Mit transparenz

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Mit transparenz
Das Kundenmagazin von Horváth & Partners
Ausgabe 1/2015
S c h w e r p u n k t o p e r at i v e S t e u e r u n g
Mit Transparenz
im globalen Preiskampf bestehen
Titel
Schwerpunkt Operative Steuerung
Mit Transparenz
im globalen Preiskampf bestehen
Von René Linsner und Frank Poschadel
Da globales Wachstum auch zu einer „Globalisierung“ der Wertschöpfung in Vertrieb, Forschung,
Produktion, Services, Einkauf und Logistik führt,
wird es immer komplexer, die Profitabilität bestimmter Produkte oder Kunden auf Knopfdruck
zu ermitteln. Doch genau diese Kenntnis ist entscheidend für die erfolgreiche Steuerung von Unternehmen. Wer seine Leistungen zu teuer anbietet, verliert Kunden und Marktanteile, und wer
zu billig anbietet, verschenkt Profitabilität oder
arbeitet bald nicht mehr kostendeckend.
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Titel
P
rodukte sollen möglichst innovativ und
leistungsfähig sein, profitabel am
Markt verkauft werden und gleichzeitig die
Basis für das weitere Wachstum des Unternehmens bilden. Das Internet schafft maximale Transparenz, und global konkurrierende Unternehmen wetteifern um die Kunden.
Privatkunden recherchieren die günstigsten
Preise, und Unternehmen jeder Größe haben längst begonnen, den Einkauf zu bündeln und zu professionalisieren mit dem
Ziel, Rabatte und Boni auszuhandeln –
möglichst bis zur Schmerzgrenze. Gleichzeitig wachsen die Anforderungen der Kunden. Vielfach erwarten sie individuelle
Lösungen anstelle von Standardprodukten,
die gleichzeitig überall auf der Welt zu gleichen Bedingungen und Preisen verfügbar
sein sollen. Wenn es dann erforderlich ist,
Produkte und Leistungen immer günstiger
anzubieten, müssen Unternehmen auch immer genauer wissen, welcher Preis am
Markt akzeptiert wird und was die Herstellung kostet.
Die Betonung liegt auf „immer genauer“.
Denn eigentlich ist das ja die fundamentalste Frage, die sich ein Unternehmen
stellen kann und muss: „Wie viel verdiene
ich an meinem Produkt?“. Nur, so simpel die
Frage, die Antwort darauf ist schon längst
nicht mehr so einfach, wie es auf den ersten
Blick scheint. Kostentransparenz im Rahmen internationaler Mengen- und Werteflüsse über mehrere Produktionsstufen hinweg sicherzustellen, gehört mit zu den
größten Herausforderungen der operativen
Steuerung. Und vor ihnen stehen heute die
großen Unternehmen genauso wie weite
Teile des Mittelstands.
„Wie viel verdiene ich an
meinem Produkt?“
So simpel die Frage, die
Antwort darauf ist
schon längst nicht mehr
so einfach.
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Sie alle befinden sich in einem internationalen Wettbewerbsumfeld. Im stetigen Preiskampf müssen die möglichen Spielräume
gekannt und genutzt werden. Verdient das Unternehmen an einem
Produkt oder einem Kunden wenig oder nichts, deckt vielleicht
nicht mal die variablen Kosten, dann müssen entweder Wege gefunden werden, die Profitabilität möglichst umgehend zu erhöhen,
oder das Produkt ist in Frage zu stellen.
Zwei Ergebnisrechnungen für ein klares Gesamtbild
Für schnelle Entscheidungen auf der Managementebene ist die
mehrdimensionale Marktsegment-Ergebnisrechnung das Instrument der Wahl, welches Aufschluss über die am Markt erzielte
Profitabilität bietet. Neben den „klassischen“ Dimensionen Kunde
und/oder Produkt sorgen weitere marktorientierte Dimensionen
wie Land, Region oder Kanal für Transparenz in der Steuerung.
Ergänzt wird die extern orientierte Marktsegmentrechnung durch
die intern ausgerichtete Centerrechnung, welche die Performance
der wesentlichen Unternehmensfunktionen entsprechend ihrer
Rolle im Wertschöpfungsprozess misst. Die Steuerung von Produktion, Logistik, Einkauf etc. erfolgt durch Effizienzkennziffern, welche das Verhältnis von Output zu den anfallenden Kosten messen. Abweichungen von vorgegebenen Standards sind der Anstoß
für gezielte Korrekturmaßnahmen.
