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Zeitpunkt Samstag 17. Januar 2015 Aufstieg, Fall und kleine Auferstehung des Johan V. Greater Berne FUSSBALL Mit 16 galt Johan Vonlanthen (28) als Jahrhunderttalent. Heute spielt er nach einer Karriere auf der Achterbahn bloss bei Servette in der Challenge League. Er ist im Fussballgeschäft auf hohem Niveau gescheitert, wurde gläubig – und glaubt doch nicht an ein Leben ausserhalb des Fussballs. Diese Geschichte hat ein Happy End. Vielleicht. Treffpunkt ist Ende Dezember in Bern, und Johan Vonlanthen sagt: «Ich bin heute ein besserer Mensch.» Vonlanthen sitzt in einem Café nahe dem Zytglogge, er wirkt gelöst, lacht oft, unter seinem Pullover spannen sich die Muskeln, er sieht aus wie ein Kraftsportler. Aber Johan Vonlanthen ist Fussballer, immer noch, viele haben das wohl vergessen, und er ist hier in Bern, um über seine Karriere zu sprechen. Neben ihm sitzt Esteban. Der vierjährige Sohn hat sich das iPhone des Vaters geschnappt, er ist während des fussballspiellangen Gesprächs beschäftigt. Johan Vonlanthen, bald 29 Jahre alt, redet offen, ausführlich, manchmal überlegt er lange, manchmal antwortet er spontan. Vonlanthen macht nicht den Eindruck, als falle es ihm schwer, darüber zu reden, dass er als Fussballer auf hohem Niveau gescheitert ist. Vielleicht vor allem an den Erwartungen. Er spielt heute bei Servette Genf und nicht bei Real Madrid. In der zweitklassigen Challenge League, nicht in der Champions League. Er blickt zurück auf über ein Jahrzehnt voller Missverständnisse. Auf einen steilen Aufstieg. Den tiefen Fall. Und auf die überraschende, kleine Auferstehung. Er sagt: «Ich hatte mir das anders vorgestellt.» Der Transfer zu Eindhoven Ende Januar 2002: Johan Vonlanthen, noch nicht mal 16, sitzt in seinem Kinderzimmer im zweiten Stock an der Burgunderstrasse 134 in Berns Westen und sagt: «Mein Traum ist es, einmal mit Ronaldo bei Inter Mailand zu spielen.» Das wollen zu diesem Zeitpunkt viele 15-Jährige weltweit. Doch Vonlanthen ist kein gewöhnlicher Junge, selbst wenn an der Wand hinter dem Bett wie in vielen Bubenzimmern ein Brasilien-Trikot Ronaldos hängt und ein Poster von Carlos Valderrama, dem legendären, wuschelköpfigen Regisseur aus Vonlanthens Heimatland Kolumbien. Johan Vonlanthen ist fussballerisch aussergewöhnlich begabt. Er ist schnell auf den Beinen, kann explosiv beschleunigen, in höchstem Tempo Haken schlagen – und der Ball klebt ihm doch am Fuss. Die besten Klubs stürzen sich auf den blutjungen Vonlanthen: Inter Mailand, Real Madrid, Barcelona, Manchester United, Bayern München, Arsenal. Berater Angelo Semeraro meint Anfang 2002, sein Klient besitze das Potenzial für eine Weltkarriere. Und er verspricht: «Die Laufbahn von Vonlanthen wird behutsam vorangetrieben.» Im Februar 2002 erzielt Johan Vonlanthen mit 16 Jahren und 23 Tagen sein erstes Tor für YB. Jünger war vor ihm keiner in der obersten Schweizer Spielklasse. Von Behutsamkeit bezüglich Karriereplanung allerdings ist schnell nicht mehr die Rede. Vonlanthen reist für ein zehntägiges Probetraining zu Real Madrid, wechselt dann aber mit 17 Jahren zum PSV Eindhoven nach Holland. Dorthin, wo Jahre vorher auch die brasilianischen Weltklassestürmer Romario und Ronaldo ihre glanzvolle Laufbahn lancierten. 