wenn Schenker die Maschine nicht in Bewegung gesetzt hatte und

Transcription

wenn Schenker die Maschine nicht in Bewegung gesetzt hatte und
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B, Civilretirtspflege.
wenn Schenker die Maschine nicht in Bewegung gesetzt hatte und
daß also insofern ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem
Thun des Schenker und dem Unfälle thatsächlich besteht; allein
rechtlich relevant ist dies nicht; entscheidend ist vielmehr, daß die
Zurechnung des eingetretenen schädigenden Erfolges zur Schuld
des Schenker durch die dazwischentretende freie, schuldhafte Hand­
lung des Beschädigten selbst ausgeschlossen w ird, ein rechtlich er­
heblicher Kausalzusammenhang also nicht vorliegt.
4. I s t somit der Unfall vom Kläger selbst verschuldet worden,
so muß offenbar auch die Klage gegen den Beklagten W yß ohne
Weiteres abgewiesen werden und bedarf es für den vorliegenden
Fall einer Untersuchung der Frage, ob A rt. 62 O .-R . vom Vorder­
richter richtig ausgelegt worden sei, nicht und braucht ebensowenig
geprüft zu werden, ob nach dem zwischen dm Parteien bestehenden
Rechtsverhältnisse W yß für ein durch die von ihm dem Kläger
zur Bedienung seiner Maschine zur Verfügung gestellten Arbeiter
hiebei begangenes Verschulden als Gefchäftsherr einzustehen hätte
oder insoweit nicht eher der Kläger selbst als Geschäftsherr (Unter­
nehmer der Drescharbeit) zu betrachten wäre.
Demnach hat das Bundesgericht
e r k a n n t:
Die Weiterziehung des Klägers wird als unbegründet abge­
wiesen und es hat demnach in allen Theilen bei dem angefochtenen
Urtheile des Obergerichtes des K antons Solothurn vom 24. S e p ­
tember 1889 sein Bewenden.
113. U r t h e i l vom 22./2S. N o v e m b e r 1889 i n S a c h e n
J e n n y geg en B lu m e r.
A. Durch Urtheil vom 2 6 ., 2 7 ., 28. August 1889 hat das
Obergericht des K antons G larus erkannt:
1. E s sei die Appellantschaft mit ihrem Begehren auf Auf­
hebung des zwischen den Parteien am 3. J a n u a r 1885 abge­
schlossenen Auslösungsvertrages gerichtlich abgewiesen;
2. Gerichtskostm 1 74 F r. 20 C ts.;
II. Obligationenrecht. K° 113.
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3.
Die rechtlichen Kosten hat Appellantschaft allein zu tragen.
Lie außerrechtlichen sind wettgeschlagen.
B . Gegen dieses Urtheil ergriffen. die Kläger die Weiterziehung
an das Bundesgericht. Bei der mündlichen Verhandlung erklären
vorerst die Anwälte der Beklagten sich damit einverstanden, daß
fü r die Beklagten einzig Advokat Haberstich das W ort führe. H ier­
auf begründet der Vertreter der Kläger in eingehender A usfüh­
rung den A ntrag: E s sei in Abänderung des angefochtenen Urtheils die Klage gutzuheißen und mithin der Auslösungsvertrag
vom 3. J a n u a r 1885 als für die Kläger unverbindlich zu er­
klären, unter Kosten und Entschädigungsfolge.
D er Vertreter der Beklagten trägt auf Abweisung der gegneri­
schen Beschwerde und Bestätigung des angefochtenen Urtheils unter
Kosten- und Entschädigungsfolge a n ; eventuell hält er die säinmtlichen vor den kantonalen Instanzen gestellten Beweisanträge auf­
recht. E r produzirt ein Originalexemplar des Gesellschaftsvertrages
vom 20. Oktober 18 8 1 , sowie den srühern Gesellschaftsvertrag der
Gesellschaft P . Blum er & Jenny.
D er klägerische Anwalt erklärt, er habe gegen die Vorlegung
dieser neuen Aktenstücke nichts einzuwenden, produzire dann aber
seinerseits einen Vertrag über Fortsetzung der Gesellschaft vom
28. J u n i 1884.
D er Vertreter der Beklagten proteftirt gegen das letztere Akten­
stück als novum.
D a s Bundesgericht zieht in E r w ä g u n g :
1. I n den 1870ger Jah ren bestand in Schwanden, K antons
G la ru s , eine aus vier Antheilhabern, nämlich Konsul Peter­
Jen n y , Fritz Jenny-T rüm py, Kirchenvogt Ferdinand B lum er-Jenny
und M ajo r Peter B lum er-B lum er gebildete Kollektivgesellschaft,
welche unter der Firm a „ P . Blumer & Jen n y " ein Druckereigeschäft
in Schwanden und eine M ühle und Pastenfabrik in Chiaravalle
bei Ancona betrieb. Von diesen vier Gesellschaftern starb Konsu.
Jen n y im Ja h re 1879 und F . Jenny-T rüm py im Ja h re 1880
Am 20. Oktober 1881 schlossen der älteste S o h n des Konsuls
Je n n y , Peter J e n n y , und die beiden überlebenden Gesellschafter
F . und P . Blum er einen neuen Gesellschaftsvertrag ab; die neue
Gesellschaft übernahm Aktiven und Passiven der frühern und be-
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ß, Civilrechtspfìege.
trieb deren Geschäfte unter der bisherigen Firm a fort. A us dem
Gesellschaftsvertrage sind folgende Bestimmungen hervorzuheben:
„D ie Gesellschaft wird für die Zeit bis Ende Dezember 1886 fest
„eingegangen. Doch hat jeder Associti das Recht, wenn das eine
„ober andere Geschäft während zwei Jah ren nicht einmal die Jah res„zinsen sammt Spesen abwerfen sollte, Liquidation des betreffen=
„den Theils zu verlangen" (§ 6 ). Jeder der drei Associas ist „zu
„gleichen Theilen mit Nutzen und Schaden im Geschäft interesstrt"
(§ 4 ). D em , damals erst 17 J a h re alten, Bruder des Gesell­
schafters Peter J e n n y , Fritz J e n n y , soll nach § 8 „das Recht
„eingeräumt fein, mit 1. J a n u a r 1885 als Associs in unser Ge„schäft einzutreten mit i/1Antheil an beiden Geschäften. Fritz Jenny
„ist bei seinem Eintritte in allen Theilen, also speziell auch betreff
„der Werthansätze von Gebäuden, Geräthschasten und Liegenschaften,
„den übrigen Associes gleichgestellt. W enn Fritz Jenny in die Gesell„schaft eintritt, so hat er als Einschußkapital 100,000 F r. im
„Geschäfte zu belassen" (von den darin angelegten Geldern der
Erbschaft des Konsuls Jen n y ). § 5 des Gesellschassvertrages be­
stimmt: „Keine Geheimnisse über unser Geschäft, so wenig als
„willkürliche M aßnahmen und Unternehmungm von Einzelnen
„dürfen geduldet werden und Dawiderhandelnde können mit Hab
„und G ut verantwortlich gemacht werden." I n § 7 sodann ist ver­
einbart : „ F ü r den F all des Ablebens eines Associs innert dem
„Vertragstermine dauert seine Jnteressenz mit stützen und Schaden
„im Geschäft bis nach Ablauf desselben fo rt, insofern nicht vor­
her ein gütlicher Auskauf stattstndet."
