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Ausstellung: Konformismus kann geil sein - Kultur - SPIEGEL ONLINE 1 von 2 | Aktuell | Kino | Musik | Bestseller | http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,353012,00.html Zwiebelfisch | Gutenberg-DE Home > DER SPIEGEL > 17/2005 25. April 2005 Druckversion | Versenden | Leserbrief AUSSTELLUNG Konformismus kann geil sein EXKLUSIV Kerkelings Comeback: "Herr Jauch, jetzt erotisch gucken!" Kino-Veteran Sydney Pollack: "Wahrscheinlich bin ich ein Masochist" Von Jenny Hoch Fotos aus deutschen Städten: Ruiniert, restauriert, evakuiert Die Karlsruher Ausstellung "Coolhunters" sammelt Stilbilder der Jugendkultur - und stellt fest: Der Geschmack der Kids ist von Konsum und Medien bestimmt. Im Karlsruhe ZKM, dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie, hält man sich viel darauf zugute, dem Geist der Zeit stets ein wenig voraus zu sein - und zeigt dann doch oft nur die Werke der Alex McQuilkin / üblichen Verdächtigen: Die Courtesy Galerie Adler Ausstellung "Coolhunters. McQuilkin-Fotoarbeit: Jugendkulturen zwischen Hauptsache, der Nagellack Medien und Markt" präsentiert bekommt keine Kratzer beispielsweise gleich am Eingang ein Werk des seit rund einem Jahrzehnt weltweit absolut etablierten Junge-Leute-Fotografen Wolfgang Tillmans. O'Neill-Premiere: Wie man in der Hölle erfriert Essay: Das Todesspektakel QUIZ Testen Sie Ihr Wissen mit "Zwiebelfisch"-Autor Bastian Sick KulturSPIEGEL ALS E-PAPER Heft 4/2005: Wo lebt Gott in Frankreich? Zur aktuellen Ausgabe Immerhin handelt es sich um das eindrucksvolle Porträt eines Jungen namens Christos: Dem Kerl fehlen zwar die Muskeln eines echten Gangster-Rappers, doch er trägt seine Camouflagehose, Turnschuhe und die Baseballkappe LAS VEGAS SPEZIAL mit Gespür für Stil und Styling - und genau davon will die Viva Las Vegas: ZKM-Schau in der Städtischen Galerie Karlsruhe erzählen: Die Glitzerstadt wird 100 von der Suche nach dem richtigen, möglichst verwegenen - große Geburtstagsserie Stil, der Jagd nach dem Cool-Sein. bei SPIEGEL ONLINE Der Begriff "Coolhunter" stammt aus der Marketingbranche und ist ein anderes Wort für einen sogenannten Trendscout, jenen Menschen also, der auf der Straße oder in den Tanzclubs die Jugendlichen nach neuen Mode-Ideen ausspäht. SPIEGEL-DOSSIERS Steven Spielberg: Master of the Universe Walter Kempowski: Sammler und Chronist Star Wars: Kostümfest im Weltall Zwiebelfisch: Vom gefühlten Komma bis zum geschundenen Imperativ Rechtschreibreform: Sieg für den Tolpatsch Thema der Woche: Neuer Papst, alte Kirche Klicken Sie auf ein Bild, um die Fotostrecke zu starten (7 Bilder). Was haben die Karlsruher entdeckt? In einer riesigen Halfpipe aus grau-schwarzer Dachpappe sind neben Computerspielen, Installationen, Fotografien und Gemälden jede Menge Kleider und Accessoires ausgestellt, etwa eine Mütze des Hamburger Labels "Maegde u. Knechte" - auf der ist der Schriftzug "Geist ist geil" zu lesen. Das Wirrwarr dieses reichlich disparaten Sammelsuriums will nicht moralisieren und werten, sondern betont die nicht mehr ganz frische Erkenntnis, dass die Jugend von heute ganz schön vielfältig und unübersichtlich ist - aber auch irgendwie aufregend. Als Huldigung einer Generation, die es sich in einer komfortablen Konsumwelt bequem macht und trotzdem den Markt immer wieder austrickst, kommt die Schau aber definitiv zu spät. Tatsächlich liefert erst der Begleitband zur "Coolhunters"-Ausstellung ein paar interessante Erkenntnisse zur Lebenswelt heutiger Kids. So erklärt die Textilwissenschaftlerin Heike Jenß, warum winzige Nuancen beim Tragen von Massenartikeln wie Jeans oder Rucksäcken über den Coolnessfaktor des Trägers entscheiden. Bei der "Mass Customization", so das Zauberwort, geht es um die individuelle