25 Schlank dank Dart M Strahlende Zuversicht, selbstkritische Einkehr: Die verschiedenen Gesichter von Johan Vonlanthen bei seinem Besuch in Bern. Bilder Walter Pfäffli «Ich glaubte, es geschafft zu haben», sagt Vonlanthen heute. «Ich war so glücklich.» Auf dem Weg zum Schnösel Fredy Bickel kennt Johan Vonlanthen schon lange. Er war – wie heute – YB-Sportchef, als Vonlanthen bei den Young Boys vom verspielten Buben raketenartig zum Wunderknaben aufstieg. «Ich habe selten einen talentierteren Fussballer gesehen», sagt «Ich habe selten einen talentierteren Fussballer gesehen. Sein Wille war bemerkenswert.» YB-Sportchef Fredy Bickel Bickel. «Aber Vonlanthen hat Pech gehabt. Der Transfer zu Eindhoven kam zu früh. Das passiert leider vielen Talenten.» Vielleicht sei YB damals auch nicht der richtige Klub für Vonlanthen gewesen, räumt Bickel ein. «Alle Parteien wollten diesen Wechsel», sagt er, «selbst wenn die Interessen von Käufer und Verkäufer an diesem Deal komplett verschieden waren.» Der PSV Eindhoven sieht in Vonlanthen ein Investment und denkt bereits bei der Verpflichtung daran, wie teuer er das Juwel später weiterverkaufen könnte. Für das finanziell stark angeschlagene YB ist der Vonlanthen-Verkauf eine Notwendigkeit: YB ist auf das Geld angewiesen, denn die Investoren wollen, dass der Verein ihnen eine Million Franken zurückzahlt. Deshalb geht der 17-Jährige 2003 für eine Ablösesumme von 1,3 Millionen Franken zu Eindhoven. Die Young Boys sind gerettet, und Vonlanthen, in der Spätpubertät, macht einen weiteren Schritt auf dem Weg vom strahlenden Sonnyboy zum selbstgefälligen Schnösel. Talent, Ehrgeiz, Fleiss Fredy Bickel findet, es wäre besser für die Entwicklung Vonlanthens gewesen, wenn dieser noch zwei Jahre bei YB geblieben wä- re. Das denkt heute auch Vonlanthen. «Aber das Fussballgeschäft läuft anders», sagt er. Dass er damals überzeugt war, bereit zu sein für die ganz grosse Bühne, «legte man mir als Arroganz aus. Aber ich war einfach so. Ich kannte keine Zweifel.» Und der junge Vonlanthen ist bereit zu investieren. «Sein Wille war bemerkenswert», sagt Bickel. «Er besass alles: Talent, Ehrgeiz, Fleiss.» Und Marco Schällibaum, damals sein Trainer in Bern, sagt einmal: «Einen Stürmer mit solchen Möglichkeiten gibt es in der Schweiz wohl nur alle hundert Jahre.» Dieses Zitat will Schällibaum aber nicht in der Zeitung sehen, um den Fussballer vor zu hohen Erwartungen und Selbstüberschätzung zu schützen. Doch die Realität entwickelt einen eigenen Drive. Vonlanthen zieht direkt aus dem Bümplizer Kinderzimmer allein in eine wunderschöne Wohnung in Eindhoven. Er hat Geld, er fährt, sobald er den Führerausweis hat, ein teures Auto. Von den Fans wird er verehrt, von den Frauen begehrt. Die zwei grössten Eskapaden Erst mit 12 Jahren kommt Vonlanthen 1998 in die Schweiz, zusammen mit der kolumbianischen Mutter, drei Geschwistern und dem Stiefvater, einem Freiburger. Das Leben, zuerst in Flamatt, später in Thörishaus und in Bern, fühlt sich ganz anders an als in Kolumbien. Ein Paradies, weil alles im Überfluss vorhanden ist. Aber für einen Jungen, der vorher unbeschwert in den verstaubten Gassen Santa Martas an der Karibikküste Kolumbiens gekickt hat, auch die Hölle. Diese Regeln! Diese Disziplin! Diese Kälte! Im Fussball kann sich Johan Vonlanthen in der fremden Welt bald profilieren, und der Wechsel nach Holland