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Benefits! Das bAV-Fachmagazin von Towers Watson Deutschland Ausgabe 02 | August 2012 towerswatson.de „Mitarbeiter „ wünschen sich die Unterstützung ihres Arbeitgebers bei der Altersvorsorge – und sie honorieren sie mit Loyalität. “ bAV aus Mitarbeitersicht: Wissensstand und Präferenzen zu Altersvorsorge – Studie Unisex-Tarife in der bAV? Auswirkungen auf versicherungsförmige Pensionspläne Altersteilzeit: Bilanzierung von Aufstockungsverpflichtungen nach IAS und HGB PSV-Beitrag: Mehr als Verdopplung erwartet – Berücksichtigung in IFRS-Zwischenabschluss Global Workforce Study: Deutsche Mitarbeiter zählen zu engagiertesten in Europa Muster-Rubrik Inhalt August 2012 Herausgeber: Towers Watson GmbH V.i.S.d.P.: Reiner Jung Redaktion Ulrike Lerchner-Arnold Verantwortlich: Prof. Dr. Dr. Wolfgang Förster Dr. Michael Karst Sybille Siefer Dr. Manfred Stöckler Dr. Claudio Thum Online-Archiv Benefits! ist auch online abrufbar unter: www.towerswatson.de/newsletters/ benefits-fachmagazin Editorial 4 Altersvorsorge – Von Worten zu Taten 27 Betriebsrenten: Anpassung oder Nichtanpassung? 42 Betriebsübergang: Ablösung von Kollektivverträgen Im Fokus 6 bAV: Was Mitarbeiter wollen 29 Bilanzierung nach BilMoG: Praxiserfahrungen 44 Verpflichtungskauf und Schuldbeitritt 8 Matching – Belohnung für Eigenvorsorge 31 Zinsen im Sinkflug 10 Opting out – Entscheidungsträgheit kompensieren Praxis bAV 13 Weißbuch der EU-Kommission 16 Flexi-II-Gesetz: Ziele noch nicht erreicht 17 Unisex-Tarife in der bAV 20 Invalide werden immer nur die anderen Bilanzen & Finanzen 22 Altersteilzeit: Bilanzierung (IAS 19) 25 Altersteilzeit: Bilanzierung (HGB) 33 PSV-Beitrag 2012: Mehr als Verdopplung erwartet 34 Infrastrukturinvestments Recht & Steuern 37 Rentenanpassung: Kaufkraftverlust für Zeiträume vor dem 1.1.2003 38 Versorgungsausgleich bei fondsakzessorischen Zusagen 39 Umstellung von Renten auf Kapital zusagen 41 Altersteilzeit und ruhegeldfähiges Einkommen 45 Übertragung von Pensionsverpflichtungen auf Pensionsfonds 47 Pensionszusagen an GesellschafterGeschäftsführer Administration & Software 48 Optimierung von bAV-Verwaltungs prozessen HR-Strategie, Talent & Rewards 52 Global Workforce Study 2012 News 56 Vorschau: bAV-Konferenz 57 Rückblick: HR Executive-Konferenz Benefits! 3 Editorial Altersvorsorge – Von Worten zu Taten „Der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert“, sagt ein Sprichwort. So scheint es sich auch mit der betrieblichen Altersversorgung (bAV) zu verhalten. Mitarbeiter in Deutschland wissen sehr genau, dass die gesetzliche Rente allein nicht mehr ausreichen wird, um den Lebensstandard im Alter zu halten. Wie die Retirement Attitudes Studie von Towers Watson zeigt, rechnen sie mit einer längeren Lebensarbeitszeit. Sie kennen die Bedeutung des Inflationsschutzes beim Vorsorgesparen und ihnen ist klar, dass sie bei der Altersvorsorge Unterstützung benötigen. Daher schätzen die meisten Mitarbeiter ein entsprechendes Engagement ihres Arbeitgebers sehr – und honorieren es mit großer Loyalität zum Unternehmen. Ein Problembewusstsein ist also vorhanden – und viele Wünsche in Bezug auf die bAV gibt es auch. Doch dabei offenbaren sich Widersprüche. Mitarbeiter wünschen sich Wahloptionen für die Anlage der Vorsorgevermögen – doch geben viele an, dass sie sich mit der Altersvorsorge im Allgemeinen und mit Kapitalanlagen im Speziellen nicht besonders gut auskennen. Zudem scheuen Menschen angesichts komplexer Wahloptionen häufig gänzlich davor zurück, eine Entscheidung zu treffen. Der größte Widerspruch offenbart sich jedoch mit Blick auf das eigene Engagement der Mitarbeiter. Drei Viertel geben an, dass sie (zumindest in gewissem Umfang) eigenes Geld für ihre Altersvorsorge investieren würden. Soweit die guten Absichten – die Wirklichkeit sieht anders aus. In der Beratungspraxis von Towers Watson zeigt sich, dass in vielen Unternehmen weit weniger Mitarbeiter die angebotenen Entgeltumwandlungsmodelle nutzen. Hier zeigt sich eine niederschmetternd große Differenz zwischen Wunsch und Wirklichkeit. „Unternehmen „ können viel dafür tun, dass das heutige ‚ich würde gerne…‘ ihrer Mitarbeiter nicht in später Reue (‚ach, hätte ich doch…‘) endet.“ wissen, dass ein Vorsorgeangebot existiert. Das lässt sich am besten dann erreichen, wenn Unternehmen für die bAV-Kommunikation auf die Medien setzen, die Mitarbeiter ohnehin gerne nutzen – das können neben Broschüren und Internetseiten auch Apps oder Filme sein. Darüber hinaus können Unternehmen ihren Mitarbeitern den Weg zur Entscheidung über die Eigenvorsorge ebnen (etwa durch Opting-out-Modelle) oder die Motivation zur Eigenvorsorge durch eine „Belohnung“ verstärken (z. B. durch Matching). Diese Ausgabe von Benefits! stellt einige Möglichkeiten vor. Eine interessante Lektüre wünscht Dr. Thomas Jasper Leiter Retirement Solutions Towers Watson Deutschland Unternehmen können jedoch viel tun, damit das heutige „ich würde gerne…“ ihrer Mitarbeiter nicht in später Reue („ach, hätte ich doch…“) endet. Sie können Pensionspläne angepasst an die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter gestalten – dann wird das Vorsorgeangebot als attraktiv empfunden. Mitarbeiter müssen Die nächsten Ausgaben Der Newsletter Benefits! online bietet Ihnen Mitte Oktober ein kurzes Update zu Recht und Bilanzierung. Die nächste Ausgabe von Benefits! erscheint Mitte Dezember. 4 towerswatson.de Im Fokus „Drei „ Viertel der Arbeitnehmer geben an, dass sie für ihre bAV auch eigenes Geld in die Hand nehmen würden. Aus unserer Beratungspraxis wissen wir aber, dass in vielen Unternehmen nur ein kleiner Teil der Mitarbeiter dies bislang in die Tat umsetzt.