Ratings in Deutschland und den USA
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Ratings in Deutschland und den USA
Einführung »Francis Fukuyama wrote a couple of years ago that democracy and capitalism constituted »the end of history« – the highest level of human political and economic organization. But I’ve been thinking that maybe the bond market is the end of history. Moody’s and the bond market are now imposing on democracies economic and political decisions that the democracies, left to their own devices, simply cannot take. I now understand that graffito that reportedly appeared on a wall in Poland last year. It said: »We wanted democracy but we ended up with capitalism.« I would refine that to say : »We wanted a parliament, but we ended up with the bond market.«1 Ob diese Aussage von Thomas Friedmann aus dem Jahre 1995 heute weiterhin Aktualität beanspruchen kann, ist unter anderem Gegenstand dieser Arbeit. Die Ratingagenturen Moody’s, S& P und Fitch (die sog. Big Three)2 sind mächtige Akteure auf dem internationalen Finanzmarkt. Kapitalsuchende Unternehmen sind auf Bewertungen der Big Three angewiesen, um einen erleichterten Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten, geringe Risikoaufschläge und Einsparungen von Milliardensummen zu erzielen. Bedingt durch diese Notwendigkeit von Ratings zu regulatorischen Zwecken und dem starken Vertrauen der Marktteilnehmer sind Ratings zu einer Art Lizenz für erfolgreiche Kapitalmarkttransaktionen geworden. Aber nicht allein Unternehmen sind von Ratings abhängig. Steuereinnahmen reichen zur Deckung der Staatshaushalte nicht aus. Um dieses Defizit zu decken, emittieren der Bund und die Länder Anleihen zur Kapitalbeschaffung. Somit sind auch sie unmittelbar auf Gelder des Kapitalmarktes und mithin auch mittelbar auf die Gunst der Ratingagenturen angewiesen. Hieraus resultiert, dass Ratings den Erfolg von Währungen, wie etwa dem Euro und die Solvenz von ganzen Ländern, bedingt durch ihren mittelbaren Einfluss für die Kapitalaufnahme maßgeblich mitgestalten. Experten schätzen, dass die Big Three 1 New York Times vom 22. 02. 1995, abrufbar unter : http://www.nytimes.com/1995/02/22/opinion/foreign-affairs-don-t-mess-with-moody-s.html, zuletzt besucht am 23. 11. 2013. 2 Unter den Begriff der Big Three werden Moody’s Investors Service, Standard & Poor’s sowie Fitch Ratings, samt ihrer Tochterunternehmen und Niederlassungen zusammen gefasst. 24 Einführung mit ihren Ratings ca. 80 % der weltweiten Kapitalströme beeinflussen.3 Wie erfolgreich die Finanzlage eines Unternehmens und sogar eines Staates ist, entscheidet sich damit erheblich durch ein gutes Rating, weshalb die Ratingagenturen heute als eine Art Gatekeeper auftreten. Trotz der bis dato immer weiter wachsenden Macht der Big Three steigt auch stetig das Misstrauen ihnen gegenüber.4 Ausgangspunkt für das jüngste Misstrauen war ihre Rolle in der Subprimekrise des Jahres 2007. Der Vorwurf war, dass die Ratingagenturen die Krise um zweitklassige Hypothekenkredite maßgeblich mitverursacht hätten, indem sie zu spät ihre Ratings für Anleihen senkten, mit denen die Kredite unterlegt waren.5 In der – aus der Subprimekrise resultierenden – Weltfinanzkrise breiteten sich die Vorwürfe aus: Die Ratingagenturen würden zu spät ihre Ratings den Gegebenheiten und den Umständen der Produkte anpassen.6 Vorläufiger Höhepunkt war die Bewertung von Lehman Brothers mit einem Bestrating bis zu dem Eintritt ihrer Insolvenz.7 In diesem Zusammenhang wurde der Begriff des »Moral Hazard«, der ursprünglich aus der Versicherungswirtschaft stammt, auf die Finanzwirtschaft übertragen. Dieser besagt, dass Unternehmen ein höheres Risiko eingehen, wenn sie für dessen Realisierung nicht haften müssen, sondern ein Dritter – wie zum Beispiel der Staat – dies tut. Diesem Druck der Medien entsprechend passten insbesondere die Big Three ihre Ratings zügiger an die aktuelle Finanzlage an: Bei der sich anschließenden Eurostaatenschuldenkrise wandelten sich die Vorwürfe um 180 Grad. Waren die Ratingagenturen vorher zu zaghaft bezüglich der Anpassung an die aktuelle Bonität, waren sie fortan zu voreilig und zu drastisch. Eine jüngere Studie der Universität St. Gallen besagt, dass die Ratingagenturen die Eurostaatenkrise durch dieses Vorgehen erst verursacht und dann verschärft hätten.8 Die Agenturen scheinen sich in einer Art Zwickmühle zu befinden, die jegliches Vorgehen angreifbar macht. Dem liegt die öffentliche Debatte zu Grunde, ob eine derartige Macht Privater außerhalb jeder staatlichen Kontrolle stehen sollte. Lange wurde eine strikte Reglementierung der Ratingagenturen als überflüssig i. S. d. Reputational Capital Theorie9 angesehen. 3 Vgl. Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1347. 4 So in CESR/08 – 277, S. 12 festgehalten. 5 LarosiÀre-Bericht, vom 25. 09. 2009, S. 9 f.; Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 112 f; http:// www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/:agenda-wut-auf-die-ratingagenturen/ 237445.html, zuletztbesucht am 09. 01. 2013. 6 Erwägungsgrund 10 EU-Ratingverordnung; http://www.handelsblatt.com/unternehmen/ handel-dienstleister/untersuchungen-von-boersenaufsicht-und-staatsanwaltschaft-ratingagenturen-im-visier-der-us-behoerden/2858354.html , zuletzt besucht am 23. 11. 2013. 7 http://www.spiegel.de/international/business/exacerbating-the-crisis-the-power-of-ratingagencies-a-623197.html , zuletzt besucht am 23. 11. 2013. 8 http://www.zeit.de/wirtschaft/2012 – 07/ratingagenturen-kritik , zuletzt besucht am 23. 11. 2013. Gärtner/Griesbach, Rating agencies, self-fulfilling prophecy and multiple equilibria? An empirical model of the European sovereign debt crisis 2009 – 2011. 9 Ausführlich siehe Teil 1 § 1 D I. 1. Einführung 25 Hiernach seien Ratingagenturen darauf angewiesen qualitativ hochwertige Ratings zu veröffentlichen, da sie ansonsten das Investorenvertrauen verlieren würden. Dies sei das Hauptkriterium ihrer starken Marktposition, sodass die Agenturen dies mit »fehlerhaften« Ratings nicht aufs Spiel setzen würden. Auf diese These vertraut der Gesetzgeber spätestens seit der Finanzkrise nicht mehr. Sowohl die europäische als auch die amerikanische Politik verfolgt das Ziel, die Handlungen der Agenturen zu regulieren, um effektive Haftungsmöglichkeiten zu gestalten. In den USA wurde erstmalig im Jahre 2006 nach dem Enron Skandal sowie ähnlich Aufsehen erregenden Fällen von Parlmat und WorldCom der Credit Rating Agency Reform Act of 2006 (Rating Agency Act) sowie im Jahre 2010 der Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act (Dodd-Frank) erlassen, welche sich mit Ratings befassen. In Europa wurde erstmals 2009 eine Regulierung von Ratingagenturen mit der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen (EU-Ratingverordnung) geschaffen. Beide Rechtsrahmen möchten primär das Funktionieren des Kapitalmarktes stützen, indem das Anlegervertrauen wieder hergestellt wird.10 Mittel dazu sind ein interessengerechter Umgang mit Interessenkonflikten, die Verbesserung der Ratingqualität, die Erhöhung der Transparenz sowie eine Registrierung und Aufsicht der Agenturen.11 Ob der Rating Agency Act sowie die EU-Ratingverordnung diese Ziele erreicht haben bzw. erreichen können sowie welches die Vor- und Nachteile der amerikanischen und europäischen Regulierungsmethoden sind, soll am Ende dieser Arbeit neben der eingangs aufgeworfenen These beantwortet werden. Dazu werden zunächst die Grundlagen sowie ökonomischen Hintergründe des Ratings [Teil 1] und der Agenturen dargestellt, um sodann auf die Europäische Regulierung [Teil 2] und Aufsicht von Ratingagenturen [Teil 3] einzugehen. Im Anschluss wird die Haftung der Ratingagenturen gegenüber dem Emittenten [Teil 4], Abonnenten [Teil 5] und allgemeinem Anlegerpublikum [Teil 6] im Rahmen des solicited und unsolicited Ratings erörtert. In einem nächsten Teil wird spiegelbildlich die US-rechtliche Regulierung [Teil 7] und Aufsicht der Agenturen [Teil 8] dargestellt. Anschließend werden die Pflichten der Ratingagenturen [Teil 9] sowie dessen insiderrechtlichen Berührungen [Teil 10] behandelt. Im Anschluss erfolgt die Erläuterung der US-rechtliche Haftungsmöglichkeiten [Teil 11]. Letztendlich wird ein Vergleich beider Rechtssysteme gezogen [Teil 12], um in einem Fazit die eingangs gestellten Fragen zu beantworten. 10 Art. 1 Abs. 1 S. 1 EU-Ratingverordnung; Erwägungsgrund 1 EU-Ratingverordnung; Deipenbrock, WM 2009, 1165, 1167. 11 Art. 1 Abs. 1 S. 1 EU-Ratingverordnung; Erwägungsgrund 1 EU-Ratingverordnung; Deipenbrock, WM 2009, 1165, 1167. Teil 1: Grundlagen und ökonomischer Hintergrund §1 Die Ratingagenturen Um die Grundlagen der Ratingtätigkeit und die ökonomischen Hintergründe der Ratingagenturen darstellen zu können, wird zunächst in einem Allgemeinen Teil [A.] auf die Anfänge der Ratingtätigkeit [I.], der Marktstruktur der Ratingagenturen [II.] sowie auf die aktuelle Diskussion über die »europäische Ratingagentur« [III.] eingegangen. Im Anschluss erfolgt eine kurze Darstellung der Ratingagenturen als juristische Person [B.] sowie ihre Finanzierung [C.] und daraus ggf. sich ergebende Interessenkonflikte [D.]