Bei der hohen Dynamik in der Unternehmensentwicklung
müssen die Ergebnisrechnungen so ausgestaltet werden, dass
schnelle Anpassungen an Veränderungen in Strukturen und Prozessen möglich sind. Was etwa in dem Produktionswerk im Stammhaus
passiert, muss ebenso transparent sein, wie die Performance eines
neu aufgebauten Produktionswerks in China oder die der seit vielen
Jahren bestehenden Vertriebsgesellschaft in Mexiko. Richtig kompliziert wird es, wenn ein Unternehmen eine Sparte verkauft oder
eine neue Sparte erwirbt, wenn Veränderungen etwa durch Bündelung oder die Reorganisation eigener Leistungen in global agierenden Einheiten zu berücksichtigen sind oder wenn unterschiedliche
Geschäftsmodelle (z. B. Produktgeschäft, Lösungsgeschäft, Projektgeschäft) abzubilden sind. Wie kann dann verhindert werden,
dass ein zu Beginn gut durchdachtes Gesamtkonzept des Unternehmens mit dessen komplexen Wachstum nicht mehr Schritt halten kann und am Ende eine durch viele Schnittstellen und Brüche
gekennzeichnete Prozess- und Systemlandschaft entsteht?
Auch „das Gestalten“ will gestaltet werden
Um den mehr oder weniger schnellen Bedeutungsverlust des einmal eingeführten Steuerungssystems zu vermeiden, muss bei der
(Neu-)Gestaltung der operativen Steuerung deren Zukunftssicherheit und Ausbaufähigkeit von Beginn an mit im Fokus stehen. Dies
wird erreicht, wenn für die Ergebnis- und Centerrechnung einheitliche
und durchgängige Gestaltungsprinzipien, Standards und Strukturen
gelten und auch im Projektverlauf gegen Widerstände durchgesetzt
werden. Diese Standards gelten dann für Inhalte, wie etwa unter-
Titel
nehmenseinheitliche Definitionen für Kostenarten, ebenso wie
für Prozesse (z. B. standardisierte Bestellprozesse).
Die Basis des gesamten Steuerungssystems ist die Überarbeitung und Neuausrichtung von Werteflüssen und deren Synchronisation mit den Mengenflüssen. Die Werteflüsse beschreiben, vereinfacht ausgedrückt, wie Geschäftsvorfälle über verschiedene
Wertschöpfungsstufen hinweg den Weg in die Ergebnis- und
Centerrechnung finden. Werteinformationen kommen aus den
kaufmännischen Prozessen, wie zum Beispiel die Buchung einer
Rechnung für Rohmaterial oder die Rechnung von Werk A an
Werk B für gelieferte Halbfertigprodukte. Mengeninformationen
hingegen entstehen u. a. in der Logistik und in der Produktion.
Dazu gehört zum Beispiel die Anlieferung von Rohmaterial an der
Wareneingangsrampe im Lager oder der Verbrauch von Rohmaterial im laufenden Produktionsprozess. Idealerweise korrespondieren die Mengen- mit den Werteflüssen. Die Herausforderung
in der Synchronisation liegt darin, dass die jeweiligen Informationen an unterschiedlichen Stellen in der Organisation und den
Systemen entstehen, meist auch mit zeitlichem Versatz. So kommt
etwa die Rechnung für eine Warenlieferung in der Buchhaltung
erst zwei Wochen nach dem Zugang ins Lager an und wird entsprechend auch erst später gebucht.
Synchronisierte und standardisierte Mengen- und Werteflüsse
sind also eine wesentliche Voraussetzung für abgestimmte Informationen und damit ein ganz entscheidender Baustein für Transparenz in der operativen Steuerung. Eine derart konsistente Informationsbasis schon in den operativen ERP-Systemen abzubilden,
ist dabei wesentliche Grundlage für eine Ergebnisrechnung „auf
Knopfdruck“.
Für die Gestaltung der Marktsegment-Ergebnisrechnung und
der Centerrechnung haben sich nach unseren Erfahrungen die
folgenden Prinzipien bewährt:
1. Konsistente Ableitung der Berichtsinhalte und Berichtsdimensionen aus dem Steuerungskonzept:
Das Steuerungskonzept gibt Auskunft über relevante Dimensionen der operativen Steuerung. So zum Beispiel die Dimension
„Kunde“ in der Marktsegment-Ergebnisrechnung, wenn die Profitabilität je Kunde eine wichtige Entscheidungsinformation ist.
Für die Centerrechnung wird aus dem Steuerungskonzept der
Zuschnitt der Organisation – und damit der Center – abgeleitet (z. B. das Center „Kundenservice“, wenn hier Transparenz
über den Wertbeitrag oder die Kosten geschaffen werden soll).