“ Im Fokus Was Mitarbeiter wollen Studie „Altersversorgung aus Arbeitnehmerperspektive“ Nur eine kleine Minderheit der Arbeitnehmer (zehn Prozent) glaubt, dass die gesetzliche Rente allein eine angemessene Versorgung im Alter sicherstellt. Entsprechend hoch ist das Interesse an der bAV, die als zweitwichtigste Einkommensquelle im Ruhestand gilt. Drei Viertel wünschen sich, dass ihr Arbeitgeber sich aktiv für ihre bAV engagiert. Zu diesen Ergebnissen kommt die Towers-Watson-Studie „Altersversorgung und bAV aus der Arbeitnehmerperspektive“. Hierfür waren mehr als 2.000 Arbeitnehmer aus Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitern befragt worden. Knapp 80 Prozent der Befragten verfügen über eine Betriebsrentenzusage. „Die Studienergebnisse zeigen mehr als deutlich, dass die Diskussion um den Altersvorsorgebedarf und die längere Lebensarbeitszeit in der Breite angekommen ist. Das gilt für alle Altersgruppen – und wider Erwarten insbesondere auch für die jüngeren Arbeitnehmer“, erklärt Dr. Thomas Jasper. Er weist aber auch auf deutliche Lücken zwischen Anspruch und Wirklichkeit hin. „Drei Viertel der Arbeitnehmer geben an, dass sie für ihre bAV auch eigenes Geld in die Hand nehmen würden. Aus unserer Beratungspraxis wissen wir aber, dass in vielen Unternehmen nur ein kleiner Teil der Mitarbeiter dies bislang in die Tat umsetzt.“ bAV zentraler Bestandteil der Altersvorsorge Eine Erklärung für diese Kluft könnte darin liegen, dass nur 47 Prozent der Mitarbeiter den für sie 6 towerswatson.de gültigen Pensionsplan kennen und verstehen. „Es wäre plausibel, dass Mitarbeiter ihr Geld nur für eine Altersversorgungsmöglichkeit einsetzen, die sie nachvollziehen können. Unternehmen sollten daher ihre Mitarbeiter regelmäßig und anschaulich über die vorhandenen Pensionspläne informieren“ empfiehlt Jasper. Darüber hinaus zeigt die Studie, dass sich über die Hälfte der Mitarbeiter (64 Prozent) individuelle Einzelberatungen zu ihrer bAV wünschen. Insgesamt wird die betriebliche Altersversorgung als zweitwichtigste Einkommensquelle im Ruhestand (direkt nach der gesetzlichen Rente, aber vor Ersparnissen und Wohneigentum) eingestuft. Ihre Wertschätzung ist hoch – rund die Hälfte der Arbeitnehmer ist mit ihrer bAV zufrieden oder sehr zufrieden. Jasper: „Dabei macht es kaum einen Unterschied, ob das Unternehmen die Betriebsrente allein finanziert oder ob die Arbeitnehmer sich daran beteiligen. Für Mitarbeiter ist vor allem wichtig, dass ihr Arbeitgeber sich engagiert – indem er Vorsorgemöglichkeiten bereitstellt und den Aufbau des Vorsorgevermögens unterstützt.“ Sicherheit hat oberste Priorität, Wahloptionen gefragt Der Aussage „In der bAV ist Sicherheit wichtiger als hohe Renditen“ stimmten 56 Prozent der Arbeitnehmer zu. Der Inflationsschutz nimmt einen noch höheren Stellenwert ein (59 Prozent). Ebenso schätzen die Arbeitnehmer Wahloptionen – etwa mit Blick auf die Anlage der Pensionsvermögen (56 Prozent), unterschiedliche Auszahlungsmöglichkeiten wie lebenslange Renten, Einmalzahlungen zu Ruhestandsbeginn oder die Ausschüttung des angesparten Kapitals in mehreren Raten (44 Prozent). Auch die Chancen, die Betriebsrente schon vor dem 60. Lebensjahr abrufen zu können oder eine Hinterbliebenen- oder Invalidenleistung mitzuversichern, treffen auf große Zustimmung (41 bzw. 31 Prozent). „Angesichts der großen Verbreitung von flexiblen Arbeitszeitmodellen, flexibler Arbeitsplatzgestaltung usw. erstaunt es nicht, dass Mitarbeiter sich auch eine bAV wünschen, die sich flexibel an individuelle Anforderungen anpassen lässt“, kommentiert Jasper dieses Ergebnis. Jasper resümiert: „Für Unternehmen lassen sich aus den Ergebnissen dieser Studie drei wesentliche Erkenntnisse ableiten. Erstens: Damit ein Pensionsplan die Bedürfnisse der Mitarbeiter erfüllt, sollte er den Wunsch nach sicherheitsorientierten Elementen berücksichtigen sowie Wahloptionen anbieten und auch die Möglichkeit einer finanziellen Beteiligung der Arbeitnehmer einschließen. Zweitens: Kommunikations- und Informationsangebote sind für Pensionspläne unverzichtbar, denn Mitarbeiter können nur das wertschätzen, was sie kennen und verstehen. Drittens: Ein gut gestalteter und kommunizierter Pensionsplan wird von den Mitarbeitern mit Treue zum Arbeitgeber honoriert.“ Dr. Thomas Jasper thomas.jasper@ towerswatson.com Telefon: +49 611 794-230 bAV als Grund, im Unternehmen zu bleiben Die Studie belegt auch, dass die Frage, ob ein Unternehmen einen Pensionsplan anbietet, aus Mitarbeitersicht bei Auswahl eines Arbeitgebers eine wesentliche Rolle spielt. Für mehr als die Hälfte der Befragten ist dies ein wichtiger Entscheidungsfaktor. Darüber hinaus ist die bAV für viele Mitarbeiter ein Grund, ihrem Arbeitgeber treu zu bleiben. 46 Prozent der Mitarbeiter, die mit ihrem Pensionsplan zufrieden sind, stimmen dieser Aussage zu – jedoch nur zwölf Prozent der unzufriedenen Mitarbeiter. Benefits! 7 Im Fokus Matching – Belohnung für Eigenvorsorge Wertschätzung und Effizienz von Pensionsplänen steigern Leistet ein Mitarbeiter Eigenbeiträge in seine bAV, kann das Unternehmen einen (Zusatz-) Beitrag drauflegen. Dieses sog. „Matching“ hilft, die Finanzierung der bAV im Schulterschluss zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu tragen. Hierfür bestehen drei unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten. Ursprünglich vor allem im angelsächsischen Raum verbreitet, finden sich Matching-Komponenten nun immer häufiger auch in neu aufgelegten Pensionsplänen in Deutschland. Damit streben die Unternehmen an, •• die Vorsorgelasten zu verteilen •• Mitarbeiter zur Eigenvorsorge zu motivieren •• die für die bAV bereitgestellten Mittel zielgerichtet für interessierte Mitarbeiter zu allokieren •• die Wahrnehmung und Wertschätzung der bAV zu steigern •• die Vorsorgevolumina bei einem begrenzten unternehmensseitigen Dotierungsrahmen zu vergrößern Hierfür bestehen drei unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten, welche diese Zielsetzungen in unterschiedlichem Umfang abbilden. 