. A. Allgemeines I. Anfänge der Ratingtätigkeit Die Geschichte der Ratingagenturen reicht bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts zurück. John Moody & Company verkaufte ursprünglich in dem Heft »Moody’s Manual of Industrial and Miscellaneous Securities« Statistiken und Informationen über Aktien und Anleihen von Unternehmen, Finanzinstituten und Staaten.12 In der Finanzkrise von 1907 besaß John Moody’s & Company kein ausreichendes Kapital um das Unternehmen fortzuführen. Das Unternehmen musste verkauft werden13 Im Jahr 1909 entwickelte John Moody die Idee, nicht nur Informationen über die Finanzprodukte und Unternehmen zu verkaufen, sondern ebenfalls deren Wert und Ausfallrisiko zu analysieren.14 Diese neue Geschäftsidee veröffentlichte Moody in dem Heft »Moody’s Analyses of Railroad 12 http://www.moodys.com/Pages/atc001.aspx, zuletzt besucht am 09. 01. 2013. 13 http://www.moodys.com/Pages/atc001.aspx, zuletzt besucht am 09. 01. 2013. 14 http://www.moodys.com/Pages/atc001.aspx, zuletzt besucht am 09. 01. 2013. 28 Grundlagen und ökonomischer Hintergrund Investments«.15 Damit war die erste Ratingagentur gegründet. Heute gehört Moody’s zusammen mit S& P und Fitch zu den ältesten Ratingagenturen. Das Rating hat inhaltlich Ähnlichkeit mit der Bonitätsauskunft (auch Kreditauskunft genannt); geht jedoch inhaltlich und zeitlich einen Schritt weiter als diese: Während sich die Bonitätsauskunft auf die Zahlungsfähigkeit eines Kreditnehmers beschränkt, bewertet das Rating nicht nur Emittenten, sondern auch die von diesem ausgegebenen Finanzprodukte (Ratingobjekte). Zudem stellt die Kreditauskunft eine Momentaufnahme der Bonität zum Zeitpunkt der Auskunftserstellung dar. Das Rating hingegen aktualisiert die Bewertung des Ratingobjekts über die vereinbarte Laufzeit hinweg. In den Anfängen des Ratings wurden nur einfache Aktien und Anleihen von Emittenten bewertet. Bedingt durch die steigende Komplexität der Finanzinstrumente auf den Kapitalmärkten, stieg zugleich die Nachfrage an Ratings für diese Produkte.16 Dies beruht einerseits auf dem Vertrauen der Investoren auf die Beurteilungen der Big Three, andererseits aber auch auf dem Erfordernis eines Ratings zur Erfüllung von nationalen Regelungen. II. Marktstruktur der Ratingagenturen Neben dem Duopol der amerikanischen Ratingagenturen – Moody’s und S& P – haben sich seit den 70er Jahren, unter anderem begünstigt durch den stetig wachsenden Kapital- und Anleihemarkt, weitere Ratingagenturen auf dem Markt etabliert.17 Insbesondere Fitch18, Dominion Bond Rating Services19 (DBRS) und Japan Credit Rating Agency Ltd.20 konnten im Vergleich zu anderen neueren Agenturen signifikante Marktanteile dazugewinnen.21 Insgesamt ist die Ratingbranche zwar insbesondere in dem letzten Jahrzehnt exponentiell gewachsen,22 dennoch konnten die Big Three ihr Oligopol verteidigen. Sie agieren 15 http://www.moodys.com/Pages/atc001.aspx, zuletzt besucht am 09. 01. 2013. 16 Vgl. Jäckle/Ackermann in Büschgen/Everling, 385, 387; vgl. Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. 1999, 619, 621. 17 SEC Report on the Role and Function of Credit Rating Agencies in the Operation of the Securities Markets, S. 36; vgl. Sullivan, 94 Minn. L. Rev. 2136, 1, 1. 18 Fitch kaufte im April 2000 Duff & Phelps und im Oktober 2000 BankWatch sowiedas Ratinggeschäft der Thomson Corp und stieg somit zu einem der drei Marktführer der Ratingbranche auf, wobei Moody’s und S& P gemeinsam ca. 80 % Marktanteil besitzen und Fitch ca. 15 %, siehe Everling/Trieu in Büschgen/Everling, S. 99; Möllers, JZ 2009, 861, 861. 19 DBRS ist in Kanada die marktführende Ratingagentur, siehe www.dbrs.com/about/products, zuletzt besucht am 23. 11. 2013. 20 Auf http://www.esma.europa.eu/page/List-registered-and-certified-CRAs, zuletzt besucht am 23. 11. 2013, findet sich eine Liste der registrierten und zugelassenen Ratingagenturen in der EU. 21 Blaurock, ZGR 2007, 603, 606; Everling/Trieu in Büschgen/Everling, 95, 98. 22 Sullivan, 94 Minn L. Rev. 2010, 2136, 2138. Die Ratingagenturen 29 weltweit und sind in fast jeder Branche und Region spezialisiert.23 Die kleineren Agenturen operieren hingegen in Nischengebieten24 oder sind auf lokale Märkte begrenzt.25 Zu den nationalen und bei der ESMA (European Securities and Markets Authority)26 registrierten Ratingagenturen zählen beispielsweise: Creditreform Rating AG, Euler Hermes Rating GmbH und URA UnternehmensRating-Agentur AG.27 Um sich eine erhöhte Akzeptanz auf den Finanzmärkten zu verschaffen sowie das Geschäftsmodell im Vergleich zu den Big Three attraktiver zu gestalten, greifen die kleineren Agenturen Trends auf und setzen diese in ihren Geschäftsmodellen um. Beispielsweise bietet die US-amerikanische Agentur Egan-Jones Rating Company »unabhängige«28 Ratings an, die von Investoren gezahlt werden und auch nur diesen zugänglich sind.29 Trotz solcher und ähnlicher Bemühungen besitzen Moody’s, S& P und Fitch weiterhin ca. 95 % aller Marktanteile weltweit, sodass sich nur ein Marktanteil von 5 % auf die kleineren Anbieter verteilt.30 Damit halbiert sich der Wettbewerb hauptsächlich in zwei Teile. Auf der einen Seite konkurrieren die Big Three untereinander, auf der anderen Seite konkurrieren die kleineren Agenturen miteinander. Der Wettbewerb zwischen den Big Three ist trotz ihrer großen Marktanteile stark, wie die jüngsten Beispiele zweier DAX 30 Unternehmen zeigen: Zuerst beendete die Deutsche Post AG die langjährige Geschäftsbeziehung zu S& P.31 Nunmehr lässt sich das Unternehmen von Fitch, dem kleinsten Konkurrenten unter den Big Three, bewerten.32 Der Grund des Wechsels liegt nach Angaben der Deutsche Post AG nicht darin die Ratingnote zu verbessern, denn diese ist bei beiden Agenturen bei BBB+, sondern liege an »kommerziellen Gründen«.33 Nur kurze Zeit später wurde bekannt, dass 23 Vgl. Everling/Trieu in Büschgen/Everling, 95, 98; vgl. Jäckle/Ackermann in Büschgen/Everling, 385, 389. 24 Wie z. B. die Bewertung von Lebensversicherungsunternehmen, oder Mittelstandsunternehmen. 25 Everling/Trieu in Büschgen/Everling, 95, 98; Vetter, WM 2004, 1701, 1703; vgl. Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 187. 26 Näheres zur ESMA ziehe Teil 3, § 1, A. 27 Eine Auflistung der international und national registrierten Ratingagenturen findet sich auf http://www.esma.europa.eu/page/List-registered-and-certified-CRAs, zuletzt besucht am 23. 11. 2013. 28 Ob es sich dabei tatsächlich um komplett »unabhängige« Ratings handelt, siehe Teil 1 § 1 D. I. 29 abrufbar unter : www.egan-jones.com. 30 Haar, NZG 2010, 1281, 1282; Listokin/Taibleson, 27 Yale J. on Reg. 2010, 91, 100; http:// www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/keine-geldgeber-europaeischeratingagentur-vor-dem-aus/6512712.html, zuletzt besucht am 09. 01. 2013. 31 Financial Times Deutschland, vom 22. 11. 2012, S. 1. 32 Financial Times Deutschland, vom 22. 11. 2012, S. 1. 33 Financial Times Deutschland, vom 22. 11. 2012, S. 1. 30 Grundlagen und ökonomischer Hintergrund auch Heidelberg Cement seine Vertragsbeziehungen zu S& P auflöst.34 Nähere Gründe hierzu wurden ebenfalls nicht bekannt gegeben.35 Die Geschäftsbeziehungen zu den Konkurrenten Moody’s und Fitch werden jedoch weiter Aufrecht erhalten.36 Die Eintrittsbarrieren für neue Ratingagenturen sind durch das Zusammenspiel mehrerer Faktoren hoch. Der Eintritt in den Markt wird insbesondere durch den sog. Track Record erschwert.37 Aus diesem ergibt sich, ob die Agentur mit ihren Ratings über einen längeren Zeitraum richtig lag.38 Kleinere und neuere Ratingagenturen haben mangels eines solchen Track Records einen erheblichen Reputations- und Vertrauensnachteil im Vergleich zu den Big Three. Als zusätzliches Wettbewerbshindernis kommt hinzu, dass sich Ratingagenturen sowohl in den USA als auch in Europa registrieren39 lassen müssen, wenn sie am Ratingmarkt konkurrieren möchten. In der EU ist seit Ende 2009 eine Registrierung nach den Art. 14 ff. EU-Ratingverordnung durch Antrag an die ESMA erforderlich. In den USA gibt es eine ähnliche Registrierung bereits seit 1975, um als sog. NRSRO (Nationally Recognized Statistical Rating Organization) anerkannt zu werden. Der NRSRO Status bestätigte bis zum Inkrafttreten des Rating Agency Act im Jahre 2006, dass die Ratingagentur auf nationaler Ebene von den überwiegenden Nutzern von Ratings als zuverlässig und vertrauenswürdig angesehen werden.40 Seit dem Credit Rating Agency Act kann eine Ratingagentur sich freiwillig bei der SEC (Securities Exchange Commission) im Wege eines formellen Anerkennungsverfahrens registrieren lassen.41 Rechtsfolge des NRSRO Status sind bestimmte Regulierungserleichterungen für Nutzer von Ratings, wie z. B. Emittenten.42 Letztendlich konkurrieren auf dem Ratingmarkt in der Regel NRSROs untereinander sowie die in der EU registrierten Agenturen. 