Dienstunfähigkeit von Polizeibeamten (Teil III)

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Dienstunfähigkeit von Polizeibeamten (Teil III)
Beamtenrecht
April 2014
Dienstunfähigkeit von Polizeibeamten (Teil III)
Verwendung in anderen Verwaltungsbereichen
Die Regelungen zur Polizeidienstunfähigkeit geben einem Beamten mit nur eingeschränkter Polizeidienstfähigkeit eine Rechtsposition, die darauf hinausläuft, ihn zunächst innerhalb des Polizeibereichs auf einem
Dienstposten weiterzuverwenden, auf dem die volle Polizeidienstfähigkeit nicht erforderlich ist.
Grundsatz:
Der Dienstherr hat für einen Polizeivollzugsbeamten mit nur eingeschränkter Polizeidienstfähigkeit zunächst
nach einer anderen Verwendung innerhalb der Polizeiverwaltung zu suchen.
Die Suche hat sich dabei bei Landesbeamten auf das gesamte Landesgebiet, bei Bundesbeamten auf das
gesamte Bundesgebiet zu erstrecken.
Die Polizeidienstunfähigkeit führt nach dem Grundsatz der „Weiterverwendung vor Versorgung“ also nicht
automatisch zur vollen Dienstunfähigkeit des Beamten nach § 26 Abs. 1 BeamtStG.
Grundsatz:
Die Polizeidienstunfähigkeit schließt für Polizeivollzugsbeamte die Dienstleistungspflicht nicht aus. Hierzu
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bedarf es vielmehr der allgemeinen Dienstunfähigkeit.
Ergibt sich keine Verwendungsmöglichkeit innerhalb des Polizeibereichs, so sind die Möglichkeiten der
Verwendung in einer anderen Verwaltung und der damit verbundene Laufbahnwechsel zu prüfen. Dies geschieht dann im Rahmen einer Versetzung. Eine solche Versetzung ist wegen des damit verbundenen Lauf2
bahnwechsels eine sog. „statusberührende Versetzung“.
Es besteht dabei die Pflicht des Dienstherrn, nach einer anderweitigen Verwendung außerhalb der Polizeilaufbahn zu suchen. Die Suche ist dabei regelmäßig auf den gesamten Bereich des Dienstherrn zu erstrecken. Am Ende ist es Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er bei der Suche nach einer
anderweitigen Verwendung für den dienstunfähigen Beamten alle Vorgaben beachtet hat, weil es um Vorgänge aus seinem Verantwortungsbereich geht, die dem Einblick des Antragstellers in aller Regel entzogen
sind.
Grundsatz:
In einem Prozess über die Rechtmäßigkeit einer Ruhestandsversetzung oder einer Entlassung geht es zu
Lasten des Dienstherrn, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob er bei der Suche den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat.
Bei einer Versetzung von Beamten in andere Laufbahnen ist aus Gründen der Fürsorge ein Einsatz in einer
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„sachnahen Laufbahn“ anzustreben.
1
BayVGH v. 17.5.1983, BayVBl 1983, 660 ff. = ZBR 1983, 367 ff.
2
Summer in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 48, Rn. 11 ff.
3
Nicht umsonst bestimmt in Bayern Art. 9 Abs. 3 LlbG, dass Polizeivollzugsbeamte, welche in die Fachlaufbahn
„Verwaltung und Finanzen“ übernommen werden sollen, die volle Qualifikation für diese neue Fachlaufbahn durch
Unterweisung und eine mindestens einjährige Tätigkeit erwerben können.
Beamtenrecht
April 2014
Grundsatz:
Eine Versetzung kann auch gegen den ausdrücklichen Willen des Beamten erfolgen.
Ein entsprechender (belastender) Verwaltungsakt nach § 26 Abs. 2 BeamtStG ist nur rechtmäßig, wenn
das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn zählt,
es mit mindestens dem gleichen Endgrundgehalt verbunden ist wie sein bisheriges Amt und
wenn zu erwarten ist, dass der Beamte den gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes genügt.