„Die übrigen Associés sind in obigem Falle berechtigt, die Lie­
genschaften, Gebäulichkeiten, Wasserrechte, Geräthschasten u. s. w.
„nach dessen Wieben zu den im letzten In v e n ta r festgesetzten An„satzpreisen von der Verlassenschast zu übernehmen. W aarenvorräthe,
„Guthaben, sonstige Ausstände werden, wenn keine besondere Ber„ständigung stattstndet, gemeinschaftlich liquidirt. D ie Abschrei­
b u n g e n auf Gebäulichkeiten und Geräthschasten dürfen 1 % von
. „den jeweiligen Jnventaransätzen nicht übersteigen."
„Falls die Uebernahme des Geschäftes durch die übrigen Associas
„zu obigen Bedingungen zugesagt wird, so sind sie gehalten, den
„Antheil der Verlassenschaft in acht jährlichen Raten zu 12 ft'z °/o
II. Obligationen recht. N“ 113.
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„auszubezahlen." § 9 schreibt v o r : „S ollte ein Associò vertrags­
w id rig au s dem Geschäfte treten, so ist er für jeden Schaden und
„Nachtheil verantwortlich und haftet mit seiner Znteressenz bis
„nach Ablauf des gegenwärtigen V ertrages; zugleich ist ihm unter„fagt, während der Vertragszeit in rin anderes Geschäft zu treten
„oder ein ähnliches Geschäft zu gründen. D er Abrechnungsmodus
„ist auch hier laut § 7 Vorbehalten. F ü r den F all, daß nach Ab„lauf der Vertragsdauer ein oder mehrere Associés aus dem Ge„schäfte treten und dessen Fortsetzung durch die übrig bleibenden
„Associés vereinbart wird, so soll den letztern behufs Ermöglichung
„der Fortsetzung das Recht eingeräumt sein, die Liegenschaften,
„Gebäulichkeiten u. s. w. zu den Jnventaransätzen, wie solche beim
„Vertragsablaus festgesetzt sind, zu übernehmen. (§ 7 )." Nach §
11 des Gesellschaftsvertrages ist für Streitigkeiten über die A u s­
legung des Vertrages und für Anstände, die der Vertrag nicht
vorgesehen habe, schiedsrichterliche Erledigung vorgesehen. I m F rü h ­
jahr 1883 kam es zu einem Streite zwischen dem jungen, damals
noch minderjährigen, Fritz Jenny und dem Gesellschafter P . Blum er;
elfterer w ar nämlich nicht damit zufrieden, daß ihm nur ein hal­
ber Gesellschaftsantheil (von ij1) in Aussicht gestellt w ar und be­
hauptete, es sei ihm früher volle Gleichstellung mit den übrigen
Associes versprochen worden; er erklärte, zu den vereinbarten B e­
dingungen nicht in das Geschäft eintreten zu wollen. I n Folge
dieses S treites erklärte P . Blumer wiederholt gegenüber dem Ge­
sellschafter Peter Jen n y , daß er mit Rücksicht aus das Benehmen
seines B ruders Fritz Jen n y den § 8 des Gesellschaftsvertrages als
erloschen betrachte und seine Zustimmung zum Eintritte des Fritz
Jenny in die Gesellschaft nicht gebe. Peter Jenny wies diese E r ­
klärung wiederholt zurück; eine letzte sachbezügliche Zuschrift des
P . Blum er vom 17. A pril 1884 beantwortete P . Jenny nicht
mehr. Schon seit längerer Zeit erkrankt, verstarb er am 15. J u n i
1884. I n dem über seinen Nachlaß ergangenen Rechnungsrufe
erklärten F . B lu m er-Jen n y und Peter Blum er-Blum er, daß sie
als überlebende Associas der Firm a P . Blumer & Jenny in
Schwanden von § 7 Lemma 2 des bestehenden Gesellschaftsvertrages
vom 20. Oktober 1881 Gebrauch machen (d. h. also, die Liegen­
schaften u. s. w. zu den letzten Jnventarpreisen an sich ziehen)
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B. Civilrechlspflege.
und mit Bezug auf § 8 die frühem von P . Blumer wiederholt
abgegebenen Erklärungen erneuern. Die Erbschaft des P . Jenny
Lestritt die von F . und P . Blum er beanspruchte Berechtigung, die
Liegenschaften u. s. w. der Firm a an sich zu ziehen und Fritz
Jen n y beanspruchte die Aufnahme in die Gesellschaft. D a gütliche
Unterhandlungen fruchtlos blicken, so strebten die Erbschaft Jenny
sowie Fritz Jenny eine schiedsgerichtliche Entscheidung an und
ließen zu diesem Zwecke F . und P . Blum er auf 3. J a n u a r 1885
vor Vermittleramt laden. Anläßlich dieser Tagsahrt kam es, nach­
dem der Anwalt der Familie Jenny und des Fritz Jenny die I n i ­
tiative hiezu ergriffen und die ersten Vorschläge form ulili hatte,
zu einer Verständigung zwischen den Parteien, indem an genann­
tem Tage ein „Auslösungsvertrag" abgeschlossen wurde; durch diesm
Vertrag verzichteten die Verlassenschaft des Peter Jenny und Fritz
Jenny auf alle ihnm laut Gesellschaftsvertrag vom 20. Oktober 1881
zustehenden Rechte, so daß das Geschäft P . Blumer & Jenny
in Schwanden und Chiaravalle mit dem 1. J a n u a r 1884 in
Aktiven und Passiven aus F. und P . Blumer übergehen sollte,
wogegen letztere sich verpflichteten, den der Verlassenschaft des
Peter Jen n y laut Geschäftsbilanz per 1. J a n u a r 1884 zu gute
kommenden Betrag fammi Zinsen in bestimmten Terminen zu­
rückzubezahlen und überdem dem Fritz Jen n y „dahin und daweg"
5 0 ,0 0 0 F r. in zwei R aten bis spätestens Ende 1885 auszube­
zahlen. A rt. 3 dieses Vertrages bestimmt: „D ie Vormerkung des
„Eigenthumsüberganges der M ühlen- und Pastenfabrik sammt
„Zubehörden in Chiaravalle auf die Herren Ferdinand und Peter
„Blumer und ebenso diejenige des A ustrittes der Verlassenschaft des
„Herrn Peter Jen n y sel. au s der Firm a Peter Blumer & Jenny
„in den öffentlichen Büchern daselbst soll bis Ende 1885 auf„ geschoben werden und es verpstichtet sich die Verlassenschaft
„des H errn P eter Jenny sel., bei einer allfälligen Veräußerung
„dieser Liegenschaften durch die Herren Ferdinand und Peter Blumer
„innerhalb dieses Zeitraum es die geforderten Unterschriften zu geben,
„damit die Z ahlung einer zweimaligen Handänderungsgebühr ver­
m ieden werden kann. Dagegen haften die Herren F . und P .
