Traceability in der Elektronikfertigung

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Traceability in der Elektronikfertigung
MES-SYSTEME
Traceability in der
Elektronikfertigung
Traceability wird von vielen Elektronikherstellern noch immer als Risikoabsicherung bei Rückrufaktionen betrachtet.
Dabei eröffnet die durchgängige Erfassung von Produktund Prozessdaten zahlreiche zusätzliche Möglichkeiten:
Unternehmen können mit Traceability-Systemen ihre Prozesse vom Wareneingang bis zum Warenausgang optimieren und so die Effizienz der Fertigung nachhaltig erhöhen.
raceability ist für die Elektronikindustrie in den vergangenen
Jahren immer wichtiger geworden.
Viele Kunden erwarten heutzutage
von Herstellern, dass sie die gefertigten Produkte lückenlos entlang
der gesamten Lieferkette bis hin
zum einzelnen Bauteil identifizieren und rückverfolgen können. So
lassen sich im Mängelfall mögliche
Fehlerquellen rasch eingrenzen
und ganz gezielte Rückrufaktionen
auslösen.
Die geforderte Transparenz der
Fertigungsprozesse lässt sich durch
den Einsatz geeigneter MES-Lösungen erreichen. Das Manufacturing
Execution System ist einerseits mit
dem übergeordneten ERP-System
des Unternehmens verbunden und
kommuniziert andererseits mit den
Maschinen und weiteren Systemen
auf der Fertigungsebene. Die Einführung eines MES für die Umsetzung von Traceability kann sich
für Unternehmen gleich mehrfach
auszahlen: Durchgängige Rückverfolgbarkeit der Produkt- und Prozessdaten hilft nicht nur bei der
Schadensbegrenzung im Reklamationsfall – die gewonnenen Informationen lassen sich auch nutzen, um
die Auslastung
Zum Beitrag
der ProduktiDieser Beitrag basiert auf einem
on zu optimieWhitepaper der ifm datalink gmbh
ren, Materialaus Fürth. Dieser Beitrag wird fortgebestände
zu
setzt und informiert im zweiten Teil
über die Lösungsmodule des MES
minimieren,
Linecorder.
Fertigungs-
T
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parameter zu überwachen und die Prozesssicherheit zu erhöhen. Damit ist Traceability
nicht nur eine Risikoabsicherung, sondern
wird zum wichtigen Werkzeug für Prozesssteuerung und Effizienzsteigerung.
Aktives Instrument der
Produktionssteuerung
Am Beispiel der Prozess-Traceability lässt
sich der Zusammenhang zwischen höherer Fertigungstransparenz und Optimierung
der betrieblichen Schlüsselkennzahlen gut
verdeutlichen. Prozess-Traceability befasst
sich grundsätzlich mit der Frage, wie ein bestimmtes Produkt gefertigt wurde – also zum
Beispiel auf welcher Linie, unter welchen Bedingungen, mit welchen Betriebsmitteln, von
welchen Mitarbeitern und mit welchem Ergebnis. Das Traceability-System erfasst dazu u.
a. wichtige Maschineneinstellungen und Produktionsparameter. In der Elektronikfertigung
können diese Angaben wie das Temperatur-
Ein MES unterstützt die Prozessoptimierung vom Wareneingang bis zum Warenausgang. Vorteile ergeben sich z. B. bei
der Senkung der Produktionskosten, bei der Evaluierung
und Sicherung des Qualitätslevels der Gesamtanlage (OEE)
sowie bezüglich der Transparenz in der Fertigung.
profil der Lötanlage oder die Anzahl der Bearbeitungszyklen eines
bestimmten Werkzeugs sein. Durch
die Auswertung dieser Prozessinformationen ist der Fertigungsleiter
in der Lage, die Leistungsfähigkeit
seiner Fertigung genauer zu beurteilen, mögliche Fehlerquellen
schneller zu erkennen und frühzeitig vorbeugende Qualitätsmaßnahmen zu ergreifen.
Ein typischer Einstieg in das
Thema Prozess-Traceability ist die
Rückverfolgung von Prüf- und Reparaturprozessen. Kunden in sicherheitskritischen Marktsegmenten schreiben teilweise bereits verpflichtend vor, dass die Anzahl der
Tests und der Reparaturvorgänge
für jede Baugruppe lückenlos dokumentiert werden müssen. Auf diese
Weise soll beispielsweise sichergestellt werden, dass in bestimmten
Anwendungsbereichen nur Baugruppen verwendet werden, die
höchstens eine Reparaturschleife
durchlaufen haben. Erreichen lässt
sich dies durch die Erfassung der
Qualitätsdaten aus Reparatur- und
Prüfprozessen – wie etwa In-Circuit-Tests, AOI-Kontrollen, Funktions- und Systemtests oder Tests
für Environmental Stress Screening.
