2015-01 ERP-CRM wer hat den Lead

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2015-01 ERP-CRM wer hat den Lead
CRM & DATA _ Softwareunterstützung
ERP vs. CRM – wer hat den Lead?
Vor allem in den Bereichen Adressmanagement und Auftragsbearbeitung gibt es häufig
Überschneidungen zwischen CRM und ERP. Eine enge Verzahnung der beiden Systeme sorgt
für mehr Effizienz. Bleibt die Frage: Welches System soll führen?
Text _ Christoph Lorenz
Dass die enge Verzahnung oder Integration von ERP und CRM die Effizienz
im Unternehmen steigern kann, ist
Konsens. Über den Weg dorthin gibt es
allerdings immer wieder Diskussionen:
Wo werden welche Daten gepflegt? Wo
soll die Datenübergabe zwischen ERP
und CRM stattfinden? Und schließlich:
Welches System hat den Lead?
ERP und CRM erfüllen zwar unterschiedliche Aufgaben. Während die
ERP-Software als kaufmännische Basissoftware nach innen gerichtet ist, und
vor allem die Aufgabe hat, alle Mengenund Werteströme eines Unternehmens
zu erfassen, ist CRM vor allem das Instrument der Marketing-, Vertriebs- und
Serviceabteilungen, das nach außen
wirkt. Richtig ist aber auch, dass es
Überschneidungen gibt – beispielsweise
bei der Auftragsbearbeitung.
CRM bringt den Markterfolg
»Das Herzstück einer Unternehmensrechnung ist und bleibt die ERP«, sagt
Peter Winkelmann, Professor für Marketing und Vertrieb an der Hochschule
Landshut. »Die ERP kontrolliert das
sogenannte Transaktionssystem; also
alles, was gebucht wird.« Aber: Einen
Interessenten, oder jemanden, der nach
dem Kauf für Folgekäufe gewonnen werden soll, hat die ERP nicht auf dem Radar. »Einschätzungen, Kontakthistorien,
Beziehungsbeschreibungen, Potenziale,
Anfrage, Rückfragen sind nicht unmittelbar finanz- oder bilanzwirksam«, so
Winkelmann. CRM übernimmt deshalb
die Aufgabe, das Transaktionssystem
nach vorne (Pre-Sales) und nach hinten
(After-Sales) auszuweiten. »Das ist wich50
ERP und CRM erfüllen weitestgehend unterschiedliche Aufgaben. Welches System hat den
Lead?
tig, weil man viel zu spät dran ist, wenn
man sein Geschäft nur mithilfe der
ERP steuern will. Wenn Aufträge und
Rechnungsbegleichungen in der ERP erscheinen, sind die Geschäfte gelaufen.«
CRM wird also von denjenigen Unternehmern geschätzt und angewendet,
denen bewusst ist, dass der Markterfolg
vor und nach den kaufmännischen Abrechnungen erzeugt wird. CRM setzt somit an den Stellhebeln des Markterfolgs
an – das ERP-System dokumentiert die
Ergebnisse.
Weil sich aber so viele Prozesse und
Ressourceneinsätze außerhalb des kauf-
männischen Bereichs abspielen, reiche
eine reine betriebswirtschaftliche, auf
der ERP beruhende Gewinnmaximierung und Kostenoptimierung bei weitem nicht aus, so Winkelmann. Erst
durch das Zusammenspiel von ERP und
CRM bekomme »das Management die
Welten der harten und der weichen Daten in den Griff«. Das mache auch die
vom CRM-Expertenrat proklamierte
CRM-Definition deutlich: »CRM bedeutet Integration aller Prozesse zum und
vom Kunden mit dem Ziel, eine Balance
zwischen Kunden- und Kostenorientierung zu erreichen.« Der so wichtige
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Aspekt der Kundenorientierung werde von der ERP häufig vernachlässigt,
so Winkelmann. Zum Schwur komme
es häufig bei der Frage, ob das Interessentenmanagement (management)
in der ERP oder im CRM angesiedelt
wird. »Bei vielen Unternehmen ist ein
management historisch in der ERP gewachsen«, erklärt Winkelmann. Etwa
die Hälfte der Unternehmen scheuten
sich, diesen Bereich vollständig in das
CRM zu transferieren. »Sie stoßen dann
aber in der Regel an zwei Limitierungen
durch die ERP: Ihnen ist keine flexible
Prioritätensetzung für Anfragen und
Angebote möglich, und sie können in
der ERP keine flexiblen Prozesse aufsetzen«, so Winkelmann. Das management
kranke dann an der Schwäche, die alle
ERP-Funktionalitäten haben: Sie sind
zu starr, zu stark standardisiert. Der
Königsweg bestehe darin, die s (und das
Opportunity Management) im CRM unter einer Interessentennummer flexibel
zu pflegen. Sobald ein Neukunde dann
bestellt, erhält er in der ERP die Kundennummer, und beide Nummern inklusive der hinterlegten Daten werden
verknüpft. »Wir sprechen dann von der
Verheiratung von CRM und ERP«, erläutert Winkelmann.
Die Ehe von CRM und ERP
Auch den Mitarbeitern mit Kundenkontakt sollte bei der Integration der
beiden Welten ihre tägliche Arbeit so
einfach wie möglich gemacht werden.