„Blumer der Verlassenschaft des Herrn P . Jenny sel. für alle
„und jede an diese letztere von daher allfällig zu stellenden An-
II. Obligationenrecht. N° 113.
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„spräche oder daraus entstehenden Folgen unbedingt und verpflich„ten sich, hierfür der Verlassenschaft des H errn Peter Jenny fei
„genehme B ürg- und Zahlerschaft zu leisten." O b bei den Ver­
handlungen über Abschluß dieses Vertrages den Erben Jenny vom
Anwälte der beiden Blum er mitgetheilt worden sei, ein Verkauf
der M ühle in Chiaravalle werde von letztem „tendirt" und „sei
vielleicht in nicht allzu ferner Zeit möglich," ist bestritten. D a ­
gegen ist nicht bestritten, daß weitere M ittheilungen über allfällig
schon eingeleitete Verkaufsverhandlungen nicht gemacht wurden.
Solche Verkaufsunrerhandlungen waren nun aber damals von P .
Blum er bereits angebahnt worden. Schon zu Lebzeiten des P . Jenny
hatte P . Blum er bei ersterm, welcher speziell das Mühlengeschäft
in Chiaravalle leitete, in Anregung gebracht, ob es nicht möglich
w äre, dieses Geschäft zu angemessenem Preise an den Banco di
R om a beziehungsweise ein Zweiginstitut desselben, die Società
d ei m olini e m agazini g enerali di R om a zu verkaufen, welches
In stitu t ein M onopol im italienischen beziehungsweise römischen
Müllereigeschäfte anzustreben scheine. Peter Jen n y hatte hierauf am
8 . Februar und 19, M ärz 1884 geantwortet, ein solcher Verkauf
sei gegenwärtig nicht thunlich und es sei übrigens ein Verkauf
mit Rücksicht auf die gute Rendite des Geschäftes nicht dringlich.
Am 2. M a i 1884 hatte sodann P . Blum er sich an O re ste B ran ­
dini, den römischen Agenten der Firm a, gewmdet und denselben
ersucht, er möchte sich mit der nvthigen Vorsicht darüber Gewiß­
heit zu verschaffen suchen, ob der Verwaltungsrath der römischen
Mühlengesellschaft beziehungsweise des römischen B anco zum A n­
käufe der M ühle in Chiaravalle geneigt und ob darüber eine Ver­
ständigung möglich wäre. E r fügte bei, der Hauptgm nd feiner Anfrage
sei der schwankende Gesundheitszustand seines Associés Jen n y , welcher,
wie er befürchte, der Leitung ihres Etablissements nicht mehr viele
Ja h re werde vorftehen können und ersuchte den Agenten, von
dieser Anfrage weder seinem (des Schreibers) Hause, noch dem
H errn Jenny etwas zu sagen. Nach dem Tode des P . Jenny, am
18. J u n i 1884, erneuerte P . Blumer, wie er sagte im Einverständ­
nisse mit feinem Associé, und mit dem Hinweise darauf, daß der
von ihm befürchtete F all nun eingetreten sei, dm Auftrag an
B rand in i, dieser möchte in Gemeinschaft mit seinem Schwieger-
xv — 1889
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B. Civilrechtspflege.
»ater, dem Advokaten Tancredi, zu ermitteln suchm, ob die Römi­
sche Bank zu einem Ankäufe des Etablissements in Chiaravalle
zu vernünftigem Preise geneigt wäre. Brandini übernahm diesen
Auftrag und that wirklich in Verbindung mit dem Advokaten
Tancredi Schritte, um den V erw altungsrath der Römischen Bank
zu Uebcrnahme des Etablissements in Chiaravalle zu bewegen;
es wurde hierüber eine ausführliche Korrespondenz zwischen B ra n ­
dini und Tancredi einer- und P . Blumer und dem Vertreter der
Firm a P . Blum er & Cie in Chiaravalle (Giov. Baum gartner,
einem Schwiegersohn des Associé F . Blum er) andrerseits geführt.
Am 16. J u l i 1 8 8 4 nannte unter Anderm P . Blum er dem B ra n ­
dini a ls Verkaufspreis den Betrag von 800,000 F r. netto, alle
Spesen zu Lasten des Käufers, und am 30. J u li 1884 benach­
richtigte ihn Brandini, daß sie „die Offerte mit der nothwendigen
Vorsicht gemacht haben." Am 13. Dezember 1884 ersuchte B ra n ­
dini den B aum gartner, um einige Angaben über die Beschaffen­
heit, Einrichtungen, Produktionskraft u. s. w. der M ühle, um
von denselben Gebrauch machen zu können; auf telegraphische E in­
ladungen des Brandini und Tancredi vom 18. und 19. Dezember
telegraphirte P . Blumer am 19. Dezember an Tancredi: „Eta„blissemmt mit Maschinen, aber ohne M aaren, Guthaben, Vieh,
„Fuhrwerk, Säcke, H ausgeräthe, P reis achthundertfünfzigtausend
„netto zahlbar Hälfte sofort, Hälfte innerhalb 1885 mit den Zinsen;
„alle Steuern zu Lasten des Käufers und vorbehaltlich Genehmi„gung meines H auses," sowie an B randini: „Obwohl keinen
„G rund habe zu verkaufen, werde zu guten Bedingungen verkau„fen" (welch' letztere Depesche einzig dem Kaustustigen mitgetheilt