bedeutet für ihn auch, die Enge seiner Berner Jugendjahre hinter sich zu lassen. Doch plötzlich lässt er sich nicht mehr viel sagen, er lehnt sich auf, führt sich patzig auf mit Journalisten, ist überheblich zu den Mitspielern, ungehorsam gegenüber den Trainern. «Ich habe Fehler gemacht und würde mit dem heutigen Wissen vieles anders angehen», sagt er jetzt. «Aber ich kann nicht rückgängig machen, was damals geschah. Und ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich mich noch für die Dinge entschuldigen muss, die früher passiert sind. Ich habe mich für einige Sachen genug lange geschämt.» Es gibt zahlreiche Vorfälle aus jenen Jahren, bei denen Vonlanthen den Verdacht nährt, Regeln seien da, um von ihm gebrochen zu werden. Etwa, als er sich mit 17 Jahren weigert, in der Schweizer U-21-Auswahl auf der Ersatzbank Platz zu nehmen. Und vor der WM 2006 will der Angreifer seinen Platz im Schweizer Team trotz einer Oberschenkelverletzung nicht für den nachnominierten Hakan Yakin räumen. Er reicht ärztliche Atteste ein, will die WM-Teilnahme erzwingen, sorgt für Unruhe und fällt in Ungnade. «Ich war verzweifelt und wollte die WM unter keinen Umständen verpassen. Es war immer mein Ziel, einmal an einer Weltmeisterschaft zu spielen», sagt er. Jüngster Torschütze an einer Euro: Johan Vonlanthen trifft an der EM 2004 mit 18 Jahren gegen das grosse Frankreich. Keystone Das Tor an der Euro 2004 20 Jahre ist Johan Vonlanthen erst, als er mit dieser Trotzaktion den Anfang vom Ende seines Aufstiegs einläutet. Zwei Jahre vorher schoss er an der Euro 2004 in Portugal das einzige Tor der Schweizer – bei der 1:3-Niederlage gegen das grosse Frankreich und Weltmeistertorhüter Fabien Barthez. Er ist immer noch der jüngste Torschütze an einer EMEndrunde, wenige Tage vor dem Engländer Wayne Rooney, dessen Stern an der gleichen Euro aufgeht. Rooney ist heute bei Manchester United ein Superstar, das Engagement Vonlanthens bei Eindhoven endet 2006 ohne Erfolg – nach glücklosen Leihtransfers zu Brescia in die italienische und Breda in die holländische Fussballprovinz. Samstag Ruhetag Trotzdem gibt es 2006 noch viele Leute, die an Vonlanthens Begabung glauben. Er wechselt zu Red Bull Salzburg nach Österreich, wo Lothar Matthäus, der frühere Weltmeister und Weltfussballer, als Assistenztrainer arbeitet. Matthäus sagt, er habe in all sei- Das Jahrhunderttalent: Johan Vonlanthen schoss sein erstes Tor für YB mit 16 Jahren und 23 Tagen. Keystone nen Jahren bei Bayern München nie einen Fussballer mit den Möglichkeiten Vonlanthens gesehen – was dessen Überheblichkeit befeuert. Sportlich läuft es bei Salzburg nach überragendem Beginn auch wegen Verletzungen immer harziger. «Es war eine schwierige Phase», sagt er, «und es war nicht einfach, zu verarbeiten, dass ich es in Eindhoven nicht geschafft hatte.» Vonlanthen macht als Leihspieler beim FC Zürich Station, wo er seine Klasse in der Saison 2009/2010 zeigen kann. Er schiesst zehn Tore, wird von Nationaltrainer Ottmar Hitzfeld aber nicht für die WM 2010 aufgeboten. Vonlanthen fällt in dieser Zeit in eine Identitätskrise, er reist jetzt oft nach Kolumbien, wo er eine Frau kennen lernt, die sein Leben komplett verändert. Es ist eine Priesterin der Siebenten-Tags-Adventisten, einer protestantischen Freikirche, für die der Samstag ein Ruhetag ist, an