34 http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/ratingagentur-heidelbergcement-verzichtet-auf-sundp-dienste/7424332.html, zuletzt besucht am 23. 11. 2013. 35 http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/ratingagentur-heidelbergcement-verzichtet-auf-sundp-dienste/7424332.html, zuletzt besucht am 23. 11. 2013. 36 http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/ratingagentur-heidelbergcement-verzichtet-auf-sundp-dienste/7424332.html, zuletzt besucht am 23. 11. 2013. 37 Blaurock, ZGR 2007, 603, 607; Deipenbrock, WM 2005, 261, 262; Leker/Botterweck in Büschgen/Everling, 589, 598; Niedostadek, Rn. 194. 38 Deipenbrock, WM 2005, 261, 262; Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, 106. 39 Zur Registrierung in Europa und in den USA siehe Teil 2 § 3 A. IV und Teil 8 § 1. 40 CESR/08 – 277, S. 10. 41 CESR/08 – 277, S. 10. 42 Ausführlich siehe dazu Teil 8 § 2. Die Ratingagenturen III. 31 Diskussion um die »Europäische Ratingagentur« Bereits zu Beginn der 90er gab es erste Gespräche über die Gründung einer »europäischen Ratingagentur«.43 Das damals noch hauptsächlich von der Deutsche Bank AG geförderte Vorhaben kam jedoch über die Gründung einer Projektgesellschaft nicht hinaus.44 Erneute Diskussionen gab es im Jahre 2004, bei denen der BDI (Bundesverband Deutscher Industrie) ausdrücklich die Etablierung einer europäischen Ratingagentur empfahl.45 Aktuelle Diskussionen in Bezug auf diese Thematik laufen wieder seit 2011, sind aber im Frühjahr 2013 endgültig gescheitert.46 Der Anstoß kam diesmal von Markus Krall, einem früheren Partner der Strategieberatung Roland Berger.47 Ursache sind die potentiellen Interessenkonflikte, die den Big Three hauptsächlich vorgeworfen werden. Hier wollte die europäische Ratingagentur ansetzen, um so erhebliche Marktanteile zu gewinnen.48 Letztendlich ließ sich das Projekt nicht finanzieren; es fehlte an Unterstützung seitens der Investoren und Emittenten.49 Erwähnenswert ist die Idee dennoch. An dem erneut gescheiterten Projekt wird deutlich, dass der Ratingmarkt auf Vertrauen in das Produkt »Rating« basiert und die Vermeidung von Interessenkonflikten durch das System des zahlenden Emittenten nicht im Vordergrund der Investoren und auch Emittenten steht. Die Idee hinter der Gründung einer »europäischen Ratingagentur« basierte auf drei Pfeilern: Ein Mindestkapital von ursprünglich 300 Millionen E50 sollte aufgebracht werden; Investoren zahlen das Rating und die Agentur soll als Stiftung gegründet werden.51 Die Unabhängigkeit und die Vermeidung von Interessenkonflikten wären durch das Issuer-Pay Modell gewährleistet gewesen,52 sodass die Agentur insbesondere unabhängig von Banken hätte agieren können53. In einer Stiftung sollte das Geld der Investoren verwaltet werden.54 Die Rechts- und Handlungsfähigkeit wäre durch die Gründung einer GmbH unter 43 Siehe dazu Däubler, NJW 2003, 1096, 1096; Ebenroth/Daum, WM 1992, Sonderbeilage Nr. 5, 1, 3. 44 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 187; vgl. Däubler, NJW 2003, 1096, 1097; vgl. Breuer, WM 1991, 1109, 1109. 45 Redaktion, EuZW 2004, 198, 198. 46 Handelsblatt vom 30. 04. 2013, S. 28 f.; Börsen-Zeitung vom 17. 03. 2011, S. 5. 47 Financial Times Deutschland vom 23. 11. 2012, S. 17; Handelsblatt vom 27. 04. 2012. 48 Redaktion, EuZW 2004, 198, 198. 49 Handelsblatt vom 30. 04. 2013, S. 28 f. 50 Mittlerweile wird das Startkapital voraussichtlich knapp unter 150 Mio. Euroliegen. 51 Financial Times Deutschland vom 23. 11. 2012, S. 17. 52 Gerke, Stellungnahme zum Ausführungsgesetz zur EU-Ratingverordnung, S. 3; Handelsblatt vom 27. April 2012. 53 http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,821749,00.html, zuletzt besucht am 23. 11. 2013. 54 http://mobil.boerse-online.de/maerkte/nachrichten/meldungen/:Konkurrenz-fuer-S%26P– Roland-Berger-will-EU-Ratingagentur-retten/637092.html, zuletzt besucht am 23. 11. 2013. 32 Grundlagen und ökonomischer Hintergrund dem Dach der Stiftung erfolgt, die dann wiederum eine Kapitalgesellschaft halten sollte, die die Ratings durchführt.55 Die Abgabe von Länder-, Banken- und Unternehmensratings hätte zu Beginn im Vordergrund der Ratingtätigkeit gestanden.56 Bereits Mitte 2012 war fraglich, inwieweit das ursprüngliche Konzept aus Finanzierungsgründen zu halten gewesen wäre.57 Besonders problematisch erwies sich einerseits der Non-Profit Ansatz des Stiftungsmodells.58 Andererseits fehlten finanzierungsbereite Investoren, sodass die Finanzierung wie bei den Big Three über die Emittenten erfolgt wäre.59 Damit war nicht nur ein Hauptauswahlkriterium, die europäische Ratingagentur zu beauftragen, verloren gegangen, die Agentur hat auch an Glaubwürdigkeit verloren.60 Unter anderem waren Vorwürfe zu hören, dass die Finanzierung durch Investoren ebenso kritisch sei wie die durch Emittenten.61 Auch bei den Länderratings sei die Nähe der europäischen Ratingagentur zur Politik eine Konstellation, die Interessenkonflikte auslösen könne.62 Eine politisch orientierte, neue Ratingagentur würde von den Marktteilnehmern auf Grund der potentiellen Interessenkonflikte63 und möglichen Gefälligkeitsratings Staaten gegenüber wenig Beachtung finden. Die laute Kritik und die Finanzierungs- sowie Konzeptionsschwierigkeiten haben nun letztendlich das ursprünglich ambitionierte Projekt zu einem vorzeitigen Ende gebracht. B. Ratingagentur als juristische Person I. Rechtsrahmen Mit der EU-Ratingverordnung wurden erstmals die für eine Ratingtätigkeit wesentlichen Begrifflichkeiten legaldefiniert. Dabei sind die Definitionen der Ratingagentur und des Ratinganalysten von besonderer Bedeutung für diese Arbeit. Eine Ratingagentur ist in Art. 3 Abs. 1 lit. b EU-Ratingverordnung als »eine Rechtspersönlichkeit, deren Tätigkeit die gewerbsmäßige Abgabe von Ratings umfasst«, definiert. Ein Ratinganalyst ist nach Art. 3 Abs. 1 lit. d EU55 http://mobil.boerse-online.de/maerkte/nachrichten/meldungen/:Konkurrenz-fuer-S%26P– Roland-Berger-will-EU-Ratingagentur-retten/637092.html, zuletzt besucht am 23. 11. 2013; SDA, Basisdienst – Deutsch vom 10. 08. 2011, abrufbar unter LexisNexisWirtschaft, zuletzt besucht am 18. 09. 2012. 56 Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, 108. 57 Financial Times Deutschland, vom 23. 11. 2012, S. 17. 58 Financial Times Deutschland, vom 23. 11. 2012, S. 17. 59 Handelsblatt vom 27. 04. 2012. 60 2011/0361 (COD), S. 13; Oechsler, ZRP 2011, 191, 191. 61 Vgl. Bächstädt, KRP 2010, 23, 25; vgl. Bremer, NZG 2011, 1181, 1181. 62 Dies erkannte auch die Europäische Kommission, siehe 2011/0361 (COD), S. 13. 63 Ausführlich zu den Interessenkonflikten von Ratingagenturen im Allgemeinen siehe Teil 1 D. Die Ratingagenturen 33 Ratingverordnung »eine Person, die für die Abgabe eines Ratings notwendigen Analysen durchführt«. Art. 7 und Art. 8 EU-Ratingverordnung konkretisieren die Pflichten des Ratinganalysten und der Ratingagentur für das Rating.64 Für den Beruf des Ratinganalysten gibt es keine staatlich anerkannte Ausbildung. Jeder, der die Anforderungen des Art. 7 EU-Ratingverordnung erfüllt, kann als Ratinganalyst tätig sein. Der Bundesverband der Ratinganalysten und Ratingadvisor e.V. (BdRA) verfolgt das Ziel, den Berufsstand des Ratinganalysten zu fördern, indem unter anderem eine Ausbildung entwickelt wird.65 Es gibt mittlerweile einige wenige Möglichkeiten eine Ausbildung zum Ratingadvisor, Ratinganalysten oder Certified Rating Analyst sowie Certified Rating Advisor zu absolvieren.66 Der BdRA hat zum Beispiel eine Berufs- und Prüfungsordnung erlassen sowie Grundsätze der Unternehmens- und Nachhaltigkeitsratings aufgestellt. Diese Regelwerke sind weder rechtlich verbindlich noch für die Mitglieder der BdRA verpflichtend67. Die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) hat für ihre Mitglieder einen Verhaltenskodex erlassen, in dem unter anderem die Punkte Unabhängigkeit, Interessenkonflikte, Objektivität und Integrität sowie Kompetenz geregelt sind.68 Der DVFA können laut Satzung auch Ratinganalysten beitreten.69 Für diese gelten die vom DVFA-Committee Rating Standards erlassenen Rating Standards und Validierungsstandards der DVFA.70 Von den internationalen Ratingagenturen ist eine Umsetzung nationaler berufsverbändischer Regelwerke nicht gegeben. Auch fehlt es an einer staatlichen Ausbildung oder Zertifizierung, leider auch nach In-Kraft-Treten der EU-Ratingverordnung. II. Rechtsform Die Big Three haben ihren Hauptsitz in den USA und agieren im europäischen Raum durch Tochterunternehmen und Niederlassungen. Moody’s Investors Inc. gehört neben Moody’s Analytics Inc. zu dessen Muttergesellschaft Moody’s 64 Teil 2 § 3 zu den Anforderungen an die Ratingagentur. 65 Zu den Zielen des BdRA siehe http://bdra.de/hallo-welt/, zuletzt besuchtam09. 01. 2013. 66 Siehe dazu ausführlich Teil N, Aus- und Weiterbildung zum Rating Advisor in Achleitner/ Everling, 828 ff. 67 In der Satzung ist eine solche Verpflichtung nicht normiert, siehe http://bdra.de/satzung/, zuletzt besucht am 23. 