KURIER Die blauen Augen von Izmir Blaue Augen von Izmir Türkei

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KURIER Die blauen Augen von Izmir Blaue Augen von Izmir Türkei
REISE
SONNTAG, 19. JUNI 2011 REISE KURIER
REISE KURIER SONNTAG, 19. JUNI 2011
REISE
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Diebl auenAugenvonIzmir
Türkei. An der Ägäis-Küste
zeigt sich das HalbmondLand von der authentischen
Seite. Mit schönen Stränden,
antiken Stätten und dem
urigen Dorf Nazarköy, das indirekt von bösen Blicken lebt.
sche Musik spielt, und die Touristen,
die den Handwerkern die immer gleichen Fragen stellen. Eine wichtige
Funktion erfüllen auch Mehmet und
sein Maultier: Die beiden versorgen
die Werkstätten laufend mit Holz aus
den umliegenden Wäldern.
Stillleben wie dieses kann man
rund um Izmir, der drittgrößten Stadt
der Türkei, häufig erleben. Denn ganz
anders als in der Tourismushochburg
Antalya im Süden des Landes zeigt
sich die Türkei an der Westküste von
ihrer authentischen Seite und mit
enormer Vielfalt –, ob beim Baden am
endlos langen Sandstrand von
Çeşme, bei den antiken Stätten Pergamon und Ephesos, in den entzückenden Dörfern im Hinterland oder
beim Flanieren durch den Basar-Bezirk des relaxten Izmir.
Auf geht’s zu Hochkultur, zur antiken Stadt Pergamon – übers Hügelland Richtung Norden, wo auf weiten
Feldern Sultaninen gedeihen. Die
kleinen süßen Trauben werden als Rosinen exportiert.
VON CLAUDIUS RAJCHL
I
ch bin mit einem blauen Auge davon gekommen. Um genau zu sein:
mit zehn blauen Augen. Man kann
das Dorf Nazarköy nicht verlassen,
ohne sich mit den gläsernen Glücksbringern eingedeckt zu haben, die gegen den „bösen Blick“ schützen sollen.
Nazarköy, 40 km östlich von Izmir,
lebt gewissermaßen von bösen Blicken: Jeden Tag werden hier in sieben
Werkstätten 5000 blaue Augen produziert und überall hin verschickt, wo
Türken leben. Denn jeder hat mindestens ein blaues Auge zu Hause.
In dem urigen Dorf, das inmitten
eines bewaldeten Hügels liegt, dreht
sich alles um die blauen Augen: Auf
den Bäumen hängen sie, in Mauern
sind sie als Mosaike eingearbeitet, die
beiden Tavernen sind voll davon, im
Dorfzentrum kann man sie bei
Marktständen in allen Variationen
kaufen: klassisch als Wandschmuck,
als Fisch, als Schlüsselanhänger, in
Spiegel eingearbeitet.
„Ich habe das Dorf vor 50 Jahren
aufgebaut und die ersten blauen Augen produziert“, sagt Ahmed stolz,
der sich jetzt gemeinsam mit seiner
Frau aufs Verkaufen beschränkt. In
den Werkstätten sitzen jeweils vier
Männer tagein tagaus um die Lehmöfen herum, mischen Altglas mit
Kupfer und Salz, um die blaue Farbe
zu erhalten und setzen in jedes Glasauge einen weißen Opal-Kristall. Abwechslung bringen einzig ein vorsintflutliches Radio, das unentwegt türki-
Wahrzeichen der Hafenstadt Izmir:
der Uhrturm am Rand der Altstadt
Seilbahn in die Antike Etwa eine Autostunde später bin ich in Bergama, einem beschaulichen Städtchen mit
Resten römischer Basiliken, einem
alten Hamam (Dampfbad) und etlichen gemütlichen Kaffeehäusern.
Am Stadtrand führt eine Seilbahn zur
antiken griechischen Stadt Pergamon, wo angeblich das Pergament
erfunden wurde.
Man muss kein Geschichtsfan sein,
um an den imposanten Tempel-Ruinen, Säulen, antiken Wasserleitungen und dem tollen Rundblick Gefal-
len zu finden. Ein Abstecher lohnt
sich zur Ausgrabungsstätte Asklepion, einem antiken Krankenhaus mit
Theater für die Angehörigen.
Abends kommt dann im überlaufenen Fischerdorf Foça trotz der Touristenmassen Romantik auf: An der uförmigen Promenade reiht sich ein
Fischlokal ans andere, Fischerboote
tuckern gemächlich in den Hafen,
während die Sonne langsam im Meer
versinkt. Feiner Fisch, guter Wein –
mehr braucht’s nicht.
Auch die Hafenstadt Izmir hat zumindest in der Altstadt
Flair. Viel Grün, wenig
Hektik, ein Uhrturm als
Wahrzeichen und der lebendige Basar-Bezirk Kemeralti mit dem quirligen
Nebeneinander von Warenhändlern aller Art.
