21er RAUM: SIMON DYBBROE MØLLER LETTUCE
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21er RAUM: SIMON DYBBROE MØLLER LETTUCE
21er RAUM: SIMON DYBBROE MØLLER LETTUCE 21er Haus 5. Dezember 2015 bis 31. Jänner 2016 Simon Dybbroe Møller Ausstellungsansicht 21er Haus, 2015 Foto: © Belvedere, Wien 21er RAUM: SIMON DYBBROE MØLLER LETTUCE Simon Dybbroe Møller ist zurzeit Artist in Residence des 21er Haus. Er beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit Materialität und Körperlichkeit vor dem Hintergrund allgegenwärtiger medialer Repräsentation und des damit einhergehenden Wandels unseres Naturbegriffs. In seiner neuen, von Severin Dünser kuratierten Ausstellung zeigt er von 5. Dezember 2015 bis 31. Jänner 2016 im 21er Raum einen ausgestopften Vogel, eine Skulptur aus Bronze, einen Küchenblock oder eine bedruckte Marmorplatte. Das bereits seit 2001 bestehende Artist in Residence-Programm des Belvedere bietet Künstlern aus aller Welt die Möglichkeit zum Austausch und zur Vernetzung mit der österreichischen, insbesondere der Wiener Kunstszene. Die Künstler werden für jeweils etwa drei Monate nach Wien eingeladen, um hier zu leben und zu arbeiten sowie mit heimischen Künstlern und Kuratoren in Dialog zu treten oder diesen zu vertiefen. „Bei unserem Artist in Residence, dem Dänen Simon Dybbroe Møller, geht es um Eingriffe ins Material und um einen humorvollen Kommentar zum aktuellen Museumsbetrieb. Diese Position steht paradigmatisch für das 21er Haus“, so Agnes Husslein-Arco, Direktorin des Belvedere und 21er Haus. Essay zur Ausstellung von Simon Dybbroe Møller „Auf alles, was wir schauen, schauen wir mit Fotografie. Wir sehen ein schwarzes Marmorstück, wie es oft in Nassräumen und an Gedenkstätten, in Badezimmern, Küchen und an Gräbern verwendet wird, und nehmen sein Glänzen wahr. So fotografisch. Seht seine weißen Adern an, die Schneckenhäuser und die Muscheln. Und schaut, wie es dem Druck von einem beschädigten Negativ ähnelt. Fotografie avant la lettre. Fotografie ist heute natürlich etwas anderes, und die anwachsende Horde technikbegeisterter Männer, die Reviews über neues Kameraequipment postet, bewegt sich auf schwierigem Terrain. Um die visuellen Möglichkeiten des nicht enden wollenden Stroms neuer digitaler Ausrüstung zu untersuchen und zu besprechen, muss sie ihre Linse auf etwas anderes richten – sie muss sich ein Motiv suchen. Meist läuft das auf Frauen oder Vögel hinaus. Z. B. auf einen Kormoran, der auf einem alten, verwitterten Holzpfahl seine Flügel trocknet: Seine jesusähnliche Silhouette und der Stolz seiner Haltung spiegeln sich auf der Wasseroberfläche. Man sagt, der Kormoran sei der urzeitlichste aller heute lebenden Vögel, er stamme aus der Zeit der Dinosaurier. Er habe im Gegensatz zu anderen Wasservögeln keinen Ölfilm entwickelt, der ihn davor schützt, durchnässt zu werden. Und deswegen posiere er wie am Kruzifix: weil er seine Federn im Wind trocknen müsse. Was für ein Anachronismus. Eine konstruktivere Stimme würde den Kormoran anders umschreiben und erklären, dass die meisten Lebewesen von Natur aus schwimmfähig seien, aber dass das für Tauchvögel ein Problem darstelle. Es heißt, der Kormoran schlucke Steine, um sein Gewicht zu erhöhen. Seine wichtigste evolutionäre Anpassung ist allerdings seine offene Federstruktur, die keine auftriebsteigernde Luft speichert, sondern stattdessen Wasser aufnimmt. Wie auch immer: Stellt euch durchnässte Federn vor. Stellt euch andererseits Wassertropfen auf einer wasserabweisenden Oberfläche vor. Und lasst uns darüber im Zusammenhang mit analoger und digitaler Bilderzeugung nachdenken. Das nasse weiße T-Shirt war vielleicht der Höhepunkt der Anrüchigkeit in der alten Welt. Ein letztes Zucken des Analogen vor unserem Abstieg in ein gewichts- und altersloses Universum voller Silikon und