Veränderung der Massenprodukte, die weltweit in identischen Spots beworben und millionenfach verkauft werden - so werden etwa Rucksäcke durch die Verzierung mit Buttons oder Schnullern zum unverwechselbaren Einzelstück. "Mach ihn zu deinem Schuh, indem du deine Farben auswählst", fordert ein Werbeslogan, mit dem der Sportartikelhersteller Nike seine Kunden zur Mitgestaltung aufruft. REZENSIONEN Abgehört: Die wichtigsten CDs der Woche Abgenickt: Das Beste aus HipHop, Soul und R&B Neue DVDs: Rezensiert vom KulturSPIEGEL und SPIEGEL ONLINE Neue Bücher: Belletristik, Sachbücher und Bildbände, rezensiert vom KulturSPIEGEL Bücher, Filme, CDs: Alle Rezensionen DIE KUNST DES SPIEGEL Titelillustrationen aus fünf Jahrzehnten DAS ZWIEBELFISCH-BUCH Bastian Sick: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod Bestellen Sie hier das Buch! Bestellen Sie hier das Hörbuch! Zur Zwiebelfisch-Kolumne "Emanzipierten Konformismus" nennt der Mediensoziologe Klaus Neumann-Braun die Strategie der Jugendlichen, in einer von Medien und Kommerz beherrschten Welt einen 26.04.2005 14:17 Ausstellung: Konformismus kann geil sein - Kultur - SPIEGEL ONLINE 2 von 2 http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,353012,00.html eigenen Geschmackspfad auszukundschaften. Neumann-Braun ist einer der vier Kuratoren der Ausstellung. Zu deren originelleren Schaustücken gehören Pia Lanzingers Fotos von zwei Dutzend mit Postern tapezierten Mädchenzimmern, deren Ähnlichkeit trotz unterschiedlicher Details frappierend ist - und das, obwohl die eine Hälfte der Bilder in Oberbayern, die andere in Schottland aufgenommen wurde. Die Künstlerin Alex McQuilkin inszeniert dagegen in ihrer Arbeit "Aye, Me (Heart Explosion) 1" das Sinnbild des hysterischen Teenagers. Eine Blondine ist mit verwundetem Herzen vor ihrem mit einem Teddy und anderem Nippes umstellten Bett niedergesunken. Zwischen ihre Fußzehen hat sie Taschentücher gesteckt. Die Botschaft: Das Leben ist hart, Hauptsache, der Nagellack bekommt keine Kratzer. "I am a Boyband" nennt Benny Nemerofsky Ramsay ein Video, in dem er die marktgerechte Zusammenstellung von Boygroups ironisiert. Als vierfacher Klon seiner selbst singt er, jeweils in einem anderen Outfit, vierstimmig ein Madrigal aus dem 16. Jahrhundert. Ausstellungsbesucher, die darauf hoffen, durch "Coolhunters" womöglich die eigenen Kinder besser verstehen zu können, dürften enttäuscht werden. Eher geht es ums Hinsehen und Beobachten: So kann man Jugendlichen zugucken, wie sie bei "Fempol", einem eigens für die Ausstellung programmierten Computerspiel, in Sekundenschnelle Entscheidungen für eine virtuelle Lebensplanung fällen müssen. Buchtipp Begleitband zur "Coolhunters"-Ausstellung - Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main; 280 Seiten; 10 Euro. Die Hände am Touchscreen, den Kopf unter einer durchsichtigen Soundhaube, den Blick auf einen riesigen Plasmabildschirm gerichtet, rackern sich die Mädchen und Jungs ab, am Türsteher einer Disco vorbeizukommen oder die richtigen Klamotten auszuwählen - und am Ende entscheidet der Computer darüber, ob sie sich zu den coolen Typen zählen dürfen oder nur zu den armen Würstchen. ZUM THEMA IM INTERNET Coolhunters - offizielle Website zur Ausstellung SPIEGEL ONLINE ist nicht verantwortlich für die Inhalte externer Internetseiten. © DER SPIEGEL 17/2005 Alle Rechte vorbehalten Vervielfältigung nur mit Genehmigung der SPIEGELnet GmbH [ Home | Politik | Wirtschaft | Panorama | Sport | Kultur | Netzwelt | Wissenschaft | UniSPIEGEL | Reise | Auto ] [ Wetter | Marktplatz | Schlagzeilen | Forum | Leserbriefe | Newsletter | Archiv | Shop ] [ DER SPIEGEL | SPIEGEL TV | SPIEGEL-Jahrbuch | KulturSPIEGEL | SCHULE@SPIEGEL ] [ Impressum | Hilfe | Kontakt | SPIEGEL-Gruppe | SPIEGEL Media | Mediadaten ] 26.04.2005 14:17