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NUZ – 24.01.14 - MARCUS GOLLING
Zwei Freunde kosten vom Leben
Schauspiel Das Akademietheater zeigt „Tschick“ nach Wolfgang Herrndorfs Roman
als berührende und umwerfend komische Liebeserklärung an die Freiheit der Jugend
Ulm Das große Abenteuer – im Ulmer Akademietheater findet es zwischen blauen Tonnen und ein paar
gestapelten Holzpaletten statt. „Tschick“, in Wolfgang Herrndorfs Romanvorlage auch die Geschichte der
Begegnungen auf einer Reise ins Nirgendwo, konzentriert sich in der gekürzten Bühnenfassung vor allem
auf die Freundschaft der beiden Hauptfiguren. Ein Unterfangen, das Regisseurin Stella Seefried und ihrem
Studentenensemble mit Bravour gelingt: „Tschick“ im Akademietheater ist ein Stück Jugendtheater, das für
Erwachsene nicht weniger amüsant und berührend ist. Bei der Premiere gab es dafür vom Publikum zu
Recht donnernden Applaus.
Ein Langweiler und ein Spätaussiedler
Wie der Roman folgt auch das Stück der Odyssee der beiden Protagonisten: Maik Klingenberg, von seinen
Eltern (Vater gestrauchelter Unternehmer, Mutter Alkoholikerin) vernachlässigt, von seinen
Klassenkameraden und vor allem seiner Angebeteten Tatjana als Langweiler ignoriert, und Andrej
Tschichatschow, genannt „Tschick“, Deutschrusse aus dem Plattenbau, der gerne auch mal mit Alkoholfahne
ins Gymnasium kommt. In den Sommerferien alleine gelassen, starten die beiden, obwohl sie sich kaum
kennen, mit einem geklauten Lada in Richtung Walachei, wo Tschicks Großvater wohnt. Natürlich kommen
sie dort nie an – weil sie gar nicht wissen, wie man dort hinkommt; und weil sie unterwegs zu viel erleben.
Nicht alle Episoden aus dem Erfolgsroman haben es in die AdKFassung geschafft.
Doch das Wichtigste ist geblieben: die jugendliche Leichtigkeit, die treffende Sprache der Akteure – und die
umwerfende Komik der Dialoge. Doch all das wäre nichts ohne die Darsteller – und die sind im
Akademietheater ein Glücksfall: Matthias Happach gibt den 14-jährigen Maik, der über weite Strecken auch
als Erzähler fungiert, als hibbeligen, grundpositiven Kerl, Simon Rossa als Tschick (mit einer grünen Socke
übers rechte Hosenbein gezogen) ist ein cooler, aber herzlicher „Asi“, Sophie Ammann als Isa – ein
Mädchen, das die beiden Ausreißer auf einer Müllkippe kennenlernen – so raffiniert wie burschikos.
„Tschick“ ist eine wunderbare Liebeserklärung an die Jugend und ihre Freiheit, die in Ulm vor allem auf die
Kraft der Fantasie setzt: Mal sind die blauen Tonnen die Sitze des klapprigen Lada, mal zapfen die
Protagonisten daraus Sprit ab, mal fliegen sie wild über die Bühne. Diese wird in Stella Seefrieds
Inszenierung zu einem Spielplatz, der freilich auch Platz für Poesie bietet: Als Maik und Tschick sich in der
Abenddämmerung unterhalten, geht das Licht langsam aus – und Dutzende, auf die Wände aufgeklebte
Sterne beginnen zu leuchten. Der Nachthimmel wird zum Kinderzimmer der beiden Freunde, die auch am
Ende des Stückes nicht erwachsen sein müssen. Sie haben richtig Mist gebaut – doch ihnen steht noch eine
Welt von Möglichkeiten offen. Weil sie jung sind.
Wieder morgen, Samstag, um 20:15 / Uhr im Akademietheater im Fort Unterer Kuhberg. Dazu gibt es in den
kommenden drei Wochen zahlreiche Vormittagsvorstellungen für Schulklassen. Kartenbestellung und
Information unter Telefon 0731/38 75 31, oder per mail [email protected]

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