werden sollte). Am 23. Dezember theilte Tancredi dem P . Blumer
mit, in Folge seiner Telegramme sei die Angelegenheit mit der Römi­
schen Bank eingeleitet worden und er zweifle an dem glücklichen
Erfolge nicht, denn es sei gelungen, in der genannten Gesellschaft
große Kauflust zu erregen. D a andere Vermittler sich einzudrängen
versuchen, so ersuche er um einen B rief, in welchem ihm Voll­
macht-ertheilt werde, in den Grenzen der früher ertheilten V or­
schriften, — ohne dieselben zu wiederholen — , und unter Geneh­
migungsvorbehalt zu verhandeln. W as den P reis u. s. w. anbe­
lange, so werde er die Sache so zu leiten verstehen, daß die
II. Obligationenrecht. N» 113.
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Wünsche P . B lum ers nicht n u r eingehalten, foitbem eher noch
Mertroffen werden. Am 27. Dezember schrieb daraufhin P . B lumer dem Tancredi wörtlich: „Ich bestätige Ih n e n mein Telegramm
„vom 19. dies und bestätige Ih n e n mit Gegenwärtigem meine Voll„macht, mit der betreffenden Gesellschaft behufs Verkaufs meines
„Etablissements in Chiaravalle zu den Bedingungen meiner frühern
„Vorschriften zu unterhandeln, vorbehaltlich der Genehmigung
„meines Hauses." Am 30. Dezember meldete Tancredi, daß er
einem einflußreichen Mitgliede des Verwaltungsrathes der Röm i­
schen Bank (dem Prinzen Gabrielli) habe mittheilen lassen, daß
er von P . Blumer die Vollmacht besitze und die Verhandlungen
mit Jemand aus dem Schoße des Verwaltungsrathes führen
werde. Den von P . Blum er ihm genannten P reis betrachte er
als M inim um und theile denselbm Niemandem m it; er werde mit
einem weit höhern Preise anfangen und, wenn er die Antwort
gehört, zu unterhandeln wissen. Auch P . Blumer möge den ge­
machten M inim alpreis Niemandem mittheilen. Nächstens werde ein
Ingenieur zur Besichtigung und vielleicht auch zur Schätzung des
Etablissements an O r t und Stelle gesandt werden; da es von
Nutzen w äre, wenn P . Blumer sich bet Ankunft des Ingenieurs
in Chiaravalle befände, so werde er demselben diese Ankunft drei
oder vier Tage vorher telegraphisch melden. W ie aus dem P ro to ­
kolle des Verwaltungsrathes der Mühlengesellschaft vom Dezember
18 8 4 hervorgeht, hatte diese Behörde damals eine Schlußnahme
über allfallig für die M ühle in Chiaravalle zu machende K aufs­
offerten nicht gefaßt; aus den betreffenden Beschlüssen vom 15.,
20. und 26. Dezember geht dagegen hervor, daß sie geneigt w ar,
eine Offerte des Besitzers zu prüfen und mit Tancredi zu unter­
handeln, wobei vorerst das Verwaltungsrathsmitglied Prinz Gabrielli
mit Tancredi sich zu besprechm habe, in welcher Eigenschaft dieser
sich vorstelle. I n diesem S tadium befandm sich die Berkaufsunterhandlungen, als der Auslösungsvertrag vom 3. J a n u a r 1885
abgeschlossen wurde. D ie dieselben betreffenden Korrespondenzen des
P . Blumer und G . B aum gartner w arm in die Kopirbücher der
U n n a P . B lum er & Jen n y nicht, sondern in die Privatkopirbücher eingetragen. I n der Bilanz vom 1. J a n u a r 1884 respek­
tive 31. Dezember 1883, welche nach dem Vertrage vom 3. J a n u a r
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B. CivilrechtspBege.
der Ausösung der Erben Jenny zu Grunde gelegt wurde, ist das
Etablissement zu Chiaravalle mit 29 6 ,9 5 0 F r. 77 C ts. angesetzt.
Nach dem Abschlüsse des Auslösungsvertrages wurden die Berkaufsunterhrndlungen weiter geführt; im Februar 1885 fand eine
Besichtigung des Etablissements durch Sachverständige statt und
es wurde hernach seitens der Mühlengesellschaft noch Aufschluß über
die Rendite des Geschäftes begehrt. Am 30. M arz o f f e r ir à die
Abgeordneten des Verwaltungsrathes der Mühlengesellschaft dem
Advokaten Tancredi (vorbehaltlich richtigen Befindens der von die­
sem über die Rendite u. s. w. gemachten Angaben) für das E ta ­
blissement eine M illion sowie die Hälfte der Handänderungsge­
bühren; Peter Blum er erklärte die Annahme dieses Angebotes
und es wurde ein daraufhin entworfener Prälim inarvertrag vom
Verwaltungsrathe der Mühlengesellschaft am 11. April 1885 im
Allgemeinen genehmigt, dessen Unterzeichnung aber noch davon
abhängig gemacht, daß eine Untersuchung der Bücher in Chiara­
valle die Angaben über die Rmdite des Geschäftes bestätige. Nach­
dem diese Untersuchung stattgefunden, nahm die Gesellschaft am
21. A pril 1885 den Prälim inarvertrag definitiv an. Z um end­
gültigen Kaufsabschlusse hatte Peter Blum er von den Erben des
Peter J e n n y , gestützt auf Art. 3 des Auslösungsvertrages, die
Ausstellung der nöthigen Vollmachten verlangt. Dieselben wurden
von Fritz Jen n y am 2. M ai, von dm übrigen Erben des Peter
Jenny und dem Ferdinand Blum er bereits am 20. A pril 1885
ausgestellt. I n letzterer Vollmacht wird Peter Blum er zum V er­
kaufe „um nicht weniger als eine M illion Franken" bevollmäch­
tigt; in der Vollmacht des Fritz Jen n y dagegen ist eine Summe
nicht genannt, sondern wird P . Blum er vielmehr ermächttgt, zu
einem Preise zu verkaufm, welchen er für recht und billig ansieht.
