Im Dunkel der Passion
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Im Dunkel der Passion
Regionkultur: 24. März 2009, 01:05 Im Dunkel der Passion Im St. Galler Dom und in Fischingen kam am Wochenende der Mittelteil von Händels «Messiah» unter der Leitung von Domkapellmeister Hans Eberhard zur Aufführung. PETER SURBER Der Hochaltar in der St. Galler Kathedrale ist am Samstag verhängt mit der Trauerfarbe Violett, Trompeten und Solosopran schweigen, Altistin Angela Göldi ruft im Chorraum in dunkelstem Timbre und erschütternder Langsamkeit das Bild des Schmerzensmannes hervor: «a man of sorrows». Eindringliche Dreiteilung Dem leidenden Jesus, verschmäht und zurückgewiesen von den Menschen («despised and rejected»), ist der zentrale Passionsteil von Händels «Messiah» gewidmet. Durch die Dreiteilung, welche Domkapellmeister Hans Eberhard dem Riesenwerk verschrieben hat, kommen die so unterschiedlichen Charakterzüge der einzelnen Kapitel eindringlicher als sonst zur Geltung. An Neujahr hatte Weihnachten geleuchtet, Ende April wird die Auferstehung jubeln – jetzt aber ist Trauerzeit. «Betrübt» ohne Klangtrübungen Den Auftakt macht eine leidenschromatische Sinfonia von Vivaldi, sie geht über in die musikalische Rahmenhandlung: Vor und nach Händels «Messias» erklingen Lamentationen und Responsorien des böhmischen Händel-Zeitgenossen Jan Dismas Zelenka. Stefan Vock singt die trotz Moll-Charakter keck konzertierende Solopartie klangschön und mit weichgeführtem Bariton, der Chor antwortet mit Texten, die ideal ins Passionsthema einstimmen. «Tristis est anima mea», meine Seele ist betrübt bis an den Tod: So lässt Zelenka den Chor gleichsam beten, es ist an diesem Abend das letzte und einzige Christuswort – denn Händels Libretto kommt ja fast ganz ohne Evangeliumserzählung aus, ist reine Glaubensreflexion. Träger der Leidensbesinnung sind, zumal in diesem Teil, die sich türmenden Chorsätze. Das Collegium Vocale entfaltet mit Tiefgang die Abgründe des Auftaktchors «Behold the Lamb», setzt scharfe Akzente für die menschlichen «Missetaten» und steigert sich ins virtuos fugierte «Herumirren» der Schafe hinein. Händel reiht Chor an Chor, als könne nicht genug der Klage sein; das rund 30köpfige Sängerensemble ist ausgezeichnet dafür präpariert und bleibt auch in den sich steigernden Tempi und den eifernden Beschimpfungen im Chor «He trusted in God» transparent und klangrein. Eine Vorahnung Der Tod am Kreuz bleibt ohne Musik. «Er ist dahin», stellt der Tenor fest. Und schon bringt die helle Stimme von Neal Banerjee einen Vorglanz künftiger Seligkeiten ins Spiel, schlägt einen Ahnungsbogen zur Auferstehung. Der Chor wagt erste Freudensynkopen im Bestseller «Lift up your heads» und ruft die Engel an. Das Collegium Instrumentale begleitet aufmerksam, im Anfang des Konzerts etwas zu diskret (so dass etwa die «Geisselschläge» der Geigen kaum hörbar sind), dann mit zunehmender Gestaltungslust. Der Jubel muss warten Doch dann ist Schluss, noch vor dem Hallelujah, konsequenterweise. Der Jubel muss warten, das macht Eberhards liturgisch wie musikalisch überzeugendes Aufführungskonzept dem Publikum eindrücklich klar. «Oh be joyful in the Lord»: So wird am 25./ 26. April Teil drei des «Messiah»-Projekts beginnen, mit Pauken und Trompeten. Copyright © St.Galler Tagblatt AG Alle Rechte vorbehalten. Eine Weiterverarbeitung, Wiederveröffentlichung oder dauerhafte Speicherung zu gewerblichen oder anderen Zwecken ohne vorherige ausdrückliche Erlaubnis von www.tagblatt.ch ist nicht gestattet.