dem nicht gearbeitet wird. In Salzburg und beim FCZ stösst Vonlanthens Anliegen, am Sabbat nicht spielen zu wollen, auf wenig Verständnis. Und so erstaunt es nicht, wechselt Vonlanthen im Sommer 2011 nach Kolumbien zu Itagüí Ditaires. Dieser Schritt sieht wie ein Rückzug aus, und als es zwölf Monate später heisst, Vonlanthen trete mit 26 Jahren zurück vom Profifussball, ist diese Nachricht für viele bloss noch der letzte Beweis, dass dieser begnadete Fussballer sein Talent verschleudert hat. «Es ist so viel Unsinn über mich geschrieben worden», sagt Vonlanthen. «Das hat wehgetan. Aber heute stört mich das nicht mehr. Ich kenne die Wahrheit.» Es ist seine Wahrheit. Captain Jesus Johan Vonlanthen gibt während des Gesprächs zu verstehen, dass er keine Probleme mit heiklen Fragen habe. Er ist höflich, weicht dem Blick nie aus, antwortet freundlich, aber mitunter auch sehr bestimmt. «Mein Glaube ist heute Privatsache», sagt er. «Aber er hilft mir, Halt zu finden. Ich habe meinen Frieden gefunden und tue das, was ich für richtig halte.» Vieles sei falsch interpretiert worden, er sei nie aktiv bei den Adventisten gewesen, aber grundsätzlich sei seine Begeisterung für die Kirche dem Fussball sicher im Weg gestanden. «Jesus ist jetzt mein Captain», lässt sich Vonlanthen 2011 zitieren. Oder: «Jesus hat die totale Kontrolle über mich.» Und: «Gott kann man nicht ausdribbeln.» Flotte Schlagzeilen, gewiss, aber auch Sätze, die unbedarft klingen. Fredy Bickel, auch beim FCZ Vonlanthens Sportchef, sagt, der Spieler habe sich in jener Zeit verändert. «Er war immer noch ein todlieber Kerl. Aber es war schwieriger, an ihn heranzukommen.» Vonlanthen selber meint, es sei für seine Karriere natürlich nicht gut gewesen, in die Heimat zurückzukehren. «Aber ich wollte das so. Es war für mich als Mensch wichtig. Und deshalb halte ich diese Entscheidung nach wie vor für richtig.» Ein Jahr Fussballpause Einst beherrschte Gucci die Welt Johan Vonlanthens, seit einigen Jahren ist es Gott. «Ich habe immer gebetet», sagt er, «und mein Leben ist heute besser als früher. Ich habe zu mir gefunden.» Das fussballerische Ende bei Itagüí Ditaires verläuft unspektakulär, Vonlanthen bestreitet bloss eine Handvoll Spiele für den Klub. Der Abstecher in die Heimat bringt ihm vor allem seelischen Gewinn. «Ich wollte in Kolumbien einige Dinge klarstellen», sagt er. «Es tat gut, hatte ich Zeit, Leute zu treffen, die ich lange nicht gesehen hatte.» Vonlanthen kann endlich ein gutes Verhältnis zu seinem leiblichen Vater, den er erst mit 17 Jahren kennen lernte, aufbauen, er kickt mit alten Freunden zum Spass auf der Strasse, treibt aber kaum ernsthaft Sport. «Mir hat es immer sehr gefallen als «Ich habe immer gebetet. Und mein Leben ist heute besser als früher. Ich habe zu mir gefunden.» Johan Vonlanthen Fussballer», sagt er, «aber ich genoss es, einmal überhaupt keinen Druck zu spüren.» Zurückgetreten aber sei er offiziell nie. «Die Zeitungen wollten das halt so schreiben.» Vonlanthen verbringt in Kolumbien viel Zeit mit der Familie, von der niemand mehr in der Freikirche tätig sei, wie er sagt. Die Ehefrau, Tochter der ehemaligen Priesterin, hat nichts dagegen, dass sein Verlangen nach Fussball im Frühling 2013 stärker wird. «Ich wollte es noch einmal wissen», sagt Vonlanthen, «auch wenn mir klar war, wie sehr ich