Aufgaben A - Lösungshilfe - ISB

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Aufgaben A - Lösungshilfe - ISB
Abschlussprüfung 2009
an den Realschulen in Bayern
Kunsterziehung
Aufgabengruppe A
LÖSUNGSHILFE
Vorbemerkung:
● Die Erstellung eines Erwartungshorizontes und die Benotung erfolgen durch die
jeweilige Lehrkraft in pädagogischer und fachlicher Verantwortung. Die vorliegende
Lösungshilfe zeigt eine ideale Lösung und kann in ihrer Vollständigkeit nicht von
Schülern erwartet werden.
● Selbstverständlich sind auch andere richtige Lösungen zu akzeptieren, die die Lösungshilfe
nicht vorsieht.
● Der stichpunktartige Aufbau berücksichtigt nicht die durch die Fragestellung implizierte
Antwortform (z. B. ausführliche Beschreibung bei „Erläutern Sie …“).
● Auch ungewöhnliche Schülerlösungen im Bereich II, die die eigene Meinung kundtun,
sollen positiv bewertet werden, solange sie begründet sind.
I.
Kunstgeschichte: Malerei des Realismus - Surrealismus
Mitte des 19. Jahrhunderts war der Realismus die moderne Strömung in der Kunst
Mitteleuropas. Ein Hauptanliegen der Maler des Realismus war es, in ihren Werken eine
ungeschönte Wirklichkeit darzustellen.
1. Zeigen Sie gesellschaftliche, politische und kulturelle Hintergründe auf, die Einfluss auf
die Malerei der Realisten nahmen.
· Beginnendes Industriezeitalter
· führt zu großen sozialen Problemen.
· "Landflucht" führt zu sprunghaftem Anwachsen der Großstädte und damit auch zu sozialen
Problemen.
· Märzrevolution 1848
· "Kommunistisches Manifest" von Karl Marx:
· "Arbeitskraft des Proletariats und Kapital"
· Frankreich: Pressefreiheit - Versammlungsfreiheit - allgemeines Wahlrecht
· Deutschland bleibt Obrigkeitsstaat.
· Erfindung der Fotografie
2. Charakterisieren Sie den Realismus hinsichtlich
Themenwahl
· traditionelle Themen wie: Portrait - Landschaft – Akt,
· aber ohne Einbeziehung von Phantastischem, Traumhaftem,
· akademischen Schönheitsregeln oder
· klassizistischen Gesetzmäßigkeiten
· neu: Industriemilieu - Arbeitswelt - soziale Probleme
· Leben des einfachen Menschen - das "Gewöhnliche" - das "Hässliche"
und Malweise.
· Die Arbeitsweise wird schneller, flüchtiger.
· Die Farbe wird bereits manchmal mit der Spachtel oder dem Borstenpinsel aufgetragen.
· Sie bleibt rau und schartig stehen (Oberflächenstruktur).
· Farbe wird ungemischt oder gemischt aufgetragen.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzten sich die Surrealisten auf eine andere Weise mit der
Wirklichkeit auseinander.
3. Im Jahr 1924 hat André Breton ein Manifest formuliert, in welchem er den Surrealismus
definierte. Beschreiben Sie die Grundgedanken des Surrealismus.
· Die widersprüchlichen Erfahrungen von Traum und Wirklichkeit
· werden als komplexe Überwirklichkeit erfahrbar und sichtbar gemacht.
· Andere Bewusstseinszustände werden erreicht,
· unter anderem durch Meditation, Trance, Hypnose und Drogenkonsum.
· Traumhaftes und Irrationales wird dargestellt.
· Dabei wird ohne Logik vorgegangen.
· Durch Metamorphosen und Verfremdungen soll magische Wirkung erzielt werden.
4. Nennen Sie drei surrealistische Maler mit je einem Werk.
z. B.:
· Salvador Dalí:
· „Metamorphose des Narziss“
· René Magritte:
· „Das ist keine Pfeife.“
· Max Ernst:
· „Die Versuchung des hl. Antonius“
5. Neben der Malerei setzten surrealistische Künstler auch neue Gestaltungstechniken ein. Führen
Sie zwei davon an und erklären Sie diese stichpunktartig.
z. B.:
· Frottage (z. B.)