Neben Prüf- und Reparaturdaten
sollten möglichst viele weitere Informationen aus den unterschiedlichen Fertigungsprozessen im
Traceability-System erfasst werden.
Dazu gehören z. B. die Daten von
Siebdruckmaschinen, Bestückungsautomaten, Reflow-, Wellen- und
Selektivlötanlagen sowie die jeweiligen Umgebungsbedingungen.
Die kontinuierliche Überwachung
aller wichtigen Fertigungsparameter trägt zu einer Erhöhung der
Prozesssicherheit bei. Bei Abweichungen von Standardwerten kön-
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MES-SYSTEME
nen automatisch Gegenmaßnahmen
eingeleitet werden – noch bevor die
Toleranzgrenzen erreicht sind. Traceability entwickelt sich damit von
einem passiven zu einem aktiven
Instrument der Fertigungssteuerung.
Optimierung des
Materialflusses
Ebenso wie die Prozess-Traceability kann auch die Produkt-Traceability Unternehmen helfen, die
Effizienz der Fertigung zu verbessern. Produkt-Traceability erfasst
Informationen zu den Bauteilen
und Materialien, die bei der Herstellung eines Produkts verarbeitet
wurden. Diese produktrelevanten
Daten können von Bar- oder Datamatrixcodes, Chipkarten, Magnetkarten, RFID-Transpondern oder
aus anderen Informationsquellen
stammen. Für durchgängige Produkt-Traceability ist es notwendig,
den kompletten Materialfluss und
alle Rüstungen von Maschinen und
Handarbeitsplätzen zu erfassen.
Auf dieser Basis lässt sich dann
Zum MES-Standard-Report gehört die Auswertung der Daten über Zeit, Maschine, Ereignis gemäß OEE nach SEMI,
VDI 3423.
beispielsweise eine Rüstkontrolle zur Vermeidung von Serienfehlern realisieren. Somit
wird sichergestellt, dass bei jedem Arbeitsschritt das richtige Material verbaut wird und
dass die richtigen Hilfsstoffe und Werkzeuge
eingesetzt werden. Gleichzeitig lassen sich
Verfallsdatum, Gebindestatus und gegebenenfalls die Offenzeit von feuchtigkeitssensitiven
Bauteilen überprüfen. Die Einhaltung von
Regeln wie »First In – First Out« oder »First
Expire – First Out« sowie die Konformität mit
den jeweiligen RoHS-Vorschriften können im
Rahmen der Rüstkontrolle ebenfalls
gewährleistet werden.
Grundsätzlich gewinnen Unternehmen durch umfassende Produkt-Traceability einen detaillierten Überblick über den gesamten
Materialfluss. Diese Informationen
lassen sich in der Praxis nutzen,
um Materialbestände zu minimieren, Ressourcen einzusparen und
Stillstände durch fehlende Materialverfügbarkeit zu vermeiden. Auch
eine permanente Inventur wird
durch die lückenlose Dokumentation der verwendeten Bauteile und
Materialien ermöglicht.
Wertschöpfung durch
Online-Monitoring der OEE
Die umfassenden Prozess- und
Produktdaten, die ein TraceabilitySystem sammelt, helfen also nicht
nur im Reklamationsfall beim Aufspüren von Fehlerquellen, sondern
tragen auch dazu bei, den Fertigungsprozess zu optimieren und
Wettbewerbsvorteile zu erzielen.
Die Produktionsverantwortlichen
MES-SYSTEME
ty-Systemen zeichneten sich noch
nicht durch eine
besonders
hohe
Benutzerfreundlichkeit aus. Mittlerweile erwarten
Anwender eine intuitive Gestaltung
der Softwareoberfläche,
logische
Navigationsstrukturen und eine
Mittels Daten-Gateway werden benötigte Daten aus Datenquellen gesammelt, gemöglichst einfache
ordnet, weitergeleitet und in der Linerecorder-Datenbank gespeichert.
Menüführung. Modernes
Anwenerhalten durch die Traceabilitydungs-Design orientiert sich dabei sehr stark
Daten zuverlässige Echtzeit-Inforan der Gestaltung mobiler Apps – schließlich
mationen über Leistungswerte wie
werden Anwender künftig immer häufiger mit
Stückzahlen und Durchlaufzeiten
Tablets, Smartphones und anderen Mobilgesowie über die erzielte Produktquaräten auf Traceability-Anwendungen zugreilität. Wenn diese Daten nun noch
fen. Damit die Anwender auch in Zukunft mit
in Beziehung zur Maschinenverjedem Endgerät produktiv arbeiten können,
fügbarkeit gesetzt werden, kann
sollte die GUI des Systems auch eine Touchsehr präzise die Overall Equipment
basierte Bedienung unterstützen.