Botox – die Taxidermie der Technosphäre –, in das gewachste Universum des Virtuellen. Erinnert ihr euch an Sabrina und Boys Boys Boys? Und an Samantha Fox? Wie diese Sängerinnen weiße Baumwolle und Wasser instrumentalisiert haben, um Bilder ihrer deftigen Körper zu produzieren, hat verschleiert und hervorgehoben. Die Bilder wirkten, als ob sie die glatte Oberfläche der glänzenden Magazine überwinden könnten, indem sie die Fluidität der analogen Entwicklung und die Klebrigkeit der Emulsionsbeschichtung des fotografischen Abzugs wiederholten. Tits and ass oder draperie mouillée. Ein Jahrhundert vorher modellierte der realistische Künstler Constantin Emile Meunier seine monumentale Skulptur Der Schiffslöscher und stellte sein Sujet in feuchtem, klebrigem Gewand dar. In dieser Fantasterei ist sogar das Durchnässte fest und das Durchtränkte stählern. Die Patina der Bronze erinnert an alte Schwarz-Weiß-Fotografien mit Sepiatönung, und der Mangel an Schattierungen verschmilzt den Körper mit der Kleidung. Es ist sicher kein Zufall, dass bei Anleitungen zur digitalen Bildproduktion perfekt ausgeformte Tropfen an den Oberflächen von Dingen eine so große Rolle spielen. Wie die technisierte Bekleidung der Outdoor-Sport-Industrie bewohnen die Bilder von ihnen eine Welt der Undurchdringlichkeit. Wir wissen, dass die perfekten Wassertropfen auf hellen grünen Blättern, die unsere Desktop-Hintergründe verzieren, nicht natürlich dort aufgetaucht sind. Wir wissen, dass sie dort platziert und dann kunstvoll beleuchtet wurden. Möglicherweise sind sie überhaupt nicht aus Wasser, sondern aus Gelatine oder Kunstharz, wenn nicht überhaupt Produkte digitaler Nachbearbeitung. Sie durchnässen nichts, selbst wenn sie auf absorbierenden Oberflächen liegen, und sie verdunsten auch nicht. Wir haben es hier mit digitaler Bildproduktion zu tun, mit Idealen. Kein Asche zu Asche, Staub zu Staub, sondern eine Welt, in der die Dinge Grenzen haben, eine Welt ohne Entropie, ein Universum ohne Verfall. Wie frischer Salat, der auf der polierten stählernen Arbeitsplatte eines minimalistischen Küchenblocks liegt – mit seinen weißen Adern, die die neongrünen, durchscheinenden Farbnuancen seiner Blätter durchziehen, und mit seiner Objekthaftigkeit, die durch die Spiegelung auf der Metalloberfläche noch verstärkt wird – so kalorienarm, dass die Verdauung gleich viel Energie kostet, wie der Salat selbst liefert.“ Simon Dybbroe Møller, geboren 1976, wuchs in Grönland auf und lebt in Berlin. Seine Arbeiten waren zuletzt u. a. im Centre Pompidou, Paris, im Musee d’Art Contemporain de la Ville de Paris, im Kunsthaus Glarus und bei Ludlow 38 in New York (alle 2015) zu sehen. Demnächst werden seine Arbeiten im Le Plateau, Paris, im MOCA Cleveland sowie in der Kunsthalle São Paulo gezeigt. Der 21er Raum Im 21er Raum werden in einem Intervall von sechs Wochen Einzelausstellungen gezeigt. Auf den rund 70 m² im Obergeschoss des 21er Hauses werden Arbeiten von in Österreich lebenden und arbeitenden Künstlern und Artists in Residence präsentiert. Das Programm wird kuratiert von Severin Dünser. ALLGEMEINE INFORMATIONEN Ausstellungstitel 21er Raum: Simon Dybbroe Møller – Lettuce Ausstellungsdauer 5. Dezember 2015 bis 31. Jänner 2016 Ausstellungsort 21er Raum Künstler Simon Dybbroe Møller Kurator Severin Dünser Kontakt 21er Haus, Schweizergarten Arsenalstraße 1, 1030 Wien T +43 (01) 795 57-0 Öffnungszeiten Mittwoch und Donnerstag 11 bis 21 Uhr Freitag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr An Feiertagen geöffnet Regulärer Eintritt € 7,- (21er Haus) € 21,- (21er Haus Jahreskarte) Presse 21er Haus Presse Arsenalstraße 1, 1030 Wien T +43 (01) 795 57-339 [email protected] Bildmaterial steht für Pressezwecke gratis unter folgendem Link zum Download zur Verfügung www.21erhaus.at/presse. (Passwort: pr2015)