Über die Anerkennung der Laufbahnbefähigung entscheidet grundsätzlich die aufnehmende oberste Dienst4
behörde.
Rechtsschutz:
Die betroffenen Polizeivollzugsbeamten sind verpflichtet, einer entsprechenden Versetzung Folge zu leis5
ten. Ein Widerspruch oder eine Anfechtungsklage gegen den belastenden Verwaltungsakt der Versetzung
hat wegen § 54 Abs. 4 BeamtStG keine aufschiebende Wirkung. Vorläufigen Rechtsschutz erhält der Beamte über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO.
Befähigungserwerb:
Eine Weiterverwendung von polizeidienstunfähigen Beamten ist grundsätzlich in allen Laufbahnen und
Fachrichtungen möglich.
Beispiel:
In laufbahnrechtlicher Hinsicht ist allerdings zum Beispiel in Bayern Art. 9 Abs. 3 LlbG von besonderer Be6
deutung. Diese Vorschrift ergänzt die Bestimmungen des Art. 128 BayBG und des § 26 BeamtStG über die
Versetzung von Polizeivollzugsbeamten, die wegen fehlender Polizeidiensttauglichkeit nicht mehr in ihrem
Verwaltungsbereich verwendet werden können. Nach Art. 9 Abs. 3 LlbG erwerben Polizeivollzugsbeamte,
die wegen fehlender Polizeidiensttauglichkeit nach Art. 48 Abs. 2, Art. 128 Abs. 3 BayBG in Verbindung mit
§ 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2, 3 BeamtStG in die Fachlaufbahn „Verwaltung und Finanzen“ übernommen werden sollen, die Qualifikation für diese neue Fachlaufbahn bereits durch Unterweisung und eine mindestens
einjährige Tätigkeit. Die Unterweisung und Erprobung orientieren sich dabei als „verkürzte Zusatzausbil7
dung“ an den Anforderungen der jeweiligen Qualifikationsebene (Laufbahngruppe) der Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen und zwar in dem Bereich und dem fachlichen Schwerpunkt, in dem der Beamte später
eingesetzt werden soll.
Nach § 4 Abs. 3 BPolBG kann die Bundesregierung für den Bereich der Bundespolizei jährlich bestimmen,
in welchem Umfang für die nach § 44 Abs. 2 bis 5 BBG anderweitig zu verwendenden Polizeivollzugsbeamten freie, frei werdende und neu geschaffene Planstellen für Beamte des mittleren, des gehobenen und des
höheren Dienstes beim Bund und bei den bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen
des öffentlichen Rechts vorbehalten werden.
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Vgl. für Bayern: Art. 9 Abs. 3 Satz 2 LlbG.
5
Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 9 LlbG, Rn. 28.
6
Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 9 LlbG, Rn. 27 ff.
7
Zängl in Weiß / Niedermaier / Summer / Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 9 LlbG, Rn. 30.
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Ärztliche Feststellungen
Das Gesetz weist die Aufgabe der Begutachtung der Polizeidienstfähigkeit dem Amtsarzt bzw. Polizeiarzt
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zu. Auch die Aussage über die beschränkte Polizeidienstfähigkeit ist Sache des Amts- bzw. Polizeiarztes.
Grundsatz:
Die Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens ist eine zwingende Voraussetzung für die Feststellung der
vollen oder eingeschränkten Polizeidienstunfähigkeit sowie Grundlage der sich daran anschließenden beamtenrechtlichen Maßnahmen.