1. Fester Zuschussbetrag Die einfachste Variante ist das „nominale“ Matching, bei dem das Unternehmen für jeden Beitrag des Mitarbeiters einen festgelegten Euro-Betrag zuschießt. Diese Variante lässt sich einfach kommunizieren und umsetzen. Allerdings werden aus Mitarbeitersicht geringere Eigenbeiträge in Relation stärker belohnt, so dass diese Form des Matchings nicht dazu führt, die Eigenvorsorge zu maximieren. Praxisbeispiel: Ein mittelständisches Unternehmen mit 2.000 Mitarbeitern führte erstmals einen neuen Pensionsplan ein. Demnach erhalten die Mitarbeiter bei einem Eigenbeitrag von mindestens 300 Euro p. a. einen Matchingbeitrag von 150 Euro p. a.. Ohne Eigenbeitrag wird kein arbeitgeberfinanzierter Beitrag gewährt. Mit diesem Modell wurden in wenigen Jahren bAV-Teilnahmequoten von 60 bis 70 Prozent erreicht. Allerdings wandeln zwei Drittel der teilnehmenden Mitarbeiter nur den Mindestbeitrag von 300 Euro p. a. um. 2. Je höher die Eigenvorsorge, desto größer die Belohnung Eine weitere Ausgestaltungmöglichkeit liegt in dem „prozentualen“ Matching. Hier beträgt der Matchingbeitrag einen bestimmten Prozentsatz des Eigenbeitrags des Mitarbeiters. Dabei werden häufig Minimal- und Maximalhöhen für die Eigenbeiträge und / oder Obergrenzen für die Matchingbeiträge definiert. Auch diese Variante ist relativ einfach umsetzbar und erklärbar: Je mehr sich der Mitarbeiter selbst für seine Altersvorsorge engagiert, desto größer ist die „Belohnung“ durch den Arbeitgeber. Die Motivation zur Eigenvorsorge wird dadurch gestärkt. Außerdem beschäftigen sich die Mitarbeiter mit derartigen Pensionsplänen häufiger und intensiver, da sie das Ergebnis (ihre künftige Betriebsrente) durch ihre Entscheidung stark beeinflussen können. Zudem wird der Fokus weg vom „Ob“ auf das „Wie“ gelenkt. Praxisbeispiel: Ein Mitarbeiter leistet pro Jahr Eigenbeiträge für seine bAV in Höhe von 400 Euro. Sein Arbeitgeber gewährt ihm im Gegenzug einen Matchingbeitrag in Höhe von 50 Prozent des Mitarbeiterbeitrags – also 200 Euro. Im Folgejahr stockt der Mitarbeiter seine Eigenbeiträge auf 800 Euro p. a. auf – dementsprechend steigt der Matchingbeitrag auf dann 300 Euro, da dies der Maximalbetrag ist, den der Arbeitgeber zuschießt. Derartige Modelle sind bei Mitarbeitern erfahrungsgemäß sehr beliebt. Andererseits wird in manchen Fällen argumentiert, dass sie Mitarbeiter mit niedrigen Einkommen benachteiligen und Mitarbeiter mit hohen Einkommen bevorzugen würden. Letztere könnten sich ohnehin eine Eigenvorsorge durch Entgeltumwandlung leichter leisten und würden nun auch am höchsten belohnt („Fehlallokation“ der Mittel). Daher werden solche Modelle in der Praxis häufig mit einem obligatorischen Arbeitgeberbeitrag kombiniert. 3. Stärkere Unterstützung niedriger Einkommensgruppen Eine weitere Gestaltungsvariante nimmt das Argument der „Fehlallokation“ auf und verknüpft nominales und prozentuales Matching zu einem sog. sozialen Matching. Im Ergebnis führen diese 8 towerswatson.de Modelle dazu, dass der Wirkungsgrad des Matchings bei niedrigeren Beiträgen höher ist, hohe Beiträge aber trotzdem von dem Matching profitieren. Solche Modelle folgen einer etwas komplizierteren Logik, finden aber ebenso breiten Anklang in den Belegschaften. Praxisbeispiel: Ein Unternehmen mit 9.000 Produktionsmitarbeitern in Deutschland wollte die bestehende Entgeltumwandlungsquote von rund fünf Prozent deutlich steigern. Die Entgeltumwandlung wurde über eine Direktversicherung durchgeführt. Zu dem Maßnahmenbündel gehörte neben einer Produktoptimierung und einem deutlichen Ausbau der Mitarbeiterkommunikation auch die Einführung eines sozialen Matchingsystems, welches niedrigen Beitragsstufen höhere Matchingprozentsätze zuteilte. Damit werden die – üblicherweise kleineren – Beiträge von Mitarbeitern mit niedrigerem Einkommen deutlich stärker belohnt. Darüber hinausgehende Beiträge (die i. d. R. von Mitarbeitern mit höheren Einkommen eingebracht werden) belohnt das Unternehmen zwar ebenfalls, jedoch weniger großzügig als in der ersten Beitragsstufe. Hierfür lag folgende Staffelung zugrunde: •• 1. Beitragsstufe: Eigenbeitrag bis 200 Euro – Matching zu 50 Prozent •• 2. Beitragsstufe: Eigenbeitrag oberhalb von 200, bis 500 Euro – Matching zu 40 Prozent •• 3. Beitragsstufe: Eigenbeitrag oberhalb von 500, bis 1000 Euro zu 16 Prozent •• Kein Matching für Beiträge oberhalb der dritten Beitragsstufe (maximales Matching somit in Höhe von 300 Euro möglich) Gesteigerte Wertschätzung Matchingmodelle bringen gegenüber einer bAV mit einheitlichen Arbeitgeberbeiträgen eine höhere Komplexität in Umsetzung und Kommunikation mit sich. Gleichzeitig können sie jedoch die personalpolitisch angestrebte Wirkung des Pensionsplans maßgeblich steigern. Mitarbeiter beschäftigen sich i. d. R. intensiver mit derartigen Plänen. Zudem allokiert das Unternehmen die für die bAV eingesetzten Mittel verstärkt bei denjenigen Mitarbeitern, die durch ihre Eigenvorsorge demonstrieren, dass sie großen Wert auf die bAV legen. Dies kommt der Wertschätzung des Pensionsplans durch die Mitarbeiter zugute. Dass Matchingmodelle eine eigene finanzielle Beteiligung der Mitarbeiter voraussetzen, schränkt die Wertschätzung dabei nicht ein – im Gegenteil. Mitarbeiter sind mit gemeinsam von Mitarbeiter und Arbeitgeber finanzierten bAV-Modellen fast genauso zufrieden wie Mitarbeiter, die über eine rein arbeitgeberfinanzierte bAV verfügen, wie die Studie „Altersversorgung aus Arbeitnehmerperspektive“ zeigt (siehe Beitrag „Betriebliche Altersversorgung: Was Mitarbeiter wollen“ auf S. 6). Fazit Gerade angesichts begrenzter Budgets können Matchingmodelle die bAV für die Mitarbeiter interessant machen und durch die Motivation zur Eigenvorsorge einen wichtigen Beitrag für einen abgesicherten Ruhestand leisten. Anne Becker anne.k.becker@ towerswatson.com Telefon: +49 69 1505-5210 Zwei Jahre später hatte sich die Teilnahmequote verdreifacht, und die durchschnittlichen Eigenbeiträge waren deutlich gestiegen. Benefits! 