11. 2013. 68 DVFA-Verhaltenskodex, abrufbar unter :http://www.dvfa.de/files/mitgliedschaft/dvfakodex/application/pdf/dvfa_verhaltenskodex.pdf, zuletzt besucht am 23. 11. 2013. 69 http://www.dvfa.de/mitgliedschaft/dvfa-satzung/dok/35378.php, zuletzt besucht am 23. 11. 2013. 70 DVFA-Rating Standards und DVFA-Validierungsstandards, abrufbar unter : http:// www.dvfa.de/files/die_dvfa/kommissionen/rating/application/pdf/rating_standards_2006. pdf, zuletzt besucht am 23. 11. 2013. 34 Grundlagen und ökonomischer Hintergrund Corporation, die an der NYSE gelistet ist71. In Deutschland agiert Moody’s Investors Inc. durch die Moody’s Deutschland GmbH mit Sitz in Frankfurt. S& P entstand im Jahre 1941 aus dem Zusammenschluss von Poor’s Publishing Company und dem Standard Statistics Bureau72 und ist eine Tochtergesellschaft der McGraw-Hill Companies Inc.73 McGraw Hill ist eine Aktiengesellschaft, gelistet im S& P 500. Fitch wurde als Fitch Publishing Company 1913 gegründet.74 In Deutschland ist S& P durch die S& P Credit Market Services Europe Ltd. tätig, die ihren Hauptsitz in London hat und in Frankfurt eine Niederlassung betreibt.75 Fitch ist mit jeweils 50 % im Besitz der französischen Holding Fimalac SA, mit Sitz in Paris und der amerikanischen Mediengruppe Hearst Corporation.76 In Deutschland ist Fitch durch die Fitch Deutschland GmbH tätig.77 Im Vergleich zu den USA, wo John Moody bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts das erste Rating veröffentlichte, entstand in Deutschland ein Markt für Ratingtätigkeiten relativ spät. Moody’s eröffnete Ende 1991 die erste Niederlassung in Deutschland, danach folgten 1992 S& P und 1994 Fitch .78 Dies lässt sich aus der relativ jungen Historie von Ratings auf den deutschen Kapitalmärkten erklären. Bis Mitte der 90er Jahre war ein Rating für die nationalen Finanzmärkte kaum von Relevanz.79 Lediglich ca. 12 deutsche Großunternehmen ließen sich bis in die 80er Jahre durch ein Rating bewerten.80 Durch die zunehmende Globalisierung, den komplexeren Finanzprodukten und der immer intensiveren Verzahnung der internationalen Märkte hat das Rating als einheitliches Vergleichsmedium an Bedeutung gewonnen.81 Mittlerweile besitzen alle im DAX 30 der Frankfurter Wertpapierbörse gelisteten Unternehmen ein Rating.82 Fast 90 % der Blue-Ship Unternehmen83 greifen dabei auf Ratings der Big Three zurück.84 71 Vgl. http://www.faz.net/aktuell/finanzen/anleihen-zinsen/ratingagenturen-standard-poors-warnt-moody-s-vor-eu-regulierung-11858498.html, zuletzt besucht am 23. 11. 2013. 72 http://www.standardandpoors.com/about-sp/timeline/en/us/, zuletzt besucht am 23. 11. 2013. 73 Abrufbar unter : www.standardandpoors.com. 74 http://www.standardandpoors.com/about-sp/timeline/en/us/, zuletzt besucht am 23. 11. 2013. 75 abrufbar unter : www.esma.europa.eu. 76 http://www.faz.net/aktuell/finanzen/anleihen-zinsen/ratingagenturen-standard-poor-swarnt-moody-s-vor-eu-regulierung-11858498.html, zuletzt besucht am 23. 11. 2013. 77 abrufbar unter : www.esma.eu. 78 Von Schweinitz, S. 5. 79 Ebenroth/Daum, WM 1992, Sonderbeilage Nr. 5, 1, 2. 80 Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1347. 81 Vgl. Ebenroth/Daum, WM 1992, Sonderbeilage Nr. 5, 1, 4; vgl. Everling/Trieu in Büschgen/ Everling, S. 103. 82 Obwohl ein Rating kein Erfordernis nach der Börsenordnung der FrankfurterWertpapierbörse darstellt, geht die Deutsche Börse AG davon aus, dass alle im DAX gelisteten Unternehmen ein Rating besitzen, siehe E-Mail von Herrn AlexKlemens, vom 23. 11. 2012. 83 Blue-Ship Emittenten sind solche Unternehmen, deren Aktien stark an der Börsegehandelt werden, wie zum Beispiel im DAX 30 Segment der Frankfurter Wertpapierbörse. Die Ratingagenturen C. Finanzierung I. Einnahmen aus Ratingverträgen mit Emittenten 35 Haupteinnahmequelle der Agenturen ist er Erhalt von Emittenten-Gebühren zur Erstellung eines Ratings und dessen jährlicher Überwachung und Aktualisierung.85 Die Höhe der Gebühr hängt von der Art des zu beurteilenden Finanzinstruments und dem anfallenden Arbeitsaufwand ab.86 Oftmals wird ein bestimmter Prozentsatz vom Emissionsvolumen festgelegt, der bei einem Erstrating zwischen 0,01 % und 0,03 % liegt.87 In Summen ausgedrückt, betragen Ratings für langfristige Verbindlichkeiten im Rahmen eines Erstratings bei Moody’s zwischen 30.000 E und 250.000 E und bei S& P zwischen 40.000 E und 80.000 E.88 Mittlerweile erwirtschaften die Big Three ca. 80 bis 90 % ihrer Erträge durch Gebühren der Emittenten.89 Weniger als 10 % der Einkünfte werden von den Abonnenten der Ratings90 und der Erbringung von weiteren Nebendienstleistungen, wie z. B. Ratingadvisory, erzielt. Die Gebühren, die eine Ratingagentur erhebt, sind nach den Anforderungen des Anhang I Abschnitt E Teil II Nummer 2 EU-Ratingverordnung jährlich zu veröffentlichen. Unter anderem ist eine Liste der Gebühren zu veröffentlichen, die den einzelnen Kunden für individuelle Ratings und Nebendienstleistungen in Rechnung gestellt wurde. Zudem ist die Preispolitik samt Gebührenstruktur und der Preiskriterien für Ratings bestimmter Anlageklassen sowie eine Liste der Kunden, die einen in der Norm vorgegebenen bestimmten Beitrag zur Wachstumsrate der Umsätze lieferten, offen zu legen. II. Erbringung von Ratingadvisory Ratingagenturen bieten oft neben der eigentlichen Ratingdienstleistung sog. Ratingadvisory an. Dies umfasst alle beratenden und begleitenden Dienstleistungen für das Unternehmen im Zusammenhang mit der qualifizierten Vorbereitung des Ratingprozesses, der Interpretation und Nachbereitung des Ratings.91 Damit hat Ratingadvisory die Optimierung des Nutzens durch das Ra84 85 86 87 88 89 Siehe Financial Times Deutschland, vom 22. 11. 2012, S. 1. Bächstädt, KRP 2010, 23, 23. Breuer, WM 1991, 1109, 1109; Partnoy, USD, Research Paper No. 07 – 46, S. 69. Laut Ebenroth/Daum, WM 1992, Sonderbeilage Nr. 5, 1, 7; Fn. 105 liegt dieser Wert bei 0,2 %. Von Schweinitz, S. 54. Bächstädt, KRP 2010, 23, 24; Partnoy, USD, Research Paper No. 07 – 46, S. 62; Rodriguez in Niskanen, 218, 220. 90 Kübler in Hadding/Hopt/Schimansky, Bankrechtstag 1996, 115, 121. 91 Palm in Achleitner/Everling, 45, 45; Wambach/Kirchmer, BB 2002, 400, 404. 36 Grundlagen und ökonomischer Hintergrund ting zum Ziel.92 Der Ratingadvisor analysiert die Faktenlage, erkennt Probleme, stellt positive Sachverhalte sowie Problembehebungsmaßnahmen dar und bereitet die Geschäftsleitung auf die Gespräche mit den Ratingadvisorn vor.93 Um die Unabhängigkeit der Ratingerstellung zu wahren, wird Ratingadvisory in der Regel durch die Schwesterunternehmen94 der Big Three erbracht, wie z. B. Moody’s Analytics und Fitch Solutions. Das Erstellen von Marktprognosen, Preisanalysen und ähnlichen Nebendienstleistungen wird weiterhin von den Ratingagenturen selbst angeboten und ist gem. Anhang I, Abschnitt B Abs. 4 EU-Ratingverordnung grundsätzlich gestattet.95 Voraussetzung der Erbringung von Nebendienstleistungen ist, dass die Unabhängigkeit und Integrität der Ratingtätigkeit nicht beeinträchtigt wird.96 Um dies sicherzustellen, ist bereits bei der Registrierung ein Verzeichnis der Nebendienstleistungen einzureichen97 und später ist die konkret erbrachte Nebendienstleistung in dem Abschlussbericht der Agentur offen zu legen.98 Damit soll sich der Anleger selbst ein Bild über die erbrachten Nebendienstleistungen und damit verbundenen Interessenkonflikten machen können. Ausdrücklich nicht gestattet ist die Erbringung von Beratungsleistungen99 für das bewertete Unternehmen oder einen verbundenen Dritten.100 Insbesondere ist die Empfehlung oder Aussprache von Vorschlägen hinsichtlich der Ausgestaltung strukturierter Finanzinstrumente untersagt.101 Vor der Weltfinanzkrise wurden oftmals im Bereich komplexer Finanzinstrumente im Rahmen von »Rating Risk Assessments« entgeltliche Beratungsdienstleistungen hinsichtlich der Ausgestaltung der Emission für die Emittenten angeboten, damit die Tranchen ein bestimmtes Rating gerade noch erfüllen konnten.102 Dies führte dazu, dass viele strukturierte Finanzprodukte lediglich die Mindestvoraussetzungen des Ratings erfüllten, jedoch keine Puffer für sich eventuell verändernde Rah- 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 Palm in Achleitner/Everling, 45, 48; Wambach/Kirchmer, BB 2002, 400, 404. Trost/Sattler in Achleitner/Everling, 351, 354. Schwesterunternehmen gehören demselben Mutterkonzern an, vgl. § 7 Abs. 7 S. 2 KWG. Ebenso der 6. Erwägungsgrund der EU-Ratingverordnung. Anhang I, Abschnitt B Abs. 4 EU-Ratingverordnung; Erwägungsgrund 6 und 22 EU-Ratingverordnung. Anhang I, Abschnitt E I, Zf. 2 EU-Ratingverordnung. Anhang I, Abschnitt B Abs. 4 der EU-Ratingverordnung. Die von Moody’s Analytics angebotenen Beratungsleistungen sind abrufbar unter : http:// www.moodys.com/productandsolutions/product-type/advisory-services/-/006001/429496 7254/4294967256/pr, zuletzt besucht am 23. 