Anforderungen an den Untersuchungsauftrag
Die Anforderungen an den Untersuchungsauftrag sind dabei von der jeweiligen Rechtsfolgerung abhängig,
die mit Hilfe des Gutachtens getroffen werden soll. In aller Regel wird aber nicht nur die Frage der eingeschränkten oder vollen Polizeidienstunfähigkeit, sondern auch die Frage der generellen Dienstunfähigkeit
sowie gegebenenfalls die Frage einer aus medizinischer Sicht in Frage kommenden Möglichkeit einer anderen Tätigkeit innerhalb bzw. außerhalb der Laufbahn zu klären sein. Besteht die Vermutung, dass ein Polizeibeamter wegen psychischer Veranlagungen für seinen Dienst nicht mehr geeignet ist, so bestehen für die
Anordnung einer psychiatrischen Untersuchung zur Feststellung der vollen bzw. eingeschränkten Polizeivollzugsdienstunfähigkeit sehr strenge Anforderungen. So reicht das Vorliegen von bloßen Zweifeln nicht, es
bedarf deutlicher Anhaltspunkte für gesundheitliche Mängel, die dem psychiatrischen Bereich zuzuordnen
9
sind.
Grundsatz:
Die Verantwortung zur Feststellung der vollen oder eingeschränkten Polizeidienstunfähigkeit trägt der
Dienstherr, nicht der Amtsarzt.
Der Dienstherr muss die ärztlichen Befunde und Schlussfolgerungen im Gutachten inhaltlich nachvollziehen
und sich auf ihrer Grundlage ein eigenes Urteil bilden. Das setzt voraus, dass er fachärztliche Äußerungen,
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die der Stellungnahme des Amtsarztes zugrunde liegen, zur Kenntnis nimmt und würdigt. Ein amtsärztli11
ches Gutachten muss den im Beschluss des BVerwG vom 20. Januar 2011 formulierten Anforderungen
genügen.
Grundsatz:
Der Amts- oder Polizeiarzt darf dabei nicht nur das Untersuchungsergebnis mitteilen, es muss auch die das
Ergebnis tragenden Feststellungen und Gründe nennen.
Dies gilt allerdings nur soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Entscheidung erforderlich ist. Danach muss das Gutachten sowohl die notwendigen
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Ein polizeiärztliches Gutachten eines verbeamteten Polizeiarztes wird zum Beispiel in Bayern vom Gesetz als Basis
einer Ruhestandsversetzung bzw. einer weiteren Verwendung im eingeschränkten Bereich – im Gegensatz zum hessischen Recht (§ 193 Abs. 1 Satz 2 HBG) - nicht erwähnt. Damit ist die (ausschließliche) Zuständigkeit des Amtsarztes
begründet.
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OVG Münster v. 2.5.2012 – Az.: 6 B 222/12 – juris.
10
BVerwG v. 6.3.2012, IÖD 2012, 122 f. = RiA 2012, 165 f. mit Anmerkung Braun.
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BVerwG v. 20.1.2011 – Az.: 2 B 2.10 – juris Rn. 5.
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Feststellungen zum Sachverhalt, d.h. die in Bezug auf den Beamten erhobenen Befunde enthalten, als auch
die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für die Fähigkeit des Beamten, künftig
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ein Amt auszuüben.
Das Gutachten muss es dem Polizeibeamten ermöglichen, sich mit den Feststellungen und Schlussfolgerungen des Amts- oder Polizeiarztes bzw. mit der darauf beruhenden späteren Entscheidung des Dienstherrn auseinanderzusetzen, um sie ggf. später substantiiert anzugreifen.
Grundsatz:
Der Dienstherr kann die ihm zustehende Entscheidung nicht gegen oder ohne ein entsprechendes amtsärzt13
liches Gutachten treffen.
Zeitliche Grenze: Zwei Jahre
Nach den gesetzlichen Vorgaben müssen die funktionsbezogenen gesundheitlichen Einschränkungen bei
Polizeivollzugsbeamten für einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren bestehen.
Dieses erfordert eine entsprechende Prognose im ärztlichen Gutachten. Auch darauf ist bereits im Auftrag
für dieses Gutachten einzugehen.
Amts- oder Privatarzt?
