Wirbelsäule

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Wirbelsäule
sportissimo
DAS ÜBUNGSLEITERJOURNAL DES BLSV
8. AUSGABE 2007
Wirbelsäule – stabil und doch beweglich
Wissenwertes zum Thema Rücken (Teil 3/3) – Von Birgit Bruner
P
rogramme versprechen „Gutes für
den Rücken“, „Kein Kreuz mit dem
Kreuz“, „Alles im Lot“ oder „Wirbel
will’s wissen“...Ansprechende Titel sind das
eine,motivierende Inhalte samt deren wohltuender Wirkungen das andere. Abschließend zum Thema Rücken stellt „sportissimo“ beispielhafte Unterrichtsbausteine für
unterschiedliche Zielorientierungen im Rahmen präventiver Bewegungsangebote vor –
mit Kreativität und vor dem Hintergrund
der beiden letzten Veröffentlichungen lassen sich zielgruppenspezifische Variationen
entwerfen, die den Wunsch nach einem beschwerdefreien Rücken greifbar nahe rücken.
Was, wann, wie für wen?
Trotz unseres einheitlichen Bauplans Mensch,
sollte man auch im Sport nie alle über einen
Kamm scheren.Nicht jeder verhält sich,bewegt
sich, fühlt oder lernt gleich.
Mit dem richtigen Gespür für die Gruppe und
den Einzelnen versucht der Übungsleiter geeignete Methoden und Inhalte herauszufiltern,
um über unterschiedliche Wahrnehmungskanäle in die Bewusstheit der Teilnehmer hinsichtlich ihrer eigenen Haltung vorzudringen.
Verschiedene Sinne zum Lernen aktivieren:
Schaubilder
– um Lernaspekte wie „Hal•
tungsapparat“ oder „funktionelles Bewegen“
u.ä.m. zu veranschaulichen.
Ein Beispiel:Informative Broschüren oder Plakate zu Haltungsthemen erhält man über Krankenkassen, Apotheken oder Ärzteschaft. Sie
können als reines Info-Material,aber auch als
Unterrichtsmedium teilnehmerzentriert zur
Gestaltung von Postern,Kurs-Collagen,Merkzettel, Stationskarten o.ä. eingesetzt werden.
• Modelle – als Einblick in sein Körperinneres.
Ein Beispiel: Ein Bewegungssegment, also
zwei Wirbel mit dazwischenliegender Bandscheibe, lässt sich durch einen weichen Körper (Knetmasse, ein kleiner Luftballon oder
Wasserballon) zwischen zwei festen Platten
(Bücher, Holzplatten oder den Händen) visualisieren. Bei Verlagerung des zentralen
Druck zur Seite, muss der „wabbelige“ Kern
ausweichen. So geschieht es auch an unserer
Wirbelsäule,wo die sich vorwölbende Bandscheibe – je nachdem – schmerzhafte Erfahrungen mit sich bringt.
Vorstellungen
vermitteln –„in Bildern sprechen“.
•
Ein Beispiel für den Haltungsaufbau im Sitzen:„Ich stelle mir vor,ein breiter Gürtel liegt
um meine Taille,gerade so fest, dass es mein
„Kreuz“, also den Abschnitt der Lendenwirbelsäule, stabil hält. Dennoch bleibt ausreichend Luft um den Atem von oben nach unten bis in den Bauch fließen zu lassen (...) –
Verbalisieren von Bewegungsvorstellungen
und -gefühlen hilft vielen Teilnehmern bei der
richtigen Umsetzung praktischer Übungen.
• Berührung – als taktile Hilfe zur Orientierung am eigenen Körper.
Über Hilfsmittel,seien es Kleingeräte wie Bälle oder Bohnensäckchen,die eigenen oder die
Hände eines Partners, werden unterstützende taktile Reize gesetzt,die Aufmerksamkeit,
Konzentration und Empfindung lenken und
verdichten können.
Ein Beispiel:Auflegen seiner gespreizten Hände vorn am aufgerichteten Rumpf,wobei sich
Daumen und Kleinfinger der anderen Hand
ungefähr unterhalb des Brustbeins berühren.Was spüre ich beim Atmen bzw.bei „Verlust“ der aufrechten Haltung? (taktile Maß-
„Was mein Rücken Tag für Tag erträgt!“
Jeder TN erhält ein 24-Stunden-Rückenprotokoll am Ende der ersten Unterrichteinheit zum „Selbststudium“ mit nach Hause.