nach einem Jahr Pause bezüglich Wettkampfrhythmus in Rückstand geraten war.» Das Lob des Trainers Im April 2013 kehrt Vonlanthen in die Schweiz zurück, er trainiert zunächst beim FC Wohlen, geht dann im Sommer zu GC, wo er sich bis zur Winterpause aber nicht gegen die starke Konkurrenz durchsetzen kann. «Doch ich realisierte im Training, dass ich mithalten kann», sagt er. Und auf seinem beschwerlichen Weg zurück nach oben blickt er auf ein ordentliches Jahr 2014 zurück. Im ersten Halbjahr gehörte er beim FC Schaffhausen in der Challenge League zu den Leistungsträgern, auch bei Servette sind seine Darbietungen seit letztem Sommer gut. «Ich fühle mich wohl und kann hier den jungen Spielern helfen», sagt er. Ein Augenschein Mitte Dezember in Genf beim letzten Vorrundenspiel gegen Chiasso (3:1) verläuft unbefriedigend, weil Vonlanthen noch vor der Pause mit Muskelbeschwerden ausgewechselt werden muss. «Es war ein strenges Jahr», sagt er. «Aber 2015 greife ich wieder an.» Sein Trainer, der Engländer Kevin Cooper, lobt ihn: «Er arbeitet hart und ist ein Gewinn für das Team.» 40 Länderspiele mit 23 Jahren Johan Vonlanthen hat in seiner Karriere nicht viele Titel gewonnen, zweimal wurde er mit Salzburg österreichischer Meister, wobei er in der ersten Saison zum besten Mittelfeldspieler der Liga gewählt wurde. Und Vonlanthens fulminant gestartete Länderspielkarriere endete im Herbst 2009. Er hatte mit 23 Jahren bereits 40 Länderspiele bestritten, mehr als Rekordnationalspieler Heinz Hermann (118 Länderspiele) zu diesem Zeitpunkt. Heute träumt Vonlanthen nicht mehr von Real Madrid, sondern davon, noch einmal in der Super League antreten zu können. «Und ich habe trotz allem eine gute Karriere gehabt», sagt er, «ich durfte viele schöne Dinge erleben.» Sein bestes Spiel sei für «Das Schwierigste für einen jungen Fussballer im Ausland ist die Einsamkeit.» Johan Vonlanthen den FCZ gewesen, als er bei einem 1:1 in Basel gegen den FCB ein herrliches Tor schoss. «Und den Treffer an der Euro 2004 gegen Frankreich kann mir sowieso niemand mehr nehmen.» Das Beispiel Embolo Die Unterhaltung mit Johan Vonlanthen neigt sich dem Ende entgegen, sein Sohn Esteban wird unruhig, der Akku des iPhone hat den Geist aufgegeben. Es geht im Gespräch jetzt um junge Schweizer Stürmer, Michael Frey etwa, der im August von YB zu Lille wechselte. «Das Schwierigste für einen jungen Fussballer im Ausland ist die Einsamkeit», sagt Vonlanthen. Man denkt sofort an den 17-jährigen Basler Breel Embolo, von dem es heute heisst, er sei ein Jahrhundertstürmer – wie 2002 der junge Vonlanthen. Embolo wird derzeit von allen globalen Topklubs gecastet, er ist ein Bluechip an der Transferbörse. Und in zwölf Jahren spielt er vielleicht beim nächsten FCB: bei Barcelona im Weltfussball oder bei Baden in der Fussballprovinz. Jeder Transfer ist auch eine ökonomische Wette auf die Entwicklung des Spielers. «Ich hoffe, Embolo, seine Familie und die Berater entscheiden sich rich- tig», sagt Vonlanthen. Es habe leider so viele Leute in diesem Geschäft, die nur ihren Profit im Auge hätten. «Ich habe erst viel zu spät gemerkt, wer an mich denkt und nicht nur an sich.» Zukunft in Bern Vonlanthen ist heute ein Ex-Star, aber Sorgen muss man sich um ihn nicht machen. «Ich bin mit mir im Reinen», sagt er. Auf die Frage, ob genug Geld aus