9 Im Fokus Opting out – Entscheidungsträgheit kompensieren Förderung der Eigenvorsorge durch Entgeltumwandlung Obwohl die Altersvorsorge durch Entgeltumwandlung viele Vorteile für Mitarbeiter und Unternehmen hat, bleiben die Beteiligungsquoten oft hinter den Erwartungen zurück. Durch Opting out, einem Ansatz, bei dem Mitarbeiter automatisch an der Entgeltumwandlung teilnehmen, sofern sie nicht aktiv widersprechen, lässt sich dies verbessern. Sowohl für Mitarbeiter als auch für Unternehmen ist es sinnvoll, wenn möglichst weite Teile der Belegschaft durch Entgeltumwandlung ihre künftige Altersversorgung deutlich ausbauen. Mitarbeiter sollten aufgrund der Absenkung des Rentenniveaus in der gesetzlichen Rentenversicherung eine eigene zusätzliche Versorgung aufbauen. Hierbei erweist sich die betriebliche Altersversorgung (bAV) gegenüber der privaten Vorsorge i. d. R. als effizienter und kostengünstiger. Der Gesetzgeber fördert sie durch die Möglichkeit, Entgelt steuer- und beitragsfrei umzuwandeln (ggf. in den Grenzen von § 3 Nr. 63 EStG). Unternehmen werden Konzepte benötigen, um auf die Verlängerung der Lebensarbeitszeit und den demografischen Wandel zu reagieren. Unabhängig davon, welche konkreten Lösungen (Teilrentenoptionen, Frühverrentung usw.) sie anstreben, ist ein „Versorgungstopf“ hilfreich, der je nach individueller Situation eingesetzt werden kann. Vor diesem Hintergrund fördern viele Unternehmen die Entgeltumwandlung schon heute finanziell (insbesondere durch Matchingbeiträge, siehe auch Beitrag „Matching – Belohnung für Eigenvorsorge“ auf S. 8) oder zumindest durch Aufklärung und aktive Kommunikation der vorhandenen Versorgungsmöglichkeiten. Der Anteil der Unternehmen, die Entgeltumwandlung lediglich als lästige Pflicht begreifen, sinkt. Scheu vor Auseinandersetzung mit komplexen Fragen Dennoch beteiligt sich häufig deutlich weniger als die Hälfte der Belegschaft am Ausbau ihrer Altersversorgung – auch dann, wenn das Unternehmen die Teilnahme an einem Entgeltumwandlungsmodell aktiv fördert. Dem liegt jedoch nicht unbedingt eine bewusste Entscheidung nach Abwägen der Vor- und Nachteile zugrunde. Vielmehr spielt hier die verhaltenspsychologisch gut belegbare Scheu des Menschen, sich mit komplexen Fragestellungen auseinanderzusetzen, eine wesentliche Rolle. Optionen, die aktives Handeln voraussetzen, werden deutlich seltener gewählt. Hier setzt Opting out an. Klassische Umwandlungsmodelle setzen voraus, dass sich die Mitarbeiter aktiv für eine Teilnahme 10 towerswatson.de entscheiden, also z. B. eine Umwandlungserklärung unterschreiben. Hingegen nehmen beim Opting out alle Mitarbeiter automatisch an der Entgeltumwandlung teil, sofern sie diese Option nicht aktiv abwählen (wörtlich übersetzt: „herausoptieren“). Die freie Willensentscheidung des Mitarbeiters ist in beiden Modellen gewahrt. Beim Opting out führt die „Entscheidungsträgheit“ aber erfahrungsgemäß dazu, dass sich nur verhältnismäßig wenige Mitarbeiter gegen ein (attraktives) Versorgungsmodell entscheiden. Die Beteiligungsquoten liegen also allein aus diesem Effekt heraus – bei einem ansonsten gleichwertigem Angebot – deutlich höher. Umsetzung: Insbesondere durch Tarifvertrag Wie kann Opting out in einem Unternehmen eingeführt werden? Hier sind die spezifischen Gegebenheiten sorgfältig zu berücksichtigen. Generell lässt sich aber Folgendes sagen: Die Einführung für neueintretende Mitarbeiter wirft i. d. R. kaum Schwierigkeiten auf. Hier kann bereits im Arbeitsvertrag verankert werden, dass der Mitarbeiter – beispielsweise ab Ende der Probezeit – an der Entgeltumwandlung teilnimmt, sofern er nicht widerspricht. Selbstverständlich ist darauf zu achten, dass etwaige tarifvertragliche Vorgaben zur Entgeltumwandlung eingehalten werden. Die entsprechenden Verträge sollten sorgfältig formuliert werden, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Auch die Beteiligung des Betriebsrats ist i. d. R. sinnvoll. Für die vorhandene Belegschaft kommt insbesondere eine Einführung durch Tarifvertrag in Frage. Solange die Tarifvertragsparteien Opting-outModelle nicht in Flächentarifverträgen verankern, setzt dies einen Haustarifvertrag voraus. Dies erscheint zwar aufwändig, dennoch sollte die Möglichkeit nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Insbesondere, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam die Einführung eines Opting-out-Modells anstreben, lohnt sich häufig das Gespräch mit der zuständigen Gewerkschaft. Auch die Gewerkschaften sehen es als ihre Aufgabe an, die weitere Verbreitung der bAV zu fördern. Die Einführung eines Opting-out-Modells durch Tarifvertrag gibt zudem Raum für neue Ansätze. So kann ein Teil künftiger Tariferhöhungen für Entgeltumwandlung mit Opting out verwenden werden. Anstelle einer Tariferhöhung von insgesamt drei Prozent könnten dann beispielsweise zwei Prozent bar ausgezahlt und ein Prozent für Entgeltumwandlung genutzt werden. Im Rahmen des Opting out bliebe den Mitarbeitern die Möglichkeit, der Entgeltumwandlung aktiv zu widersprechen, wenn sie die Erhöhung der Barvergütung um drei Prozent bevorzugen. Wird den Mitarbeitern der Sinn der und der Bedarf für eine solche ergänzende Altersversorgung gut kommuniziert, sprechen sich erfahrungsgemäß nur wenige für das Opting out aus. Ob ein Opting-out-Modell auch durch Betriebsvereinbarung, also ohne Beteiligung der Tarifvertragsparteien eingeführt werden kann, wird kontrovers diskutiert. Aus rechtlicher Sicht bestehen gute Argumente gegen eine entsprechende Kompetenz des Betriebsrats, so dass rechtliche Unsicherheiten verbleiben. Auch der PSV-Schutz von Opting-out-Plänen kann dann in Frage gestellt werden, so dass sich zumindest flankierend eine vertragliche Insolvenzsicherung empfiehlt. Aus wirtschaftlicher Sicht kann es aber durchaus sein, dass das gewünschte Ziel, nämlich eine stärkere Verbreitung der bAV durch kollektive Gestaltungsansätze, dennoch erreicht wird. Hinweis für die Praxis Durch die Einführung eines Opting-outModells kompensiert der Arbeitgeber die „Entscheidungsträgheit“ der Mitarbeiter bei komplexen Fragestellungen wie beispielsweise der bAV. Die Beteiligungsquoten an der Entgeltumwandlung können so deutlich gesteigert werden, zum Vorteil der Mitarbeiter und des Unternehmens. Jedoch sind die rechtlichen Rahmenbedingungen sorgfältig zu beachten, um – z. B. für den Insolvenzschutz dieser Modelle – unliebsame „Überraschungen“ zu vermeiden. Dr. Michael Karst michael.karst@ towerswatson.com Telefon: +49 7121 3122-261 Dr. Dirk Kruip [email protected] Telefon: +49 611 794-4403 Benefits! 