· = Abreibetechnik:
· von Max Ernst entwickeltes
· grafisches Verfahren,
· bei dem die Struktur von Materialoberflächen
· wie Holz, Metall, Textil oder dergleichen
· mittels Bleistiftmine, Kreide oder Kohle
· auf ein darüber gelegtes Papier durchgerieben wird
· Die sich beim Durchreiben ergebenden Formen werden in der Regel zeichnerisch und
malerisch überarbeitet bzw. ergänzt.
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Decalcomanie (z. B.)
= Abklatschverfahren:
Hier sollen zufällige, nicht vom Verstand kontrollierte Farb-Form-Beziehungen erzeugt
werden.
Auf ein Blatt Papier wird mehr oder weniger dick Farbe aufgetragen,
mit einem weiteren Blatt bedeckt,
das man mit dem Handrücken oder einer ebenen Fläche andrückt.
Dann hebt man das zweite Blatt vom oberen Rand her wie ein Abziehbild ab.
Es entstehen schlierenartige Farbflächen, die eine feine Farbstruktur aufweisen.
Meist werden die entstandenen „Abziehbilder“ in bestehende Bilder einbezogen.
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Grattage (z. B.)
= Abkratzen von Farbschichten:
Eine Fläche wird mit einer dicken Farbschicht versehen.
Es können auch verschiedene Farbschichten übereinander aufgetragen werden.
Durch Kratzen mit verschiedenen Werkzeugen
wird die oberste Farbschicht mit Texturen überzogen,
darunter liegende Schichten werden so auch sichtbar gemacht.
II.
Kunstbetrachtung: Bildvergleich Barock - Expressionismus - zeitgenössisches Foto
Das Thema Lesen ist in Werken der Bildenden Kunst und Literatur immer wieder
aufgegriffen worden.
Ihnen liegen die Reproduktionen folgender Gemälde vor:
Jan Vermeer (1632-1675): „Lesende“ (um 1663/64), Öl auf Leinwand, 106 x 146 cm
August Macke (1887-1914): „Frau des Künstlers (Studie zu einem Porträt)“ (1912), Öl auf
Leinwand, 45 x 57 cm
1. Beschreiben Sie den Inhalt des Bildes von Jan Vermeer.
Eine möglicherweise schwangere Frau steht in einem Wohnraum und liest in einem Brief, den
sie in den Händen hält. Die Arme sind angewinkelt. Sie trägt eine weite, blaue Jacke mit
weißem Kragen und einen gereihten, langen, braunen Rock. Die Jacke wird vorne mit
dunkelblauen Schleifenbändern zugehalten. Die Haare sind streng zurückgekämmt und zu
einem Knoten gebunden. Die Lippen der Frau sind leicht geöffnet, so als würde sie den Inhalt
des Briefes halblaut vor sich hin sprechen. Die Frau steht neben einem Tisch, auf dem sich
Bücher befinden und um den mit blauem Leder bezogene Stühle gruppiert sind. Ein Stuhl
wurde rechts zur Seite geschoben und wird vom Bildrand angeschnitten. Im linken
Bildvordergrund könnte eine dunkle Decke oder etwas Ähnliches über einen dritten Stuhl
ausgebreitet worden sein. An der Rückwand des Zimmers hängt eine vergilbte, beigebräunliche Landkarte. Der Raum ist vom Tageslicht, das durch ein unsichtbares Fenster auf der
linken Seite des Zimmers fällt, relativ hell erleuchtet.