»Wenn ein eine Anfrage schickt, oder
ein Bestandskunde eine Lieferzeit abfragt, dann sollten wir dem Mitarbeiter
nicht zumuten, zwischen den beiden
Welten hin und her zu springen. Die
Mitarbeiter mit Kundenkontakt erhalten deshalb im CRM eine Tür, durch
die sie bei kaufmännischen Vorgängen
(zum Beispel: Auftragseingabe) in die
ERP springen und nach dem Abschluss
des Vorgangs auch wieder im CRM sind.«
Den Begriff »führend« bezieht Winkelmann daher auch nur auf die CRMPhilosophie (Der Kunde bleibt immer
im Vordergrund) und auf das, was der
Mitarbeiter auf dem Bildschirm sieht.
Jürgen Schüssler, Geschäftsführer der
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Wice GmbH in Hamburg, sieht den bei
einer CRM/ERP-Integration dagegen
eindeutig bei der CRM-Software: »Auch
wenn ERP in vielen Unternehmen das
umfangreichere System ist – der muss
beim CRM liegen.« Der Grund liegt für
Schüssler auf der Hand: »Für den Erfolg
eines Unternehmens ist der Umsatz entscheidend. Die Minimierung der Kosten
ist nachgelagert.« Und das System zur
Steuerung des Umsatzes sei nun einmal
das CRM. Bei ERP gehe es im Kern um
Buchungen, um Transaktionen. »Diese systemische Eigenschaft ist für eine
Kommunikation und Interaktion mit
dem Markt nicht geeignet«, so Schüssler. Mit CRM als führendem System
sei es für ein Unternehmen einfacher,
organisches Wachstum zu generieren.
»Damit erhöht sich auch das Potenzial
für eine höhere Rendite, die dann mit
den Kennzahlen des Finance Controlling aus dem ERP weiter optimiert werden kann«, erläutert Schüssler. »Den
schnellsten Effekt erzielen viele Unternehmen ohnehin durch die Überwindung des Kommunikations-chaos und
die Standardisierung und Automatisierung der Prozesse in Marketing, Vertrieb und Service.«
Für Marcus Rübsam, als Global Head
Product Management bei der SAP für
CRM und SAP Cloud verantwortlich,
lässt sich die Frage nach dem führenden System ohnehin nicht pauschal beantworten: »Welches System bei einem
Kunden als das führende System auszumachen ist, hängt von vielen Faktoren
ab.« Selbst bei Kunden aus der gleichen
Branche mit ähnlichen Prozessen könne die Entscheidung sehr unterschiedlich ausfallen, beispielsweise wenn sich
die Systemlandschaft sehr stark unterscheide. »Auf der anderen Seite ist es
aber sicherlich ratsam, ein System als
das Führende zu benennen, allein um
Geschäfts- und IT-Prozesse eindeutig zu
definieren.
Denn trotz der klaren inhaltlichen
Schwerpunkte haben ERP und CRM
funktionale Überschneidungen. »Das
verbindende Element beider Systeme ist
vor allem der Verkaufs- oder Vertriebsauftrag im weitesten Sinn, der auch das
Angebot mit einbezieht«, sagt Rübsam.
Alle Geschäftsprozesse, die vor dem Auftrag liegen, fallen dabei in den Bereich
des CRM-Systems (beispielsweise Opportunity- oder Kampagnen-Management
sowie die Tour- und Besuchsplanung).
»Die stark logistisch zentrierten Bereiche (Auftragsabwicklung, Versand
oder Retourenmanagement) fallen dagegen klar unter die Hoheit des ERP-Systems«, so Rübsam. Bei der Verzahnung
von ERP und CRM sollte man außerdem
berücksichtigen, dass in einem ERP-System wichtige operative Vertriebsdaten
erfasst werden, die für eine ganzheitliche Vertriebsauswertung von großer
Bedeutung sind. »Diese Daten sollten
für die Vertriebsplanungen auch direkt
ins CRM einfließen.« Das ERP habe demnach auch einen eindeutig operativ-unterstützenden Charakter.
CRM als Kommunikationstool
»Die Wirkungsrichtung eines CRM-Systems kann dagegen als eher marktorientiert beschrieben werden«, erläutert
Marcus Rübsam. Wichtig sei es, das
CRM-System sowohl als Kommunikations-Tool zu sehen, das die interne (Mitarbeiter, Partner) und externe (kundengerichtete) Kommunikation abdeckt, als
auch den operativen Part des Systems
hervorzuheben. Die Frage nach dem ist
für den SAP-Manager daher gar nicht
so entscheidend – viel wichtiger ist das
Zusammenwirken der beiden Systeme:
»Wenn man sich den sogenannten -tocash-Geschäftsprozess ansieht, erkennt
man sehr schnell, dass dieser Prozess
nur dann einwandfrei abläuft, wenn
CRM und ERP harmonisch ineinander
greifen«, sagt Rübsam.
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SUMMARY
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CRM VS. ERP Eine Einschätzung der
Kosten-Nutzen-Struktur von CRM und
ERP in den Unternehmen sollte nicht
in eine Entweder-Oder-Diskussion
münden, sondern eine klare Kohärenz
beider Systeme zu Grunde legen.
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