Ein kommunales KoPa III?

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Ein kommunales KoPa III?
Artikel aus dem Behörden Spiegel September 2014, Seite 23
www.behoerdenspiegel.de
Ein kommunales KoPa III?
Daldrup: Fokus auf Investitionen und Energiewende legen
(BS) 25 Jahre im Stadtrat, Mitglied im Regionalrat der Bezirksregierung Münster und seit 2003 Geschäftsführer der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK) in NRW: Mit der Bundestagswahl vergangenes Jahr rückte Bernhard Daldrup in den Bundestag. Als kommunalpolitischer Sprecher bleibt der SPD-Politiker seiner Fraktion den kommunalen Themen auch in Berlin treu. Der Behörden Spiegel sprach
mit dem Westfalen über die anhaltende Investitionsschwäche vieler Städte und Gemeinden, systemische Missstände sowie den Nutzen und das
Ausmaß kommunalwirtschaftlichen Engagements. Die Fragen stellten Julian Einhaus und Sabrina Grenz.
Behörden Spiegel: Was hat Sie
von der kommunalen Ebene
nach Berlin geführt?
Daldrup: Wir benötigen in der
Bundesrepublik nicht nur kommunalpolitisches Engagement
und kommunalpolitische Konzepte auf der lokalen Ebene,
sondern auch gute Rahmenbedingungen für Kommunalpolitik. Diese Grundlagen werden
sowohl in den Landeshauptstädten als auch zu einem mindestens genauso großen Teil in
Berlin gelegt.
Behörden Spiegel: Wo sehen
Sie aktuell das größte Problem
für Städte und Gemeinden?
“Die Stadtwerke sind
eine der dezentralen
Säulen zukunftsfähiger
Städte, Gemeinden und
Landkreise.”
Bernhard Daldrup ist kommunalpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.
Foto: BS/Grenz
Behörden Spiegel: Welche
weiteren
Herausforderungen
kommen künftig auf die Kommunen zu?
sächliche Fragen zu behandeln:
Erstens, wie soll in Zukunft die
kommunale Selbstverwaltung
so ausgestaltet werden, dass sie
handlungsfähig ist und Menschen zum Engagement motiviert? Zweitens, wie können wir
die Kommunen finanziell und
von den sozialen Kosten entlasten, damit sich vor Ort wieder
um die Gestaltung von Städten
und Gemeinden gekümmert
werden kann? Und schließlich
wie können wir drittens die Investitionskraft der Kommunen
wieder stärken, damit sie ihre
Schulen, Straßen, Brücken und
Verwaltungsgebäude tatsächlich zukunftsfähig machen können?
Behörden Spiegel: Wie soll
das geschehen?
Daldrup: Es gibt drei haupt-
Daldrup: Ein aktuelles Bei-
Daldrup: Viele Kommunen
sparen und sparen, ihre Belastungen werden trotzdem höher.
Viele Städte und Gemeinden befinden sich in einer “Vergeblichkeitsfalle”, aus der sie nicht
mehr herauskommen. Die Antwort darauf kann nur lauten,
dass man systemisch etwas ändern muss. Einer der Kernbereiche hierbei ist es, die Soziallasten in der Bundesrepublik
Deutschland neu und anders zu
verteilen. Daran arbeiten wir.
spiel: Wenn wir tagtäglich über
die Energiewende sprechen, hat
das selbstverständlich auch mit
der kommunalen Ebene zu tun.
Soll es vor Ort eine zukunftsfähige Energieversorgung geben,
kommen Sie nicht drum herum,
auch einen Großteil der Gebäude zu sanieren. Wenn auch
noch für die Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben Spielräume
bleiben sollen, ist eine weitaus
stärkere Investitionskraft in
den Kommunen notwendig.
Die Bundesrepublik Deutschland hat international einen so
hohen Stellenwert bei Investoren, weil es hier gute Unternehmen, hochqualifizierte Menschen und eine exzellente Infrastruktur gibt.
Wenn diese
Grundlage unserer Wertschöpfung weiter verfällt, schädigt
das den Wirtschaftsstandort
Deutschland – das muss bei
bundespolitischen
Entscheidungen stärker berücksichtigt
werden!
Behörden Spiegel: Welche
konkreten Maßnahmen könnten
Sie sich seitens der Bundesregierung vorstellen?
Daldrup: Wir haben infolge der
Finanz- und Wirtschaftskrise
großartige Erfahrungen mit
dem Konjunkturpaket II gemacht. Die kommunale Infrastruktur hat von dieser Fördermaßnahme des Bundes enorm
profitiert. Bei weiter anhaltender Investitionsschwäche von
Städten und Gemeinden liegt es
auf der Hand, ein solches Programm erneut aufzulegen.
Behörden Spiegel: Für welchen Bereich könnten Sie sich
ein solches Konjunkturpaket III
vorstellen?