• In orange soll eingetragen werden,wann und
in welcher Form Rückenprobleme,
• in rot, wann und wo eventuelle Schmerzen
auftreten.
• In grün sollen „Freiräume“ gekennzeichnet
werden, wo grundsätzlich Zeit wäre, etwas
für den Rücken zu tun.
• In blau soll vermerkt werden, wo sich jeder
einzelne bereits bewusst mit seiner Haltung
auseinandersetzt.
Jeder sollte sich dementsprechend Gedanken zu seinem persönlichen „Haltungskonzept“ machen.
Wer möchte,kann sein Protokoll dem ÜL geben,
so dass sich dieser ein Bild über die „Belastungssituation“ seiner Teilnehmer zusammenfügen und
entsprechende Inhalte und Schwerpunkte für das
Bewegungsangebot gezielt auswählen kann.
Aus der Summe der Protokolle lassen sich
• „allgemeingültige“ Empfehlungen im Sinne
einer Trainingsrichtschnur herauslesen
• ein gruppenspezifisches Trainingsmanual,
aber auch
• individuelle Aspekte für das Training in der
Gruppe sowie den Alltag herausarbeiten.
• positive Einzelaspekte aufgegriffen und ins
Programm für alle integriert werden.
• Freizeitaktivitäten unter dem Fokus Rücken
in den Unterricht einbezogen werden.
Im Einzelnen können
• „Farbzonen“ herausgestellt werden.Ziel ist,
dass grün-blau orange-rot den Rang abläuft
• „auf Wunsch“ individuelle Tipps und Empfehlungen für Alltag und Freizeit an die Teilnehmer weitergegeben werden.
• Hilfen an die Hand gegeben werden,wie Alltag und Freizeit rückenfreundlicher werden
kann.
In der vorletzten Kursstunde erhält jeder
Teilnehmer erneut eine Protokoll-Vorlage. Er
entwickelt nun für sich sein individuelles, aktives „Rückenprotokoll der Zukunft“:
was kann und wo will er künftig seinem Rücken Gutes tun?
tagtäglich im Alltag und mehrmals pro Woche
gezielt?
Ab september download unter www.blsv.de
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nahme zur Haltungskontrolle im Stehen/Sitzen)
• Demonstrieren und Erklären – gehört selbstverständlich nach wie vor zum Repertoire
und lässt sich mit den oben aufgeführten Beispielen kombinieren.Wichtig bleibt – korrekt
und klar.
• Aufgabenstellungen – interessant,nicht langweilig, aber „richtig“ lösbar.
Die Teilnehmer sollen in vielfältiger Weise aktiv in den Unterrichts- und Lernprozess einbezogen werden, so dass sich ein sinnvolles
Wechselspiel aus eher informationsaufnehmenden mit -verarbeitenden, eher handlungsbezogenen Unterrichtsphasen entwickelt.
D.h. vom Zuhören, Anschauen, Lesen oder
Nachmachen zum eigenständigen Umsetzen
und Ausgestalten, denn am meisten, angeblich rund 90%,behält der Mensch durch eigene praktische Ausführung und Problemlösung.
Beispiel einer teilnehmerzentrierten Lernmethode:„Das 24-Stunden-Rückenprotokoll“
kann an den einzelnen ausgegeben oder auch
im Team mit unterschiedlichen Aufgaben-
stellungen und Zielsetzungen vor, im oder
nach der Sportstunde bearbeitet werden. Es
kann als Merk- oder auch „Mahn“zettel eigentlich überall an rückengerechtes Verhalten erinnern.
Wirbel weiß:
Stillgestanden – nein danke!
Haltung braucht Bewegung – einige Übungsbeispiele zur Förderung der Haltungsbewusstheit als Anregung zur individuellen Ausgestaltung und Weiterentwicklung (siehe Tabelle
unten)
Wirbel weiß:
So läuft’s in der Rückenschule
Hier geht in Kursform oder auch über Medien wie Bücher oder Filme unser Rücken zur
Schule, d.h. es werden Übungen und Maßnahmen zur Vorbeugung oder Verminderung von
Rückenproblemen vermittelt.