Schlechtes
Dorf
In
Şirince, dem „schönen
Dorf“, erzählt mir der
Wirt Mustafa, warum
der Ort mit seinen weiß
getünchten
Häusern
wie ein griechisches
Dorf aussieht: „Das ha- Relaxe
n am schönsten Strand bei Çeş
me (oben), Kebab und Waren
ben griechische Gastaller Art am Basar von Izmir
arbeiter gebaut. Damit
ihnen das Land niemand wegnimmt, haben sie es
fach ein weißer Vorhang vorgezogen.
Çirkince, also ,schlechtes Dorf‘ ge- wo ich Tiefkühl-Kebab produziere.“
In der Kirche von
Ebenfalls sehr griechisch mutet das Alaçati werden
nannt.“ Erst 1926 wurde es in „schöIn Moscheen herrscht ja Bilderverbot.
nes Dorf“ umbenannt. Zwei Kirchen Dorf Alaçati an. Hier wurde die grie- weiße Vorhänge
Szenenwechsel: Çeşme westlich
erinnern an die griechische Zeit. chisch-orthodoxe Kirche ohne Um- vor die Heiligenvon Izmir ist ein lebendiger Ferienort
Mustafa spricht, wie viele Menschen bau in eine Moschee umfunktioniert. bilder gezogen.
mit schöner Promenade. In den Eisin den Dörfern, perfekt Deutsch. „Ich Sogar die Heiligenbilder sind noch zu Und fertig ist die
geschäften gibt’s eine lokale Spezialilebe das halbe Jahr in Deutschland, sehen. Zum Freitagsgebet wird ein- Moschee.
tät: Mastix-Eis, das vom Harz der ’
»
INFO
Pergamon
FLUG Wien–Izmir–Wien direkt z. B. mit Sun
Express ab 129 €.
Troja
Foça
Alaçati
Izmir
TÜRKEI
Çesme
Mittelmeer
Ephesus
Sirince
www.sunexpress.com
MIETAUTO Eine Woche Kleinwagen
(zum Beispiel Renault Clio mit Klimaanlage)
ab/bis Flughafen Izmir zum Beispiel bei der
TUI ab 328 €.
WÄHRUNG & PREISNIVEAU 1 türkische
Lira (TL) = 0,44 €. Kosten: Museumseintritte
etwa 8 bis 15 TL, einfache Mahlzeit in den
Dörfern ab ca. 6 TL, in Izmir ab 10 TL.
UNTERKÜNFTE Die schönsten 4- und 5-
Sterne-Strandhotels findet man bei Çeşme
und Gümüldür, meist mit Halbpension, All-inclusive-Anlagen sind Ausnahmen. In den Dörfern
im Hinterland findet man durchwegs nette kleine
Pensionen und Hotels auf Drei-Sterne-Niveau.
Ein besonders nettes Beispiel ist das Boutiquehotel Nergis in Karaburun, 50 km westlich
von Izmir. Das kleine Haus liegt direkt an der
Küste mit Zugang zum Meer und verfügt über
zehn Zimmer. Doppelzimmer ab 220 TL.
http://nergisotelkaraburun.com
LOKAL-TIPPS Foça: Fokai Restaurant, fein
Fisch essen direkt am Fischerhafen.
– Şirince: La Kavala, gemütliches Weinlokal
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Istanbul
30 km
Türkei abseits der Hotelburgen: Fischerdorf Foça. In Nazarköy werden die blauen Augen gegen den bösen Blick gebrannt
und Restaurant, hier gibt’s die süßen Fruchtweine. www.lakavalasirince.com
– Izmir: Tavaci Recep Usta, eine Institution
wie das Schweizerhaus im Wiener Prater mit
großem Gastgarten, Spezialität des Hauses
sind Lamm-Rippen. www.tavacirecepusta.com
Restaurant Tismirne im Bazar-Bezirk Kemeraltī:
uriges, verstecktes Lokal, typisch ägäische
Küche. Am Wochenende wird hier klassische
türkische Musik live gespielt.
PAUSCHAL Die Region Izmir haben zum
Beispiel TUI, Neckermann Reisen sowie die
Türkei-Spezialisten Öger Tours und Bentour
im Programm.
Preisbeispiele:
– Çeşme: eine Woche mit Flug und Halbpension
im Radisson Blue Resort & Spa Cesme (fünf
Sterne) ab 831 € (TUI)
– Gümüldür: eine Woche all-inclusive im Club
Yali Paradise Beach (vier Sterne) ab 559 €
(Öger Tours)
– Rundreise: eine Woche Halbpension mit Kusadasi, Pergamon, Ephesos, Aphrodisias, Şirince,
Pamukkale und Izmir, ab/bis Izmir ab 499 €
(Öger Tours).
AUSKÜNFTE Informationsabteilung für Kultur
und Tourismus in Wien, å 01/512 21 28,
www.turkinfo.at
BILDER: CLAUDIUS RAJCHL
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