2. Entwicklung einer einheitlichen und allgemeingültigen Struktur
der Zeilen bzw. Berichtspositionen:
Hier sind etwa für Marktsegment-Ergebnisrechnung Umsatzund Periodenkosten eines Unternehmens strikt zu trennen und
hierarchisch nach dem Grad der Zurechenbarkeit auf Ergebnisobjekte, wie beispielsweise das Produkt oder Projekt, zu glie-
Synchronisierte und standardisierte
Mengen- und Werteflüsse sind
eine wesentliche Voraussetzung für
abgestimmte Informationen und
damit ein ganz entscheidender Baustein
für Transparenz in der operativen
Steuerung.
dern. Für die Centerrechnung bedeutet
das einheitliche Standards in den Berichtspositionen bzw. dem Berichtsaufbau, um Center untereinander vergleichen zu können (z. B. Service Center
Nordamerika vs. Europa).
3. Eindeutige Festlegung der Berichtstiefe
für die einzelnen Steuerungsdimensionen:
Die Berichtstiefe ergibt sich aus der
Kombination von Steuerungsdimensionen (Punkt 1) und Zeilen-/Positionsstruktur (Punkt 2). Für jede Dimension
ist die Ebene (Tiefe) der Kostenzuordnung festzulegen. Diese folgt idealerweise dem Kostenverursachungsprinzip, also der Frage: „Wer ist Auslöser für
die Kosten?“. Eine pauschale Schlüsselung von Gemeinkosten, z. B. nach dem
Tragfähigkeitsprinzip (also „Wer übernimmt die Kosten?“), ist nicht zu empfehlen, weil damit der Druck von der
„Quelle“ der Kosten genommen wird
und damit auch die Verantwortlichkeit
für die Kosten verloren geht. Weiter S.10
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Titel
SAP S/4 HANA
Und wie fange ich jetzt an?
Zunächst erfolgt eine Analyse der Geschäftsmodelle und des Steuerungskonzepts mit
Fokus auf die sich daraus ergebenden Anforderungen und Handlungsfelder für die
Marktsegment-Ergebnisrechnung und die
Centerrechnung. Die präzise Definition
der Steuerungsdimensionen, Zeilenstruktur und Berichtstiefe bildet den Kern der
konzeptionellen Projektarbeit. Die Marktsegment-Ergebnisrechnung fokussiert dabei auf Fragen mit Blick auf Kunden, Produkte, Regionen usw. Die Centerrechnung
hingegen wendet den Blick nach innen
und fokussiert auf die einzelnen Unternehmensfunktionen wie zum Beispiel Werke
oder Serviceorganisationen.
Die Gestaltung der Mengen- und Werteflüsse ist der verbindende Unterbau. Sie
ist vom Aufbau der Ergebnisschemata nicht
zu trennen, denn sie sollen die definierten
Strukturen mit Werten beliefern. Wenn
Mengen- und Wertefluss sowie die Ergebnisstrukturen nicht zusammenpassen oder
nicht darstellbar sind, ergibt die angedachte Systematik wenig Sinn.
Als letzter, aber nicht zu vernachlässigender Schritt steht die technische Implementierung in den IT-Systemen und in der
Organisation an. Die enge Einbindung aller
operativen Fachbereiche und der IT in allen Projektphasen sichert eine erfolgreiche
Umsetzung und eine hohe Akzeptanz im
Unternehmen.
Angesichts globaler Unternehmensstrukturen, steigendem Wettbewerbsdruck
und der immer weiter zunehmenden Datenflut ist Transparenz mehr denn je gefragt
– und immer schwieriger zu erreichen.
Wenn diese Hürde aber erst mal erfolgreich überwunden ist, sind Ergebnis- und
Centerrechnung die wichtigsten Instrumente für die Transparenz, die für profitables Wachstum und den Erfolg im Wettbewerb unverzichtbar ist.
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Operative
Steuerung
leicht
gemacht?
Mit dem Schlagwort „Simple“ wirbt
SAP derzeit für ihr jüngstes Produkt
SAP S/4 HANA. Das Versprechen
lautet, damit die operative Steuerung stark zu vereinfachen. Was
verbirgt sich hinter diesen Kürzeln? Und vor allem, gelingt damit die operative Steuerung wirklich leichter?
SAP S/4 HANA ist die neue Produktbezeichnung für das zuletzt unter „SAP ERP“ bekannte R/3. Es wurden aber nicht einfach
nur der Name erneuert, sondern erhebliche
Weiterentwicklungen vorgenommen. Das
ERP-System wurde auf HANA portiert und
nutzt die Stärken der neuen Datenbanktechnologie vollständig aus. Rechenintensive Prozesse wie etwa die Auftragsabrechnungen oder WIP-Ermittlungen (WIP = Work in
Process: Materialien, welche sich zum Stichtag, wie z. B. Monatsabschluss, im Produktionsprozess befinden) werden in S/4 direkt
in der Datenbank HANA durchgeführt und
sind damit deutlich schneller.