Erklärtes Ziel ist, Strategien zur Entlastung
des Haltungsapparats zu erlernen. Nichts Neues also:
• funktionell die haltungsbestimmende Muskulatur trainieren
• Gelenke ausreichend mobil halten
• Haltungsgefühl entwickeln und so
• rückenschonende Haltung und Verhalten für
Alltag und Freizeit fördern.
Am besten wäre es, die Rückenschule zu besuchen, bevor irgendwelche Beschwerden auftreten, aber – wie so häufig, kommen die „freiwilligen“ Rückenschüler erst aus gegebenem
Anlass. Deshalb ist auch hier unbedingt abzuklären inwieweit ein präventives Gruppentraining für den Einzelnen möglich respektive bereits ein therapeutisches oder rehabilitatives
Konzept notwendig ist.
Aufgepasst – eine Rückenschule braucht kei-
Zielsetzung
Gestaltungsbeispiel
Stehen – gibt es den „idealen“ Stand?
Erlernen der Grundhaltung
So kann der „ideale Stand“ durch Erklären, demonstrieren und ggf. aktives Korrigieren beschrieben werden:
• Hebe das Brustbein leicht nach vorne oben
• der Kopf balanciert entspannt auf der Halswirbelsäule, das Kinn ganz leicht zur Brust nehmen
• die Arme hängen locker an entspannten Schultern
• Bauch- und Gesäßmuskeln haben eine dezente Vorspannung um
• das Becken mit der eingebetteten Lendenwirbelsäule aufzurichten.
• Die Beine nicht durchstrecken und
• die Füße etwa hüftbreit auseinander stellen.
So sollte die Wirbelsäule aufrecht stehen.
Erfahren und spüren der Körperlängsachse
• Körperlot
Beim aufrechten Stand sollte das Lot seitlich ungefähr
vom hinteren Drittel des Scheitels über die Schulter, den
Oberschenkelkopf, das Kniegelenk in den vorderen Bereich des Sprunggelenks fallen.
Von hinten fällt es ausgehend von der Schädelmitte, über
die Wirbelsäule auf die Mitte der Unterstützungsfläche, also zentral zwischen den Fußaufsatz.
• „Klötzchenmodell“
Die „Funktionseinheiten“ LWS, BWS, HWS werden durch
Bau“klötzchen“ symbolisiert, an denen Bewegungen und
Haltungsveränderungen ansetzen können.
Übungen im Liegen
„Kontrastaufgaben“ wie
• den Rumpf/Körper fest machen, „wie eine Luftmatratze, die aufgeblasen wird - fest, dennoch elastisch“. Der Atem kann also trotz Anspannung fließen.
Was passiert wo und wie am Körper?
• den Rumpf weich werden lassen, „die Luft entweicht aus der Matratze“ – wie fühlt sich mein Körper jetzt an?
Körperbalance
Einfache bis komplexe Aspekte für einen „starken Rücken“ kennenlernen und trainieren,.
• Mobil und stabil,
• dehnfähig und kräftig,
• gut koordiniert.
Einnehmen der individuell optimalen Haltung im Stehen
• am Boden
• auf einer Matte
• auf Matte mit geschlossenen Augen
• Einbeinstand
• Einbeinstand mit geschlossenen Augen
• Stand auf zunehmend labileren Untergründen
Sämtliche Systeme, die unsere Haltung beeinflussen, anregen.
Verschiedene Geräte oder auch Alltagsmaterialien, die das
Gleichgewicht erproben, einbauen: Therapiekreisel, Mattenrollen, Aquanoodle, Balancepad, Holzklötzchen ... für Übungen
einzeln, mit Partner- oder Gruppenbezügen.
Haltung in Bewegung
In vielfältigen Bewegungssituationen des Alltags und der
Freizeit eine „gute Figur“ machen und Wahrnehmen,
wann und wie Haltungspausen notwendig und sinnvoll
sind.
Haltung als begleitender Aspekt aller Lebenslagen – ein Unterrichtsbeispiel:
Feedback-Methode mit den Gruppenmitgliedern auf die Frage:
„Wo und wie erlebe ich meine Haltung positiv?“
„Wann begegne ich Haltungsproblemen?“
„Wie reagiere ich auf Signale meines Haltungsapparates?“
Spielerische Haltungserfahrungen
• Marionettenspieler oder Tonklumpen formen/Bildhauerspiel:
„man wird bewegt/modelliert“
• Gefühle in Bewegung umsetzen, den Körper sprechen lassen
Übungsformen zum Alltagsverhalten
• Rückenschulübungen
• Gehen, Laufen, Steigen, Klettern ... was mache ich wie?