11. 2013. Anhang I, Abschnitt B Abs. 4 EU-Ratingverordnung; Erwägungsgrund 22 EU-Ratingverordnung. Erwägungsgrund 22 EU-Ratingverordnung. Göres in Habersack/Mülbert/Schlitt, 2. Aufl., § 25, Rn. 18; vgl. Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, 106. Die Ratingagenturen 37 menbedingungen hatten.103 Besonders verheerend erwiesen sich in der Finanzkrise sogenannte strukturierte Finanzprodukte wie (Credit Default Swaps) CDS.104 Obwohl diese besonders gefährlich und risikoreich sind, wurden sie von den Ratingagenturen mit Bestnoten für die höchste Ausfallsicherheit geratet.105 Erhebliche Risiken dieser Finanzinstrumente wurden damit unterbewertet, da risikoreiche Produkte Bestnoten erhielten. Ferner richten sich einige Dienstleistungen an Dritte, d. h. Unternehmen und Personen die keine Ratings in Auftrag gegeben haben. Moody’s Analytics bietet beispielsweise Schulungen und Fortbildungen zu diversen finanzwirtschaftlichen Themen an.106 Solche Dienstleistungen spielen für die vorliegende Arbeit keine Rolle und sind der Vollständigkeit halber genannt. III. Abonnementverträge mit Investoren Haupteinnahmequelle der Big Three war bis zu Beginn der 70er Jahre der Verkauf von Ratings an interessierte Marktteilnehmer, sog. Ratingpublikationen.107 Durch die Einführung des Investor-Pay-Models hat sich diese Einnahmequelle erheblich verringert. Dennoch finanzieren sich die Ratingagenturen auch weiterhin über Abonnentenverträge.108 Daneben ist es mittlerweile üblich geworden, dass zumindest die Big Three die Ratingnote wichtiger Emittenten kostenfrei mittels der verfügbaren Onlineund/oder Print-Medien zur Verfügung stellen.109 Dazu gibt es in der Regel kurze Zusammenfassungen, die die wichtigsten Eckdaten wiedergeben. Um einen Zugang zu dem detaillierten Rating Report zu erhalten, ist ein Abonnement erforderlich.110 Die kurzen Zusammenfassungen dienen dazu, das Interesse des Lesers zu wecken, sodass der Investor das Rating abonniert. Die Zahl der Abonnenten spiegelt das Vertrauen der Investoren in das Rating wieder. Umso höher beides ist, desto besser ist die Chance der Agentur, einen Auftrag durch 103 Göres in Habersack/Mülbert/Schlitt, 2. Aufl., § 25, Rn. 18; vgl. Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, 106. 104 Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, 106. 105 Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, 106. 106 Eine Liste der aktuellen Veranstaltungen sind abrufbar unter : http://www.moodys.com/ newsandevents/events_/4294965860/4294965863/0/StartDate/1/0/0/0/elv?lang=de& cy=g er, zuletzt besucht am: 23. 11. 2013. 107 Bächstädt, KRP 2010, 23, 24; Cantor/Packer, FRBNY Quarterly Review, Summer/Fall 1994, 1, 4; vgl. Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, 106; Partnoy, USD,Research Paper No. 07 – 46, S. 62. 108 Zur Rechtsnatur der Abonnentenverträge siehe Teil 5 § 1 B. 109 Ebenroth/Daum, WM 1992, Sonderbeilage Nr. 5, 1, 3; SEC Report on the Role andFunction of Credit Rating Agencies in the Operation of the Securities Markets, S. 22. 110 SEC Report on the Role and Function of Credit Rating Agencies in the Operation of the Securities Markets, S. 22. 38 Grundlagen und ökonomischer Hintergrund einen Emittenten zu erhalten. Dies kann zu einer ungleichen Verteilung von Informationen auf dem Kapitalmarkt führen.111 Zwar werden dennoch Informationsasymmetrien verringert, jedoch in ungleichen Verhältnissen.112 D. Interessenkonflikte Auf Grund der Finanzierungsstruktur der Ratingagenturen sowie des starken Vertrauens der Finanzmärkte in die erstellten Ratings müssen sich die Agenturen häufig dem Vorwurf bestehender oder potentieller Interessenkonflikte stellen. Im Folgenden werden Interessenkonflikte des Issuer-Pay Models im Vergleich zum Investor-Pay Model [I.], der persönlichen Beziehung zwischen Analyst und Emittent [II.], der Vergütungsstruktur der Ratinganalysten [III.], der Beratung der Agenturen bei der Strukturierung von Finanzprodukten [IV.] sowie der Beteiligungsverhältnisse an dem Emittenten und der Gesellschafterstruktur der Ratingagentur [V.] dargestellt. I. Issuer-Pay-Model versus Investor-Pay-Model Als häufigste Ursache von möglichen Interessenkonflikten wird das Issuer-PayModel genannt.113 Dabei wird dem Emittenten vorgeworfen, sein Interesse an einem möglichst positiven Rating durch das Bezahlmodell auszunutzen. Das zur Vermeidung eines solchen Konflikts viel favorisierte Investor-Pay-Model ist auf Grund der damit ebenfalls einhergehenden potentiellen Interessenkonflikten jedoch ebenfalls kritisch zu beurteilen.114 Um die Vor- und Nachteile beider Modelle darstellen zu können, soll zunächst auf die früher herrschend vertretene Reputational Capital Theorie [1.] eingegangen werden, um sodann die Interessen des Investors [2.] zu begutachten. 111 Zu der insiderrechtlichen Beurteilung siehe Teil 2 § 3 C. II. 112 Vgl. SEC Report on the Role and Function of Credit Rating Agencies in the Operation of the Securities Markets, S. 22; vgl. CESR/05 – 139b, S. 31; vgl. Rousseau, 51 McGill L. J. 2006, 617, 630. 113 Coffee, Ratings Reform, S. 30 f.; Devine, 16 Fordham J. Corp. & Fin. L. 2011, 177, 188; Göres in Habersack/Mülbert/Schlitt, 2. Aufl., § 25, Rn. 16; Partnoy, USD, Research Paper No. 07 – 46, S. 60; http://www.nytimes.com/2009/06/05/business/economy/05place.html?_r=0, zuletzt besucht am 23. 11. 2013. 114 So auch Bächstädt, KRP 2010, 23, 25 und Bremer, NZG 2011, 1181, 1181. Die Ratingagenturen 39 1. Reputational Capital Theorie Empirische Studien haben belegt, dass aus dem Issuer-Pay-Model gerade kein – wie so oft – befürchtetes »Gefälligkeitsrating« resultiere.115 Die Gefahr eines unangemessen guten Ratings sei auf Grund der Inanspruchnahme und der Notwendigkeit des Investorenvertrauens in die Agentur stark eingeschränkt. Hauptannahme der Reputational Capital Theory ist, dass sich die Ratingagentur durch die Veröffentlichung unangemessen guter Ratings selbst der Gefahr aussetze, ihre gute Reputation und den Track Record zu verlieren.116 Die Reputation und das Vertrauen der Marktteilnehmer werden als Hauptkapital zur Kundengewinnung angesehen.117 Gerade der Wettbewerb zwischen den Big Three ist stark, sodass eine gute Reputation zur Abgrenzung der Konkurrenten essentiell ist.118 Dies sei der Hauptantrieb für die Agenturen, Ratings mit hoher Qualität zu erstellen.119 Damit könnte der Emittent als zahlender Kunde zwar einen potentiellen Druck auf die Ratingagentur ausüben, jedoch sei dessen Macht, Gefälligkeitsratings zu erhalten, durch die Notwendigkeit der Ratingagentur, eine vertrauenswürdige Reputation zu wahren, stark eingegrenzt und somit fast unbeachtlich. 2. Interessenlage des Investors Noch bis in die 70er Jahre wurde das Investor-Pay-Model von den Agenturen betrieben und dann von dem Issuer-Pay Modell abgelöst.120 Dieser Wandel des Bezahlmodells führte nach der Reputational Capital Theorie zu keiner gravierenden Verschärfung von Interessenkonflikten und Fehlratings,121 denn auch das Investor-Pay-Model unterliegt potentiellen Interessenkonflikten. Ein Privatanleger wird in den seltensten Fällen die enormen Kosten eines Ratings aufbringen können. Somit richtet sich das Investorenzahlmodell nur an professionelle Anleger, wie zum Beispiel Hedge Funds.122 Je nachdem, ob dieser auf der Käufer- oder Verkäuferseite steht, richten sich auch seine Interessen. Möchte der Investor das Finanzprodukt verkaufen, wird er Interesse an einer 115 Stellungnahme von DAI, BDI und VDT, 2021, S. 2. 116 Husisian, 75 Cornell L. Rev. 1990, 411, 426. 117 Devine, 16 Fordham J. Corp. & Fin. L. 2011, 177, 195; Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 113. 118 Husisian, 75 Cornell L. Rev. 1990, 411, 426. 119 Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 113. 120 Kübler in Hadding/Hopt/Schimansky, Bankrechtstag 1996, 115, 118; Möl-lers/Wecker, ZRP 2012, 106, 106; Partnoy, USD, Research Paper No. 07 – 46, S. 62; Sullivan, 94 Minn L. Rev. 2010, 2136, 2142. 121 Ähnlich: Stellungnahme von DAI, BDI und VDT, 2021, S. 2. 122 Egan-Jones Rating Company bietet Bonitätsbewertungen lediglich professionellen Investoren an, die nicht über die Abonnenten hinaus veröffentlicht werden. 