11 Praxis bAV „Nicht „ nur den Vertretern der deutschen bAV stehen weitere intensive Debatten bevor, um die von der EU-Kommission angestrebten Neuerungen auch für die hiesige Versorgungslandschaft passend zu gestalten und damit die gewünschte weitere Verbreitung der bAV zu fördern.“ Weißbuch der EU-Kommission Angemessene, sichere und nachhaltige Pensionen und Renten Bereits mit dem 2010 veröffentlichten Grünbuch hatte die Europäische Kommission eine Diskussion zur Sicherung der Renten- und Pensionssysteme angestoßen. Nun leitet das Weißbuch diese vielfältigen Fragestellungen in einen Agendavorschlag der Kommission über. Das „Weißbuch zu angemessenen, sicheren und nachhaltigen Pensionen und Renten“ beschäftigt sich sowohl mit den staatlichen Rentenversicherungssystemen als auch den betrieblichen und privaten Zusatzvorsorgesystemen. EU-Kommission sieht Handlungsbedarf Aufgrund der großen Bedeutung der Altersversorgung sieht die EU-Kommission Handlungsbedarf: Für rund ein Viertel der EU-Bevölkerung (120 Millionen Menschen) sind Pensionen und Renten derzeit die wichtigste Einkommensquelle. Der finanzielle Druck von Pensionen und Renten auf die nationalen Budgets wächst, nicht zuletzt aufgrund der zusätzlichen Belastung durch die Wirtschaftsund Finanzkrise. Personen im Ruhestand bilden einen großen und rasch wachsenden Anteil der EU-Bevölkerung. Noch 2008 standen jedem EUBürger im Alter von 65 oder mehr Jahren vier Personen im Erwerbsalter (15 bis 64 Jahre) gegenüber. Bis 2060 wird dieses Verhältnis nur mehr eins zu zwei betragen. In einzelnen Mitgliedstaaten sind die zu erwartenden Relationen noch wesentlich geringer und damit der Handlungsdruck größer. Renten und Pensionen machen bereits jetzt einen sehr großen Teil der öffentlichen Ausgaben aus. Derzeit sind es durchschnittlich zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Bis 2060 könnte der Anteil auf 12,5 Prozent steigen. Gegenwärtig liegen die Ausgaben für gesetzliche Pensionen und Renten zwischen sechs Prozent des BIP in Irland und 15 Prozent in Italien. Während umlagefinanzierte Systeme in wirtschaftlichen Krisen wegen sinkender Beschäftigungszahlen durch geringere Renten- und Pensionsbeiträge beeinträchtigt werden können, sehen sich kapitalgedeckte Systeme Risiken aus Inflationstendenzen und geringeren Kapitalerträgen gegenüber. Regelung von Pensionsfragen: Mitgliedstaaten zuständig Die gesetzliche Zuständigkeit für die Ruhestandssysteme liegt im Wesentlichen bei den Mitgliedstaaten. Die EU hat allerdings die Möglichkeit, unterstützende Maßnahmen zu ergreifen, und zwar mit Rechtsvorschriften zu Fragen des Binnenmarkts, mit finanziellen Mitteln zur Unterstützung älterer Arbeitskräfte, damit diese länger am Erwerbsleben teilnehmen können, sowie für die Koordinierung der Politik der Mitgliedstaaten. Die Pensions- und Rentenreformen werden von der EU im Rahmen der Strategie Europa 2020 weiterhin laufend evaluiert. 2011 haben daher 16 Mitgliedstaaten länderspezifische Empfehlungen zu Renten und Pensionen erhalten; fünf weitere haben sich im Rahmen ihrer „Memoranda of Understanding“ zu Renten- und Pensionsreformen verpflichtet. Die EU nimmt also Einfluss. Vorschläge im Überblick Das Weißbuch fällt in das „Europäische Jahr des aktiven Alterns und der Solidarität zwischen den Generationen 2012“ und baut auf den Ergebnissen einer breit angelegten Konsultation auf, die im Anschluss an die Veröffentlichung des Grünbuchs im Juli 2010 gestartet wurde. Die Maßnahmen auf europäischer Ebene sollen die nationalen Renten- und Pensionsreformen unterstützen und ergänzen. Das Weißbuch umfasst u. a. folgende Vorschläge: •• Die Sozialpartner werden aufgefordert, die Arbeitsplatz- und Arbeitsmarktpraxis anzupassen, um bessere Chancen für ältere Arbeitskräfte zu schaffen. Der Europäische Sozialfonds soll genutzt werden, um älteren Arbeitskräften einen Arbeitsplatz zu bieten und damit Menschen in die Lage zu versetzen, länger erwerbstätig zu bleiben. •• Die Sozialpartner sollen ermutigt werden, private Zusatzvorsorgesysteme zu entwickeln. Die Mitgliedstaaten sollen ihre steuerlichen und anderen Anreize optimieren, um so das Angebot derartiger Systeme auszubauen. •• Die Richtlinie zu Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (institutions for occupational retirement provision, kurz: IORP) soll überarbeitet werden. Konsumenten sollen besser informiert werden, um die Sicherheit von Zusatzvorsorgesystemen weiter auszubauen. •• Die Zusatz-Altersvorsorge muss mit den Anforderungen der europäischen Mobilität im Binnenmarkt vereinbar gemacht werden, und zwar durch Rechtsvorschriften, welche die Ruhestandsansprüche mobiler Arbeitskräfte schützen, und durch die Förderung der EU-weiten Einrichtung von Pensionsund Rentenaufzeichnungsdiensten. Benefits! 