sehverstehen im unterricht der romanischen
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sehverstehen im unterricht der romanischen
SEHVERSTEHEN IM UNTERRICHT DER ROMANISCHEN SPRACHEN. ZUM INTERKULTURELLEN UND KOMMUNIKATIVEN POTENTIAL EINER WENIG BEACHTETEN (FREMD-)SPRACHLICHEN FERTIGKEIT CHRISTINE MICHLER (BAMBERG), DANIEL REIMANN (REGENSBURG) TIM BORGHOFF (DUISBURG-ESSEN), MARTA SÁNCHEZ CASTRO (DUISBURG-ESSEN) "Visual Awareness" im Fremdsprachenunterricht fördern am Beispiel des Spanischen Si echamos un vistazo a los planes de estudio, estándares de educación o currículos actuales para la enseñanzaaprendizaje de lenguas extranjeras en secundaria en Alemania, pronto se podrá comprobar que la comunicación, o si se prefiere hablar en términos de competencias, la competencia comunicativa está en el centro de todos los intereses. En este espacio no vamos a centrar en ella, sino en otra, la competencia visual, a la cual, a pesar de ser un campo de investigación de lo más actual (cf. Knieper/Müller: 2001), se le ha asignado, hasta hoy, poca atención en el ámbito de la enseñanza de LE. En esta ponencia, intentaremos presentar algunas técnicas y estrategias de visualización para la introducción y el trabajo con imágenes en la clase de ELE con el fin de activar la "visual awareness” de nuestros alumnos y, a su vez, motivarlos a reflexionar y a comunicarse en la lengua extranjera. RAFAEL CANO GARCÍA (GIEßEN), MANFRED F. PRINZ (GIEßEN) Hiphop und Hör-Seh-Verstehen – Aus einem Projekt zu romanischsprachigen Jugendkulturen Anhand dreier romanischer Sprachen, Französisch, Spanisch und Portugiesisch sollen jugendmusikalische Manifestationen aus der Hiphop-Kultur Anlass geben, über die Vielzahl der Kompetenzen zu reflektieren, die der Fremdsprachenunterricht über die vier klassischen Fertigkeiten hinweg entwickeln kann. Videomaterial in Form von youtubes zu einzelnen Raptiteln begleiten und ergänzen die Behandlung von Musik und Text, wobei autonome Formen des Lernens und Recherchierens, offene Formen der Sprach- und Themenerschließung über die Vielfalt der Medien und möglicher Lernstrategien vorgestellt werden sollen. Über ein breites Angebot von insbesondere visuellem Anschauungsmaterial können die sprachliche, kulturelle, thematische u.a. Vielfalt fremder Welten erschlossen werden. Globale Aspekte jugendkultureller Zwischenraumkulturen und Darstellungsformen manifestieren sich in Videoclips, Graffiti, Mode und Lifestyle der vertretenen Hiphop-Szene. Fremdverstehen und Interkulturelle Kompetenz finden im HörSeh-Verstehen eine weitere differenzierte Dimension für den Zugang zu Kulturen und Sprachen von "Zentren" und "Peripherien" der Romania. VICTORIA DEL VALLE LUQUE (HANNOVER) Zur Verflechtung von visual literacy und literarisch-ästhetischer Kompetenz mit poemas visuales im Spanischunterricht Bilder sind allgegenwärtig. Im Zeitalter des "iconic turn" (Boehm 1995, 13) werden Bilder mehr denn je zuvor generiert, gezeigt, geschossen, gescannt, gedruckt, verlinkt, hochgeladen etc., vor allem aber gesehen und "gelesen". Angesichts dieser "Inflation der Bilder" (Dencker 2010) und der Tatsache, dass wir ganze Generationen in einer Welt der visuellen Kommunikation sozialisieren, sind sich Kommunikationswissenschaftler, Medienpädagogen und Fachdidaktiker einig, dass die Befähigung zum Sehverstehen und die damit einhergehende Notwendigkeit des kritischen Hinterfragens von Bildwirkungen und Bildbotschaften fachübergreifende Lernziele in unseren Schulen sein sollten (vgl. z. B. Hecke 2010, 325 f., Blell 2010, 97). So zeigt sich auch in der Fremdsprachendidaktik, dass sich visual literacy oder visuelle Kompetenz als eine über die sinnesorganische Fähigkeit des Sehens hinausgehende Teilkompetenz der kommunikativen Kompetenz mittlerweile durchgesetzt hat (vgl. u. a. Hallet 2010, Hecke 2010, Seidl 2007). Doch was hat visual literacy mit literarisch-ästhetischer Kompetenz zu tun? Können wir uns, provozierend formuliert, nicht einmal mehr bei der literarischen Kompetenz, in der doch vornehmlich das Leseverstehen vonnöten ist, von dieser