Fahrerlaubnisentzug im Ausland -

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Fahrerlaubnisentzug im Ausland -
RA Peter Torsten Willuhn
Fachanwalt für Verkehrsrecht
RR aktuell Nr. 12
Fahrerlaubnisentzug im Ausland wie Europa mit unterschiedlichen Verkehrsgesetzen umgeht.
„Haben’s überhaupt eine Lenkberechtigung?“ Diese für deutsche Ohren zunächst ungewöhnliche
Frage eines österreichischen Polizeibeamten nach dem Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis kann böse
Folgen haben. Nämlich dann, wenn man zwar mit einer gültigen deutschen Fahrerlaubnis eingereist
ist, in Österreich aber wegen eines früheren Verkehrsverstoßes die Fahrerlaubnis aberkannt bekommen hat, und der Entzug der Fahrerlaubnis noch andauert.
So ähnlich jedenfalls ist es einer österreichischen Autofahrerin, die unweit der deutschen Grenze
wohnt, ergangen. Nach einer Polizeikontrolle in Deutschland ergab die Untersuchung der Blutprobe,
dass die Frau unter Einfluss von Cannabis gefahren war und dass sie dieses Rauschmittel zumindest
gelegentlich konsumierte. Bereits ein Nanogramm dieses Haschisch-Wirkstoffes mit der Abkürzung
THC pro Milliliter Blut reichen in der Bundesrepublik aus, um mit einem Fahrverbot belegt zu werden.
In Österreich wurde die Autofahrerin hingegen weiterhin als zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet angesehen und behielt demnach ihren österreichischen Führerschein.
Bekiffte Österreicherin klagte gegen Entzug der Fahrerlaubnis
Die Österreicherin wollte sich das deutsche Fahrverbot deshalb nicht gefallen lassen und zog vor das
Verwaltungsgericht. Sie habe in dem EU-Staat Bundesrepublik das Recht, von ihrem Führerschein aus
dem EU-Nachbarland Österreich Gebrauch zu machen, argumentierte die Haschisch-Konsumentin.
Schließlich seien die österreichischen Verkehrsbehörden großzügiger und würden die Fahrerlaubnis
erst dann verweigern, wenn medizinisch eine Fahruntüchtigkeit wegen Drogenkonsums festgestellt
sei oder es Indizien einer Drogenabhängigkeit gebe. Doch sie sei weder fahruntüchtig gewesen noch
haschischabhängig, argumentierte die Österreicherin und verwies vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen auf das Protokoll des Arztes, der im Auftrag der Polizei die Blutprobe entnahm und keine
Anzeichen einer Fahruntüchtigkeit oder Drogenabhängigkeit feststellen konnte. Vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen klagte die Österreicherin deshalb darauf, dass sie trotz gelegentlichen Cannabis-Konsums in Deutschland wieder Autofahren darf. Die obersten europäischen Richter am EuGH
entschieden nun, dass einem Führerscheininhaber von einem anderen Mitgliedstaat das Recht
abgesprochen werden kann, in seinem Hoheitsgebiet zu fahren, nachdem er dort einen Verkehrsverstoß begangen hat, der geeignet ist, seine fehlende Fahreignung herbeizuführen. Nämlich, wenn
der gegen nationale Rechtsvorschriften verstoßen habe. Allerdings könne die Fahrerlaubnis nicht
einfach unbegrenzt entzogen und der Führerschein der Österreicherin nicht auf ewig auf dem Territorium der Bundesrepublik für ungültig erklärt werden, so die Richter in Luxemburg.
b.w.
Vielmehr habe die Bundesrepublik die Pflicht, "die Bedingungen festzulegen, die der Inhaber dieses
Führerscheins erfüllen muss, um das Recht wiederzuerlangen, in seinem Hoheitsgebiet zu fahren",
heißt es vom EuGH.
