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VeR.DI pUBLIk 12 | DeZemBeR 2009
Giftige Gaben
Erfolgreich widersprechen
alltagsgifte | Spielzeug, Kleidung, Kosmetika: Unterm Weihnachtsbaum liegen tausend schöne Dinge für Große und
Kleine. Doch viele der Geschenke enthalten Schadstoffe, mit denen man seine Lieben eigentlich nicht behelligen möchte
Von Sabine Schmitt
Die Gefahr lauert im Verborgenen. Und
sie ist winzig klein. Mit bloßem Auge
zumindest nicht wahrnehmbar und auch
auf einer Waage kaum zu bestimmen.
Chemikalien stecken in allem, was wir
anfassen, einatmen oder in den Mund
stecken – mit massiven Auswirkungen.
Von einigen Stoffen weiß man, dass sie
Allergien auslösen. Bei anderen ist bekannt, dass sie Folgen für die Fortpflanzungsfähigkeit haben können. Bei vielen
chemischen Inhaltsstoffen der so genannten verbrauchernahen Produkte –
zu denen alles von der Zahncreme bis
zur Holzeisenbahn gehört – sind noch
lange nicht alle Wirkungen bekannt.
Besonders betroffen: Spielzeug
Auf den Gabentischen der deutschen
Haushalte werden auch in diesem Jahr
wieder viele schöne Geschenke liegen,
die bei genauerem Hinsehen gar nicht
mehr so schön sind. Es fängt schon bei
den Socken an. Wer die an seinen sportbegeisterten Sohn verschenkt, glaubt
vielleicht, ihm etwas Gutes zu tun, wenn
der Strumpf mit Bioziden oder Nanosilber ausgerüstet ist. Das soll Schweißgeruch und die Vermehrung von Bakterien verhindern. „Wir wissen aber,
dass Biozide Allergien auslösen können,
und bei den Nanoprodukten kennen
wir die Auswirkungen noch nicht“, sagt
Marike Kolossa, Leiterin der Abteilung
für gesundheitsbezogene Umweltbeobachtung beim Umweltbundesamt.
„Es gibt da Risiken, ein Nutzen ist dagegen nicht wirklich erkennbar.“
Die Biozide sind nur ein Beispiel für
zahlreiche Stoffe, die in ganz harmlos
daherkommenden Produkten vorhanden sind. Besonders betroffen davon
ist Spielzeug. Sicherlich: Chemische
Weichmacher sind seit einigen Jahren
verboten, aber früher waren sie so gut
wie in jedem Spielzeug enthalten, von
denen noch lange nicht alle ausgemustert sind. Und auch heute noch ist bei
Importware aus China, das den Spielzeugmarkt immerhin zu 80 Prozent
beliefert, nicht unbedingt die Gewissheit
gegeben, dass sie ohne Weichmacher
hergestellt wurde. „Es ist nicht alles
kontrollierbar, was importiert wird“,
sagt Toxikologin Kolossa, „aber wir
haben in allen Kindern, die wir untersucht haben, Spuren gefunden.“
Es geht dabei vor allem um die Phtalate. Diese Stoffe wirken im Tierversuch
Testosteron hemmend, zu deutsch: Sie
stören bei den männlichen Versuchstieren die Fortpflanzungsfähigkeit. Je
jünger die Versuchstiere waren, desto
größer war der Effekt. „Deshalb müssen
wir besonders bei Kindern, die diesen
Stoffen schon früh ausgesetzt waren,
stärkere Effekte befürchten“, sagt die
Expertin, und: „Gleichzeitig beobachten
wir beim Menschen, dass die Spermienqualität zusehends abnimmt.“
Der zweite Stoff in der Runde ist der
Weichmacher Bisphenol A. Da lauern
die Gefahren nach Meinung von Forschern eher im kognitiven Bereich des
Gehirns und im Verhalten. Bisphenol A
steht im Verdacht, Aggressionen zu
fördern. Enthalten ist der Stoff in vielen
Plastikprodukten von Spielzeug bis Trinkflaschen – jüngst wurde es in einer
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Untersuchung des BUnD auch in Babyschnullern gefunden. „Ich würde ungern
abwarten, bis alle Auswirkungen wissenschaftlich belegt sind, sondern lieber
gleich die Grenzwerte senken“, sagt
Kolossa.
Und so gibt es Dutzende Beispiele
von Schadstoffen mit komplizierten
Namen, die allgegenwärtig sind. Im
Hausstaub findet sich ein ganzer Cocktail von Schadstoffen, hat das Umweltbundesamt festgestellt. „Jeder Artikel,
den man schnell mal benutzt, hinterlässt
einen chemischen Fußabdruck in der
Wohnung“, sagt Kolossa. So sammeln
sich im Laufe des Lebens ein paar hundert Stoffe im Körper eines Menschen,
die einzeln betrachtet womöglich weit
unter den vorgegebenen Grenzwerten
bleiben, über deren Zusammenspiel
aber bisher wenig bekannt ist.