Bilderinvasion befreien? Wir stammen aus dem Logozentrismus (vgl. Seidl 2007, 2), und es fällt uns scheinbar schwer zu akzeptieren, dass das Lesen längst nicht mehr auf dem Dekodieren aneinandergereihter Buchstaben und der Entnahme ihres semantischen Gehalts beruht. Bilder sind allgegenwärtig, auch in der Literatur. Literarische Manifestationen bedienen sich des visuellen, wie des sprachlichen Codes gleichermaßen, und das ist zudem nicht neu. Im Vortrag wird anhand spanischsprachiger visueller Gedichte exemplifiziert, wie solche Textformen an das Sehen als Leseprozess appellieren. Zudem soll veranschaulicht werden, dass der Umgang mit Poesía Visual im Unterricht durch die Aufwertung von Visualität eine – ob bewusst oder unbewusst, jedenfalls notwendige – Auseinandersetzung mit Ikonizität und Symbolizität (nach Peirce, Clausen 1984, 1034) der poetischen Sprache impliziert. Doch nicht nur rezeptive Fertigkeiten der literarisch-ästhetischen Kompetenz sollen im Mittelpunkt stehen. Vielmehr bietet der Umgang mit poemas visuales eine Vielzahl produktiver Herangehensweisen wie beispielsweise typografische Aufarbeitungen sprachlichen Materials im Hinblick auf die Rhetorik des Effekts (Kepser 2006, 55) oder den gezielten Einsatz von Bildern im (fremd)sprachlichen ROMANISTENTAG WÜRZBURG 2013 und zugleich ästhetischen Kontext. Für den fremdsprachlichen Literaturunterricht, insbesondere den späteinsetzenden Spanischunterricht, in dem das Auseinanderklaffen von mangelnder sprachlicher Kompetenz einerseits und dem Bedürfnis nach inhaltlicher Komplexität andererseits gravierend ist, liegt in der Verbindung von Text und Bild die Chance, sie nicht nur in einer Beziehung zueinander zu verstehen, sondern als sprachliche Codes zu verwenden. Durch einen kreativ-handlungsorientierten Umgang mit poemas visuales werden des Weiteren Verstehensprozesse in Gang gesetzt, die zu fruchtbaren Erkenntnissen über die ästhetische Beschaffenheit eines poetischen Textes führen können. RENATE FISCHER (HAMBURG) Sehverstehen und Minderheitensprachen: Der "Fall" Gebärdensprache Weltweit haben viele Länder, wie z.B. Deutschland oder Frankreich, die UN-Behindertenkonvention unterzeichnet. Deren Ziel ist unter anderem, durch Aufklärung der Mehrheitsbevölkerung die gesellschaftliche Situation von Menschen mit Behinderung zu verbessern. Im Unterricht über die Gebärdensprachgemeinschaften zu informieren, ist eine Form, die Konvention umzusetzen. Da sich die Gebärdensprachgemeinschaften als sprachliche Minderheiten verstehen, bedeutet dies zugleich eine Perspektiverweiterung über den Abbau von Barrieren hinaus. Ob in Frankreich, Deutschland, Italien oder Spanien – in allen diesen Ländern gibt es nationale Gebärdensprachen (LSF, DGS, LIS...), die sich in Grammatik, vor allem aber Lexik stark voneinander unterscheiden und außerdem sprachtypologisch nicht mit den jeweiligen Nationalsprachen (Lautsprachen wie Deutsch, Französisch, ...) verwandt sind. Alle Gebärdensprachen weltweit bilden wahrscheinlich einen eigenen visuogestiven Sprachtyp, sie lassen sich keiner der bisher bekannten Sprachenfamilien (wie Indoeuropäisch) zuordnen. Sprachgemeinschaften sind im Allgemeinen auch Kulturgemeinschaften, so dass die Beschäftigung mit Gebärdensprachen stets Sprach- und Kulturdifferenzen beinhaltet. Im Rahmen der Sektion "Sehverstehen" präsentiert der Beitrag Überlegungen, inwiefern die Beschäftigung mit den Gebärdensprachen gehörloser Menschen das Sehverstehen hörender Jugendlicher fördern könnte und dies verbunden wäre mit "Aufklärungsarbeit" über eine spezifische Gruppe behinderter Menschen und einen Sprachtyp ganz "neuer" Art. MANUELA FRANKE (MARBURG), BARBARA GÜLDENRING (MARBURG) Me gusta – I like: Förderung des Sehverstehens durch Memes im Spanischunterricht Sehverstehen ist eine häufig stiefmütterlich behandelte Fertigkeit, deren Relevanz jedoch insbesondere im Kontext neuer Medien und deren Bildgestütztheit immer deutlicher wird. So erleichtert sie das Verstehen verschiedener Zusammenhänge im Internet beispielsweise nicht nur, sondern macht es unter Umständen