• Entspannungs-/Körperwahrnehmungsübungen mit dem Fokus Rumpf
Haltung entlasten - Haltung belasten
Kenntnisse, welche Belastungen bei welchen Bewegungen und Haltungen für die Wirbelsäule auftreten.
Wie trainiere ich die Strukturen um meine WS zu entlasten?
Welche Belastungen sind physiologisch zumutbar?
Wie entlaste ich die Wirbelsäule?
Ein einfaches Beispiel:
Im Stand ein Bein auf einen Schemel/Langbank stellen?
Wie reagiert meine Haltung darauf?
Transfers in den Alltag – wie und wo sehen die Teilnehmer
Möglichkeiten „Haltungsaspekte“ aktiv in ihren Alltag hinüber
zu ziehen?
Welche Tipps/Übungen/Hausaufgaben gibt der Trainer mit?
• Rückenratgeber
• Persönlicher Rückenkalender, in dem wöchentlich die empfohlenen „Trainingseinheiten“ zur Selbstkontrolle dokumentiert werden ...
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Aufgaben
Variieren Sie die „Zugänge“ zu den Teilnehmern und sensibilisieren Sie diese für ihren Bewegungsapparat.
Viele Bewegungsanweisungen wie bspw. „Ziehen sie die
Schulterblätter zur Wirbelsäule“ kann auch als Frage/Aufgabe
„Was geschieht, wenn sie ihre Schultern (in Rückenlage) gegen den Boden drücken? formuliert werden.
Aktive Haltungsbeeinflussung durch
• Verlagerungen des Körperschwerpunkts
• einwirkende Kräfte
Übungen im Stand
• ausprobieren, welche Bewegungen die eigene Wirbelsäule
„Wie weit kann ich mich aus dem Fenster, besser gesagt über meine
problemlos vollziehen kann
Füße lehnen?“
• Rückmeldungen zum eigenen Haltungsbild über
Dazu schlagen die Füße Wurzeln, der „restliche“ Körper experimentiert
• Spiegel
• Körperlot
mit seiner Haltungsbalance.
• ÜL-„Korrektur“ ...
Welche Muskeln bekommen wir zu spüren?
• Bauklötzchen-Prinzip
„Wie steht mein Körperstamm ruhig und stabil?“
Haltung aufbauen, einzelne Bausteine „sanft“ verschieben,
„Was passiert, wenn ...?“
kippen ....
Bspw. fährt das Klötzchen „Brustwirbelsäule“ durch tiefe Atmung Fahrstuhl.
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nen Rektor, die Qualität hängt von den Kompetenzen der Leiter ab.
Rückenschule und Wirbelsäulentraining haben einen eindeutigen Überschneidungsbereich.
Entsprechend sollten klassische Inhalte der Rückenschule in Vereinsprogrammen „rund um
den Rücken“ nicht fehlen.
„Das kleine Rücken-1x1“
Das kleine Einmaleins der Regeln für einen
gesünderen Rücken dient der Orientierung zu
grundlegenden Inhalten einer Rückenschule.
1x1 Bewege Dich!
Bewegung regt die Durchblutung im Körper
an, verbessert so den Transport der Nährstoffe
ins Gewebe und fördert die Ausscheidung von
Stoffwechselendprodukten.
Da sich unsere Bandscheiben durch Bewegung ernähren,sind be- und entlastende Druckveränderungen durch kontrollierte Haltungsveränderungen notwendigerweise sinnvoll.
In gleicher Weise gilt allerdings auch der
Grundsatz des Ausruhens,wenn der Rücken danach verlangt.Als optimale Entlastung der Wirbelsäule bietet sich hier die Stufenlagerung an.
Rückenschulkarten ab September download unter www.blsv.de
1x1-Tipps:
Suche stets Ausgleich zu einseitigen Belastungen!
Bspw. für „Vielsitzer“ (Büro,Auto ...)
• statt Stuhl und Fahrstuhl – stehen, gehen,
Treppen steigen
• „bewege“ dich während des Sitzens durch
bewusstes „Recken und Strecken“
• gönne Dir Bewegungspausen, auch wenn eigentlich „nie Zeit bleibt“
• viele Alltagshandlungen lassen sich bewegter gestalten, überlege wie!