Idiotentest auch für Ausländer geeignet
Um wieder in der Bundesrepublik fahren zu dürfen, muss die Österreicherin eine medizinischpsychologische Untersuchung absolvieren, sprich: den sogenannten Idiotentest. Denn der setzt eine
einjährige Rauschgift-Abstinenz voraus. Oder die Klägerin wartet einfach fünf Jahre ab, denn dann ist
ihr Eintrag des Entzugs der Fahrerlaubnis gelöscht. Es sei Sache des Verwaltungsgerichts in Sigmaringen zu untersuchen, ob sich Deutschland angesichts dieser Regeln auf ewig dagegen sperre, den österreichischen Führerschein der Klägerin anzuerkennen, schreiben Europas höchste Richter. Und
machen aus ihrer eigenen Einschätzung kein Hehl. Der Idiotentest bzw. das Abwarten einer Fünfjahres-Frist sind nach ihrer Einschätzung wirksame und verhältnismäßige Präventionsmittel, um die
Sicherheit im deutschen Straßenverkehr zu verbessern. Idiotentest oder fünf Jahre Fahr-Abstinenz in
Deutschland, die Haschisch-Konsumenten aus Österreich hat nach diesem EuGH-Urteil also die Qual
der Wahl.
Hilft ein europaweit gültiger „Zweitführerschein“ bei Fahrverbot in einem anderen Mitgliedsstaat?
Seit dem 1. Juli 1996 gilt der in Deutschland erworbene Führerschein zeitlich unbegrenzt in allen Mitgliedstaaten. Er muss auch bei längeren Auslandsaufenthalten nicht mehr umgetauscht werden.
Fahrprüfung und Klasseneinteilung wurden in der ganzen EU vereinheitlicht. Wer in Deutschland
seinen Führerschein macht, erwirbt also einen "europäischen Führerschein", der diesen Namen auch
verdient.
Bei den strafrechtlichen Vorschriften für den Straßenverkehr gelten aber weiter die unterschiedlichen nationalstaatlichen Regelungen, wie der EuGH nun klarstellt. Nach wie vor kann jeder Staat für
sein Gebiet Strafen und Fahrverbote verhängen. Das gilt natürlich auch für den Führerscheinentzug
als "personengebundene Maßnahme". Ein "EU-Übereinkommen über den Führerscheinentzug" ist
zwar geplant, liegt aber zurzeit mehr oder weniger auf Eis.
Mit einem "europäischen Führerschein" aus einem anderen EU-Land dürften Sie in Deutschland auf
keinen Fall fahren - selbst wenn er nach dem gleichen Prüfungsverfahren gemacht wurde, das auch
in Deutschland vorgeschrieben ist. Hier dürfen Sie erst wieder ans Steuer, wenn Ihre Sperrfrist für
das Fahrverbot abgelaufen ist und Sie die medizinisch-psychologische Untersuchung bestanden haben. In Zukunft wird es für die Behörden der Mitgliedstaaten noch leichter werden, Fahrer auszuspüren, die trotzdem einen "Zweitführerschein" im Ausland gemacht haben: Geplant ist die Einrichtung
eines EU-Verkehrszentralregisters. Sollten sich die Mitgliedstaaten darauf tatsächlich einigen, könnten Polizeibeamte bei einer Kontrolle sofort feststellen, ob der vorgelegte Führerschein auch wirklich
ehrlich erworben wurde. Übrigens: Trotz des europaweit vereinheitlichten Prüfungsverfahrens kann
man seinen Führerschein nicht einfach in den Ferien im Ausland machen. Der Führerschein ist nämlich nur dann in der ganzen EU gültig, wenn er am ordentlichen Wohnsitz erworben wurde. Um in
einem anderen Mitgliedstaat einen Wohnsitz zu begründen, muss man dort mindestens 185 Tage im
Jahr leben. Mit einem Führerschein also, den man während der Ferien z.B. in den Niederlanden erwirbt, darf man dagegen auch nur in den Niederlanden fahren. In allen anderen EU-Staaten ist er
ungültig.
Quellen: Pressemitteilung des EuGH Nr. 40/15 v. 23.04.2015, www.tagesschau.de und www.euinfo.de.