erst möglich; ein Aspekt, der die Förderung des Sehverstehens im fremdsprachlichen Unterricht weiter an Bedeutung gewinnen lässt. Mit Facebook, Twitter und Co. wird Kommunizieren zunehmend kompakter und schneller. Dies zeigt sich insbesondere am Internetphänomen der Memes, welche in der Regel innerhalb von wenigen Stunden durch das WorldWideWeb verbreitet werden. Vergleichen lassen sich Memes mit Insiderwitzen, wobei letztere sich auf einen stark eingegrenzten, meist privaten Personenkreis beschränken. Memes hingegen können von ganzen Sprachgemeinschaften – häufig auch über Sprachgrenzen hinweg – verstanden und modifiziert werden. Um ein Meme sowohl in seiner sprachlichen als auch gesellschaftlichen Relevanz begreifen zu können, bedarf es eines umfassenden Wissens über das soziale wie auch kulturelle Umfeld der jeweiligen Sprachgemeinschaft. Die den Memes häufig zugrunde liegende Bildlichkeit stellt in diesem Zusammenhang das Verbindungsglied zwischen der eigenen und der fremden Kultur dar, wodurch wiederum das Verstehen erleichtert wird. Im Rahmen unseres Vortrags stellen wir die Bedeutung von Sehverstehen für das Erlangen kultureller Kompetenz anhand von Memes dar. Hierbei ist aus fachdidaktischer Sicht neben der ansprechenden Verbindung von Bild und Text insbesondere die Memes charakterisierende Modifizierbarkeit von Interesse. Indem sie darüber hinaus höchst aktuelle kulturelle Inhalte transportieren, bieten sie Lernenden sowohl authentische Kommunikationsanlässe als auch -kontexte, welche ein großes Potential für den Spanischunterricht darstellen. MARTA GARCÍA (GÖTTINGEN) Interkulturelles Sehverstehen: "Was ist spanisch an einem spanischen Film"? Es ist mindestens merkwürdig, wenn man von einem multimedialen Zeitalter ausgeht, wie wenig Beachtung das HörSeh-Verstehen im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (GER) gefunden hat. Es wird zwar als eigene Fertigkeit (§4.4.2.3. "audiovisuelle Rezeption") benannt, aber: Audiovisuelle Aktivitäten schlechthin, wie z.B. "an Gesprächen teilnehmen", "Kino, Theater oder Fernsehen rezipieren und verstehen", werden im GER als reines Hörverstehen eingeordnet. Beispiele für audiovisuelle Rezeption sind "einen vorgelesenen Text mitlesen" (warum ist das audiovisueller als "an einem Gespräch teilnehmen"?) und "eine Fernsehsendung oder Videoaufzeichnung oder einen Film mit Untertiteln ansehen" (Gehören die Untertitel nicht eher zum Leseverstehen?). ROMANISTENTAG WÜRZBURG 2013 Die Deskriptoren, die für "Fernsehsendungen und Filme verstehen" geliefert werden, beziehen sich nur oder hauptsächlich auf das Sprachliche: C1-C2 bedeutet Filme verstehen "auch wenn viel saloppe Umgangssprache […] darin vorkommt"; B2 "sofern Standardsprache gesprochen wird", B1 "sofern darin relativ langsam und deutlich gesprochen wird" usw. Für den GER hat das Visuelle darüber hinaus nur eine erleichternde, unterstützende Funktion (wenn die "Handlung im Wesentlichen durch Bild und Aktion getragen wird" "wenn der Kommentar durch das Bild unterstützt wird"). Die Rolle der nonverbalen Elemente in der Übertragung von Bedeutungen und die kulturellen, landeskundlichen Informationen, die die Bilder enthalten, werden grundsätzlich "übersehen". Mein Vortrag setzt sich daher zum Ziel, Deskriptoren für das "interkulturelle Bildverstehen" (Biechele 2006) zu entwerfen, d.h. Deskriptoren für das Sehverstehen, die dem interkulturellen Wert der Bilder in audiovisuellen Medien (insbesondere Filmen und Fernsehsendungen) Rechnung tragen, und Lernaufgaben vorzuschlagen, die beispielhaft das interkulturelle Sehverstehen und den Einsatz von Sehstrategien fördern, also, Instrumente für Lerner und Lehrende zu entwickeln, die einsehbar machen, was "spanisch" an einem spanischen Film ist. RÜDIGER GROTJAHN (BOCHUM), RAPHAELA PORSCH (DORTMUND), BERND TESCH (BERLIN) Methoden und Forschungsergebnisse zur empirischen Messung des Hör-Sehverstehens in Abgrenzung zum Hörverstehen in der L2 Die Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (KMK, 2003, 2004) führen unter den kommunikativen Kompetenzen u.a. das Hörverstehen