Daldrup: Es geht natürlich
nicht um ein Konjunkturprogramm, sie läuft ja gut. Es geht
um ein Investitionsprogramm
zum Erhalt und Modernisierung unserer Infrastruktur. Fokus eines solchen Investitionsprogramms könnte die Energiewende sein. In den Bereichen
Energieversorgung und Energiewende haben wir noch gewaltige
volkswirtschaftliche
Aufgaben vor uns, das ist unstreitig. Eine neue Herausforderung ist die Umsetzung der
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digitalen Agenda auf kommunaler Ebene, die sich nicht nur
im
Breitbandausbau
erschöpft. Ähnliches gilt für den
kommunalen
Straßenbau.
Meiner Ansicht nach darf es
aber künftig nicht mehr zuerst
um den Bau zusätzlicher Infrastruktur gehen: “Erhalt vor
Neubau” ist ein guter Grundsatz. Man sollte immer im
Hinterkopf haben, dass jede
Erweiterungsinvestition
wiederum unterhalten werden
muss.
Behörden Spiegel: Ist die
Energiewende wirklich eine
Chance für die lokale Ebene?
Daldrup: Die Stadtwerke sind
eine der dezentralen Säulen zukunftsfähiger Städte, Gemeinden und Landkreise. Kommunale Unternehmen unterscheiden sich von Privatunternehmen durch ihre normative Zielsetzung: Der Zweck ist das Gemeinwohl und die Versorgung
von Bürgern mit Dienstleistungen. Erst dann kommt das finanzielle Ergebnis. Stadtwerke
und Kommunen verfolgen vor-
rangig die gemeinwohlorientierten Ziele im Rahmen der
Stadtentwicklungsplanung
und unterscheiden sich dadurch von der Privatwirtschaft.
Behörden Spiegel: Also Staat
vor Privat?
Daldrup: Nein, es geht nicht
um Ideologie. Die Frage lautet:
Was ist die Alternative zu kommunalen
Stadtwerken?
In
Nordrhein-Westfalen galt unter Ministerpräsident Jürgen
Rüttgers das Prinzip “Privat vor
Staat”. Diese Politik ist auf ganzer Linie gescheitert: Die kommunalen Unternehmen sollten
nur dann tätig werden dürfen,
wenn sie nachweislich besser
waren wie diejenigen der Privatwirtschaft. Wir haben damals einen ziemlich massiven
Kampf gegen diese Reform des
Paragrafen 107 der NRW-Gemeindeordnung geführt. Es hat
niemals zuvor eine größere Demonstration vor dem Düsseldorfer Landtag mit rund
25.000 Menschen gegeben, die
die Kommunalwirtschaft als eine wirkliche Säule ihrer kom-
munalen Selbstverwaltung gesehen haben. Im Kern handelte
es sich um die Frage, ob die Erfüllung der Grundbedürfnisse
des Zusammenlebens vorrangig in öffentliche Hand gehören
oder dem Markt überlassen
bleiben.
Behörden Spiegel: Was sind
diese Grundbedürfnisse?
Daldrup: Für die Ver- und Entsorgung, also Wasser und
Strom, teilweise auch das Wohnen, gibt es eine Gewährleistungsgarantie, die nicht ohne
Weiteres dem Markt überlassen
werden darf. Die Rolle der
Stadtwerke und die Eigenverantwortung der Kommunen für
die Versorgung für unmittelbare Lebensbereiche wird heute
nicht mehr bestritten. Immer
mehr Kommunen versuchen,
wieder Eigenständigkeit in bestimmten
Versorgungsbereichen zu erreichen. Das finde ich
richtig.
Behörden Spiegel: Ist das
denn unter den derzeit herrschenden, sich rasch verändernden Bedingungen der Energie-
wende für kommunale Unternehmen möglich?
Daldrup: In der Energieversorgung haben Kommunen Kraftwerkskapazitäten aufgebaut,
die heute nicht mehr rentabel
sind. Investitionen zur Unterstützung der Energiewende
müssen
finanzierbar
sein.
Stadtwerke brauchen für den
Weg hin zu stabilen neuen
Strukturen Hilfen des Bundes.
Das Bundeswirtschaftsministerium ist mit der Ausarbeitung
eines solchen Konzepts derzeit
befasst.
Behörden Spiegel: Ohne öffentliche Subventionen?
Daldrup: Viele Stadtwerke
subventionieren mit ihren Gewinnen etwa aus dem Energiesektor den nahezu immer defizitären ÖPNV. Wenn dieser Ausgleich so nicht mehr stattfindet,
steigen entweder die Preise, die
Leistung wird gestrichen oder
der kommunale Haushalt wird
zusätzlich belastet. Irgendwo
muss das Geld schließlich herkommen.

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