Choräle in Windrichtung

Transcription

Choräle in Windrichtung
Choräle in Windrichtung
Ein Mann mit Überblick: Der Göttinger Turmbläser Marten Bock
Göttingen. Jeden Sonnabend sieht Marten Bock die Göttinger Innenstadt von oben. Sieht die
hübschen Gärten hinter den Fassaden, die versteckten Balkone. Ganz weit unten sieht er die
Mütter, die sich herunterbeugen zum Nachwuchs in der Kinderkarre und dann nach oben
zeigen zum Turm der Johanniskirche: „Da oben. Da kommt die Musik her.“ Denn da oben steht
Marten Bock mit seiner Trompete und spielt Choräle, passend zum Kirchenjahr, jeden Samstag
um 11 Uhr eine Viertelstunde.
Die Idee hatte Marten Bock 1992, nachdem er Zeitungsberichte über Turmbläser in Celle und
Lüneburg gelesen hatte. Das wäre doch auch für Göttingen eine Bereicherung, dachte er sich.
Er holte die Genehmigung der Stadt und der St.-Johannis-Gemeinde ein, und am
Reformationstag stieg er erstmals die 234 Stufen den 65 Meter hohen Nordturm hinauf, um für
die Passanten in der Fußgängerzone und rund ums Rathaus zu blasen. Marten Bock spielt
immer in Windrichtung, damit der Klang weit trägt.
Dass er ein Trompeter werden wollte, stand für Marten Bock schon mit zehn Jahren fest. Im
Posaunenchor seiner Groner Heimatgemeinde fing seine Bläserkarriere an. Der damalige
Leiter, Kirchenmusiker und Diakon Ulrich Krause, habe das Ensemble zusammen gehalten und
für besondere Auftritte und Erlebnisse gesorgt: „Es gab tolle Fahrten, tolle Gottesdienste, tolle
Kirchentage.“
Niemals habe er das Üben als unangenehme Pflicht empfunden, immer Spaß an der Trompete
gehabt, sagt Marten Bock. Sein großes Vorbild ist der französische Trompeter Maurice André,
dem er mit seiner Frau und Freunden schon öfters hinterher gereist ist, wenn André in
Deutschland auf Tournee war.
Die Musik zum Beruf zu machen, ist trotzdem für den 51-Jährigen nie in Frage gekommen.
Stattdessen jagt er als Polizeibeamter tagsüber Betrüger, freut sich dann abends auf sein
Instrument. „Es gibt überhaupt keine Schnittmenge zwischen meinem Beruf und der Musik, und
das ist auch gut so.“ Er kenne Berufsmusiker, die hätten die Freude am Spielen verloren. Er
dagegen könne wählen, wann und wo er spielen wolle. „Ich habe durch die Musik so viele
interessante Menschen kennen gelernt, so viele schöne Orte, so viele Kirchen gesehen.“
Marten Bock spielt im Bläserensemble des Landesposaunenwarts Günter Marstatt, tritt aber
auch gern in der Zweierkombination mit einem Organisten oder auch mit anderen
Instrumentalisten in kleinen Gruppen auf. Er liebt es, Barockstücke in KammermusikBesetzung zu spielen. Die Kombinationen der Gruppen dürfen gern wechseln. „Es gibt ja so
viele tolle Musiker in Göttingen.“ Für kleine Räume eigne sich auch das Zusammenspiel mit
dem Fagott – also mit seiner Ehefrau Judith Bock. Bevor die beiden in ihr Reihenendhaus in
Göttingen eingezogen sind, haben sie es auf Klangfestigkeit geprüft – man will sich ja bei den
Nachbarn nicht unbeliebt machen.
Ist der letzte Choral auf dem Johanniskirchturm verklungen, packt Marten Bock sein Instrument
ein, steigt die 242 Stufen wieder hinab und geht ein Stück die Fußgängerzone hinunter zur St.Jacobi-Kirche. Da spielt er jeden Samstag um 11.45 Uhr mit seinem Freund Ernst Puschmann
an der Orgel die halbstündige Mittagsmusik.
Ralf Neite, www.kultundkom.net
Bilder:
Vom Turm der Johanniskirche schaut Turmbläser Marten Bock über die Göttinger Innenstadt
bis hin zu St. Jacobi. Bild: Ralf Neite
Marten Bock spielt gern mit anderen Musikern gemeinsam. Heute ist Frauke Bendig mit ihm
den Nordturm der Johanniskirche hinaufgestiegen, um mit ihm die Choräle zu spielen. Bild:
Ralf Neite
___________________________________________________________________
Bei Nachfragen wenden Sie sich gern an:
Benjamin Simon-Hinkelmann
Öffentlichkeitsarbeit im Ev.-luth. Sprengel Hildesheim-Göttingen
Bergstr.26, 37441 Bad Sachsa
05523 93 0 50
www.sprengel-hildesheim-goettingen.de

Documents pareils