und das Hör-Sehverstehen in der Fremdsprache auf, wobei diese Kompetenzen gemeinsam in den Standards genannt werden. Die Verfasser der Bildungsstandards für die erste Fremdsprache beziehen sich vor allem auf die Beschreibungen und Skalen zur auditiven Rezeption, die im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (Europarat, 2001) aufgeführt sind. Theoretisch wie empirisch hat sowohl die Fremdsprachenforschung (vgl. z.B. Gruba, 1999; Coniam, 2001; Ginther, 2002; Thaler, 2007) als auch die pädagogisch-psychologische Medienforschung (vgl. z.B. Mayer, 2001; Schnotz, 2005) gezeigt, dass das gleichzeitige Sehen bewegter Bilder sich vom Hörverstehen unterscheidet. Im folgenden Beitrag soll eine Auswahl angewendeter Forschungsmethoden vorgestellt werden, mit denen die theoretisch angenommene Zweidimensionalität empirisch untersucht werden kann. In diesem Zusammenhang werden Ergebnisse aus Studien mit Lernern einer Zweit- oder Fremdsprache vorgestellt, in denen das Hör-Sehverstehen in Abgrenzung zum Hörverstehen in einer L2 gemessen wurde. Zuvor wird in Modelle und Theorien zum Konstrukt des Hör-Sehverstehens eingeführt, welche die Grundlage für die empirischen Untersuchungen liefern. Anschließend sollen die Ergebnisse einer Experimentalstudie (vgl. Porsch, Grotjahn & Tesch, 2010) vorgestellt werden, welche 2009 im Kontext der Überprüfung der Bildungsstandards für die erste Fremdsprache für den Mittleren Schulabschluss (KMK, 2003) mit Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 9 mit Französisch als erste Fremdsprache in mehreren Bundesländern durchgeführt wurde. In dieser Experimentalstudie wurde eine Auswahl an Testaufgaben zu authentischen Videosequenzen eingesetzt. Die Probanden wurden dazu zufällig zwei Gruppen zugeordnet: Eine Gruppe hörte von drei Bildsequenzen in französischer Sprache lediglich den Ton (N = 95), die andere Gruppe sah die Videos mit dem Bild und dem Ton (N = 107). Neben der Vorstellung der Ergebnisse – Unterschiede in den Leistungen im Vergleich der Gruppen getrennt nach Items – sowie der Identifikation von Strategien und Schwierigkeiten bei der Aufgabenbearbeitung, welche mit Hilfe eines Fragebogens ermittelt wurden, soll der Vortrag mit einer Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der empirischen Überprüfung des fremd- bzw. zweitsprachlichen Hör-Sehverstehens abschließen. VEIT R. J. HUSEMANN (PADERBORN) Vom Sehverstehen zur Handlungskompetenz und interkulturellem Lernen: virtuelle Reisen im Klassenzimmer mit Google street view Im Zeitalter einer digitalisierten, global vernetzten Welt und einer kontinuierlichen Bedeutungszunahme der "elektronischen Helfer", insbesondere im Alltag unserer Schülerinnen und Schüler, lohnt es sich, mediale und technische Entwicklungen sowie Fortschritte im Hinblick auf Unterrichtstauglichkeit und Lerneffizienz zu überprüfen. Der Vortrag thematisiert das didaktische Potenzial des Online-Programms Google street view für den Fremdsprachenunterricht. Mit dem Fokus auf das Sehverstehen wird erläutert, welche neuen Perspektiven und Wahrnehmungen von Ländern bzw. Kulturen der Zielsprache das Internet-Werkzeug gewährt und inwieweit es einen motivierenden sowie handlungsorientierten Unterricht unterstützen kann, ganz nach dem Motto Sehen-VerstehenHandeln. Ziel sind offene, lernerzentrierte und -aktivierende Unterrichtsformen unter besonderer Berücksichtigung der Stärkung der interkulturellen Kompetenz. Statt wie einst mit dem Finger auf der Landkarte, kann mit dem Vielfachen an denkbarer Authentizität nun in viele Länder und deren Städte "eingetaucht" werden. Zur methodischen Fokussierung werden konkrete Beispiele für den Einsatz von Google Street View im Fremdsprachenunterricht vorgestellt: u. a. zum gezielten Erlernen der Wegbeschreibung als wesentlicher Bestandteil der kommunikativen Kompetenz in der Spracherwerbsphase, zur Wortschatzerweiterung durch situatives und vernetztes Lernen, zur Stärkung der ROMANISTENTAG WÜRZBURG 2013 Persönlichkeitskompetenz im Umgang mit Stereotypen und Erkennen von kulturspezifischen Unterschieden im