I n dem am 30. M a i 1885 ausgefertigten notarialischen K aufs­
instrument wird als Kaufsgegmstand bezeichnet das Geschäft in
gegenwärtigem Zustande, Mobilien und Immobilien mit allen
Fabrikerzeugnissen, Zubehörden, Maschinen u. s. w. (nicht inbe­
griffen dagegm nicht gebrauchte Säcke, Wagen, sonstige Fahrzeuge,
Pferde, Lebensmittel, P roviant und W aaren), sowie die geschäftlichm Verbindungen, wobei die Firm a P . Blumer & Jenny sich
verpflichtet, in Ita lie n M n dem verkauften ähnliches Geschäft ferner­
11. Obligationenrecht. N» 113.
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hin zu betreiben. Von dem stipulirtcn Kaufpreise von 1 M illion
Lire fallen auf die zum Etablissement gehörmden Immobilien
600,000 F r., auf die übernommenen Mobilien 200,000 F r., auf
die Abtretung der geschäftlichen Verbindungen 200,000 F r. Nach­
dem dieser Verkauf beidseitig vollzogen, auch der Auslöfungsvertrag
seitens der Beklagten erfüllt worden w a r, forderte im Frühjahr
1887 die Steuerbehörde in Ancona von den ehemaligen Theilhaberri
der Firm a P . Blum er & Jen n y eine nachträgliche Handänderungs­
gebühr von 4380 F r., mit der Begründung, es sei nach dem Tode
des Peter Jen n y zwischen dessen Erben und den überlebenden Ge­
sellschaftern eine neue Gesellschaft begründet worden, da der u r­
sprüngliche Gesellschaftsvertrag eine Fortsetzung der Gesellschaft
mit den Erben eines verstorbenen Gesellschafters nicht vorgesehen
habe. P . Blumer & Jen n y , d. h. die nunmehrigen In haber der
Firm a F . und P . Blumer, erhoben gegenüber den Erben des Peter
Jenny den Anspruch, diese möchten ihren Theil an dieser Steuer
bezahlen. Letztere bestritten diesen Anspruch unter Berufung auf
Art. .3 des Auslösungsvertrages und P . Blum er & Jenny ließen
in der Folge die Forderung fallen. Allein durch diese Nachforde­
rung hatten sich die Erben des P . J e n n y , speziell Fritz Jen n y ,
veranlaßt gesehen, in Ita lie n Erkundigungen einzuziehen; anläß­
lich dieser Erkundigungen erlangten sie nun durch Mittheilungen
seitens der Leiden Unterhändler Tancredi und B randini Kenntniß
von den Unterhandlungen, welche bereits vor Abschluß des A us­
lösungsvertrages vom 3. J a n u a r 1885 über den Verkauf des
Etablissementes in Chiaravalle um einen den Buchwerth bedeutend
übersteigenden P re is gepflogen worden waren. Hierdurch sahen sich
die Erben des P . Jen n y sowie Fritz Jen n y für sich persönlich
veranlaßt, gegen P . Blum er-Blum er und Ferdinand B lum er-Jenny
im Dezember 1 8 8 7 , gestützt auf A rt. 24. O . - R . , Klage dahin
zu erheben, es sei der zwischm den Parteien am 3. J a n u a r 1885
abgeschlossene Auslösungsvertrag als für die klägerische P artei un­
verbindlich zu erklären. S ie behaupteten, beim Abschlüsse des Ver­
trages haben ihnen die Beklagten Thatsachen, welche auf ihre
Willmsbestimmung von wesmtlichem Einflüsse gewesen w ären,
in widerrechtlicher Weise arglistig verschwiegen.
2. D ie beiden Vorinstanzm haben die K lage, sowohl diejenige
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B. Civilrechtspttcge.
der Erbschaft Zenny als die besondere Klage des Fritz Jenny,
abgewiesen, das Obergericht im Wesentlichen mit der Begründung:
D ie Verhandlungen über den Verkauf der M ühle in Chiaravalle
seien am 3. J a n u a r 1885 noch nicht so weit gediehen gewesen, daß
irgendwelche bestimmte Aussicht aus das Zustandekommen des Ver­
kaufes in nächster Z eit bestanden habe. D ie vermeintlich bestimm­
ten Aussichten, welche Tancredi und G randini eröffnet haben,
können kaum anders denn als solche bezeichnet werden, welche,
ohne fest begründet zu sein, die Appellaten veranlassen sollten,
ihnen die Agentur in Verkaufsangelegenheiten auch künftig zu
übertragen. Die M ittheilung der bisher erlangten nichtssagenden
Verhandlungsresultate habe daher unterbleiben können, „da sie
ohne Bedeutung für die Entschlüsse der Appellanten w ar." Die
E intragung der auf die Berkaufsunterhandlungen bezüglichen Briefe
und Telegramme in das Privatkopirbuch statt in das Kopirbuch
der Firm a sei schon bei Lebzeiten des klägerischen Erblassers llebung
gewesen und könne den Beklagten nicht zum Vorwürfe gemacht
werden. Vor oder bei dem Vertragsabschlüsse haben die Beklagten
keine Handlungen vorgenommen oder Aeußerungen gethan, welche
auf Täuschung der Kläger berechnet waren. D ie Beklagten seien
ferner feit dem Tode des Peter Jenny von der M einung ausge­
gangen, daß ihnen nach § 7 des Societätsvertrages nunmehr ein
unbedingtes Dispositionsrecht über die Liegenschaften der Firm a zuftehe,
ein Recht, das freilich erst durch einen schiedsgerichtlichen Entscheid
hätte festgestellt werden können. S ie haben also in guten Treuen
gehandelt. M it Bezug auf die Sonderstellung des Fritz Jenny sei
zu berücksichtigen, daß er erst mit dem 1. J a n u a r 1885 Associo
hätte werden können. E r sei es aber noch nicht gewesen, zumal er
auch noch keine der Leistungen erfüllt gehabt habe, an die das
Recht zu seinem Eintritte geknüpft w ar. Am 3. J a n u a r 1885
aber habe er auf sein Recht vorbehaltlos verzichtet. D en Beklagten
habe daher ihm gegenüber keine andere Pflicht als gegenüber den
übrigen Klägern abgelegen, llebrigens wäre die Klage auch nach
A rt. 28 O .- R . verjährt. A us A r t .,3 des Auslösungsvertrages
vom 3. J a n u a r 1885 haben die Kläger die Absicht der Beklagten,
das Mühlengeschäft zu veräußern, ersehen; nichtsdestoweniger
haben sie keine Nachforschungen nach einem allfälligen M ehr- oder
II. Obligationenrecht. N° 113.
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M indererlös und keinen Vorbehalt irgend welcher A rt gemacht,
sondern den Vertrag vorbehaltlos unterzeichnet. Ebenso haben sie
am 20. A pril 1885 die Verkaufst»ollmacht, in welcher der Ver­
kaufspreis in der bestimmten Sum m e von einer M illion Franken
enthalten w ar, vorbehaltlos unterzeichnet, wodurch sie nun über
alle Zweifel aufgeklärt gewesen seien und Anlaß gehabt hatten,
die in Art. 28 O .-R . vorgesehene Erklärung abzugeben. D a nichts­
destoweniger die Anfechtung erst im Dezember 1887 erfolgt sei,
so erscheine die Klage als verjährt.
