädigung bekommen. Wismut war ein Uranabbaugebiet in Thüringen
in der früheren DDR und wurde von einer sowjetischen Aktiengesellschaft zwischen
1946 und 1990 betrieben. Die Mine wurde unmittelbar nach der Wende geschlossen;
die Aufräumarbeiten dauern immer noch an und verschlingen ungeheure Summen
an Steuergeldern. Der zweite Fall betrifft die Navajo, ein indigenes Volk im größten
Indianerreservat im Südwesten der USA, die nach ihrer Arbeit in Uranminen an
Lungenkrebs erkrankt waren.
Schulen, Kindergärten, Ärzte und medizinische Einrichtungen, Sport- und Freizeitbeschäftigungen.
Bisherige Erfahrungen mit ausländischen Bergbaufirmen zeigen, dass ausgebeutete Minen – manchmal
über Nacht – verlassen werden und als schlimmes
Erbe eine zerstörte Umwelt sowie große Müllhalden
mit gefährlichem Abfall zurückbleiben. Es gibt etwa
200 verlassene Minen in Namibia, die dringend rehabilitiert werden müssten, wozu der Regierung jedoch
die nötigen Mittel fehlen. Im Fall einer verlassenen
und nicht rehabilitierten Uranmine ist das Problem
noch wesentlich kritischer, da der radioaktive und toxische Müll für die nächsten 200.000 Jahre vor sich
hinstrahlt und riesige Flächen unbenutzbar macht.
Gesundheit der Arbeiter
Eine Studie, durchgeführt von der Nichtregierungsorganisation Earthlife Namibia in Zusammenarbeit
mit dem lokalen Arbeitsforschungsinstitut LaRRI, demonstriert eindeutig, dass die Arbeiter der RössingUranmine einen hohen Preis für das fragwürdige Privileg zahlen, für eine der größten Bergbaufirmen der
Welt zu arbeiten. Die Ergebnisse der Studie beruhen
auf fünfzig Interviews, die mit 35 gegenwärtigen und
15 pensionierten Arbeitern durchgeführt wurden. Die
Arbeiter sind ständig der radioaktiven Niedrigstrahlung ausgesetzt und begeben sich damit meistens unwissentlich in höchste gesundheitliche Gefahr.
Beim Uranbergbau ist die Strahlung relativ niedrig (low-level radiation) verglichen mit der Strahlung
bei Reaktorunfällen oder bei radioaktiven Abfallprodukten von AKWs (high-level radiation). Im Bergbau sind die Arbeiter ständig der low-level radiation
durch das Uran und seine vielen radioaktiven Zerfallsprodukte ausgesetzt, wobei besonders das Radon
gefährlich ist, ein schweres Gas, das sich nicht leicht
verflüchtigt und in Bodennähe verweilt. Es wird von
den Arbeitern eingeatmet und kann Lungenkrebs
verursachen. Die Masken, die ihnen zugeteilt werden,
sind häufig unzureichend und/oder die Arbeiter tragen sie nur, wenn sie kontrolliert werden. Die große
Hitze und der ständige Staub erschweren das Tragen
von Masken.
Die Arbeiter werden in der Regel nicht aufgeklärt
über die Gefahren, denen sie ausgesetzt sind. Die Minenbetreiber verlieren bei der Einstellung der Arbeiter
über das Arbeitsrisiko kein Wort. Allerdings betonten
etliche, aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit hätten
sie keine andere Wahl und sie würden jeden angebotenen Job annehmen, um ihre Familie ernähren zu
können. Die Arbeiter wissen nichts oder wenig über
radioaktive Strahlung und glauben, der Staub mache
sie krank. Das stimmt in gewisser Weise tatsächlich,
da der Staub die radioaktiven und toxischen Partikel in sich trägt. Uran ist nicht nur radioaktiv, es ist
auch ein sehr giftiges Schwermetall und als solches
gesundheitsschädlich, wenn es z.B. mit der Nahrung
aufgenommen wird.
Krankheiten
Das Heimtückische an der ständigen Niedrigstrahlung ist: Krankheitssymptome treten häufig erst nach
10, 20 oder sogar 30 Jahren auf. In vielen Fällen sind die
Arbeiter pensioniert oder haben eine andere Arbeit
aufgenommen und sehen keinen Zusammenhang
zwischen ihrem Krankheitsbild und der früheren Tätigkeit in einer Uranmine. Aus medizinischer Sicht ist
es ohnehin schwierig, in Krankheitsfällen nachzuweisen, dass die Strahlung die Ursache vieler Krankheiten
ist und häufig zu frühem Tod führt.
Die Krankheitssymptome, die während der Interviews erwähnt wurden, sind vielseitig und reichen
von hohem Blutdruck, Hör- und Sehproblemen, Rücken- und Gelenkschmerzen, chronischer Müdigkeit
und Durchfall bis zu Herzproblemen und verschiedenen Krebserkrankungen, häufig mit der Folge eines
frühen Todes. Alle interviewten Arbeiter nannten Namen von verstorbenen Familienmitgliedern, Freunden und Kollegen, deren frühen Tod sie auf die Minenarbeit zurückführten.