2x1 Halte Dich aufrecht!
Die aufrechte Haltung schont die Wirbelsäule, hängt aber gleichzeitig von „aktiver“, stabilisierender Rumpfmuskulatur ab.
Vor allem unter Belastung fühlt sich unsere
Wirbelsäule in ihrer natürlichen physiologischen Doppel-S-Krümmung am wohlsten.
1x1-Tipps:
• schule Deine Haltung
• kontrolliere Deine Haltung im Spiegel
• erinnere Dich an Deine Haltung, notfalls mit
kleinen Merkpunkten an Stellen, wo’ s Probleme gibt (Telefonhörer, PC, Spüle, Bügelbrett ...)
3x1 Denke beim Bücken an Deinen Rücken!
Beim Vorbeugen des Rumpfes, womöglich
noch mit gleichzeitigem Heben schwerer Gegenstände bei rundem Rücken, wirken extrem
hohe Kräfte auf die Bandscheiben und die passiven Strukturen der Wirbelsäule.
Deshalb beim Bücken „in die Hocke“ gehen,
damit der Rücken gerade bleibt. So erfolgt die
Hubarbeit aus den kräftigeren Gelenken der unteren Extremität und Teamarbeit der kräftigen
Muskeln der Streckerschlinge.
1x1-Tipps:
• übe das „beim Bücken in die Hocke gehen“
bis es „automatisch richtig“ gemacht wird
• achte aus funktionellen Aspekten auf hüftbreite Fußstellung
4x1 Lasten heben,
Lasten teilen – lass Dir helfen!
Beim Heben schwerer Gegenstände verstärkt
sich vor allem im Lendenwirbelbereich auch bei
geradem Rücken der Druck auf die Bandscheiben erheblich. Drehbewegungen des Rumpfes
unter Belastung sollten tunlichst vermieden
werden.
Deshalb zu schwere oder wuchtige Lasten teilen, d.h. nicht alleine heben oder tragen oder,
falls möglich Gewicht reduzieren oder auch
splitten.
Muss die gehobene Last neben oder hinter
sich abgeladen werden, dann erfolgt die Drehung über Nachstellschritte aus den Beinen und
nicht durch Drehung des Rumpfes aus den Gelenken der Wirbelsäule.
Als Merkhilfe können hier einige ergonomische „Paradebeispiel“ dienen: der teilbare Getränketräger, Rollkoffer oder auch Einkaufsrucksäcke oder – trolleys statt mühsamer Plastiktüten – und wenn schon Tüte, dann besser
auf jeder Seite eine kleine.
1x1-Tipps:
• übe das richtige Heben und Absetzen von Gewichten
• mache Dir bewusst,bei welchen Handlungen
zu große Belastungen auf die Wirbelsäule
kommen, auch wenn diese der Körper noch
toleriert.
• nehme grundsätzlich 2 Einkaufstüten mit,
besser noch, packe 2 in deinen Rucksack
oder Kreuzschmerzen,Vorschub.
Die „richtige“ Sitzposition meint den aufrechten, aktiven Sitz. Aber: Marathonsitzen
macht auch trainierte Muskeln müde.Entsprechend braucht der Haltungsapparat neben Training auch Entlastung und Abwechslung.
Hier tut sich ein enger Zusammenhang mit
den beiden ersten Merksätzen auf.Wichtig beim
Sitzen ist die Körper- respektive die eigene Haltungswahrnehmung.
1x1-Tipps:
• beobachte Dich beim Sitzen
• lehne Dich entspannt an, damit sich Deine
Muskeln erholen können – sich „hinlümmeln“ ist zwischendurch erlaubt
• das Sitzmöbel sollte die physiologische Haltung unterstützen
• mobilisiere hin und wieder die Gelenke der
Wirbelsäule, recke und strecke Dich
• ändere bewusst Deine Sitzhaltungen ohne
Deine Wirbelsäule unnötig zu belasten.
6x1 ... stehe bewusst!
Mit dem Stehen verhält es sich ähnlich wie
beim Sitzen. Dauerhaft einseitige Belastungen
sind zu vermeiden und Ermüdungstendenzen
sollten rechtzeitig erkannt werden.
Bei durchgedrückten Knien verstärkt sich die
Tendenz ins „Hohlkreuz“ zu kippen.