40 Grundlagen und ökonomischer Hintergrund guten Ratingnote für die von ihm bereits erworbenen Finanzprodukte haben.123 In der Regel hält ein professioneller Investor (insb. Spekulanten) die Finanzprodukte nicht bis zu deren Fälligkeit, sondern verkauft vorher, sodass bereits im Zeitpunkt seiner Investitionsentscheidung ein Interesse an einem möglichst guten und stabilen Rating besteht.124 Investoren, die hingegen beabsichtigen, das Finanzprodukt bis zu seiner Fälligkeit zu halten, haben ein Interesse an einem schlechten Rating, weil sie dann für Anleihen und Kredite der Emittenten höhere Zinsen verlangen können.125 Darüber hinaus hätte ein Investor im Falle des Investor-Pay-Models die Möglichkeit den Zugang von Unternehmen an den internationalen Finanzmärkten zu lenken. Wäre ein Investor nicht bereit, für ein Rating eines bestimmten Unternehmens zu bezahlen, bliebe diesem der Zugang zum Kapitalmarkt versperrt.126 Insbesondere international kleinere und unbekannte Unternehmen oder Unternehmen aus kleineren Branchen und Segmenten sowie Börsensegmenten mit geringer Marktliquidität wären gefährdet, von (potentiellen) Investoren kein Rating zu erhalten.127 Im Umkehrschluss müssten diese benachteiligten Unternehmen ggf. höhere Kosten aufbringen, um ein Rating einer etablierten Ratingagentur zu erhalten. Abgesehen, von den dem Investor-Pay-Model immanenten Spannungsfeldern, stellt sich die rechtliche Frage, auf welcher Basis die Ratingagentur Zugang zu unternehmensinternen Informationen bei einem Investor-Pay-Model hätte.128 Mangels eines Ratingvertrages wird der Emittent zurückhaltend Informationen weitergeben, da die Agentur nicht auf dessen Interessenseite steht. Es wird zwar davon auszugehen sein, dass eine Vertraulichkeitsvereinbarung auch ohne Ratingvertrag abgeschlossen werden würde; jedoch wäre der Emittent in einer Drucksituation, unternehmenssensitive Daten an einen Dritten zu geben, zu dem er möglicherweise kein Vertrauen hat. Denn oftmals muss zwischen dem Management und Ratinganalysten eine Vertrauensbasis geschaffen werden, damit der Emittent die jeweilige Agentur beauftragt. Eine rechtliche Pflicht zur Weitergabe besteht nicht. Damit wäre das vom Investor gezahlte Rating weniger informativ als das von dem Emittenten gezahlte. Außerdem hätten wenige finanzstarke Investoren die Macht, zu bestimmen, welcher Emittent oder welches Finanzprodukt ein Rating erhält. Hätte der zahlende Investor diesen Prozess in der Hand, würde dies eine erhebliche Benachteiligung des Emittenten begründen, welche einer Zwangslage ähnelt und letztendlich den 123 124 125 126 127 128 Bächstädt, KRP 2010, 23, 25. Bächstädt, KRP 2010, 23, 25. Bächstädt, KRP 2010, 23, 25; Stellungnahme DAI, BDI, VDT, 2012, S. 6. Bächstädt, KRP 2010, 23, 25. Bächstädt, KRP 2010, 23, 25. Siehe hierzu ausführlich Teil 2 § 3 C. II. Die Ratingagenturen 41 Ratingagenturen derart zu Gute kommen kann, dass sie die Preise der Ratings erheblich erhöhen könnten. Damit kann dem Anleger nicht per se ein Interesse an einer objektiven Ratingerstellung unterstellt werden. Dies ist ein Interesse des Kapitalmarktes insgesamt, aber nicht des einzelnen Anlegers, wenn dieser das Rating zahlt. Hieraus wird ersichtlich, dass der Finanzierer des Ratings immer eigene Interessen verfolgt und dies für die Ratingagentur zu Interessenkonflikten führen kann, sowie die anderen Marktteilnehmer in eine benachteiligte Position versetzt. Es sollte daher nicht darum gehen, das Bezahlmodell zu ändern, sondern darum, das Management von Interessenkonflikten zu optimieren.129 II. Beratung der Ratingagenturen bei der Strukturierung von Finanzprodukten Als zweithäufigste Ursache von Interessenkonflikten werden die Beratung der Ratingagenturen bei der Strukturierung von Finanzprodukten und die anschließende Bewertung genannt.130 Dies würde dazu führen, dass die Ratingagenturen keine objektive Ratingerstellung gewähren könnten.131 Hinzu kommt, dass die Investmentbanken dieser Dynamik beisteuern, indem sie Finanzprodukte nur aus der Motivation heraus strukturieren, ein hohes Rating dafür zu erhalten.132 Dabei würden die Investmentbanken sog. Rating Shopping betreiben, d. h. die Agentur letztendlich beauftragen, die bereit ist, das beste Rating zu erstellen.133 Ein erhöhter Wettbewerb unter den Agenturen darf nicht dazu führen, dass das Rating Shopping gefördert wird und so niedrigere Ratingstandards üblich werden.134 Um solche Abhängigkeiten zu verhindern, sind mittlerweile Beratungsdienstleistungen bei strukturierten Finanzprodukten untersagt. In der Praxis wird dies oft durch das Schwesterunternehmen der Ratingagentur durchgeführt, sodass der Konflikt auf die Ebene des Konzerns verschoben wird. Zur Prävention sind sog. Chinese135 Walls unerlässlich. Dazu lassen sich jedoch keine speziellen 129 So auch Stellungnahme DIHK, 2011, S. 13. 130 Devine, 16 Fordham J. Corp. & Fin. L. 2011, 177, 188; Gerke, Stellungnahme zum Ausführungsgesetz zur EU-Ratingverordnung, S. 2; LarosiÀre-Bericht, vom 25. 09. 2009, S. 10; Partnoy, USD, Research Paper No. 07 – 46, S. 60 und 73. 131 Devine, 16 Fordham J. Corp. & Fin. L. 2011, 177, 188. 132 Devine, 16 Fordham J. Corp. & Fin. L. 2011, 177, 189. 133 Zu der Ratingmethode bei strukturierten Finanzprodukten siehe ausführlich Partnoy, USD, Research Paper No. 07 – 46, S. 73 ff. 134 http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/076/1707638.pdf, zuletzt besucht am 23. 11. 2013. 135 Sog. Chinese Walls dienen dazu, den Austausch von sensiblen Informationen zwischen den unterschiedlichen Abteilungen und Personen in einem Unternehmen zu verhindern. In der 42 Grundlagen und ökonomischer Hintergrund Regelungen in der EU-Ratingverordnung finden. Damit greifen die insiderrechtlichen Regelungen des WpHG, die zum Führen von Insiderverzeichnissen verpflichten.136 III. Persönliche Beziehung des Analysten zu dem Emittenten Auch die persönliche Beziehung des Ratinganalysten zu dem Management des Emittenten kann zu Interessenkonflikten führen.137 Das Aufbauen einer Vertrauensbeziehung zwischen Ratinganalyst und Management ist unerlässlicher Bestandteil der Kundenbeziehung. Nur so wird der Emittent bereit sein, seine unternehmenssensitiven Informationen mit einer externen Person zu teilen. Diese Vertrautheit kann zu zwei Konstellationen führen, die potentiell Interessenkonflikte begründen. Erstens kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Ratinganalyst sich im Laufe der Zeit den Wünschen des Emittenten gegenüber wohlwollend verhält,138 und zweitens auf Grund des Zugangs zu Insiderinformationen sog. Eigengeschäfte tätigt.139 Die erste Konstellation wurde in Art. 7 Abs. 4 EU-Ratingverordnung durch das Erfordernis der internen Rotation aufgenommen und die zweite Konstellation wird bereits durch die §§ 14 ff. WpHG geregelt.140 Neben diesen gesetzlichen Pflichten wäre es effektiv, eine Ausbildung zu einem staatlich zertifizierten Ratinganalysten einzuführen. Es wäre denkbar die Tätigkeit einer Erlaubnispflicht zu unterlegen, sodass der individuelle Ratinganalyst ein eigenes Interesse an der Einhaltung standesrechtlicher Pflichten hat, um seinen Beruf weiterhin ausüben zu können. Ein solcher Druck auf persönlicher Seite wäre durchaus effizienter, als die Ratingagentur als Unternehmen zu verpflichten interne Rotationsmechanismen einzuführen. IV. Vergütungsstruktur der Ratinganalysten Mit dem soeben erläuterten potentiellen Interessenkonflikt ist auch die Vergütungsstruktur des Ratinganalysten verknüpft. Wenn die Vergütung des Ratinganalysten an ein spezifisches Rating oder das daraus erzielte Gebührenaufkommen gebunden ist, kann dies dazu führen, dass er nicht mehr in der Lage ist, eine objektive Bewertung durchzuführen.141 Insbesondere ein Bonussystem 136 137 138 139 140 141 Regel wird dazu ein sog. Control Room errichtet, der die Weitergabe der Informationen genehmigen muss und verwaltet. Siehe dazu ausführlich Teil 2 § 3 C. Göres in Habersack/Mülbert/Schlitt, 2. Aufl., § 25, Rn. 21. Göres in Habersack/Mülbert/Schlitt, 2. Aufl., § 25, Rn. 21. Ausführlich zu der insiderrechtlichen Relevanz von Ratings siehe Teil 2 § 3 C. II. Siehe dazu ausführlich Teil 2 § 3 C. Art. 7 Abs. 5 EU-Ratingverordnung; IOSCO Principles, 2.4. Die Ratingagenturen 43 für den erfolgreichen Abschluss eines Ratingvertrages kann dazu führen, dass der Analyst sich in eine schwache Verhandlungsposition begibt und daher dem Emittenten gegebenenfalls Eingeständnisse macht, die zu einem Gefälligkeitsrating führen. V. Beteiligungsverhältnisse an dem Emittenten und Gesellschafterstruktur der Ratingagentur Interessenkonflikte können ebenfalls durch Beteiligungsverhältnisse des Emittenten und der Eigentümerstruktur der Ratingagentur entstehen. Um ersteren Fall zu lösen, normiert Anhang I Abschnitt C EU-Ratingverordnung in den dort genannten Fällen, dass die Analysetätigkeit des betroffenen Analysten ausgeschlossen ist.142 Missbräuche auf Grund der zweiten Konstellation sind ebenfalls zu verhindern, wenn beispielsweise ein Investor Beteiligungen an der Agentur hält und gleichzeitig bei dieser ein Rating in Auftrag gibt.143 Aus diesem Grund legt Art. 8 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 449/2012 der Kommission vom 21. März 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für Informationen zur Registrierung und Zertifizierung von Ratingagenturen (EU-Delegiertenverordnung) fest, dass die darin genannten Angaben an die ESMA zu übermitteln sind, wie zum Beispiel die Namen derjenigen, die 5 % oder mehr Anteile an der Ratingagentur halten. Darüber hinaus normiert Art. 8 EU-Delegiertenverordnung, dass die zwischen Mutterunternehmen, Tochterunternehmen und sonstigen assoziierten Unternehmen bestehenden Verflechtungen an die ESMA zu übermitteln sind. 142 Anhang I, Abschnitt C der EU-Ratingverordnung. 