Ich schicke Dir das Päckchen in den nächsten Tagen, will

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Ich schicke Dir das Päckchen in den nächsten Tagen, will
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„Ich schicke Dir das Päckchen in den nächsten Tagen,
will noch einen Kuchen dazu backen.
Hoffentlich sind die Plätzchen von Weihnachten noch essbar,
ich habe Dir zwei je 100 gr. geschickt.“
Gertrud Rühland an ihren Sohn Joachim.
Sie wusste nicht, dass er bereits einen Monat zuvor,
am 14. Dezember 1943, gefallen war.
Briefe aus dem Krieg
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Joachim Rühland
Eingesandt von Lore Rühland (Schwägerin)
Joachim Rühland, geboren am 25. Januar 1925 in Braunschweig, kam am 14. Dezember 1943 nahe der Ortschaft
Kroschkina in Weißrussland (Belarus) ums Leben.
Von Joachim Rühland sind keine Feldpostbriefe erhalten geblieben. Es gibt lediglich ein Schreiben seiner
Eltern, das diese am 7. Januar 1944 an ihren Sohn Joachim absandten. Die Nachricht von seinem Tod hatten sie noch nicht erhalten. Rund einen Monat später,
am 2. Februar 1944, kam der Brief zurück. Er trug den
Vermerk „Gefallen für Groß-Deutschland“.
Der Reiter Joachim Rühland wurde in Kroschkina
Joachim Rühland
bestattet.
Die ganze Familie Rühland, Herbst 1942 in Fallersleben
164 Letzte Lebenszeichen
Brief der Eltern an ihren Sohn Joachim
Braunschweig, den 7.1.1944
Mein lieber Jochen!
Nun sind wir immer noch ohne Post von Dir, Dein letzter Brief war vom 13.12. Wir
hoffen aber stark, dass es Dir noch gut geht, wenigstens gesundheitlich, denn sonst
werdet Ihr wohl nichts zu lachen haben. Jeden Tag wird Witebsk noch im Wehrmachtsbericht erwähnt, und wir wissen, was dort für schwere Kämpfe toben. Du armer Junge, bist immer da, wo es mit am schlimmsten ist. Wie oft habe ich schon in
diesen Wochen gedacht, wenn man doch bloß mal hinsehen könnte, ob er noch gesund ist. Hast Du denn wenigstens unsere Post erhalten? Ich habe fast alle Briefe per
Luftpost geschickt, weil ich mir dachte, die kämen eher durch. Heute hat mir Frau
Schreiber ein Paket für Dich geschickt, das sie mir gestern in einem Brief ankündigte. Ich hatte Dir ja letztes Mal einen Brief von ihr und meine Antwort darauf mitgeschickt. Nun schreibt sie, dass Rudi mal geschrieben hätte, er hätte einen Oberleutnant als Chef, und sie lässt Dich bitten, die Adresse desselben ausfindig zu machen.
Er liegt gewiss in einem Lazarett, Du schriebst ja mal, er sei verwundet. Sie glauben,
dass der Chef ihnen Auskunft geben kann. Frau Schreiber schrieb, in ihrer Nachbarschaft habe auch ein verwundeter Oberleutnant Eltern Auskunft geben können, dass
Gertrud und Wilhelm Rühland mit Sohn Joachim in Göttingen, Februar 1943
Briefe aus dem Krieg
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er gesehen habe, wie die Russen deren verwundeten Sohn verbunden hätten. Die
Eltern könnten nun beruhigt sein. Sie klammert sich nun daran, dass er in Gefangenschaft geraten sei und lebt. Wenn es Dir möglich ist, die Adresse zu erfahren, so tue
es, damit die arme Frau ihre Ruhe findet. Ich schicke Dir das Päckchen in den nächsten Tagen, will noch einen Kuchen dazu backen. Hoffentlich sind die Plätzchen von
Weihnachten noch essbar, ich habe Dir zwei je 100 gr. geschickt. Heute war unserem
Hänschen sein Geburtstag. Wir haben ihn ganz still verlebt, wir haben gar keinen Besuch gehabt und auch nicht gebacken. Außer Tante Grete Maaß hat niemand daran
gedacht, noch nicht einmal Tante Uhlenhut. Wir haben ihm auch nichts schenken
können, es gibt ja nichts. Vielleicht kommen Maaßens mal am Sonntag, aber es ist
noch nicht bestimmt, da sie mit der Heizung allerhand Scherereien haben. Wolfgang
ist noch immer in Magdeburg, er hat uns auch mal geschrieben, und ich muss ihm
mal antworten. Bin neugierig, wo der mal landet. Nun will ich Schluss machen, Papa
kann noch ein bisschen weitermachen, denn ich muss noch an Frau Schreiber schreiben, das ist immer nicht so leicht. Bleib mir also recht gesund und hoffentlich bekommen wir bald Post von Dir. Mit recht vielen herzlichen Grüssen und Küssen bin
ich Deine Mutti
Joachim Rühland mit Bruder Hans-Herbert
166 Letzte Lebenszeichen
Mein lieber Junge!