Projektlernen. THOMAS JOHNEN (STOCKHOLM) Interkulturelles Lernen durch Sehverstehen im Portugiesischunterricht am Beispiel des Online-Video-Sprachkurses Conversa Brasileira Die Entwicklung interkultureller Kompetenz im Fremdsprachenunterricht (im Folgenden: FU) stellt eine besondere Herausforderung dar, insofern es sich nicht um eine durch bestimmte Methoden und deklaratives Wissen erlernbare Kompetenz handelt (vgl. z.B. Müller-Pelzer 2011; Witte 2011), sondern um eine, die vor allem durch die Erfahrung interkultureller Interaktionssituationen und die Reflexion darauf prozesshaft erworben wird. Damit steht der FU vor allem in einem ausgangssprachlichen (und -kulturellen) Umfeld vor der Schwierigkeit, wie der interkulturelle Lernprozess in einer solchen Situation überhaupt initiiert werden kann. Audiovisuelle Medien, die situationseingebundene interaktive Situationen wiedergeben, scheinen in diesem Zusammenhang besonders geeignet, da auch non-verbale Elemente der zielsprachlichen (und -kulturellen) Kommunikation wie Gestik, Mimik, Köperhaltung und Körperabstand beobachtbar und der Reflexion zugänglich werden, und zwar sowohl in ihrer Interrelation zur gleichzeitig geschehenden verbalen Kommunikation als auch im Kontrast zum eigenkulturellen Hintergrund der Lernenden. Es ist demnach eine interessante Fragestellung, wie speziell das Sehverstehen im FU interkulturelles Lernen initiieren kann. 2 Ziel des Vortrages ist nun am konkreten Beispiel des Video-Sprachkurses Conversa Brasileira (Kelm 2012; im Druck) dieses Potential für den FU aufzuweisen und erste Ergebnisse im Einsatz des Materials im Portugiesischunterricht im universitären Kontext in Schweden vorzustellen. Conversa brasileira erscheint u.a. deshalb als ein besonders geeignetes Material, weil in 35 Kurzvideos 17 unterschiedliche inszenierte Situationen dargestellt werden, bei denen den Akteuren lediglich die Situation vorgegeben war, und die deshalb sich authentischen Situationen sehr stark annähern. Der vorschnellen Etablierung von Stereotypen bei den Lernenden wird dadurch entgegengewirkt, dass es zu jeder Situation mindestens zwei Videos mit meist sehr unterschiedlichen Interaktionsstylen gibt. EVA LEITZKE-UNGERER (HALLE-WITTENBERG) Surmonter l'exclusion sociale: Zur Bildersprache des Films Intouchables (2011) im Französischunterricht Maserati statt Rollstuhl, Ohrensex statt Askese, wilde Fahrten übers Eis oder durch das nächtliche Paris – die französische Filmkomödie Intouchables (2011) ist vor allem deshalb so erfolgreich, weil sie die Thema ‚Behinderung' und ‚Ausgrenzung' aus einem ganz neuen Blickwinkel betrachtet. Philippe, der querschnittsgelähmte reiche Adelige, durchbricht die Schranken, die ihm seine Behinderung auferlegt. Dass ihm dies gelingt, ist das Verdienst von Driss, einem arbeitslosen jungen Senegalesen aus der Pariser banlieue, der von Philippe als Pfleger eingestellt wird. Driss ist unbekümmert und frech, zugleich aber offen und unvoreingenommen; er hat das Herz auf dem rechten Fleck und ermöglicht seinem behinderten Chef die Teilhabe am ‚normalen' Leben. Aber auch Driss überwindet die soziale Ausgrenzung, für die ihn seine Herkunft und seine Karriere als Kleinkrimineller prädestiniert zu haben scheinen. Dies wiederum ist das Verdienst von Philippe, der ihm mit der lukrativen Arbeitsstelle nicht nur die Möglichkeit zum sozialen Aufstieg eröffnet, sondern etwa auch sein Interesse für Literatur, Kunst und klassische Musik weckt. Jeder der beiden Protagonisten überwindet also mit Hilfe des anderen seine exclusion sociale. Anstelle von wechselseitigem Mitleid ist pure Lebensfreude, joie de vivre, angesagt, und zwischen Philippe und Driss entwickelt sich die vielzitierte "wunderbare Freundschaft". Maßgeblich beteiligt an der Umsetzung dieser Botschaft ist die eindrucksvolle Bildersprache des Films. Wie diese im Rahmen einer Unterrichtseinheit für den Französischunterricht ab dem 3./4. Lernjahr entschlüsselt werden kann, welche Anforderungen hier an das Sehverstehen gestellt und welche Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit dem