13 Praxis bAV •• Die Mitgliedstaaten sollen ermutigt werden, eine längere Lebensarbeitszeit zu fördern, indem sie das Ruhestandsalter quasi automatisch an die jeweilige Lebenserwartung koppeln, den Zugang zum vorzeitigen Ruhestand einschränken und die Renten- bzw. Pensionsschere zwischen Frauen und Männern schließen. •• Durch ein Monitoring sollen Angemessenheit, langfristige Finanzierbarkeit und Sicherheit der Renten und Pensionen gewährleistet und die Renten- und Pensionsreformen in den Mitgliedstaaten unterstützt werden. bAV: Mobilität, Insolvenzsicherung, Information im Fokus Erfreulich für die betriebliche Altersversorgung (bAV) ist, dass die EU-Kommission den weiteren Ausbau ergänzender Zusatz-Altersvorsorgesysteme vorschlägt und nicht den Ausbau gesetzlicher Rentensysteme bevorzugt. Insofern setzt die EU-Kommission auch auf den Ausbau der bAV. Dabei räumt sie allerdings der Vereinbarkeit von Zusatzvorsorgesystemen mit der Mobilität von Arbeitskräften im Binnenmarkt (angesichts der demografischen Herausforderungen) eine hohe Priorität ein. Dies bedeutet für die bAV in mehr facher Hinsicht ggf. Anpassungsdruck: •• Die bisherigen gesetzlichen deutschen Unverfallbarkeitsfristen könnten kritisch als Mobilitätshindernis betrachtet und in der Folge weiter verkürzt werden. 14 towerswatson.de •• Die EU-Kommission will insbesondere steuerliche Mobilitätshindernisse im Bereich der Zusatzvorsorge überprüfen und dagegen ggf. mit Vertragsverletzungsverfahren gegen die Mitgliedstaaten vorgehen. •• Im Zusammenhang mit der europäischen Mobilität von Arbeitnehmern will die EU-Kommission auch die Insolvenzsicherung betrieblicher Zusatzversorgungen genauer betrachten. Zwar ist die bAV in Deutschland durch den Pensions-SicherungsVerein (PSVaG) bzw. den Sicherungsfonds umfassend geschützt. Wenn jedoch künftig auch die betrieblichen Versorgungsanwartschaften jeweils mit dem Arbeitnehmer in seinen Tätigkeitsstaat unter Enthaftung des bisherigen Arbeitgebers „wandern“ sollen, dann könnte sich bezüglich der Übertragung von Anwartschaften Handlungsbedarf ergeben. Die IORP-Richtlinie soll vor dem Hintergrund von Solvency II überarbeitet werden. Zu diesen Fragen hat Towers Watson der EU-Kommission einen eigenen Vorschlag übermittelt, wie eine sachgerechte Reform der IORP-Richtlinie aussehen könnte. Information und Aufklärung der Verbraucher ist ein weiteres Petitum der EU-Kommission. Dies scheint auf die private Vorsorge gerichtet zu sein, kann aber bei „großzügiger Umsetzung“ auch zu weiteren Anforderungen für die bAV und damit zu Belastungen für Arbeitgeber führen. Schließlich will die EU-Kommission die Information der Arbeitnehmer durch sog. Aufzeichnungsdienste fördern, um den Arbeitnehmern die Planung für den Ruhestand zu erleichtern. Hier sollte – wie es auch die Konsultationen im Anschluss an das Grünbuch der EU-Kommission ergeben haben – auf den Grundsatz der Subsi- diarität gesetzt werden. Für die deutsche bAV erscheint hier im Hinblick auf vielfach vorhandene Informationsangebote der Arbeitgeber sowie den Auskunftsanspruch (§ 4a BetrAVG) kein zusätzlicher europäischer bzw. nationaler gesetzlicher Handlungsbedarf gegeben. Ausblick Diese Vorschläge sollen in den nächsten beiden Jahren zunächst weiter diskutiert und anschließend gesetzgeberisch umgesetzt werden. Die EU-Kommission betont, dass sie die diskutierten Fragen aus europäischer Sicht insgesamt zielführend beeinflussen möchte. Nicht nur den Vertretern der deutschen bAV stehen weitere intensive Debatten bevor, um die angestrebten Neuerungen auch für die hiesige Versorgungslandschaft passend zu gestalten und damit die gewünschte weitere Verbreitung der bAV zu fördern. Dr. Michael Karst Weitere Informationen Zum Grünbuch hatte Benefits! im Dezember 2011 bereits berichtet. Der Beitrag ist nachzulesen im Online-Archiv unter www.towerswatson.de/newsletters/ benefits-fachmagazin. michael.karst@ towerswatson.com Telefon: +49 7121 3122-261 Die Vorschläge von Towers Watson zu einer sachgerechten Reform der IORP-Richtlinie sind nachzulesen unter www.towerswatson.de/press/7337. Benefits! 15 Muster-Rubrik Praxis bAV Flexi-II-Gesetz: Ziele noch nicht ganz erreicht Bundesregierung legt Evaluierung vor Zeitwertkonten kommt bei der Bewältigung des demografischen Wandels eine entscheidende Bedeutung zu. Bislang führen jedoch nur sehr wenige Unternehmen Langzeitkonten bzw. Wertguthaben im Sinne des Flexi-II-Gesetzes. Zudem ist das Gesetz bei Personalverantwortlichen derzeit nur unzureichend bekannt. Die Bundesregierung hat entsprechend ihrer gesetzlichen Verpflichtung einen Bericht über die Auswirkungen des Flexi-II-Gesetzes vorgelegt. Hierfür war 2010 eine empirische Untersuchung der Inanspruchnahme und Nutzung von Wertkonten durch TNS Infratest Sozialforschung und das Institut Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen durchgeführt worden. Zudem hatten Bundesländer und Verbände (z. B. Arbeitgeberverbände) Stellungnahmen eingereicht. Schließlich enthält der Bericht die Einschätzung der Bundesregierung sowie Ansatzpunkte für weitere Überprüfungen der gesetzlichen Grundlagen und Verbesserungen in der betrieblichen Praxis. Nach dem Ergebnis der empirischen Untersuchung existieren in rund 40.000 insbesondere größeren Unternehmen Wertkonten im Sinne des Flexi-IIGesetzes. So bestehen in 13 Prozent der Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern Wertkonten. Dem Bericht nach ist eine stärkere Verbreitung von Wertkonten sowohl aus Unternehmens- als auch aus Arbeitnehmersicht wünschenswert. Hierfür müsste jedoch insbesondere die Kenntnis der gesetzlichen Rahmenbedingungen in den Unternehmen verbessert werden. In den Stellungnahmen von Bundesländern und Verbänden zum Flexi-II-Gesetz wird beispielsweise die klarere Abgrenzung der Zeitwertkonten von sonstigen flexiblen Arbeitszeitregelungen oder die Wirkung der neugestalteten Insolvenzschutzverpflichtung positiv beurteilt. Kritisiert wird hingegen insbesondere, dass nach Auffassung der Sozialversicherungsträger auch für Entgeltbestandteile oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung in das Wertkonto eingestellt werden müssen. Die Regelung, dass bei einem Wechsel der Insolvenzschutzvorkehrungen die Zustimmung jedes Beschäftigten eingeholt werden muss (§ 7e Abs. 8 SGB IV), wird als praxisfern bemängelt. Kritik wird auch an der Werterhaltungsgarantie (u. a. im Zusammenhang mit der Portabilität) sowie den Anlagevorschriften geübt. Leistungsfähigkeit für ein längeres Erwerbsleben erhalten Die Bundesregierung sieht in ihrer Einschätzung der Situation derzeit zwar keinen akuten Handlungsbedarf für gesetzliche Anpassungen. Sie hat jedoch festgestellt, dass die Praxis beobachtet und einzelne Vorschläge weiter geprüft werden sollen. 