• Flexible Implementierung: TraceabilityEffectiveness (OEE) einer FertiAnwendungen müssen mit heterogenen Sysgungsanlage bestimmt werden. Der
temumgebungen zurechtkommen – daher
OEE-Wert ist als Produkt der Fakwird ein intelligentes Schnittstellenkonzept
toren Verfügbarkeit, Leistung und
benötigt, das sich einfach implementieren
Qualität definiert und gibt direkten
lässt und unterschiedlichste Datenformate (z.
Aufschluss über die Wertschöpfung
B. CAM-X, Soft-SPS, ZVEI-XML, Bus-Systeme,
der Gesamtanlage. Durch das OnTCP/IP, etc.) verarbeiten kann. ifm datalink
line-Monitoring der OEE und weitehat beispielsweise für das MES-System Linererer Produktivitätskennzahlen köncorder ein universelles Schnittstellenkonzept
nen Unternehmen Abweichungen
entwickelt, das flexiblen Datenaustausch mit
von den angestrebten Sollwerten
beliebigen Maschinentypen ermöglicht. Der
schnell erkennen, Verlustquellen
Linerecorder Agent bietet dem Anwender paidentifizieren und gezielt Maßnahrametrierbare Kommunikations-Interfaces, mit
men zur Verbesserung der Anladenen sich Schnittstellen ohne Programmiergeneffektivität einleiten.
aufwand einfach und schnell konfigurieren
Fünf Erfolgsfaktoren für die
lassen. Der Anwender kann dabei auf vorgeUmsetzung vonTraceability
fertigte Maschinen- und Datenbank-Templates
zurückgreifen und muss auch bei SchnittAuf welche Aspekte sollten Elekstellenänderungen keine Neu-Kompilierung
tronikhersteller bei der Einführung
durchführen. Dieser Ansatz sorgt für eine
eines Traceability-Systems besoneinfache Update- und Upgrade-Fähigkeit des
ders achten? Insbesondere fünf
Systems.
• Modularität und Skalierbarkeit: Bei der
Faktoren sind entscheidend dafür,
Wahl eines Traceability-Systems sollten Undass mit Traceability sowohl eine
ternehmen immer auch den Implementiehöhere Transparenz als auch eine
rungsaufwand betrachten. Dabei geht es nicht
höhere Effizienz der Fertigung ernur um die erforderliche Zeit und die benöreicht werden.
• Einfache Handhabbarkeit: Die
tigten Ressourcen für die Erstinstallation, sonersten Generationen von Traceabilidern auch um den Aufwand für spätere Erwei-
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terungen. Modulare Systeme wie
der Linerecorder bieten den Vorteil,
dass zusätzliche Funktionen – je
nach Bedarf – zu einem späteren
Zeitpunkt durch Lizenzschlüssel
freigeschaltet werden können. Das
System lässt sich so sehr schnell im
laufenden Betrieb an wachsende
Anforderungen anpassen.
• Hohe Systemstabilität und Systemverfügbarkeit: Das Erfassen von
Traceability-Daten darf die Produktion in keiner Situation beeinträchtigen. Es empfiehlt sich daher auf
dezentrale Systemarchitekturen zu
setzen, bei denen Produktion und
IT unabhängig voneinander arbeiten können. Bei der Linerecorder
Software von ifm datalink werden
aus diesem Grund die Maschinenschnittstellen als eigenständige
Software-Module installiert. Falls
der zentrale Server vorübergehend
nicht verfügbar ist, können die
Linerecorder Agenten Daten zwischenpuffern, eigenständig Operationen durchführen oder bei Bedarf
auch untereinander kommunizieren. Nach Ende der Störung läuft
das Gesamtsystem automatisch
wieder an.
• Management und Weitergabe der
Traceability-Daten:
TraceabilitySysteme müssen nicht nur in der
Lage sein, alle erforderlichen Fertigungsdaten zu erfassen, sondern
sollten Unternehmen auch dabei
unterstützen, diese Daten zu verwalten, zu interpretieren und für
unterschiedliche Anwender aufzubereiten. Typische Szenarien sind
etwa die Generierung kundenspezifischer Reports, die Ausgabe von
Alarmmeldungen beim Überschreiten bestimmter Grenzwerte und der
Aufbau einer zentralen Wissensdatenbank auf Basis der TraceabilityInformationen. In vielen Fällen ist
es zudem hilfreich, die aktuellen
Kennzahlen auch auf großformatigen Infoscreens direkt in der Fertigung anzuzeigen.
KONTAKT
ifm datalink gmbh
www.ifm-datalink.com
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