Leitfaden: Spielen, Spielverhalten. Leitfaden geschlechtersensible

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Leitfaden: Spielen, Spielverhalten. Leitfaden geschlechtersensible
Bildungsbereich 10
Medien
Spielzeug, Spiele, Spielverhalten
(Textauszug, Quellangabe s.u.)
Die "kindgerechte" Umgebung - Kindergarten, Spielzeug, Bilderbücher, Schulbücher,
pädagogische Fachkräfte und andere "Miterziehende" - vermitteln Mädchen und
Buben Wesentliches über die "Geschlechterwelten". "Spielend" werden bereits
Kleinkinder auf ihre jeweiligen späteren Erwachsenenrollen vorbereitet.
Ein Großteil der Spielbereiche ist geschlechtsspezifisch determiniert und "vorbelastet".
Die meisten Spielwaren und die mitgelieferten impliziten Botschaften über deren "richtigen Gebrauch" erschweren ein "anderes" Spielen jenseits traditioneller Klischees. Kann
He-Man auch Vater werden und damit soziales und solidarisches Verhalten, positive
Emotionen, Fürsorglichkeit und Verantwortlichkeit (er)leben? Kann Barbie Bildhauerin
sein, sich schmutzig machen, schwere körperliche Arbeit erbringen und damit berühmt
werden (Kämpf-Jansen 1989)? "Alles, was Kinder im Spiel erproben, trauen sie sich
auch in der Wirklichkeit zu" (Blank-Mathieu 1997, 76).
Eine Möglichkeit, das geschlechtsspezifische Spielverhalten und seine Auswirkungen
zu untersuchen ist es, Spiele, Spielzeug und Spielerfahrungen einzuteilen in folgende
Bereiche:
1.)
2.)
3.)
4.)
5.)
Phantasie- und Rollenspiel
Regelspiel/Bewegungsspiel
Experimentier-, Bau- und Konstruktionsspiel
Kreatives Gestalten: Malen, Zeichnen
Medien-Nutzung
und anschließend mit folgenden Fragestellungen zu analysieren:
 Welches Spielzeug/welche Spiele fallen in diese Kategorie?
 Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten werden durch die Beschäftigung mit ihnen
erworben?
 Welche Räume im Kindergarten/Hort werden mit diesen Spielen "bespielt"?
 Spielen eher Mädchen oder eher Buben mit diesem Spielzeug?
Um die Umwelteinflüsse zu berücksichtigen, können folgende Fragen anregend sein
(Herincs/ Policzer 2003):
 Was bringen Mädchen und Buben von zu Hause mit?

Was "verkaufen" Werbung und Spielzeugindustrie als Mädchen- oder
Bubenspielzeug?
Quelle: Frauenabteilung der Stadt Wien, MA 57 ( Hrsg.): Leitfaden für geschlechtssensible Pädagogik, Wien, 3. Auflage 2011
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Medien
Wiener
Kindergarten-
und
Hortpädagoginnen-
Teilnehmerinnen
der
Fortbildung:
"Geschlechtssensible Pädagogik im Kindergarten" für Kindergartenpädagoglnnen der
Stadt Wien, von 1998 bis 2000 von C. Schneider geleitet - kamen so zu folgenden
Ergebnissen (die mit zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen übereinstimmen,
vgl. Büttner/Dittmann 1992):
Mädchen üben sich- häufiger als Buben- vor allem in folgenden Bereichen:
 Mütterlichkeit, Fürsorglichkeit, Verantwortung übernehmen für das Wohlergehen
Anderer, sprachliche Ausdrucksfähigkeit - durch Puppen- und Rollenspiele

Geduld,
Ausdauer,
Geschicklichkeit,
Feinmotorik,
Kreativität,
ästhetisches
Bewusstsein - durch Spielmaterial wie Steck- und Fädelspiele

körperliche
Geschicklichkeit auf engem
Kleingruppen, gedämpfter
Raum, Kooperation in Paaren oder
Wetteifer - durch Bewegungsspiele
wie z.B. Seil
drehen, Gummihüpfen
Buben hingegen trainieren bzw. erfahren tendenziell häufiger:
 Dreidimensionalität, Raumerfahrung, physikalische Gesetze, bleibende (!)
Werke zu planen und umzusetzen, durch Konstruktionsmaterial und -spiele