den Millionenverträgen im Ausland übrig sei, antwortet er, das sei Privatsache. Ohne Umschweife nimmt Vonlanthen Stellung zu seiner Zukunft nach der Fussballkarriere, die er privat in Bern sieht, weil seine Mutter in Oberwangen wohnt und er später wieder näher bei ihr leben möchte. «Und ich will im Geschäft bleiben», sagt er. «Denn ich glaube, ich kann den jungen Spielern mit meiner Erfahrung wertvolle Ratschläge geben.» Vonlanthen, der acht Sprachen fliessend beherrscht, beginnt 2015 seine Trainerausbildung. «Man weiss ja nie, wann die Laufbahn zu Ende ist.» Befreit vom Karrierezwang Johan Vonlanthen verabschiedet sich und geht mit seinem Sohn Richtung Bärengraben. Er ist gestürzt im gnadenlosen Fussballbusiness, aber man wird den Eindruck nicht los, als sei er befreit – vielleicht nicht unbedingt wegen seiner Religiosität, sondern weil er nicht mehr einer Weltkarriere nachrennen muss, die ihm andere stets prophezeit haben. Und man muss an den Besuch in Genf zurückdenken, vor ein paar Wochen, als der Schweizer U-19-Nationalspieler Maxime Dominguez bei Vonlanthens Team Servette eingewechselt wurde. Dominguez ist auf den Tag zehn Jahre jünger als Vonlanthen, der in diesem Alter deutlich weiter war. Das muss kein Nachteil für Dominguez sein, den man als neuen Hakan Yakin preist, obschon er als fragil gilt. «Dominguez kann es schaffen», sagte Vonlanthen im Café. «Aber es kann noch so viel passieren.» Fabian Ruch [email protected] uss ich jetzt auch Diät machen? Fräulein P. starrt bekümmert auf ihr Pint. Wir sitzen im Piwi, auf den Stoffbänken, dort, wo es aussieht wie in einem kuschelig geratenen amerikanischen Diner. Wir wollen viel Bier trinken, weil Frau C. und ich nachher alkoholfrei durchs Leben turnen: Wir machen Bootcamp, Sport jeden sehr frühen Morgen. Die TV-Werbung suggeriere drum so was in der Richtung, sagt Fräulein P. Und zwar nachdem wir uns dank der Werbung mit Lindor-Kugeln und Femina-Pralinés vollgestopft haben. Femina, was für ein bescheuerter Name! So doof wie die Frau, deren Bauch in der Activia-Werbung lacht. Ja, sagt Frau C., die Frau ist gar nicht dick. Warum will sie abnehmen? Apropos doof, sage ich, einfach, dass ich auch was sage, kennt ihr die bescheurtste Songzeile überhaupt? Helene Fischer, «grosses Kino für uns zwei». Die Damen stöhnen. Die Herren schauen Wiederholungen der Dart-WM. Wir sind früher ja oft hierhergekommen, zum Männer-, nicht zum Dartschauen. Denn damals tranken hier noch die richtigen Iren und Engländer, mit ihren vollen Bärten, als das noch kein Zeichen von Hipness war. Ich will ja abnehmen, jammert Fräulein P., aber Sport treiben? Sie schaudert. Mach doch Dart, sage ich. Nina Kobelt (nina.kobelt@ bernerzeitung.ch) schreibt die Kolumne «Greater Berne» abwechselnd mit Maria Künzli, Fabian Sommer und Peter Meier. greaterberne.bernerzeitung.ch SCHACH Problem Nr. 803 Th. Siers (1930) 8 7 6 5 4 3 2 1 a b c d e f g h Weiss zieht und setzt in 2 Zügen matt Fragen an: Thomas Wälti, Berner Zeitung BZ, Schach, Postfach 5434, 3001 Bern; E-Mail: thomas.waelti@ bernerzeitung.ch Die Lösung des Problems erscheint in der nächsten oder übernächsten Samstagsausgabe. Lösung Problem Nr. 802 8 7 6 5 4 3 2 1 a b c d e f g h 1. Tc5! (droht 2. Dé3/Dé5 matt) und Schwarz kann das Matt nicht verhindern. Z.B.: 1. ... Sd5 2. Tc4 matt; 1. ... Sf5 2. Dg4 matt.