Grundsätzlich sollte ein stabiler aufrechter
Stand angepeilt werden (s. Übungen zum Haltungsaufbau),der sich gleichmäßig von beiden
Fußsohlen über die Beinachse bis zum Scheitel
aufbaut.
Entlastung bei längerem Stehen bringt der
sogen.„Tresenstand“,wo durch Höherstellen eines Fußes eine „Zusatzsicherung“ über das Becken eingebaut wird,die einer verstärkten Lendenlordose entgegenwirkt.
1x1-Tipps:
• beobachte Dich beim Stehen
• lehne Dich auch im Stand an, sofern sich die
Möglichkeit bietet
• verändere die Belastungssituationen im Stehen, spiele mit der Körperbalance
• trage geeignetes Schuhwerk
7x1 Erhole Dich im Liegen...
Soll ausdrücken, dass selbst im Liegen die
Wirbelsäule unnötig belastet werden kann,
nämlich dann wenn die natürlichen Krümmungen durch die Unterlage nicht ausreichend
unterstützt werden.
Je nach dem können die Krümmungen durch
5x1 Sitze aktiv und ...
Der „sitzende“ Alltag vieler Menschen leistet
Haltungsproblemen wie verspannter Nackenmuskulatur einhergehend mit Kopfschmerzen
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Handtuchrollen, Decken oder Kissen entsprechend unterlagert werden.
Eine Schlafmatratze darfalso in Abhängigkeit des
Körpergewichts weder zu hart noch zu weich sein.
1x1-Tipps:
• in Rückenlage unterstützt ein Kissen oder eine Rolle unter den Knien eine entspannte
Liegeposition
Stufenlagerung,also
unterlagerte rechtwink•
lige Knie- und Hüftstellung,bringt maximale Erholung für die Bandscheiben der LWS
• in Seitenlage sorgt eine Rolle zwischen den
Knien und ein abstützendes Kissen im Rücken für Entspannung
8x1 ...und stehe richtig auf!
Beim Aufstehen sollten ruckartige,schwunghafte Zug- und Scherkräfte wie sie durch eine
„Hau Ruck-Bewegung“ bei gekrümmtem Rücken auftreten, vermieden werden. Es bieten
sich in Abhängigkeit der motorischen Voraussetzungen Varianten des rückengerechten Aufstehens mit Unterstützung der Hände aus verschiedenen Sitz- und Liegepositionen an, die
die Wirbelsäule im Lot halten.
1x1-Tipps:
• übe das richtige Aufstehen aus der Rücken-,
Bauch- und Seitenlage
• nütze die Stützkraft der Arme um den Rücken zu schonen
• die „übliche“ flotte Variante erfolgt über die
Seitenlage, anschließend Abstützen des unteren Armes und „Weiterrollen“ mit Aufrichten zum Einbeinkniestand. Nun können
die Hände auf dem Oberschenkel abstützen
und über das vordere Bein drückt man sich
in den Stand.
9x1 Beachte Deinen Rücken im Alltag!
Der Lernstoff der Rückenschule muss nun geschickt und nach Möglichkeit konsequent in den
Alltag außerhalb der Turnhalle übertragen werden.
Das wesentliche Kriterium lautet: Das Wechselspiel aus Haltung und Bewegung so gestalten, dass sich Wirbelsäule und Bandscheibe entsprechend ihrer anatomischen Voraussetzungen wohl fühlen
1x1-Tipps:
• beobachte Dich beim Gehen, Liegen, Putzen
... bei der Arbeit im Büro, Garten...
• nehme Signale Deines Rückens ernst und begegne ihnen aktiv, deshalb ...
10x1 Treibe gesund Sport!
Die Angebote sind vielfältig,sollten aber stets
in Abhängigkeit der aktuellen körperlichen Voraussetzungen,sportlicher Vorerfahrungen sowie dem Anforderungsprofil der jeweiligen
Sportart ausgewählt werden.Als besonders rückenfreundlich werden Walking, Aquatraining
und Schwimmen,Skilanglauf oder spezielle Rückenfitnessprogramme u. ä. m., eingestuft.
1x1-Tipps:
• Sport soll gesund sein und Spaß machen,finde das für Dich richtige!
• versuche auch zu Hause regelmäßig etwas für
Deine haltungsbestimmende Muskulatur und
die Mobilität Deiner Gelenke zu tun.