3.
I n rechtlicher Beziehung ist die Kompetenz des Bundesge­
richtes sowohl rückstchtlich der Klage der Erbschaft Zenny als der
besondern Klage des Fritz Jenny begründet. D er gesetzliche S tre it­
werth ist gegeben und die Sache ist nach eidgenössischem Rechte
zu beurtheilen. I m Strette liegt die Verbindlichkeit des A uslö­
sungsvertrages vom 3. J a n u a r 1885. Diese beurtheilt sich aber
uach eidgenössischem Rechte. Denn der gedachte Vertrag ist unter
der Herrschaft des eidgenössischen Obligationenrechts abgeschlossen
worden und ist auf die Auseinandersetzung eines Gesellschaftsverhält­
nisses gerichtet, gehört also sachlich dem durch das Obligationenrecht
geordneten Rechtsgebiete an. D aß dem genannten Vertrage die N atur
eines Vergleiches zukommt und das Obligationenrecht besondere Bestimmungm über dm Vergleich nicht enthält, ändert hieran nichts.
D enn Verträge, welche inhaltlich dem durch das Obligationenrecht
norm alen Rechtsgebiete angehören, unterstehen auch dann den B e­
stimmungen dieses Gesetzes, wenn sie im Wege des Vergleiches,
zu Abwendung rechtlicher Entscheidung über bestrittene Ansprüche,
abgeschlossen werden. D er Gesellschaftsvertrag vom 20. Oktober 1881
selbst freilich untersteht allerdings nicht dem eidgenössischen, son­
dern dem kantonalen Recht, da er vor Inkrafttreten des O bli­
gationenrechts abgeschlossen wurde; und wenn es sich also un­
mittelbar um einen S tre it über die den Parteien nach dem Gesell­
schaftsvertrage zustehenden Rechte handelte, so wäre das Bundes­
gericht nicht kompetent, wie denn übrigens derartige Streitigkeiten
nach dem Vertrage schiedsrichterlich zu erledigen wären. Allein
es liegt n un eben nicht eine Streitigkeit über die Rechte der P a r ­
teien au s dem Gesellschaftsvertrage vor. Z u r richterlichen Entschei­
dung steht vielmehr einzig die F rag e, ob der Auslösungsvertrag
830
B. Civilreciitspflege.
vom 3. J a n u a r 1885 für die Kläger verbindlich oder aber wegen
Betruges unverbindlich sei. Die Rechtsstellung der Parteien nach
dem Gesellschaftsvertrage bildet nicht den Streitgegenstand, über
welchen im gegenwärtigen Verfahren rechtskräftig zu entscheiden
ist, sondern sie kann n u r als Präjudizialpunkt allsällig in Betracht
kommen; als solcher aber kann und muß sie von dem zu Beurtheilung der erhobenen Klage zuständigen Richter, insoweit dies
fü r die Entscheidung über die letztere nöthig ist, geprüft werden,
wenn auch darüber nicht rechtskräftig, im dispositiven Theile der
Entscheidung, zu erkennen ist.
4. D ie von den Parteien heute produzirten neuen Aktenstücke
können nach A rt. 3 0 O .-G . nicht in Berücksichtigung fallen. Die
dort aufgestellte Regel, daß das Bundesgericht, — vom dem Falle
der Aktenvervollständigung abgesehen, — auf G rund des Thatbestandes der kantonalen Instanzen zu entscheiden hat, so daß neue
thatsächliche Vorbringen oder Beweismittel unstatthaft sind, ist
Lffentlichen Rechtens und es kann ihr daher auch durch Vereinba­
rung der Parteien nicht derogirt werden. W as allerdings das von
dm Beklagten heute produzirte Originalexemplar des Gesellschafts­
vertrages vom 20 . Oktober 1881 anbelangt, so hätte dieses O ri­
ginalexemplar, da der Vertrag als Beweismittel bereits vor den
kantonalen Jnstanzm produzirt w ar, wohl auch heute noch Ange­
legt werden können; allein dessen Produktion ist durchaus uner­
heblich, da ein dem produzirten völlig gleichförmiges O riginal­
exemplar bereits bei den M ten sich befindet.