Bei einem den amts- oder polizeiärztlichen Feststellungen widersprechenden privatärztlichen Gutachten
kommt dem amts- oder polizeiärztlichen Gutachten grundsätzlich der größere Beweiswert zu, denn der
Amts- bzw. Polizeiarzt befindet sich selbst in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis nach
Art. 33 Abs. 4 GG. Folgt der Amts- oder Polizeiarzt einem privatärztlichen Gutachten nicht, so muss er sich
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mit diesem Gutachten substantiiert auseinandersetzen.
Verpflichtung zur Untersuchung
Bestehen Zweifel über die volle oder eingeschränkte Polizeidienstfähigkeit, so ist der Beamte verpflichtet,
sich nach Weisung des oder der Dienstvorgesetzten ärztlich untersuchen und, falls ein Amts- oder Polizeiarzt dies für erforderlich hält, beobachten zu lassen.
Grundsatz:
Wer sich trotz wiederholter schriftlicher Aufforderung ohne hinreichenden Grund der Verpflichtung, sich nach
Weisung des oder der Dienstvorgesetzten untersuchen oder beobachten zu lassen, entzieht, kann so behandelt werden, wie wenn die Dienstunfähigkeit amtsärztlich festgestellt worden wäre.
Auch ohne eine ausdrückliche Bestimmung in den Vorschriften des jeweiligen Landesbeamtenrechts würde
sich diese Rechtsfolge nach der Rechtsprechung des BVerwG bereits aus der entsprechenden Anwendung
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des § 444 ZPO ergeben.
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Zu der Notwendigkeit der Aussage über den Verwendungsbereich: Sächs OVG v. 30.5.2012 – Az.: 2 B 183/11 –
juris.
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OVG Lüneburg v. 27.1.2009 – Az.: 5 LA 377 / 08 – juris zur Entlassung einer Polizeibeamtin auf Widerruf.
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BVerwG vom 9.3.2001, Az.: 1 DB 8 01- juris.
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BVerwG vom 26.4.2012, NVwZ 2012, 1483ff.
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Übermittlung der Untersuchungsbefunde
Die amts- oder polizeiärztliche Mitteilung über die Untersuchungsbefunde ist in einem gesonderten, verschlossenen und versiegelten Umschlag zu übersenden und verschlossen zur Personalakte des Beamten zu
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nehmen. Die an den Dienstherrn übermittelten Daten dürfen nur für die nach § 26 BeamtStG zu treffende
Entscheidung (Versetzung; Ruhestandsversetzung, Umsetzung) verarbeitet oder genutzt werden.
Es besteht die Verpflichtung des Arztes, den Beamten über das zu informieren, was er an die Behörde weiterreicht. Stehen jedoch aus ärztlicher Sicht bestimmte Gründe einer solchen Übermittlung an den Polizeibeamten selbst entgegen, so wird der Vertreter des Beamten durch eine Ablichtung der Mitteilung an den
Dienstherrn (mittelbar) unterrichtet. Ob solche Gründe bestehen, hat der Amtsarzt in eigener Zuständigkeit
festzustellen.
Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit
Auch Polizeivollzugsbeamte sind nach § 29 Abs. 4 BeamtStG verpflichtet, sich aktiv um die Wiederherstellung der vollen Einsatzfähigkeit zu bemühen. Daraus ergibt sich, dass ein Beamter mit nur eingeschränkter
Polizeidienstfähigkeit in entsprechender Anwendung der Regelung des § 29 Abs. 4 BeamtStG ebenfalls
dazu verpflichtet ist, zur Wiederherstellung seiner vollen Polizeidienstfähigkeit beizutragen.
Der Beitrag ist unter dem Titel „Polizeidienstunfähigkeit“ mit vollem Inhalt in der Ausgabe 5 der
PersV 2013 abgedruckt. http://www.persvdigital.de/ce/polizeidienstunfaehigkeit/detail.html.
Zu Dienstunfähigkeit von Polizeibeamten (Teil I)
Zu Dienstunfähigkeit von Polizeibeamten (Teil II)
Dr. Maximilian Baßlsperger
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Baßlsperger, Auskunftspflicht und Schweigepflicht des Amtsarztes, PersV 2011. 404ff.