Thema Behinderung und soziale Ausgrenzung eröffnet werden können, ist Gegenstand des Vortrags. ROSENGARTH, KATHARINA (REGENSBURG) Neurobiologische Grundlagen des Seh- und Hörverstehens: Implikationen für die Sprachverarbeitung ROMANISTENTAG WÜRZBURG 2013 ELENA SCHÄFER (FRANKFURT/MAIN) Lernvideos zur Förderung des Hör-Sehverstehens im Französischunterricht Unsere Lebenswelt ist geprägt von den technischen Errungenschaften des 21. Jahrhunderts. Bedingt durch die mediale Präsenz und Einflussnahme auf unseren Alltag steht die Institution Schule vor der Herausforderung, frühzeitig Wege zu finden, die zu einem kompetenten und kritischen Umgang mit Medien führen. Neben der Entwicklung fremdsprachlicher und medialer Kompetenzen wird das Bedürfnis nach einem integrierten HörSehverstehen zunehmend größer. Dementsprechend versuchen gegenwärtige Lehrwerksüberarbeitungen, diesem Anliegen durch die Integration von Lernvideos gerecht zu werden. Ziel soll sein, Aufgaben zum fremdsprachlichen HörSehverstehen bereits ab dem Anfangsunterricht einzusetzen. Basierend auf einer quantitativen Analyse bezüglich Angebot und Konzeption derzeitiger Überarbeitungen und Neuerscheinungen soll am Beispiel des Fachs Französisch aufgezeigt werden, ab welchem Lernjahr Hör-Sehverstehen geschult wird. Durch den Vergleich mit Lernvideos fortgeschrittener Sprachniveaus soll ebenso deutlich werden, welchen Funktionen (sprachlich-kommunikativ/interkulturell) die mit dem Lernvideo verbundenen Aufgabentypen entsprechen. In diesem Zusammenhang soll abschließend geklärt werden, inwiefern der Lehrer Unterstützung in Form von lehrwerksbegleitenden Materialien, Aufgabenvorschlägen und Handreichungen findet. HEIDE SCHRADER (FRANKFURT/MAIN) Bildbetrachtung mit Sprachenlernen verbinden – Zum Einsatz von Kunstbildern im Französischunterricht Die Annäherung an Kunstbilder ist ein Prozess. Schon nach dem ersten Blick besteht in der Regel eine globale Orientierung, der sich dann die Detailauswertung anschließt. Wohin das Auge blickt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, zunächst vom Bild selbst und vom Betrachter. Beide, das ästhetische Objekt und das betrachtende Subjekt, strukturieren den Rezeptionsprozess. Das Bild entfaltet seine strukturierende Macht und lässt den Betrachter auf Komposition und Inhalt achten. Der Betrachter wiederum bringt ins Spiel, was er empfindet, weiß, erinnert und assoziiert. Im Unterricht wird die Bildwahrnehmung zusätzlich von einem dritten Faktor bestimmt, der dem Bild zugedachten Funktion. Wahlweise nutzen wir Bilder als Mittel der Motivation, zur Veranschaulichung oder als Sprech- und Schreibanlass. Im Fremdsprachenunterricht wird gern zu Bildmedien gegriffen, erlauben sie doch in vielen Situationen in Sekundenschnelle ein Globalverständnis. Die Beschäftigung mit dem Kunstbild stellt allerdings einen Sonderfall dar. Die ästhetische Zielsetzung der Kunstwerke und die in ihnen enthaltene Fremdheit verzögern auf eine geradezu natürliche Art und Weise die Verarbeitung und Interpretation von Wahrnehmungsdaten. Um das interkulturelle und kommunikative Potential dieser Bilder voll auszuschöpfen, braucht es Zeit. Voraussetzung ist aber auch eine entwickelte Sprachkompetenz. Um das Sehverstehen im Kontext der Betrachtung von Kunstbildern zu qualifizieren, benötigen wir fast zwangsläufig die Sprache. "Wenn wir (differenzierter) sehen wollen, brauchen wir mehr Unterscheidungsangebote". So formuliert Schmidt (1995) in seinem Aufsatz "Über die Funktion von Sprache im Kunstsystem". Unterscheiden aber ist unlösbar mit Benennen verbunden. Wir brauchen die Sprache als differentielles System von Unterscheidungen, damit wir unsere Unterscheidungskapazität entfalten. Ein Grund mehr, Bildbetrachtung und Sprachenlernen zu verbinden. Welche Möglichkeiten sich im Französischunterricht bieten, die Schulung des Sehverstehens bei der Betrachtung von Kunstbildern sinnvoll mit dem Sprachenlernen zu verschränken, soll im Beitrag systematisch untersucht und an Beispielen illustriert werden. ARMIN VOLKMAR WERNSING (KREFELD) Landeskunde-Test-Filme im