Formaldehyd für die Form
Bei Textilien werden nach Angaben des
Bundesinstituts für Risikobewertung
(BfR) rund 600 so genannte „Hilfs- und
Ausrüstungsmittel“ benutzt, deren Liste
sich wie das Who is Who im Giftschrank
liest. Vom Fraßschutzmittel für den
Transport über Weißtöner bis Formaldehyd für Formstabilität ist da reichlich
zu finden. Das liegt alles im Rahmen
der Grenzwerte. „Alles, was hier auf
den Markt kommt, sollte sicher sein“,
sagt BfR-Sprecher Jürgen Thier-Kundke.
Aber es würden auch immer wieder
Stoffe gefunden, die nicht zulässig seien.
Ganz vermeidbar ist die Aufnahme
von Schadstoffen also nicht, allerdings
kann man sie deutlich senken, durch
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Im Dschungel der Zeichen
In der Flut der angeblichen Gütesiegel
gibt es einige wirklich verlässliche Zeichen. Bei Spielzeug gehört dazu das
„Spiel gut“-Zeichen. In anderen Bereichen ist es der Blaue Engel, das Europäische Umweltzeichen (Blume mit
Europasternen), das tüv-Zeichen oder
auch die ral Gütezeichen des Deutschen Instituts für Gütesicherung und
Kennzeichnung und einige kleine Label. Für die Kunden sind es dennoch
zu viele Zeichen, um durchzublicken.
Verbraucherschützer setzen sich seit
Jahren dafür ein, den Dschungel der
Siegel zu lichten. „Wir brauchen vom
Lebensmittel bis zum Finanzprodukt
Kennzeichnungssysteme, die verlässlich und auf einen Blick erfassbar
sind“, sagt der Sprecher des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, Christian Fronczak. So lange wird der viel
gerühmte „mündige Verbraucher“
mächtig ge- und auch überfordert.
www.label-online.de
den bewussten Einkauf. „Deutsche und
europäische Produkte werden in Verfahren hergestellt, die ziemlich streng
kontrolliert sind“, sagt Umweltexpertin
Kolossa. Alles, was schon im Laden
einen starken Eigengeruch hat, sollte
nicht im Einkaufswagen landen. Auch
die „guten“ Duftstoffe sind nicht immer
prima. „Einige gehören zu den Top Ten
der Allergieauslöser“, sagt Kolossa.
Kleidung sollte vor dem ersten Tragen
mindestens einmal gewaschen werden.
Und: Finger weg von Textilien, die bereits in der Hand ausfärben. „Das ist
immer schon ein schlechtes Zeichen“,
sagt BfR-Sprecher Thier-Kundke.
Angesichts einer Flut neuer Gesetze
und geänderter Zuständigkeiten ist das
aktuelle Sozialrecht für viele Bürger ein
Wald, den man vor lauter Bäumen nicht
durchforsten kann. Wer Ansprüche gegenüber Arbeitsagentur, Versorgungsamt, Kranken- oder Rentenversicherung,
Pflegekasse oder Elterngeldstelle durchsetzen will, findet praxisnahe Tipps im
Umgang mit den Behörden im Ratgeber
Immer Ärger mit Sozialleistungen? –
Erfolgreich Widerspruch und Klage einlegen der Verbraucherzentralen und
dem ARD Ratgeber Recht. Er kann bestellt werden unter: Versandservice des
vzbv, Tel. 02962 / 90 86 47, E-Mail [email protected], 12,40 €.
www.ratgeber.vzbv.de
urteile
Ab 2010 muss der Fiskus zahlen
Laut dem „Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen“ können Versicherte
ab 2010 alle Aufwendungen für Kranken- und gesetzliche Pflegeversicherung
auf dem sozialhilferechtlich gewährleisteten Niveau vollständig als Sonderausgaben beim Fiskus geltend machen
– das hat das Bundesverfassungsgericht
in mehreren Urteilen gefordert.
AZ 2 BVL 1/06, AZ 2 BVR 1220/04,
AZ 2 BVR 410/05
Widerrufen auch im Internet
Ein Widerrufsrecht steht bei einem Geschäft per Telefon oder Internet jedem
zu, der einen Vertrag schließt. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) Ende November. In dem Prozess hatte
eine Frau den Kaufpreis für ein defektes
Radarwarngerät zurückfordert. Auf dem
Bestellschein war ausdrücklich darauf
hingewiesen worden, dass das Geschäft
„sittenwidrig“ sei, da das Gerät im Straßenverkehr nicht erlaubt ist. Laut BGH
kann die Autofahrerin das Geld dennoch
zurückverlangen.
AZ VIII ZR 318/08

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