2. Vergleichen Sie die beiden Gemälde (Vermeer und Macke) in Stichpunkten hinsichtlich:
a) Farbe
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Vermeer
vorwiegend Erdtöne
warme Farben:
vom hellsten Ockerbraun,
z. B. Landkarte linker Rand oder Haut in
Gesicht und an den Armen,
bis hin zu dunkelsten Brauntönen:
bei den Stühlen und am Tisch,
aber auch metallische Töne:
helles Blau der Jacke, linke Wandseite
oder mittelblaue Töne der Stuhlbezüge
nahezu Schwarz bei undefinierbarer
Decke im linken Vordergrund
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Macke
vorwiegend metallische Töne
Kalt-Warm-Kontrast:
kalte Farben:
Kleidung der Frau, blaue Wand im
Hintergrund, grüne Borte der
Tischdecke, Rosa der Tischdecke
weniger Erdfarben und warme Farben:
Anrichte und Boden in Mittelbraun,
Orange, Ocker und Gelb bei Obst und
Tischlampe
Komplementärkontraste:
Rosa zu Mattgrün bei Tischdecke
Orange zu Blau bei Tischlampe
b) Raum
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Vermeer
viele Überschneidungen
stark angeschnittenes Objekt links vorne
wirkliche Tiefenwirkung des Raumes
erzeugt durch starke Plastizität
sowie Schlagschatten bei hinterem Stuhl
Schrägstellung des rechten Stuhles,
auch stark angeschnitten,
sowie seine zentralperspektivische Darstellung
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Macke
viele Überschneidungen
Tisch vorne links stark angeschnitten
ebenso Obstschale und Kommode
keine wirkliche Raumtiefe,
da nur angedeutete Plastizität:
am linken Arm der Frau, an den Haaren,
am Fuß der Obstschale
Raumtiefe nur durch schräg verlaufende
Tischkante angedeutet
c) Licht
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Vermeer
Tageslicht von links,
dadurch stark beleuchtete Gegenstände,
aber auch Teile und Gegenstände des
Raumes im Dunkeln
starke Hell-Dunkel-Kontraste
deutliche Schlagschatten:
Stuhl hinten oder Stange der Landkarte
starke Körperschatten der Frau:
z. B. Rock und Haare
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Macke
Lampe als Lichtquelle,
aber auch wohl Tageslicht
relativ gleichmäßige Beleuchtung
wenig Körperschatten
kaum Schlagschatten
nur Andeutungen bei Buch, Haaren,
Ärmel
Gesicht der Frau erscheint hell erleuchtet,
Lichtquelle aber unklar
Bei dem dritten, Ihnen vorliegenden Bild handelt es sich um die Reproduktion einer
zeitgenössischen Fotografie des Künstlers Tom Hunter (geb. 1965) mit dem Titel „Frau,
einen Räumungsbefehl lesend“ (1997), 61 x 50,8 cm.
3. Die Abbildungen von Vermeer und Hunter zeigen auf den ersten Blick verblüffende
Ähnlichkeiten, weisen aber auch eine Reihe von Unterschieden auf.
Untersuchen Sie diesbezüglich die beiden Bilder, indem Sie auf inhaltliche und formale
Aspekte eingehen.
Gemeinsamkeiten:
· Die Frauen sind in einer ähnlichen Haltung abgebildet.
· Sie halten beide in den Händen einen Brief und die Arme sind abgewinkelt.
· Beide tragen ein blaues Oberteil und einen braunen Rock.
· Die Haare haben sie zu einem Knoten gebunden.
· Licht dringt durch ein Fenster auf der linken Raumseite ein.
· Das einfallende Licht erhellt die Gesichter, den Oberkörper und die Hände mit dem Brief.
· Schlagschatten des Fensterkreuzes auf den Oberteilen der Kleidung beider Frauen.
· Die untere Körperpartie wird bei beiden teilweise durch andere Gegenstände verdeckt.
· Der Hintergrund ist bei beiden Bildern ockerfarben gehalten.
· Eine waagerechte Linie unterteilt den Hintergrund beider Bilder zu drei Vierteln etwa auf
gleicher Höhe.
· Die Einteilung in der Höhe ist bei beiden Bildern etwa gleich.
Unterschiede:
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Vermeer
Die Frau ist wahrscheinlich schwanger.
Ihr Haar ist glatt zurückgekämmt.
Der Mund ist leicht geöffnet, die Frau
spricht die gelesenen Worte vor sich hin.
Die Jacke ist mit Schleifen vorne versehen.
Die Jacke hat Dreiviertelärmel.
Das seitliche Fenster links ist nicht
sichtbar.
An der Rückwand des Zimmers hängt
eine Landkarte.
undefinierbarer Bildgegenstand im
linken Bildvordergrund
nur erdfarbene und metallische Töne
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Hunter
Ein bereits geborenes Kind ist zu sehen.
Die Haare sind weicher und gelockt.
Der Mund ist geschlossen, die Frau liest
stumm.
Weder Knöpfe noch Ähnliches sind zu
sehen.
Die Ärmel reichen bis zu den Händen.
Ein Teil des Fensters ist zu sehen.
Ein Bücherbrett ist an der Rückwand
des Zimmers befestigt.
deutlich erkennbares Bett, auf dem das
Kind liegt
rote Farbflächen als deutlicher Farbkontrast:
Jäckchen des Kindes und Socken
sowie rot gemusterter Überwurf auf
dem Bett