16 towerswatson.de Auch ihrer Meinung nach können Wertguthaben wesentlich dazu beitragen, die gesellschaftlichen Veränderungen und die bevorstehenden demografischen Herausforderungen zu bewältigen. Wertkonten dienen nicht nur dazu, die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten über ein längeres Erwerbsleben zu erhalten. Vielmehr werden Unternehmen das Angebot von Wertkonten künftig stärker nutzen, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Daher plant die Bundesregierung, künftig verstärkt über die Bedeutung und den Nutzen von Wertkonten zu informieren. Hinweise für die Praxis Bei der Einführung oder Anpassung von Wertkontenmodellen sind insbesondere folgende Anforderungen zu erfüllen: •• Sachgerechte Ausgestaltung der Wertguthabenvereinbarung (z. B. Betriebsvereinbarung) •• Umsetzung eines geeigneten Insolvenzsicherungsmodells, ggf. mit entsprechender Kapitalanlage •• Laufende Administration der Wertkonten •• Kommunikation des Modells gegenüber den Mitarbeitern Weitere Informationen Der Bericht der Bundesregierung ist im Internet abrufbar unter www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/Forschungsberichte/fb418-flexi-II.html Henning Rihn [email protected] Telefon: +49 89 51657-4650 Dr. Tina Mattl [email protected] Telefon: +49 7121 3122-203 Unisex-Tarife in der bAV Auswirkungen auf versicherungsförmige bzw. rückdeckungsakzessorische Pensionspläne Prämien und Leistungen im Versicherungswesen müssen geschlechtsneutral ausgestaltet sein, urteilte der EuGH Anfang 2011. Das sorgt nicht nur in der privaten Versicherungswirtschaft, sondern auch im Bereich der bAV für Unruhe. Dieser Beitrag zeigt, was Unternehmen hierzu wissen sollten. Ausgangspunkt: Zwei unterschiedliche Richtlinien Bislang keine verbindliche Klarstellung durch EU-Kommission und Bundesregierung Das Urteil1 des europäischen Gerichtshofs (EuGH) erging zur Richtlinie (RL) 2004 /113 /EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. Die Richtlinie erfasst ausschließlich private Versicherungsverträge, da sie ausdrücklich nicht für den Bereich Beschäftigung und Beruf gilt. Die von der Europäischen Kommission am 13.1.2012 veröffentlichten Leitlinien haben insoweit ebenfalls keine endgültige Klarheit geschaffen. Zwar vertritt die Kommission in diesen Leitlinien ausdrücklich die Auffassung, dass das Test-Achats-Urteil keine Auswirkungen auf die RL 2006 / 54 / EG und damit auf die bAV hat. Allerdings entfalten Leitlinien der Europäischen Kommission keine unmittelbare Rechtswirkung; Gerichte sind nicht daran gebunden. Für den Bereich Beschäftigung und Beruf und damit auch für die betriebliche Altersversorgung (bAV) gelten dagegen andere Richtlinien, u. a. die RL 2006 / 54 / EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen. Auch wenn der EuGH in seinem Urteil verdeutlicht, dass er die Berücksichtigung des Geschlechts von Versicherten als Risikofaktor für geschlechtsdiskriminierend hält, ist bislang ungeklärt, ob diese Wertung auch auf die RL 2006 / 54 / EG zu übertragen ist. In der Rechtsliteratur wird zwar überwiegend die Auffassung vertreten, dass dies der Fall ist, allerdings gibt es hierzu auch gewichtige Gegenmeinungen. Klarheit über die Auswirkungen des EuGH-Urteils auf die bAV kann daher letztlich nur eine entsprechende Entscheidung des EuGH bringen. Auch der deutsche Gesetzgeber hat bislang keine gesetzliche Klarstellung zu den Auswirkungen des EuGH-Urteils auf die bAV vorgenommen. Zwar soll das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in § 20 Abs. 2 („zulässige unterschiedliche Behandlung“) angepasst werden (Regierungsentwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes, Drs. 17/ 9342). Allerdings wird hier ausschließlich für private Versicherungsverträge klargestellt, dass Unisex-Tarife nur bei ab 21.12.2012 begründeten Versicherungsverhältnissen verwendet werden müssen. Zur bAV enthält der Entwurf keine Regelung. Es wurde jedoch aus Fachkreisen bereits die Forderung nach Aufnahme einer entsprechenden Regelung in das AGG für die bAV erhoben, um Rechtsunsicherheiten für die bAV auszuräumen bzw. zu begrenzen. 1 EuGH vom 1.3.2011 – C-236 / 09 (Test-Achats), siehe dazu auch Benefits! April 2011 Benefits! 17 Praxis bAV Eng begrenzter Auswirkungsbereich in der bAV Bei reinen Leistungszusagen war aufgrund des Lohngleichheitsgebots auch bislang schon keine unterschiedliche Leistung für Männer und Frauen möglich. Bei beitragsorientierten Leistungszusagen, die Transformationstabellen zur Umrechnung des Versorgungsbeitrags in eine Leistung enthalten, können geschlechtsspezifische Risikofaktoren dagegen schon eine Rolle spielen. Allerdings sind solche Transformationstabellen erfahrungsgemäß auch derzeit überwiegend so ausgestaltet, dass Frauen und Männer für den gleichen Beitrag eine identische Leistung erhalten. Geschlechtsspezifische Risikofaktoren dürften in der bAV daher vor allem in folgenden Fällen relevant sein: •• bei versicherungsförmigen bzw. rückdeckungsakzessorischen Versorgungsgestaltungen •• bei der Umrechnung einer Kapitalleistung in eine Rente und umgekehrt •• bei der Ermittlung von Abfindungs- und Übertragungswerten •• bei der Berechnung von Ausgleichswerten im Versorgungsausgleich, sofern eine Barwertteilung vorgesehen ist Damit kann sich das Unisex-Urteil in der bAV nur auf einen eng abgrenzbaren Bereich auswirken. Zeitpunkt für zwingende Anwendung unklar Will man durch Anwendung von Unisex-Faktoren in der bAV Risiken verringern, stellt sich allerdings eine der schwierigsten Fragen: Ab welchem Zeitpunkt sollte man dies tun? Die RL 2006 /54 /EG enthält im Gegensatz zu der dem EuGH-Urteil zugrunde liegenden RL 2004 / 113 / EG