143 http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/076/1707638.pdf, zuletzt besucht am 23. 11. 2013. 44 Grundlagen und ökonomischer Hintergrund §2 Das Rating A. Einordnung des Ratings und Erläuterungen Das Rating ist vielfältig und bedarf zunächst einer grundsätzlichen Einordnung [I.] in rechtlicher [1.] und ökonomischer Sicht [2.]. Die rechtliche Definition hilft das Rating in einen Rechtsrahmen einzuordnen, um somit bestimmte Pflichten und Anforderungen begründen zu können. Die ökonomische Definition ist erforderlich, um das Rating an sich zu verstehen und die diversen Arten des Ratings darstellen zu können [II.]. I. Einordnung des Ratings 1. Rechtliche Definition Im europäischen Recht ist nach Art. 3 Abs. 1 lit a EU-Ratingverordnung ein Rating ein Bonitätsurteil in Bezug auf ein Unternehmen, ein Schuldtitel oder eine finanzielle Verbindlichkeit, eine Schuldverschreibung, eine Vorzugsaktie oder ein anderes Finanzinstrument oder den Emittenten derartiger Schuldtitel, finanzieller Verbindlichkeiten, Schuldverschreibungen, Vorzugsaktien oder anderer Finanzinstrumente, das anhand eines festgelegten und definierten Einstufungsverfahrens für Ratingkategorien abgegeben wird. Demgegenüber ist im amerikanischen Recht gem. Section 3(a)-61 Rating Agency Act144 eine Ratingagentur definiert als eine Person, die Ratings im Internet oder durch andere zugängliche Medien zur Verfügung stellt und zu dessen Erstellung ein quantitatives und/oder qualitatives Modell145 anwendet sowie Gebühren von Emittenten, Investoren oder anderen Marktteilnehmern erhält. Darunter fallen jedoch keine kommerziellen Kreditnehmerauskunftsunternehmen. »Festgelegte Einstufungsverfahren« und »quantitatives und/oder qualitatives Modell« meinen Methoden zur Auswertung historisch ermittelter Daten, die Auskunft über die zukünftige Zahlungsfähigkeit geben. Ebenso enthält Art. 2 Abs. 2 EU-Ratingverordnung einen Ausschlusstatbestand für private Ratings, Kreditpunktebewertungen, Credit-Scoring-Systeme sowie Ratings, die von Zentralbanken erstellt wurden. 144 15 U.S.C 78c (a) 145 Eine quantitative Analyse befasst sich mit der Auswertung von konkreten Werten, wie Jahresabschlüssen, Cashflow und Umsatzrendite, wodurch ein Bild der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens erlangt wird, sieheausführlich dazu Fischer in Achleitner/Everling, 829, 834 ff. Die qualitative Analyse befasst sich mit den Stärken und Fähigkeiten des Managements, wie z. B. die Fähigkeit auf veränderte Bedingungen effektiv zu reagieren und entsprechende Ressourcen einzusetzen, siehe ausführlich dazu Fischer in Achleitner/ Everling, 829, 836 ff. Das Rating 45 Interessant ist, dass das Rating in der Gemeinschaft in Verbindung mit den genannten Ratingobjekten gesetzt wird, während der Rating Agency Act eine solche Eingrenzung nicht kennt. Mit anderen Worten sind Ratings standardisierte Bonitätsbewertungen über die künftige Zahlungsfähigkeit, rechtliche Verpflichtung und Bereitschaft eines Emittenten, Zahlungen von Zins und Tilgung einer von ihm begebenen Schuldverschreibung termingerecht und vollständig zu erfüllen.146 Aus der Definition der Section 3(a)-61 Rating Agency Act und dem Ausschluss des Art. 2 Abs. 2 EU-Ratingverordnung wird deutlich, dass nur solche Ratings unter die Regulierungen fallen, die der Öffentlichkeit/den Abonnenten zugänglich gemacht werden. Private Ratings fallen unter keine der beiden Rechtsrahmen. 2. Ökonomische Definition Ratingagenturen selbst definieren das Rating als Einschätzung des Kreditrisikos.147 Im Vordergrund steht dabei die Vergleichbarkeit der Bonität von Unternehmen oder von Finanzinstrumenten innerhalb eines Landes und einer Branche oder auch in bestimmten Fällen länder- und branchenübergreifend.148 Das Kreditrisiko setzt sich in der Regel aus der Ausfallwahrscheinlichkeit (Probability of Default)149 und der Verlustquote (Loss Given Default)150 zusammen.151 Damit gibt das Kreditrisiko keine Beurteilung der sog. Liquidität des Unternehmens ab.152 Diese beiden Faktoren unterscheiden sich nicht nur ihrer Gewichtung nach je nach bewertetem Ratingobjekt, sondern auch grundsätzlich zwischen den unterschiedlichen Ratingagenturen.153 Die Ausfallwahrscheinlichkeit wird im Vergleich zu anderen bewerteten Emittenten und Finanzprodukten beurteilt, sodass dem Rating nur zu entnehmen ist, ob ein bestimmtes Produkt im Vergleich zu einem anderen sicherer ist.154 Das Rating spiegelt also 146 Blaurock, ZGR 2007, 603, 603 f; IOSCO-Report, S. 3. 147 Siehe www.fitchratings.com; Rousseau, 51 McGill L. J. 2006, 617, 622. 148 Göres in Habersack/Mülbert/Schlitt, 2. Aufl., § 25, Rn. 2; Krämer inHadding/Hopt/Schimansky, Bankrechtstag 2004, 1, 5; vgl. Everling/Trieu in Büschgen/Everling, 95, 97. 149 Die Ausfallwahrscheinlichkeit ist die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Kreditnehmer in Zukunft nicht in der Lage sein wird, seinen Kredit zu bedienen. Die Bestimmung der Ausfallwahrscheinlichkeit ist wesentlicher Bestandteil des Kreditrisikomanagements. 150 Die Verlustquote wird zur Bestimmung des erwarteten Verlustes eines Kreditgeschäftes genutzt. Dazu wird in der ex-ante Betrachtung der erwartete Verlust in Relation zum ausstehenden Obligo im Verzugsfall (Exposure at Default) gesetzt. 151 Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 157. 152 Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 157; http://www.fitchratings.com/creditdesk/public/ ratings_defintions/index.cfm, zuletzt besucht am: 09. 01. 2013. 153 Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 157. 154 Cantor/Packer, FRBNY Quarterly Review, Summer/Fall 1994, 1, 10 ff. 46 Grundlagen und ökonomischer Hintergrund nicht das absolute, sondern nur das relative Ausfallrisiko wieder.155 Mithin gibt es keine Garantie über die Erhaltung des Kapitals ab. II. Verschiedene Arten des Ratings 1. Internes und externes Rating Als internes Rating werden Bonitätsuntersuchungen kreditsuchender Kunden durch Banken bezeichnet, die diese als Entscheidungsgrundlage für die Kreditvergabe nutzen.156 In erster Linie wollen Banken so ihr eigenes Risiko als Gläubiger beurteilen, um so eine widerspruchsfreie Abbildung des gesamten Kreditportfolios in Risikokategorien zu gewährleisten.157 Sie bilden somit die Entscheidungsgrundlage für die Kreditvergabe. Mit Basel III kommt hinzu, dass die Anforderungen an die Eigenkapitalunterlegung je nach Kreditrisiko bemessen werden.158 Interne Ratings durch Banken sind der Vollständigkeit halber in dieser Arbeit genannt und werden kurz im Rahmen der Baseler Eigenkapitalregelungen des SolvV159 erwähnt. Externe Ratings werden nicht von der kreditgebenden Bank, sondern von Dritten, sog. Ratingagenturen, erstellt160 und dienen im Regelfall zur Erfüllung der Zugangsvoraussetzungen für eine Platzierung von Anleihen und Wertpapieren am Kapitalmarkt161. Sie sind Gegenstand dieser Arbeit, sodass sich die Ausführungen überwiegend auf externe Ratings von Ratingagenturen beziehen. 2. Emittenten- und Emissionsrating Ratingagenturen haben sich dem immer komplexer gewordenen internationalen Kapitalmarkt angepasst, sodass es neben den klassischen Emittentenratings auch Emissionsratings gibt, die eine Vielzahl von Ratingobjekten bewerten.162 Das Rating bezieht sich auf die Bonität eines bestimmten, von dem Emittenten ausgegebenen Finanzinstrumentes und beinhaltet entweder eine short-term oder eine long-term Beurteilung.163 Dabei wird die generelle Zahlungsfähigkeit des Emittenten als »wirtschaftliche Einheit« bezogen auf die Wahrscheinlichkeit 155 Arendts, WM 1993, 229, 229; Vetter, WM 2004, 1701, 1704; vgl. LerchBKR 2010, 402, 403. 156 Brüninghaus in Vögele/Borstell/Engler, Kap. O, Rn. 64; Göres in Habersack/Mülbert/ Schlitt, 2. Aufl., § 25, Rn. 60; Vetter, WM 2004, 1701, 1703. 157 Niedostadek, Rn. 119. 158 Hierzu siehe Ausführungen unter Teil 2 § 3 D. I. 159 Siehe Teil 2 § 3 D I. 160 Göres in Habersack/Mülbert/Schlitt, 2. Aufl., § 25, Rn. 49 f. 161 Brüninghaus in Vögele/Borstell/Engler, Kap. O, Rn. 64. 162 Sullivan, 94 Minn L. Rev. 2010, 2136, 2143. 163 Göres in Habersack/Mülbert/Schlitt, 2. Aufl., § 25, Rn. 42. Das Rating 47 einer Insolvenz bewertet.164 Dies bildet die Grundlage für das Emissionsrating.165 Ratingobjekte des Emissionsratings können eine Vielzahl von Finanzprodukten betreffen, so zum Beispiel Beurteilungen von Fonds166, Volatilitätsratings von Finanzinstrumenten, Derivaten (Futures, Options und Swaps) sowie Ratings von Versicherungsprodukten, wie Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen.167 Ferner werden Anleihen von privaten oder öffentlichen Emittenten bewertet, wie z. B. Industrieanleihen, Bankschuldverschreibungen, Kommunalobligationen und Staatsanleihen. Bei Konzernen wird zwischen einem Konzernrating und der Bewertung des einzelnen Unternehmens unterschieden. In der Praxis ist das Konzernrating, welches Auskunft über die mit der Muttergesellschaft verbundenen Unternehmen insgesamt gibt, der Regelfall. 