Bundeswettbewerb Fremdsprachen: Sehverstehen inklusive Combien de choses admirables perdues pour eux! (Diderot, Lettre sur les aveugles) Landeskunde ist nicht einfach eine Anhäufung von Wissen, es ist – als Kompetenz formuliert – die Fähigkeit, sich in einer fremden Kultur zurechtzufinden. Dabei wird der Mensch als Handelnder gedacht: Auf der Seite der Rezeption als einer, der mit allen Sinnen wahrnimmt, auf der Seite der Reaktion als einer, der versteht, urteilt und reagiert. Schule soll auf solches Handeln en connaissance de cause vorbereiten. Auf dem Sprachenturnier des Bundeswettbewerbs Fremdsprachen wird deshalb eine integrative Landeskunde betrieben: Lese-, Hör- und Sehverstehen sind gleichermaßen gefordert, wenn die Teilnehmer mit einem einstündigen Film über "Guerre, occupation, Libération", über "Le tour du monde en 60 minutes" (Frankophonie) oder "Être jeune en France" konfrontiert werden. Sehverstehen etwa ist gefordert, wenn man vier kurze Statements aus den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sieht, in denen alle Befragten das Gleiche sagen: Die Frau gehört an den Herd und zieht die Kinder auf. Nur der Mimik eines jungen Mannes kann man entnehmen, dass er diese traditionelle Rolle für überholt hält. Ein Musterbeispiel dafür, dass aufmerksames Hinschauen zum Verständnis des Gesagten gehört. Beispiele aus den Landeskunde-Filmen werden das illustrieren. ROMANISTENTAG WÜRZBURG 2013 Aber Sehen muss gelernt werden: Gerade die Bilderflut, der sie ausgesetzt sind, macht es Jugendlichen schwer, richtig hinzusehen. Und kann man richtig hinsehen, wenn man nichts weiß? Der Vortragende hat da begründete Zweifel, die ihn dazu geführt haben, Kompetenz als "Wissen in Aktion" zu definieren. Für die Aktion hat aber ein Test, auch in Form eines Films, wenig anderes zu bieten als Ankreuzen und ein gelegentliches Sätzchen. Ein Grund mehr, um Unterricht nicht aus den Testformen abzuleiten und Bildung für mehr zu halten als eine Ankreuz-Kompetenz. Auch da sieht sich der Vortragende in der Pflicht, etwas im Französischunterricht Praktikables anzubieten, von dem er nicht nur eine Theorie, sondern eine Erfahrung hat. JOCHEN WILLWER (BINGEN) Le français sort de l'ombre – Schattenbilder im Französischunterricht Dass Bilder seit jeher den Fremdsprachenunterricht unterstützend bereichern, dürfte in der aktuellen Fachdidaktik niemand ernsthaft bestreiten. Das in aktuellen Lehrwerken abgedruckte Bildmaterial reicht folglich von Comics über Karikaturen bis hin zu Abdrucken von Gemälden, stellt also für Fremdsprachenlernende wie -lehrende ein stilistisch und typologisch vielfältiges Angebot dar. Schaut man allerdings genau hin, fällt auf, dass ein bestimmtes Genus kaum repräsentiert ist, nämlich dasjenige des Schattenbilds – was verwundert, gehört doch das Spiel mit Schatten und ihrer Deutung spätestens seit der Verbreitung von Showdarbietungen wie Shadowland zu denjenigen Unterhaltungsangeboten, die aktuell besonders bekannt und nachgefragt sind. Sollte dieser populäre Bildtypus für unterrichtliche Zwecke nun gar nicht verwendbar sein? Ausgehend von einer Lehrwerkschau geht der Vortrag dieser Frage nach, indem er zunächst die Semiotik des Schattenbilds im Kontext seines fremdsprachendidaktischen Nutzens beleuchtet. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden in einem zweiten Schritt konkretisiert in praktischen Unterrichtsvorschlägen, die aufzeigen, in welchem Maß Schattenbilder den Französischunterricht auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Phasen des Spracherwerbs zu bereichern vermögen. STÉFANIE WITZIGMANN (HEIDELBERG) Die Bedeutung des Sehverstehens im zielsprachlichen Sachfachunterricht Kunst für die Entwicklung kommunikativer Sprachkompetenzen Das moderne Zeitalter der digitalen Medien bleibt nicht ohne Konsequenzen für das Erlernen von Fremdsprachen. Ein zeitgemäßer Fremdsprachenerwerb entfernt sich von einer ausschließlichen Übermittlung von Sprachkompetenzen durch die Schriftsprache hin zu visuellen, auditiven bzw. multimedialen Austauschprozessen (vgl. Hallet 2008: 171). Der