Stärke, Kampfgeist, Siegen, die Heldenrolle - durch Action-Spiele

sich durchzusetzen, Kräfte messen, eigene Grenzen suchen und ausdehnen
/überschreiten, Kampfverhalten, viel Raum in Anspruch zu nehmen, Dynamik und
Konkurrenz in großen Gruppen, durch bubentypische Bewegungsspiele
Ergänzt werden diese Befunde durch Ergebnisse einer Marktstudie des Bundesverbandes
des Spielwareneinzelhandels "Spielwarenmarkt Deutschland" aus dem Jahr 1997 (MüllerHeisrath/ Kückmann-Metschies 1998, 50f.):

61% aller Ausgaben für Spielzeug entfallen auf Buben,

Jungen erhalten ca. 10% mehr Spielzeug als Mädchen,

2% der Mädchen, aber 55% der Jungen bekommen Aktionsspielzeug geschenkt,

12% der Mädchen und 43% der Jungen erhalten Videos,

27% der Mädchen, 43% der Jungen Kinderfahrzeuge,

4% der Mädchen und 34% der Jungen bekommen Fahrzeuge geschenkt.
Quelle: Frauenabteilung der Stadt Wien, MA 57 ( Hrsg.): Leitfaden für geschlechtssensible Pädagogik, Wien, 3. Auflage 2011
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Erfahrungen, die Mädchen und Buben auf Grund ihrer Sozialisation, unbewussten
Erwartungen und Forderungen von Erwachsenen häufig verschlossen bleiben, sind also vor
allem (vgl. Mühlegger 1999):
Mädchen
Jungen
Spiele, die Interesse an Technik und Handwerk wecken
Spiele, die Interesse an Haushalt und Kindererziehung
wecken
Spiele, in denen der Umgang mit Dingen im
Vordergrund steht
Spiele, in denen die Beziehung zu Personen im
Vordergrund steht
Produktion von Werken, bei denen Funktionalität wichtig
ist
Produktion von Werken, bei denen Ästhetik wichtig ist
Erfahrungen, die Selbstvertrauen und Unabhängigkeit
vom Urteil Anderer ermöglichen
Erfahrungen, die eine realistische Einschätzung der
eigenen Fähigkeiten und Grenzen ermöglichen
Aktivitäten, die Durchsetzungsfähigkeit und
Abgrenzungsvermögen fördern
Aktivitäten, die Rücksichtnahme und
Einfühlungsvermögen fördern
Spiele, in denen Körperkontakt und grobmotorische
Bewegung erlebbar ist
Spiele, in denen feinmotorische Geschicklichkeit
erlebbar ist
Raumgreifende Spielformen
Standortgebundene Spielformen
Spiele, die ermöglichen, aus sich heraus zu gehen, sich
lautstark und lustvoll auszudrücken
Spiele, die ermöglichen, bei sich zu bleiben, Ruhe,
Gelassenheit und Entspannung zu erleben
Spiele mit fantastischen Inhalten, die ermöglichen, sich
als unbesiegbar, großartig und omnipotent zu erleben
Spiele mit realistischen Inhalten, die ermöglichen, sich
als fürsorglich, kooperativ und gefühlvoll zu erleben
Spiele, die eine positive Auseinandersetzung mit
Aggression ermöglichen
Spiele, die eine positive Auseinandersetzung mit Angst
und Schwäche ermöglichen
Dieser Text ist, mit freundlicher Genehmigung der Stadt Wien, entnommen aus:
„Leitfaden für geschlechtssensible Pädagogik für Betreuungs- und
Bildungseinrichtungen für Kinder im Alter von 0 bis 10 Jahren“.
Quelle: Frauenabteilung der Stadt Wien, MA 57 ( Hrsg.): Leitfaden für geschlechtssensible Pädagogik, Wien, 3. Auflage 2011
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