Laufen in Erfurt - Langstreckenteam

Transcription

Laufen in Erfurt - Langstreckenteam
Gib dem Affen Zucker!
„COLA!“ – Lauferlebnis Fränkische Schweiz-Tour. Letzte Verpflegungsstelle auf der fünften
Etappe. 53 Kilometer liegen hinter mir. Mein Körper schreit nach Zucker, der Zielsprint steht
an. Es sind noch 3 Kilometer zum Ziel. Des Läufers Frau steht an der Strecke und feuert ihn
an. Vor ein paar Tagen war das noch anders. „Was?“, die Läuferfrau schreit entsetzt auf,
„Fünf Läufe an einem Wochenende?! Es gibt ja sonst nichts zu Hause zu tun. Der Rasen muss
gemäht und die Hecke geschnitten werden, der Wasserhahn tropft, ein Tischbein wackelt und
im Bad müsste eine neue Lampe montiert werden. Das sind auch fünf Etappen.“ Da war harte
Überzeugungsarbeit bitter nötig. Und vorher musste ich unbedingt zu Intersport Eisert. Ein
besonderer Wettkampf erfordert besonderes Schuhwerk.
„COLA!“, rufe ich wieder. Hektik am Getränkestand. Die Hälfte des Zuckerwassers
verschütte ich. Bloß nicht auf meine neuen Brooks Racer. Brooks-Schuhe mit Zuckerwasser
wäre schlecht. Zucker oben drauf, denke ich mir. Als ich noch ein kleiner Bub war, gab es zu
Hause Grießbrei mit Apfelmus oder Pfannkuchen. Mit Zucker oben drauf. Dazu Kakao,
natürlich mit einem Löffel Zucker. Oder zwei. Als ich dann älter wurde und den Kaffee
entdeckte, ließ ich einen Zuckerwürfel hineinplumpsen. Wenn ich Husten hatte, gab es die
Medizin auf einem Zuckerwürfel. Bei der Schluckimpfung auch. Im Radio spielten sie damals
dauernd „Sugar, Sugar“ von den Archies. Marilyn Monroe hieß „Sugar“ in „Manche mögen´s
heiß“. Und zu den Mädchen sagten wir „Süße“. Dick ist von dem ganzen süßen Zeugs damals
keiner geworden. Ein Zuckerwürfel zwischendurch, na und? Es war doch einfach so: Zucker
war wie Trost. Oder Glück.
Heute lebe ich weitestgehend ohne Zucker. Der Zucker steht bei uns ganz hinten im Schrank.
Die Läuferfrau sagt, zu viel Zucker sei schädlich, mache fett und zerstört die Zähne. Cola
oder Fanta gibt es auch nicht. „Um Himmels Willen, das sind ja vierzig Stück Zucker in der
Flasche.“ Das will ich mir auch gar nicht vorstellen. Wer will denn schon vierzig
Zuckerwürfel trinken? Ich will nur meinen Löffel Glück.
Was bleiben da für Alternativen? Honig? Süßstoff? Die kleinen, weißen Pillen sehen so nett
aus. „Plipp, plipp“ ohne umrühren. Aber man konnte sie nicht streuen und sich dabei freuen.
Das Kriseln macht doch erst den Zucker aus. Und dann der Name „Aspartam“. Wie unsexy.
Im Prinzip ist es doch so, wenn schon süß dann sollte es Zucker sein.
Im Ziel habe ich den Zucker dringend nötig. „Cola!“ – Die Läuferfrau reicht mir einen
Becher. Ich nehme einen Schluck. Diesmal verschütte ich nichts. Meine Brooks Racer bleiben
zuckerfrei. Aber mir geht der Zucker direkt ins Blut.
WOW! What a feeling!? „Sugar – Oh Honey, Honey.“
Run happy and smile!
Jochen Brosig
Röttenbach, den 09.11.2014