Neben der technischen Transformation
erlebt das System eine deutliche inhaltliche
Weiterentwicklung. Grundgedanke ist, Informationen wie Kostenstellen, Aufträge, Kunden oder Branchen ausgehend vom Sachkonto zur Verfügung zu stellen. Zu diesem
Zweck gibt es künftig den integrierten
Titel
Buchungsbeleg, der Accounting-Daten mit
weiteren Informationen wie beispielsweise
Controlling, Logistik oder CRM verknüpft.
SAP S/4 umfasst zunächst mit SAP S-FIN die
„Kern-Finanzfunktionen“ (die Module FI, CO,
AA, CM). In der weiteren Ausbaustufe kommen dann mit S-LOG die Logistikmodule hinzu (MM und SD).
So weit die technische Faktenlage. Die
spannende Frage, die sich nun stellt: Wie
kann SAP S/4 HANA die operative Steuerung vereinfachen?
One Source of Truth = Simple?
Die Vereinfachung erfolgt nicht alleine
durch die schnellere Datenverarbeitung. Sie
entsteht vielmehr durch die Verfügbarkeit
aller Informationen auf detailliertester Ebene. Dazu wird das Konzept der Buchungsbelege erweitert, so dass diese nun nicht
nur Accounting-Informationen enthalten,
sondern alle Daten umfassen, die zum Beispiel für die Ergebnisrechnung wichtig sind
(Kunden oder Kostenträger). Damit arbeiten Buchhalter und Controller mit identischem Informationsstand, was dazu führt,
dass das interne und externe Rechnungswesen faktisch abgestimmt ist. Aufwändige
Überleitungen vom externen zum internen
Ergebnis inklusive der langwierigen Abstimmrunden können entfallen. Auch die
Auswertungen werden flexibler, da ad-hoc
unterschiedliche Sichten auf den Buchungsstoff eingenommen werden können. Das
folgende Beispiel macht dies deutlich: Bei
der Analyse der Kundenergebnisrechnung
fällt auf, dass eine Kundengruppe besonders schlechte Ergebnisse erzielt hat.
Schnell zeigt sich, dass diese Kunden Produkte einer speziellen Produktgruppe bevorzugt gekauft haben. Der Controller setzt
deshalb seine Analyse im Bericht über die
Dimension „Produkt“ anstatt der Dimension
„Kunde“ fort. Mit einem weiteren DrillDown entlang der Stückliste der Herstellkosten dieser Produkte stellt er fest, dass
eine massive Preissteigerung bei einem benötigten Rohstoff die Kosten dieser Produkte hat explodieren lassen.
Neben der einheitlichen Datenbasis
verdient auch das neue und vereinfachte
Bedienkonzept eine Erwähnung, genauso
wie ein verbessertes Customizing.
Der Weg zu „Simple“: nicht ganz so
einfach
Auch wenn die praktische Nutzung von SAP
S/4 HANA viel Potenzial für die Vereinfachung der operativen Steuerung bietet, sind
zunächst einige Voraussetzungen zu klären.
Ein zentrales Thema ist der Wechsel auf das
neue Hauptbuch in der Buchhaltung, der
notwendig wird, um den integrierten Buchungsbeleg mit all seinen Vorteilen nutzen
zu können. Ein möglicher Weg ist der relativ
aufwändige „Greenfield“-Ansatz. Dabei ist
in einer intensiven Konzeptarbeit u. a. der
Belegsplit zu erarbeiten. Ein solch massiver
Eingriff kann nur zum Geschäftsjahresende
erfolgen, verbunden mit all den Risiken, die
eine solch große Migration mit sich bringt.
Weniger bekannt ist, dass auch eine schrittweise Umstellung möglich ist. Dazu wird
das neue Hauptbuch technisch aufgesetzt,
aber zunächst als vereinfachte Variante
unter Verzicht auf den Belegsplit. Erst im
zweiten Schritt erfolgt die weitere Umstellung, um die volle Funktionalität des neuen Hauptbuches nutzen zu können. Damit
sinkt das Risiko eines komplexen Migra­
tionsprozesses massiv.
SAP S/4 HANA kann also tatsächlich
die operative Steuerung erheblich vereinfachen. Die technische Umstellung erfordert jedoch eine sorgfältige Planung und
ein gut durchdachtes Konzept. Ist dies gegeben, sollte die Einführung kein unüberwindbares Hindernis darstellen.
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