• überdenke manche Deiner Alltagshandlungen.Was könnte flüssiger oder ökonomischer
ablaufen? Was will ich besser können?
sportissimo
sportissim
o -Wissen
Was ...
Tipps und Literatur
Internet
• Rückenschulkarten (s. Abb.) können Sie
ab Mitte September unter www.blsv.de
kostenfrei downloaden.
• Die Krankenkassen verfügen über gute
Websites mit schönen Schaubildern. In der
Regel können Broschüren, Poster und
sonstiges Info-Material zu Rückenthemen
bestellt werden.
• Das Bayerische Fernsehen hat eine
„Sprechstunde“ zum Thema Rücken unter
www.br-online.de/umwelt-gesundheit/
sprechstunde/200502/st20050228.shtml -25k
im Internet eingestellt.
• Einige Universitäten stellen informative
Vorträge und Präsentationen rund um das
Thema Wirbelsäule als Download ins Internet
• www.agr-ev.de – Website der Aktion Gesunder Rücken
✔ Kleines Rückenschulglossar
bedeutet ...
Ergonomie
setzt sich aus ergon (gr.: Arbeit, Werk) und nomos (Gesetz, Regel) zusammen, beschäftigt sich entsprechend mit Gesetzmäßigkeiten zur Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für die Arbeit des Menschen.
Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung zielt darauf ab, den Menschen auch bei langfristiger Ausübung seines Jobs vor körperlichen Schäden zu
schützen.
Arbeits- oder Bewegungssektor
wird durch eine offene, achsengerechte Beinstellung (Hüftgelenke leicht gespreizt und nach außen gedreht) vorgegeben.
Durch die offene Beinstellung kann das Becken innerhalb des V-förmigen Sektors relativ leicht gekippt werden, was die natürliche aufrechte
Körperhaltung erleichtert.
Rumpfbewegungen außerhalb des Bewegungssektors können sich bei Vorschäden ungünstig auf die Wirbelsäule auswirken.
Mobilisation
bezieht sich auf die passiven Gelenkstrukturen. Diese sollten
• ausreichend durchbewegt und so in ihren physiologischen Bewegungsgraden „geschmiert“ werden.
• Gelenke, die in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sind, können durch gezielte Übungen entsprechend mobilisiert werden, was auch von
• der Dehnfähigkeit der aktiven Strukturen, sprich Muskeln, abhängt.
Stabilisation
hat gerade für den Rumpf große Bedeutung, denn zum einen nimmt er die Bewegungen der Extremitäten auf, zum anderen stellt er das zentrale
Bauwerk des menschlichen Körpers. So gilt es die Rumpfmuskeln funktionell zu trainieren um für ausreichend Stabilität am passiven Bewegungsapparat zu sorgen.
Gelenkbalance
„Jede Kette (Wirbelsäule) ist so stark wie ihr
schwächstes Glied“
meint, bezogen auf das Haltungssystem, dass die Gelenke der Wirbelsäule physiologisch aufeinander aufbauen. Durch Ermüdung oder dauerhaft einseitige Belastungen „bricht“ unsere Haltung ein. Auf Veränderungen in einem Segment oder Wirbelsäulenabschnitt müssen die angrenzenden Strukturen quasi zwangsläufig zur Erhaltung der Körperbalance mit Ausweichbewegungen bzw. Auslenkungen reagieren. Folge sind
Fehlbelastungen an der Wirbelsäule und angrenzender Strukturen.
Bewegungsgrade der Wirbelsäule
Lendenwirbelsäule LWS - hauptsächlich Beugung und Streckung:
• Ventralflexion (Beugung nach vorn) ca. 60°
• Dorsalflexion (Beugung nach hinten) ca. 35°
• Lateralflexion (Seitbeuge) ca. 20° zu beiden Seiten
• Rotation (Drehung) ca. 5°
Brustwirbelsäule BWS – hauptsächlich Seitbeugung und Drehung
• Lateralflexion ca. 20°
• Rotation ca. 35°
LWS und BWS
• Ventralflexion ca. 105°
• Dorsalflexion ca. 60°
Halswirbelsäule HWS – beweglichster Anteil
• Ventralflexion ca. 40°
• Dorsalflexion ca. 75°
• Rotation ca. 50°
• Lateralflexion ca. 35°
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