5. Gegenüber der Klage der Erbschaft Jenny haben die Be­
klagten in erster Linie eingewendet, es sei eine Anfechtung des
Vertrages vom 3. J a n u a r 1885 deßhalb nicht statthaft, weil durch
den behaupteten Vertrag den Erben J m n y ein Schaden gar nicht
mtstanden sein könne; dm n die Beklagten haben nach § 7 Abs. 2
des Gesellschaftsvertrages nach dem Ableben des P . Jenny ohne
Weiteres das Recht gehabt, die Liegenschaften u. s. w. der Firm a
P . Blumer & Jen n y zu dem int letzten In v e n tar festgesetzten A n­
schlagspreise zu übernehmen und haben auch diese Uebernahme
rechtzeitig erklärt. D ie Erben Jen n y seien also dadurch, daß ihre
Auslösung auf Grundlage der letzten Jnventarisirung erfolgt sei,
nicht geschädigt, sondern haben dasjenige erhalten, worauf sie An-
II. Obligationenrecht. N° 113.
831
spruch hatten. D ie Erben Jenny ihrerseits geben zu, daß wenn
die von dem Beklagten dem Gesellschaftsvertrage gegebene A u s­
legung richtig wäre, die Anfechtung des Auslösungsvertrages fü r
sie kein Interesse h ätte; sie bestreiten aber diese Auslegung als
unrichtig. I m Laufe des Prozesses sind theils durch, die Anwälte
der P arteien, theils durch von den letztem eingelegte Rechtsgut­
achten verschiedene Auslegungen des § 7 des Gesellschaftsvertrages
vertreten worden. D ie Beklagten behaupteten ursprünglich, § 7
Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages sei mit Abs. 1 ibidem dahin zu
vereinigen, daß Abs. 1 den Erben eines während der V ertrags­
dauer verstorbenen Gesellschafters n u r eine „Betriebsinteressenz"
(eine Betheiligung am Geschäftsgewinn) für die noch übrige D au er
des Gesellschaftsvertrages, nicht aber einen Antheil am Gesellschafts­
vermögen zustchere; später ließen sie diesen Standpunkt fallen und
haben vielmehr (wofür sie vor Bundesgericht ein Rechtsgutachten
des Professors B aro n in B onn produzirten) geltend gemacht, § 7
sei in seinem Zusammenhänge dahin zu interpretiren, daß beim
Ableben eines Gesellschafters während der Vertragszeit den über­
lebenden Gesellschaftern die W ahl zuftehe, entweder die Gesellschaft
mit den Erben fortzusetzen oder aber die Auflösung der bisherigen
Gesellschaft dadurch herbeizusühren, daß sie binnen angemessener
Frist erklären, die Liegenschaften, Gebäulichkeiten, Wasserrechte
u. s. w. zu den Ansatzpreisen des letzten In v e n ta rs übernehmen zu
wollen. Dem gegenüber stihrten zwei seitens der Erben Jenny vor
den kantonalen Gerichten produzirte Rechtsgutachten der Professoren
Schneider in Zürich und Hilty in B ern a u s , nach § 7 Abs. 1
des Gesellschaftsvertrages setzen die Erben des Verstorbenen die
Gesellschaft bis zum Ablaufe der Vertragsdauer fort, sofern nicht
vorher ein gütlicher Auskauf zu Stande komme; toemt Abs. 2
fortfahre, daß „in obigem Falle" die übrigen Associés dm A n­
theil des Verstorbmen zu bestimmtem Preise von der Verlassen­
schaft übernehmen können, so heiße das deutlich: „im Falle eines
gütlichen Abkommens" und verleihe den überlebenden Gesellschaf­
tern kein, von einem rechtsgültigen gütlichen Vertrag mit den
Erben unabhängiges, Recht. I n den Vorträgen des klägerischen
Anwaltes dagegen sowie in einem vor Bundesgericht eingelegten
Gutachten des Professors Lenel in S traß b u rg wurde vielmehr die
832
B. Civilrechtspflege.
M einung tiertreten, Abs. 2 des § 7 beziehe sich auf den Fall,
wo die Gesellschaft mit den Erben in Gemäßheit des Abs. 1 bis
zum Ablaufe der Vertragsdauer fortgesetzt worden sei; er verleihe
den zu dieser Zeit noch lebenden Associas das Recht, das Geschäft
beim V ertragsauslaufe zu übernehmen. E s mag nun dahingestellt
bleiben, welche dieser verschiedenen Auslegungen des § 7 des Gesell­
schaftstiertrages die richtige sei. D m n unter allen Umständen, auch
wenn die von den Beklagten vertretene Auslegung des Vertrages als
eine irrthümliche erscheinen sollte, muß die Klage der Erbschaft
Jen n y nach dem für das Bundesgericht verbindlichen Thatbestande
der Vorinstanz abgewiesen werden. D a s Bundesgericht ist nach
A rt. 30 Abs. 4 O .-G . nicht Richter der T hat-, sondent n u r der
Rechtsfrage; die rein thatsächliche Würdigung des Prozeßstoffes
durch die kantonalen Gerichte untersteht seiner Nachprüfung nicht,
feine Ausgabe beschränkt sich auf die rechtliche Ueberprüsung der
Entscheidung, welche ihm im Interesse einheitlicher Anwendung
des eidgenössischen Privatrechts übertragen ist. Thatsächliche Schluß­
folgerungen der kantonalen Gerichte muß daher das Bundesgericht
seinem Urtheil ohne Weiters zu Grunde legen; n u r die richtige
Anwendung des objektiven Rechts, von Rechtssätzen oder Rechts­
begriffen, untersteht seiner Kontrolle. N un stellt das kantonale Ober­
gericht im vorliegenden Falle fest à e r s e its , die Beklagten seien
nach dem Ableben des Peter Jen n y von der M einung ausgegangm , es stehe ihnen nunmehr ein unbedingtes Verfügungsrecht
über die Liegenschaften der Firm a zu, andrerseits die Unterlassung
der M ittheilung der gepflogenen Verkaufsunterhandlungen sei ohne
Einstuß auf die Entschließung der Kläger gewesen. Beide Fest­
stellungen sind thatsächlicher N atu r und lassen einen Rechtsirrthum
nicht erkennen. Durch dieselben wird aber der Anfechtungsklage
der Erben Jenny die thatsächliche Grundlage entzogen. Z u r Be­
gründung dieser Klage wäre gemäß Art. 2 4 O .-R . der Nachweis
erforderlich, daß die Kläger durch betrügerische Handlungen der
Beklagten zum Dertragsschlusse seien verleitet worden. A ls betrü­
gerische Handlung im S in n e des Gesetzes kann nun allerdings,
wie den Klägern ohne Weiters zuzugeben ist, auch eine Unter­
lassungshandlung erscheinen; ein B etrug kann nicht nur durch
Vorspiegelung unw ahrer, sondern auch durch Unterdrücken oder
il. Obligationenrecht. N° 11 ■>.