Die erbitterten Kämpfe in Eurem Abschnitt toben nun schon seit fast vier Wochen – und halten nach den Berichten
des OKW [Oberkommando der Wehrmacht] mit unverminderter Heftigkeit
an. Allein in diesem Raum dürften nach
den bisherigen Berichten an die 500 Panzer vernichtet sein. Es ist da die größte
Zahl von allen Kampfabschnitten überhaupt und zeigt deutlich die Absichten
unseres Gegners. – Sie werden aber, wie
wir alle zuversichtlich glauben, an der
Härte und dem Willen unserer tapferen
Jungen zuschanden werden. – Ich habe
schon so oft betont, wie gerne ich in Euren Reihen stehen und mitkämpfen
möchte, und gerade jetzt, wo es hart auf
hart geht. Ich glaube immer noch, wo die
Joachim Rühland während seines letzten Heimaturlaubs
Briefe aus dem Krieg
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physischen Kräfte nicht mehr hinhauen können, da würde meine Ruhe einen Ausgleich schaffen und Euch von Nutzen sein können. – Jedoch mit meinen 55 Jahren
sind das Träume, die keine Verwirklichung finden werden. Und so muss ich mich bescheiden und hier in der Heimat meine Pflicht tun. Aber in Gedanken, Junge, da bin
ich oft sehr oft bei Dir und rufe Dir ein „Durchhalten“ zu. Wie oft geschieht das auch
in der Nacht, wenn ich einmal wach werde, und ich glaube dann immer, Du müsstest das merken und neue Kraft daraus schöpfen. Deine liebe Post vermissen wir ja
sehr, aber wir wissen ja, dass Ihr kaum zur Ruhe kommt, und wenn einmal, dann
habt Ihr vor allem Schlaf nötig und das geht unbedingt vor. –
Aber freuen werden wir uns, wenn dort einmal wieder Ruhe eingetreten ist und der
Postverkehr wieder regelmäßig läuft. Bis dahin halten wir Dich im Gebet umschlossen
und hoffen, dass Du die jetzigen Kämpfe heil und gesund überstehst. Sonst gibt es
von hier nichts Neues zu berichten, außer dass Seppel Zumkeller über Neujahr hier
war. Leider haben wir ihn nur wenige Minuten sehen und sprechen können. Es geht
ihm jetzt wieder ganz gut und lässt er Dich herzlich grüßen. Die Lörracher haben Dir,
wie uns Tante Emma schrieb, ein Weihnachtspäckchen geschickt. Ob das aber in
Deine Hände gelangt ist, kann unter den augenblicklichen Verhältnissen bezweifelt
werden. Wir hoffen es aber gern, damit Du wenigstens etwas Heimatliches gehabt
hast. Mit dem nächsten Päckchen, das in einigen Tagen an Dich herausgehen soll,
schicke ich Dir auch einen Taschenkalender. Auch hoffen wir, dass Du bald wieder
unsere Post, Zeitungen und Zeitschriften erhältst. – Die Tage werden nun, zuerst noch
nicht bemerkbar, wieder länger und Du wirst sehen, dass eines Tages wieder die Frühlingssonne scheint und dann wird das Schwerste auch wieder vergessen sein. Also
behalte frohen Mut und wehre Dich Deiner Haut. – Denke auch, wenn es notwendig wird, an Nux vomica und Infludo [beides homöopathische Mittel]. Dir alles Gute
wünschend, sende ich Dir heute meine herzlichsten Grüße.
Dein Vater
Nachricht des Schwadronsführers an die Eltern
Dienststelle
Feldpost-Nr. 17938
O.U., den 25.12.1943
Sehr geehrter Herr Rühland!
Ich habe heute die traurige Pflicht, Ihnen die schmerzliche Mitteilung machen zu
müssen, dass Ihr lieber Sohn, unser guter Kamerad, Reiter Joachim Rühland, am
14.12.1943 bei den schweren Abwehrkämpfen südlich Newel, in soldatischer Pflichterfüllung, getreu seinem Fahneneide für Führer und Vaterland gefallen ist.
168 Letzte Lebenszeichen
Durch einen Kopfschuss ist Ihr Sohn, ohne zu leiden, sofort gestorben. Er wurde am
selben Tage in Kroschkina, etwa 20 km nördlich Gorodok bestattet.
Ich spreche Ihnen, zugleich im Namen seiner Kameraden, denen er stets ein treuer
und guter Kamerad war, meine wärmste Anteilnahme aus. Mit ihm haben wir einen
unserer Besten verloren.
Für Sie bedeutet der Tod Ihres lieben Sohnes ein unsagbar schweres Los. Möge die
Gewissheit, dass Ihr Sohn sein Leben für die Größe und den Bestand des deutschen
Volkes und Reiches hingegeben hat, Ihnen ein Trost in dem schweren Leid sein, das
Sie betroffen hat.
Mit dem Gefühl aufrichtiger Anteilnahme grüßt Sie
Ihr
I.V. gez. Schaaf
Leutnant und Schwadronsführer
Brief der Eltern vom 7.1.1944
Briefe aus dem Krieg
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