Für eine bessere S-Bahn in München

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Für eine bessere S-Bahn in München
Für eine bessere S-Bahn in München
S-Bahn-Ausschreibung entsprechend gestalten
Der S-Bahn-Verkehr in München ist im zweiten Verkehrsdurchführungsvertrag zwischen
Freistaat und der DB enthalten. Dieser Vertrag endet am 31. Dezember 2017. Die nun
anstehende Neuausschreibung durch die Bayerische Eisenbahngesellschaft bietet die
Chance für grundlegende Verbesserungen.
Wenn das S-Bahn Netz München als Gesamtpaket ausgeschrieben wird, ist die DB als eines
von wohl nur ganz wenigen Unternehmen in der Lage, diese umfangreiche Verkehrsleistung
zu erbringen. Es kommt daher ganz wesentlich auf die Art der Ausschreibung an, ob hier ein
echter Wettbewerb entsteht und in welcher Qualität, Komfort und Pünktlichkeit die S-Bahnen
auf viele Jahre hinaus verkehren werden.
Die Grünen wollen:
- eine bestmögliche Ausschreibung, die dem Verkehrsunternehmen maximale Anstrengung
zum Wohle der Fahrgäste abverlangt,
- dem Staatsmonopolisten durch Wettbewerb Druck für eine bessere Leistung machen,
- Chancengleichheit für die bietenden Verkehrsunternehmen,
- eine Tariftreueerklärung, die verhindert, dass der Kostendruck auf dem Rücken der
Beschäftigten ausgetragen wird,
- dichtere Takte, mehr Langzüge und verbesserte Linienverknüpfungen,
- Defizite bei Pünktlichkeit, Störungsmanagement und Fahrgastinformation beseitigen,
- verbesserte Fahrradmitnahmemöglichkeiten,
- Flexibilität für mögliche nachträgliche Fahrplanausweitungen und Erweiterungen im
Schienennetz, insbesondere im Außenbereich, und
- selbstverständlich das Netz in öffentlicher Hand sowie die Tarif- und Vertriebsgestaltung
beim MVV belassen.
Derzeitiger Stand
Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) muss die S-Bahnleistungen europaweit öffentlich ausschreiben. Wie bei jedem Vergabeverfahren hat die BEG nach den europäischen und
nationalen vergaberechtlichen Regelungen auch das geplante Verfahren zur S-Bahn München in einer Vorinformation im Amtsblatt der Europäischen Union anzukündigen.
Am 10. Oktober 2014 hat die BEG vorinformiert, die Erbringung von SPNV-Leistungen im
Netz der S-Bahn München mit einem Umfang von rund ca. 20 Mio. Zugkilometern pro Jahr –
„ggf. mit schrittweiser Reduzierung aufgrund der Betriebsaufnahme durch den im anschließenden wettbewerblichen Vergabeverfahren gefundenen Betreiber“ - vergeben zu wollen.
Die Leistungen seien ab dem 1.1.2018 zu erbringen. Die Laufzeit stünde noch nicht fest und
hinge voraussichtlich von den „Inbetriebnahmezeitpunkten der im anschließenden wettbewerblichen Verfahren vergebenen Leistungen der S-Bahn München ab“1.
29.07.2015
Für das eigentliche Vergabeverfahren ist ein Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem
Teilnahmewettbewerb geplant. Das geplante Verhandlungsverfahren soll im Jahr 2015
starten2.
Derzeit fährt die S-Bahn München 20,1 Mio. Zugkilometer bzw. 2,5 Mrd. Personenkilometer
pro Jahr, das entspricht werktags rund 1.100 Zugfahrten oder 800.000 Fahrgästen. Die
S-Bahn München befördert in einem Netz von 434 Kilometern Länge 220 Millionen Fahrgäste pro Jahr3. Den voraussichtlichen Umfang der Bestellung beziffert die BEG mit 20 bis 26
Mio. Zugkilometern pro Jahr. Zum Vergleich: In Nürnberg geht es um 7,2 bis 7,3 Mio. Zugkilometer pro Jahr, verteilt auf zwei Lose. Bayernweit bestellt die BEG 2015 gut 120 Mio.
Zugkilometer4.
Eine Betriebsaufnahme in München zum 1.1.2018 ist ausgeschlossen. Im Vergabeverfahren
für das S-Bahn-Netz Nürnberg, wo der laufende Vertrag wie in München Ende 2017 ausläuft,
wurde der Betriebsstart um ein Jahr auf den Dezember 2018 nach hinten verlegt. In Nürnberg ist das Vergabeverfahren bis auf die vergaberechtliche Überprüfung abgeschlossen. In
München steht es erst am Anfang.