833
Verschweigen wahrer Thaisachen begangen werden; nicht n u r wer
einen J rrth u m durch Täuschung erst erregt, sondern auch wer
einen bereits bestehenden fremden Jrrth u m ausbeutet, während er
nach Treu und Glauben zu dessen Aufklärung verpflichtet wäre,
handelt betrügerisch. Allein erforderlich ist, daß das Schweigen
eben ein arglistiges w a r, daß die P artei sich dabei bewußt w ar
oder redlicher Weise bewußt sein mußte, sie sei zur Aufklärung des
Gegners, zur Offenlegung der Verhältnisse diesem gegenüber, ver­
pflichtet. Gerade das ist nun aber hier nach der thatsächlichen
Feststellung des Vorderrichters nicht anzunehmen. Wenn die Be­
klagten, wie der Vorderrichter feststellt, seit dem Tode des P . Jenny
der M einung w aren, über die Liegenschaften u. s. w. der Firm a
unbedingt verfügen zu dürfen, so mußte ihnen eine Verpflichtung,
den Erben Jenny von den diese doch nicht mehr betreffenden, Ver­
kaufsunterhandlungen über das Etablissement in Chiaravalle M it­
theilung zu machen, als ausgeschlossen erscheinen. E s kann auch
gewiß nicht etwa gesagt werden, die Beklagten haben redlicher Weise
gar nicht der M einung sein können, der Gesellschaftsvertrag ver­
leihe ihnen das beanspruchte Recht; denn seinem W ortlaute nach
ist der Gesellschaftsvertrag, wie nach den Thatsachen des Prozesses
keiner weitern A usführung bedarf, sehr verschiedener Auslegung
fähig und es liegen auch sonst keine Thatsachen vor, welche den
guten Glauben der Beklagten an ih r Recht als ausgeschlossen er­
scheinen ließen. S ollte daher auch die M einung der Beklagten, zur
Uebernahme des Geschäftes nach dem Tode des P . Jeuny ohne
anders auf G rund der letzten Jnventarisirung berechtigt gewesen
zu sein, als eine irrthümliche betrachtet werden müssen und ange­
nommen werden, die Beklagten wären auf G rund des Gesellschafts­
Vertrages zur M tth eilu n g der Berkaufsunterhandlungen an die
Erben Jenny verpflichtet gewesen, so ist doch die betrügerische Ab­
sicht der Beklagten nach dem sestgestellten Thatbestande (eben durch
den Jrrth u m der letztern) ausgeschlossen. Ebenso mangelt nach der
thatsächlichen Feststellung des Vorderrichters der Kausalzusammen­
hang zwischen dem als rechtswidrig bezeichnten Verhalten der
Beklagten und dem Entschlüsse der K läger, den Auslösungsver­
trag vom 3. J a n u a r 1885 abzuschließen und es kann daher nicht
davon die Rede sein, daß die Kläger zum Abschlüsse des Vertrages
834
B. CivilreehtspÛege.
durch die Beklagten verleitet worden seien. D er Vorderrichter stellt
in dieser Beziehung fest, die M ittheilung der am 3. J a n u a r 1885
erlangten Verhandlungsresultate sei ohne Bedeutung für den E n t­
schluß der Kläger gewesen; er entscheidet also, daß zwischen dem­
jenigen Momente des T hu n s der Beklagten, welches als rechts­
widrig bezeichnet wird, d. h. dem Verschweigen der Verkaufsunter­
handlungen und dem Entschlüsse der Kläger ein Kausalzusammen­
hang nicht bestehe, daß vielmehr das fragliche M oment fü r den
Entschluß der Kläger bedeutungslos gewesen sei. Diese Entschei­
dung beruht auf einer vom Vorderrichter aus dem Prozeßstoffe
gezogenen Schlußfolgerung, allein auf einer Schlußfolgerung rein
thatsächlicher N atur, welche nicht auf der Anwendung von Rechts­
regeln oder Rechtsbegrifsen beruht und welche eben deshalb sich
der Kritik des Bundesgerichtes entzieht. W enn der Vorderrichter
davon ausginge, den Klägern hätte obgelegen besonders zu bewei­
sen, daß die M ittheilung der Verkaussunterhandlungen für ihren
Entschluß von Bedeutung gewesen wäre und es sei nun dieser
Beweis nicht erbracht, so möchte von einem Rechtsirrthum aller­
dings gesprochen werden können (s. Entsch. des B .-G e r. i. S .
Schwach gegen Lobenstein, A. S Ig . Bd. X II, S . 637 Erw. 3 ) ;
allein das angefochtene Urtheil entscheidet n un eben nicht nur, der
Kausalzusammenhang sei nicht besonders erwiesen, sondern es stellt
geradezu die negative Thatsache als erwiesen fest, daß ein solcher
n ic h t bestehe, daß vielmehr die den Beklagten vorgeworfene Unter­
lassungshandlung für ben Entschluß der Kläger wirkungslos ge­
wesen sei. D arin liegt eine aus rein thatsächlichen Erwägungen
beruhende Feststellung, welche das Bundesgericht seiner Entschei­
dung zu Grunde legen m u ß , ohne sie auf ihre Richttgkeit hin
prüfen zu könnnen, — ebensowohl wie eine solche dann vorliegt,
wenn von einer P artei beim Vertragsabschlüsse positiv falsche A n­
gaben gemacht werden und nun von den kantonalen Gerichten fest­
gestellt wird, diese Angabm seien für den Entschluß des Gegen­
kontrahenten nicht bestimmend gewesen (s. die angefochtene E n t­
scheidung i. S . Schirach gegen Lobenstein).
6.
I s t somit die Klage der Erben Jen ny aus den angeführten
Gründen abzuweisen, so muß die gleiche Entscheidung auch rück­
sichtlich der besondern Klage des Fritz Jen n y Platz greisen. Aller-
II. Obligationenrecht. N° 113.
836
dings kann dieser Klage nicht entgegengehalten werden, daß die
Beklagten in gutem Glauben der M einung gewesen seien, mit
Rücksicht auf § 7 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages zu einer M it­
theilung über die gepflogenen Vertragsunterhandlungen nicht ver­
pflichtet zu sein. D em Fritz Jenny stand ja nach § 8 des Ge­
sellschaftsvertrages das besondere Recht zu, in die Gesellschaft
P . Blum er & Jen n y auf 1. J a n u a r 1885 als Theilhaber einzu­
treten; sofern dieses Recht nicht etwa vor Abschluß des A uslö­
sungsvertrages wieder aufgehoben w a r, so hatte er, auch wenn
die von den Beklagten dem § 7 des Gesellschaftsvertrages gegebene
Auslegung die richtige w ar, Anspruch auf Erwerb eines entspre­
chenden Theiles an einem allsälligen Verkaufserlöse des Etablissementes in Chiaravalle; die Beklagten konnten also ihm persönlich
gegenüber unmöglich der Ansicht sein, daß ihn die Berkaussunterhandlungen wegen des ihnen nach § 7 Abs. 2 des Gesellschafts­
vertrages zustehenden Rechtes nicht berühren. Allein die Vorinstanz
hat nun auch mit Rücksicht auf Fritz Jen n y seftgestellt, daß der
Kausalzusammenhang zwischen dem Verschweigen der Beklagten
und dem Entschlüsse, den Vertrag einzugehm, mangle und es
muß daher jedenfalls au s diesem Grunde die Klage abgewiesen
werden. Danach braucht denn nicht weiter untersucht zu werden,
ob die übrigen von den Beklagten dem Ansprüche des F . Jenny
entgegengestellten Einwendungen, es sei sein Recht au s § 8 des
Gesellschaftsvertrages schon vor Abschluß des Auslösungsvertrages
durch Verzicht oder durch Verwirkung oder durch Auflösung der
frühern Gesellschaft P . Blumer & Jen n y erloschen, begründet
seien und ob dem F . Jenny persönlich gegenüber, trotzdem er noch
nicht Gesellschafter w ar, die Pflicht der Beklagten zu Offenlegung
der Verhältnisse die gleiche w a r, wie gegenüber der Erbschaft Jenny.
Demnach hat das Bundesgericht
erkannt:
"
D ie Weiterziehung der Kläger wird als unbegründet abgewiesen
und es hat demnach in allen Theilen bei dem angefochtenen U rtheile des Obergerichtes des K antons G laru s vom 26., 27., 28.
August 1889 sein Bewenden.
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