Die Arbeiter kommen aus allen Teilen des Landes
und ziehen in der Regel nach ihrer Pensionierung zurück in ihren Heimatort. Dort werden sie krank, sterben ohne Diagnose und Behandlung und erscheinen
in keiner Krebsstatistik. Für die Arbeiter und ihre Familien ist es eine Tragödie, für die Bergbaugesellschaften ist es eine glückliche Fügung. Die Arbeiter wissen
nicht, dass sie oder ihre Familie ein Recht auf Kompensation haben.
Bergbaugesellschaften weltweit leugnen jeglichen
Zusammenhang zwischen der Arbeit in einem Bergwerk und späteren Gesundheitsschäden. Sie machen
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NAMIBIA
Die Autorin ist Vorsitzende der NRO Earthlife
Namibia, die sich für die
Rechte der Umwelt und
Soziales einsetzt. Earthlife
ist ein strikter Gegner der
Uranindustrie (oder Atromindustrie) jeglicher Art
und lehnt den Uranabbau
strikt ab.
Fotos:
S. 8: flickr.com/jeff-omatic/cc:by-nc-nd
S. 8/9: Bertchen Kohrs
S. 10: Bertchen Kohrs
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unhygienischen und ungesunden Lebenswandel und
den Konsum von Tabakwaren und Alkohol dafür verantwortlich. In der oben genannten Studie mit den Arbeitern der Rössing-Uranmine wurden diese Aspekte
berücksichtigt. Es stellte sich heraus, dass strengste
Alkoholkontrollen von Rössing durchgeführt werden,
wenn die Arbeiter das Minengelände betreten, und
der kleinste Rückstand von Alkohol zur Entlassung
führt. Rauchen ist bekanntlich Verursacher Nummer
eins für Lungenkrebs. 22 Prozent der befragten Arbeiter rauchen; die meisten moderat, wie sie sagen, da sie
auf dem Gelände nicht rauchen dürfen und somit wenig Zeit zum Rauchen bleibt. Die Gehälter der RössingMine sind relativ gut, so dass die Arbeiter sich gesund
ernähren können.
Alle Arbeiter bei Rössing werden jedes Jahr einmal
vom medizinischen Personal der Firma untersucht. Sie
sind erbost darüber, dass ihnen die Ergebnisse nicht
mitgeteilt werden und sie deshalb nicht wissen, wie
es um ihre Gesundheit steht. Manche konsultieren
einen privaten Arzt, was sich aber nur wenige leisten
können. Besonders betroffen sind die Arbeiter, die in
den Anfangsjahren um 1976 für Rössing gearbeitet
haben, als es noch keine Sicherheits- und Schutzmaßnahmen gab. Im Minenort Arandis, in dem die Arbeiter von Rössing mit ihren Familien leben, geht der Slogan um: Du verlässt Arandis und Du stirbst.
Es muss betont werden, dass sich die Arbeitsbedingungen bei Rössing seit etwa 1985 gebessert haben.
Damals wurde eine Arbeitergewerkschaft ins Leben
gerufen, die Einfluss nehmen konnte. Allerdings kann
sich niemand hundertprozentig gegen die radioaktive
Strahlung schützen, es sei denn man würde einen An-
zug aus Blei tragen, womit die Bewegungsfreiheit total eingeschränkt wäre.
Umweltschäden
Durch die Bergbauaktivitäten werden nicht nur
schwere Gesundheitsprobleme verursacht, auch die
Natur wird erheblich geschädigt. In einer Studie, die
Earthlife mit CRIIRAD, einem staatlich anerkannten
Forschungslaboratorium für Radioaktivität in Frankreich, durchgeführt hat, wurden Umwelteinflüsse
in unmittelbarer Nähe der Rössing-Uranmine untersucht und dokumentiert. Sowohl die Abraumhalden
für Erz mit zu geringem Urangehalt als auch die sogenannten Tailings-Dämme, in denen die flüssigen
radioaktiven und toxischen Abfälle gelagert werden,
sorgen für Kontamination von Grundwasser und Böden. Die Tailings-Dämme beherbergen 85 Prozent der
ursprünglichen Radioaktivität des Uranerzes. Im Extraktionsprozess wird nur das Uran gewonnen, alle
radioaktiven Zerfallsprodukte befinden sich in den
Tailings.
Die radioaktiven und toxischen Partikel werden mit
den häufigen Ostwinden zur Atlantikküste getragen;
die Bewohner machen sich große Sorgen um ihre Gesundheit. Wie schon erwähnt, der Abfall strahlt über
200.000 Jahre auf Grund der hohen Halbwertzeit
mancher Zerfallsprodukte. Man kann die Strahlung
nicht sehen, fühlen, riechen oder schmecken. Man
kann sie nur mit speziellen Geräten messen. Was für
ein schreckliches Erbe hinterlassen wir unzähligen
kommenden Generationen?
>> Bertchen Kohrs