Laut Medienberichten wird mit dem S-Bahn-Betrieb in München ein unternehmerischer
Gewinn „im hohen zweistelligen Millionenbereich“5 erwirtschaftet. Ein Teil dieses Gewinns
könnte in einem Ausschreibungsverfahren als Effizienzgewinn gehoben und für Angebotsverbesserungen für die Fahrgäste verwendet werden.
Was ist im S-Bahn-Netz München zu verbessern?
Die Münchner S-Bahn leidet unter Engstellen und Zwangspunkten im Netz wie Eingleisverkehren, Mischverkehren und Fahrstraßenkreuzungen. Diese Infrastrukturmängel beeinträchtigen die Betriebsqualität und lassen keine Fahrplanverdichtungen zu. Das Dogma,
dass jede S-Bahn durch den Tunnel fahren muss, überlastet den Tunnel zusätzlich.
Zu den Infrastrukturmängeln gehören u.a. die im 13-Punkte-Sofortprogramm der Staatsregierung genannten Maßnahmen sowie der Ausbau der Strecke S 4 und der Strecke Johanneskirchen – Daglfing. Diese Maßnahmen sind prioritär anzugehen. Zur Finanzierung könnten
die Haushaltsreste der nicht verausgabten Regionalisierungsmittel (Kap. 07 07 bzw. 03 67)
in Höhe von inzwischen 428,1 Mio. Euro6 mitverwendet werden.
Immer wieder in der Kritik ist die Informationspolitik der S-Bahn München.
Die Platzkapazitäten in den Zügen reichen nicht immer aus.
Freitagnachmittags gibt es keinen 10-Minuten-Takt.
Es existiert außerhalb der Hauptverkehrszeit kein durchgehender 20-Minuten-Takt.
29.07.2015
Was ist bei der Ausschreibung aus grüner Sicht zu berücksichtigen?
- Information, Transparenz, Beteiligung
Der künftige Betreiber muss seine Fahrgäste vor und während der Fahrt umfassend auch
auf Basis von Echtzeitdaten in den Fahrzeugen, an den Stationen und über elektronische
Auskunftsmedien wie Internet oder mobile Endgeräte informieren.
Die monatlichen Pünktlichkeitswerte der S-Bahn München für die 3- bzw. 6- Minuten
Pünktlichkeit werden wie in Stuttgart7 veröffentlicht.
Standorte der Mehrzweck- bzw. Fahrradmitnahmebereiche werden auf den Zugzielanzeigern am Bahnsteig angezeigt.
Ausgefallene Züge werden veröffentlicht.
Ausgefallene Züge werden nicht nur nicht vergütet, sondern zusätzlich pönalisiert.
Es gibt einen Fahrgastbeirat wie bei der S-Bahn RheinNeckar8.
Es wird eine Fahrplanmitbestimmung bzw. -beteiligung eingeführt. Dazu werden die Fahrplanrohentwürfe in einer frühen Planungsphase zur Fahrgastinformation und zur Abfrage
von Fahrgastanregungen ins Internet gestellt.
- Verbesserungen des Fahrten- und Platzangebots und der Radmitnahme.
Der Verkehrsvertrag muss Aussagen zum Platzangebot bzw. Behängungsgrad der Züge
machen. Dort, wo die Gleis- und Bahnsteiginfrastruktur dies erlauben, sind in der Hauptverkehrszeit Langzüge einzusetzen.
Wo werktags der 10-Minuten-Takt angeboten wird, wird dieser auch am Freitagnachmittag gefahren.
Außerhalb der Hauptverkehrszeit gilt ein durchgehender 20-Minuten-Takt.
Es gibt Eventualpositionen für unterschiedliche Nachtverkehrsvarianten.
Die Radmitnahmemöglichkeiten sind zu verbessern. Die Sperrzeiten sollten insbesondere
für Fahrten entgegen der Lastrichtung überprüft und gegebenenfalls abgeschafft werden.
Die Fahrradmitnahme in der Hauptverkehrszeitzeit könnte anstatt über eine Sperrzeit
auch über einen höheren Tarif begrenzt werden. Ein Teil der Mehrzweck- bzw. Fahrradmitnahmebereiche sind ohne Klappsitze auszustatten, um Konflikte mit Sitzplatzsuchenden zu vermeiden.