3. Solicited und unsolicited Rating Externe Ratings werden von den Agenturen entweder solicited oder unsolicited veröffentlicht. Im ersten Fall wird das Rating im Rahmen eines Ratingvertrages vom Emittenten entgeltlich in Auftrag gegeben und wird üblicherweise für die Laufzeit des Ratingobjekts überwacht und ggf. aktualisiert. Diese Variante des solicited Ratings wird auch oft Issuer-Pay-Model genannt, da der Emittent die Ratingagentur bezahlt. Im zweiten Fall erfolgt die Beurteilung ohne Auftrag des Emittenten, aber ggf. durch Auftrag eines Investors, wenn ausreichende Daten zur Verfügung stehen.168 Sollte das unsolicited Rating auf Grund eines Auftrags des Investors erstellt werden, so wird die Konstellation auch als Investor-PayModel bezeichnet. Die Informationsbasis der Ratingagentur ist bei einem unsolicited Rating in der Regel geringer, da hier nicht mit einer Kooperation des Emittenten zu rechnen ist.169 Untersuchungen haben ergeben, dass bei unbeauftragten Ratings, die allein auf öffentlich zugänglichen Informationen beruhen, die Gefahr höher ist, dass das Bonitätsbild mangels aktueller und unternehmensspezifischer Daten fehlerhaft ausfällt.170 Damit ist die Erstellung eines unsolicited Ratings mittlerweile zu einer Ausnahme geworden.171 Dadurch, dass die Emittenten von der Macht des Ratings und auch der erhöhten Fehleranfälligkeit von unsolicited Ratings wissen, stellen sie der Agentur teilweise auch ohne Auftrag Veröffentlichungen bereit oder laden diese zu Pressekonferenzen 164 Göres in Habersack/Mülbert/Schlitt, 2. Aufl., § 25, Rn. 42. 165 Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1346. 166 Dabei wird zwischen geschlossenen und offenen Fonds in den Bereichen Schiffe, Immobilien, Renten etc. differenziert. 167 Everling/Trieu in Büschgen/Everling, 95, 105. 168 Blaurock, ZGR 2007, 603, 604; Vetter, WM 2004, 1701, 1703. 169 Ebenroth/Daum, WM 1992, Sonderbeilage Nr. 5, 1, 4. 170 Stemper, WM 2011, 1740, 1741. 171 Kübler in Hadding/Hopt/Schimansky, Bankrechtstag 1996, 115, 121. 48 Grundlagen und ökonomischer Hintergrund ein.172 Aus Angst vor einem schlechten Rating, welches z. B. das Potential hat eine geplante Emission erheblich zu beeinträchtigen, wenn nicht sogar zu verschieben, kann sich auch ohne vertragliche Verpflichtung eine enge Zusammenarbeit entwickeln.173 Um für Marktteilnehmer das unsolicited Rating sichtbar zu machen, ist gem. Art. 10 Abs. 5 EU-Ratingverordnung nicht nur dessen Kenntlichmachung verpflichtend, sondern auch ein Hinweis darauf, ob der Emittent in den Ratingprozess eigebunden war und ggf. Einblick in interne Dokumente gewährte. Wenn eine Ratingagentur ein unsolicited Rating durchführt, so bieten – zumindest die Big Three – vor dessen Veröffentlichung dem Emittenten an, die darin enthaltenen Ergebnisse zu diskutieren.174 Bei S& P gehört es zur Basis der Geschäftspolitik, dass nur solche Emittenten/Emissionen ein unsolicited Rating erhalten, bei denen bereits zu einem früheren Zeitpunkt der Emittent ein solicited Rating in Auftrag gegeben hatte.175 Damit wird eine ausreichende Informationsbasis gewährt. Fitch hingegen bewertet einige Blue-Ship Emittenten unsolicited bzw. als »Investor Initiated«, um die für die Marktdurchdringung und (Branchen-) Vergleichbarkeit ausreichende Anzahl von Corporate Ratings zur Verfügung zu stellen.176 Da die Ratingagenturen für unbeauftragte Ratings kein Entgelt von den Emittenten erhalten, stellt sich die Frage, woraus sich der Anreiz für unbeauftragte Ratings ergibt. Sofern das unsolicited Rating von einem Investor in Auftrag gegeben wurde, erzielt die Ratingagentur ihr Entgelt von dem Emittenten bzw. dem Abonnenten. Neben diesen Einnahmen ist jedoch die Hauptmotivation der Ratingagentur der sog. informationelle Netzwerkeffekt.177 Dieser wird erzielt, wenn eine Agentur eine ausreichende Zahl von Unternehmen eines bestimmten Marktsegments geratet hat.178 Wie bei jeder Bewertung steigt auch bei Ratings ihre Bedeutung als Grundlage für (Investitions-) Entscheidungen, je mehr Bewertungsobjekte eines Landes oder einer Branche miteinander verglichen werden.179 Hierbei kommt erneut zum Ausdruck, dass Ratings nicht die absolute Ausfallwahrscheinlichkeit beurteilen, sondern nur die Relative im Vergleich zu anderen gerateten Objekten. 172 Stemper, WM 2011, 1740, 1741. 173 Zur kritischen Beurteilung dieser »Druck«-Situation des Emittenten, siehe Teil 1 § 1 D. I. 2. 174 Krämer in Hadding/Hopt/Schimansky, Bankrechtstag 2004, 1, 25; Moody’s Ratinggrundlagen: Kennzeichnung unbeauftragter Ratings in der EuropäischenUnion, S. 2. 175 Ebenroth/Daum, WM 1992, Sonderbeilage Nr. 5, 1, 3; Krämer in Hadding/Hopt/Schimansky, Bankrechtstag 2004, 1, 25. 176 Krämer in Hadding/Hopt/Schimansky, Bankrechtstag 2004, S. 25. 177 Krämer in Hadding/Hopt/Schimansky, Bankrechtstag 2004, 1, 25. 178 Krämer in Hadding/Hopt/Schimansky, Bankrechtstag 2004, 1, 25. 179 Krämer in Hadding/Hopt/Schimansky, Bankrechtstag 2004, 1, 25. Das Rating 49 4. Ratingsymbole Die Ratingsymbole, mit denen das Rating ausgedrückt wird, sind einer festen Skala zugeordnet, welche je nach Ratingagentur und Ratingobjekt180 variieren kann. Dies muss nach der EU-Ratingverordnung auch so sein, denn Art. 3 Abs. 1 lit. a erfordert ein festgelegtes und definiertes Einstufungsverfahren für die Ratingkategorien. Jedem einzelnen Ratingsymbol ist eine Definition der mit der Kategorie verbundenen Ausfallwahrscheinlichkeit zugeordnet.181 Die Definitionen und Ratingsymbole variieren nach Art der bewerteten Verbindlichkeit und dessen Laufzeit, sodass im Folgenden die Bedeutung sowohl für langfristige als auch für kurzfristige Verbindlichkeiten dargestellt werden. a. Definition von Ratings zu langfristigen Verbindlichkeiten Fitch und S& P benutzen dieselben Ratingsymbole: AAA, AA, A, and BBB sind Investment Grade und BB, B, CCC, CC, C sowie D sind Speculative Grade (sog. Junk Bonds).182 Moody’s benutzt die Ratingsymbole: Aaa, Aa, A, Baa für Investment Grade und Ba, B, Caa, Ca, and C für Speculative Grade.183 Des Weiteren differenzieren die Ratingagenturen in der Regel durch Modifikatoren die Ratings in ihrer Basisbenotung. Fitch und S& P benutzen Plus und Minus und Moody’s die Nummern 1 – 3, wobei die Nummer 1 anzeigt, dass das Rating am oberen Ende der Basisbenotung steht, die 2 zeigt die Mitte an und die 3 das untere Ende.184 Die folgende Übersicht der Definitionen der von Moody’s verwendeten Ratingsymbole veranschaulicht das System. 180 Als Ratingobjekte kommen nicht nur Emittenten- und Emissionsratings in Betracht, sondern auch Länderratings und sonstigen Finanzinstrumenten. 181 Vgl. Krämer in Hadding/Hopt/Schimansky, Bankrechtstag 2004, 1, 10. 182 Brüninghaus in Vögele/Borstell/Engler, Kap. O, Rn. 68; SEC Report on the Role and Function of Credit Rating Agencies in the Operation of the Securities Markets, S. 25; vgl. Schulte-Mattler in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 28 SolvV, Rn. 9. 183 Brüninghaus in Vögele/Borstell/Engler, Kap. O, Rn. 68; Krämer in Hadding/Hopt/Schimansky, Bankrechtstag 2004, 1, 10; Schulte-Mattler in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 28 SolvV, Rn. 9. 184 Brüninghaus in Vögele/Borstell/Engler, Kap. O, Rn. 68; Schulte-Mattler in Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, § 28 SolvV, Rn. 9; SEC Report on the Role and Function of Credit Rating Agencies in the Operation of the Securities Markets, S. 25. 50 Grundlagen und ökonomischer Hintergrund Moody’s Ratingysmbol für Global Long-Term Ratings185 Definition Aaa Obligations rated Aaa are judged to be of the highest quality, subject to the lowest level of credit risk. Aa Obligations rated Aa are judged to be of high quality and are subject to very low credit risk. A Obligations rated A are judged to be upper-medium grade and are subject to low credit risk. Baa Obligations rated Baa are judged to be mediumgrade and subject to moderate credit risk and as such may possess certain speculative characteristics. Ba Obligations rated Ba are judged to be speculative and are subject to substantial credit risk. B Obligations rated B are considered speculative and are subject to high credit risk. Caa Obligations rated Caa are judged to be speculative of poor standing and are subject to very high credit risk. Ca Obligations rated Ca are highly speculative and are likely in, or very near, default, with some prospect of recovery of principal and interest. C Obligations rated C are the lowest rated and are typically in default, with little prospect for recovery of principal or interest b. Definition von Ratings zu kurzfristigen Verbindlichkeiten Hinsichtlich kurzfristiger Verbindlichkeiten definiert Moody’s wie folgt die Ratings: Moody’s Global ShortTerm Ratingsymbol Definition P-1 Issuers (or supporting institutions) rated Prime-1 have a superior ability to repay short-term debt obligations. 185 Moody’s Ratingsymbole und -definitionen, Stand September 2012.