fremdsprachendidaktische Diskurs erweitert sich und bezieht zunehmend "neue" Kompetenzen wie das Hör-SehVerstehen oder die Sehverstehenskompetenz mit ein. Ausgehend von einer explorativen Studie über den Sachfachunterricht Kunst in der Zielsprache Französisch (vgl. Witzigmann 2011) soll in diesem Beitrag die Bedeutung eines solchen fremdsprachenorientierten Sachfachunterrichts für die Entwicklung der kommunikativen Sprachkompetenzen präsentiert werden. Anhand von konkreten und praxisrelevanten Unterrichtsbeispielen kann gezielt die Rolle des Sehverstehens und des Seh-Hör-Verstehens für die Entwicklung interkultureller und kommunikativer Kompetenzen analysiert werden. Unterrichtssituationen, die es im Hinblick auf einen modernen Fremdspracheunterricht gezielt zu kreieren gilt. KATJA ZAKI (REGENSBURG) Murales im FSU – Kunst der Kommunikation und Kommunikation der Kulturen In einem Fremdsprachenunterricht, der den Wert des Kommunikativen heute zu oft um das Primat der Mündlichkeit zentriert, scheint der Einsatz eines Bildes ohne begleitende Tonspur oder interaktive features fast schon antiquiert zu sein, dem reinen Sehverstehen eine eher nachgeordnete Rolle zuzukommen. Zu Unrecht, wenn man das Potential der Kunst – insbesondere des Muralismus mit seiner Verbindung aus Bild, Text und Kollektivsymbolik – für das transkulturelle Lernen und den im Lehrplan zwar verankerten, aber in der Praxis oft vergessenen Wert der ästhetischen Bildung betrachtet. Als José Vasconcelos den öffentlichen Raum zwischen Chiapas und Baja California mit "visuellen Narrativen" (Tomás Ibarra-Fausto 2007) der mexikanischen Geschichte überziehen ließ, hatte er ein Ziel: ein Mexiko zu malen, um ein Mexiko zu bilden, die post-revolutionäre Gesellschaft zu öffnen, um alle ethnischen Minderheiten und sozialen Schichten in die narration of the nation (Bhabha 1990), in die kulturelle Staatenbildung zu integrieren. Durch eine Geschichtsschreibung in Bildern beteiligten die Tres Grandes damals auch die analphabetische Bevölkerung am Dialog und veränderten dabei nicht nur die kollektive Wahrnehmung (von Gesellschaft, Geschichte und Kultur), sondern den gesamten öffentlichen Raum – selbst jenseits des Río Grande, wo murales in den 1960er Jahren mit ihren kulturellen Diskursen und alternativen Geschichtsschreibungen zwischen Barrio Logan und East L.A. zum Sprachrohr des Chicano Movement wurden. ROMANISTENTAG WÜRZBURG 2013 Doch sind die Wandgemälde wirklich nur eine Krücke, eine Kompensation für sprachliche Unzulänglichkeit oder soziale Sprachlosigkeit? Sind sie nicht auch selbst eine Art Zeichensystem, das uns durch die Simultanität von Bild, Text und Kollektivsymbolik die kulturelle Dimension einer funktionierenden Kommunikationssituation vor Auge führen hilft? Auf beiden Seiten de la frontera zeigt uns die Symbolik in murales schließlich sowohl das Potential öffentlicher Kunst zur inter- bzw. transkulturellen Kommunikation als auch ihre Problematik und Restriktion durch Zeichen, die ohne das Wissen um ihre kulturelle Eingebundenheit Verstehen eher behindern als ermöglichen. In der soeben skizzierten Verbindung von Sprache, Kultur und Kommunikation gründet sich auch die Motivation für den Einsatz von murales in einem transkulturell ausgerichteten Spanischunterricht (und zwar ab dem ersten Lernjahr): Indem Schüler in Chicano-murales beispielsweise stets mit dem Nebeneinander verschiedener Kulturen und Weltdeutungen, mit Quetzacoatl und Pancho Villa, mit mojados und der Migra, konfrontiert werden, finden Prozesse des Perspektivenwechselns und Relativierens quasi spielerisch statt und werden durch die kulturelle Kontextualisierung des eigenen Blick- und Erkenntniswinkels ergänzt; darüber hinaus motiviert die Offenheit der murales insbesondere zur kreativen Auseinandersetzung und eigenen Hypothesenbildung, wodurch die Individualität der Interpretationen wiederum zu vielfältigen negotiations of meaning führt und dadurch auch eine Vielzahl von produktiven Anknüpfungsmöglichkeiten schafft (vgl. Scherling/Schukall 1992, Rössler 2008). ROMANISTENTAG WÜRZBURG 2013