- Schienenersatzverkehr
Es gibt Mindeststandards für die Organisation eines zuverlässigen Schienenersatzverkehrs bei Betriebsstörungen und baubedingten Streckensperrungen, der u.a. auch mobilitätseingeschränkten Personen die Weiterfahrt ermöglicht.
29.07.2015
- Soziales / Gute Arbeitsplätze im Nahverkehr
Von den Bietern wird eine Tariftreueerklärung gefordert. Sowohl das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung als auch die Europäische Verordnung 1370/2007 gibt alle Möglichkeiten, den sozialen Schutz in einer Ausschreibung zu verlangen.
Die Anbieter müssen eine Ausbildungsquote für Triebfahrzeugführer erfüllen.
- Wettbewerb erfolgreich ermöglichen
Die zu vergebenden Bestellungen sollten mehrere Betriebsstufen aufweisen, um den notwendigen Infrastrukturausbau zu berücksichtigen. Es gibt eine Loslimitierung. Die Anzahl
der Lose, die ein Bieter gewinnen kann, wird begrenzt. Für potenzielle Markteinsteiger ist
ein Nettovertrag, bei dem das Erlösrisiko für die Fahrgeldeinnahmen vollständig beim
Verkehrsunternehmen liegt, ein nahezu unüberwindbares, da nicht kalkulierbares Markteintrittshindernis. Es wird daher ein Bruttoanreizvertrag ausgeschrieben9. Das Erlösrisiko
liegt beim Aufgabenträger, der BEG. Über zusätzliche, genau definierte Anreizkomponenten im Verkehrsvertrag wird das Eisenbahnverkehrsunternehmen an der Nachfrageentwicklung beteiligt. Es wird eine stufenweise Inbetriebnahme vorgesehen. Ein
Betreiberwechsel zum Winterfahrplanwechsel ist zu vermeiden10. Neufahrzeuge kosten
viel Geld und müssen über Kredite finanziert werden. Die meisten Bieter bekommen bei
den Banken aber schlechtere Konditionen als der Marktführer DB als Staatskonzern.
Deshalb muss im Interesse eines echten Wettbewerbs bei Ausschreibungen des Freistaates Chancengleichheit hergestellt werden. Das kann mit Kapitaldienstgarantien, mit einem
Fahrzeugpool oder durch eine Landesanstalt Schienenfahrzeuge11, die die gewünschten
Fahrzeuge kauft und an die Bieter verpachtet, erreicht werden.
Die Modalitäten für Zugnachbestellungen, Taktverdichtungen, Zugverlängerungen usw.
werden vorab geklärt.
Die auszuschreibenden Linien sind so zu wählen, dass die Beeinträchtigungen für die
Betriebsqualität auf der Stammstrecke und insbesondere im Tunnel minimiert werden. Die
Möglichkeiten, Linien oder Taktverdichter vor Einfahrt in den Tunnel enden zu lassen oder
über andere Strecken abzuleiten, sind zu prüfen.
1
http://www.ted.europa.eu/udl?uri=TED:NOTICE:344775-2014:TEXT:DE:HTML&src=0
2
http://beg.bahnland-bayern.de/presse/pressemitteilungen/beg-leitet-neuvergabe-der-verkehre-der-s-bahn-muenchen-ein
3
http://www.deutschebahn.com/presse/muenchen/de/hintergrund/die_db_in_der_region/8598146/db_in_oberbayern.html
4
http://beg.bahnland-bayern.de/wettbewerbsprojekte
5
http://www.tz.de/bayern/db-regio-will-moderne-zuege-einsetzen-keine-s-bahn-ausschreibung-3220915.html
6
http://www.orh.bayern.de/media/com_form2content/documents/c6/a398/f36/JB_2015.pdf
7
http://www.s-bahn-stuttgart.de/s_stuttgart/view/puenktlichkeitswerte.shtml
8
http://www.s-bahn-rheinneckar.de/s_rheinneckar/view/wir/fahrgastbeirat.shtml
9
http://www.csu-fridolfing.de/res/pt2014/2014_Huber_MVV_%C3%BCberarbeitet.pdf
10
https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP17/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000003000/0000003137.pdf
11
http://mvi.baden-wuerttemberg.de/de/ministerium/presse/pressemitteilung/pid/landtag-macht-weg-frei-fuer-landesanstalt-zur-fahrzeugfinanzierung/
29.07.2015