keinerlei Frist, an die angeknüpft werden könnte. Daher wird zum Teil sogar ein weitestgehend unbegrenztes Recht zur rückwirkenden Geltendmachung höherer Betriebsrenten durch das benachteiligte Geschlecht vertreten (z. B. gestützt auf das bereits seit 21.8.1980 in § 612 Abs. 3 S. 1 BGB a. F. enthaltene Lohngleichheitsgebot). Von anderer Seite beruft man sich dagegen auf Vertrauensschutzgesichtspunkte, u. a. gestützt auf die bisherige EuGH-Rechtsprechung, und kommt zu dem Ergebnis, dass dieses Vertrauen aufgrund des EuGH-Urteils in Sachen Test-Achats erst ab dem 21.12.2012 nicht mehr geschützt ist. Nach dieser Auffassung sind bei ab dem 21.12.2012 erteilten Zusagen Unisex-Faktoren zu verwenden. Bestehende Zusagen, die unverändert fortgeführt werden, seien dagegen nicht betroffen und müssten nicht umgestellt werden. Als maßgeblicher Zeitpunkt für die zwingende Anwendung von Unisex-Faktoren in der bAV kommen aber durchaus auch noch weitere Zeitpunkte in Betracht. So waren z. B. nach der RL 2004 /113 / EG im Privatversicherungsbereich frühestens für Neuverträge ab 18 towerswatson.de dem 21.12.2007 Unisex-Tarife gefordert. Man kann sich daher die Frage stellen, ob dies nicht auch für den Bereich der bAV einen europarechtlichen Vertrauensschutz bis zu diesem Stichtag begründet hat. Wie in anderen Fällen bereits geschehen (u. a. in der Rechtssache „Barber“) könnte der EuGH Vertrauensschutz aber z. B. auch bis zur Verkündung des die Rechtslage klarstellenden Urteils gewähren. Klarheit hierzu kann ebenfalls nur ein Urteil des EuGH selbst bringen. Will man bis dahin Risiken verringern, kann es eine Handlungsalternative sein, zumindest bei ab dem 21.12.2012 erteilten Neuzusagen UnisexFaktoren für die Ermittlung der Versorgungsleistungen zu verwenden. Versicherer: Umstellung auf Unisex-Tarife unkompliziert möglich Unisex-Tarife in der bAV sind – zumindest soweit es sich um versicherungsförmige bzw. rückdeckungsakzessorische Pensionspläne handelt – nichts grundlegend Neues. Bis etwa Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre boten zumindest die in der bAV führenden Lebensversicherer ausschließlich UnisexTarife an. Danach wurden geschlechtsspezifische Tarife eingeführt. Die materiellen Unterschiede bei den Versicherungswerten zwischen „Frauen- und Männertarifen“ waren dennoch häufig nur marginal. Aufgrund der jeweils unterschiedlichen geschlechtsspezifischen Risikosituation für die verschiedenen Leistungsarten bestehen für die „klassische Ausprägung“ einer arbeitgeberfinanzierten (Grund-)Versorgung – Altersrente; (nahezu) gleichhohe Invalidenrente; 60 Prozent Hinterbliebenenrente – kaum Unterschiede bei der Höhe der versicherten Leistungen bzw. der Beitragshöhe. Ähnliches gilt auch für betriebliche Direktzusagen, bei denen Barwerte bzw. Leistungen für solche Tarife ermittelt werden. Für Riester-Verträge wurden aufgrund der gesetzlichen Vorgaben von Anfang an ausschließlich Unisex-Tarife angeboten (wenn auch nicht zwingend bei Durchführung im Rahmen der bAV). Zu deutlichen Unterschieden führen Unisex-Tarife hingegen bei versicherungsförmigen Pensionsplänen, die durch Entgeltumwandlung (ggf. mit Matching durch den Arbeitgeber) finanziert werden. Da hier traditionell eher der Steuerspar- und Anspargedanke dominiert, werden überwiegend erlebensfallbetonte Tarife umgesetzt, so dass sich das biometrische Langlebigkeitsrisiko sichtlich auf die Leistung auswirkt. Weil Frauen nach den aktuellen Statistiken länger leben als Männer, ist die aus demselben Beitrag erzielbare Altersrente für sie niedriger. Anders sieht es aus, wenn eine Kapitalzahlung anstelle der Altersrente gewählt wird, da der Barwert der Frauenrente annähernd so hoch ist wie der Barwert der Rente des Mannes. In der Praxis werden Kapitalzahlungen (zumindest derzeit noch) insbesondere aus entgeltumwandlungsfinanzierten Versorgungen durchaus häufig in Anspruch genommen. Daher überrascht es nicht, dass die Lebensversicherer dieses Thema nicht offensiv kommunizieren. Kaum ein seriöser bAV-Versicherer löst werbewirksam eine „Schlussverkaufswelle“ aus. Alle betonen aber, dass sie rechtzeitig – spätestens für den Versicherungsbeginn 1.1.2013 – entsprechende Tarife auch im Rahmen der bAV anbieten werden und dass es keine besonderen Umstellungsprobleme geben werde. Einzelne Versicherer bieten zwar schon jetzt (flächendeckend oder auch nur in Teilbereichen) Unisex-Tarife an; dies scheint jedoch kein Wettbewerbsvorteil für sie zu sein. weise gelten nach den vereinbarten (kollektiv-)versicherungsvertraglichen Grundlagen für Neuaufnahmen ohnehin die zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Tarife und Bedingungen des Versicherers – und das sind ab 2013 Unisex-Tarife. Allenfalls kann es erforderlich sein, Versorgungsbestimmungen oder Informationsmedien zum bestehenden versicherungsbasierten Versorgungsmodell auf die neuen Versicherungswerte des Unisex-Tarifs zu aktualisieren. Dies war beispielsweise auch zum 1.1.2012 nach der Absenkung des garantierten Höchstrechnungszinses der Fall. Darüber hinaus sind Informationsunterlagen generell jährlich zu aktualisieren, wenn sie Angaben zur jeweils prognostizierten Überschussbeteiligung, die jährlich neu von den Anbietern deklariert wird, enthalten. Auch für Arbeitgeber wird eine Umstellung wohl keinen besonderen Zusatzaufwand auslösen, soweit es sich um versicherungsförmige oder rückdeckungsakzessorische Pensionspläne handelt. Klassischer- Fazit Zu Unisex-Tarifen in der bAV bestehen weiterhin rechtliche Unklarheiten. Jedoch beschränken sich die möglichen Auswirkungen der Unisex-Debatte auf einen eng abgegrenzten Anwendungsbereich in der bAV. Eine Umstellung auf Unisex-Tarife in der versicherungsbasierten bAV sollte für betroffene Arbeitgeber ohne größeren Zusatzaufwand möglich sein. Uwe Kettler [email protected] Telefon: +49 611 794-257 Sebastian Löschhorn, LL.M. [email protected] Telefon: +49 611 794-4414 Benefits! 19 Praxis bAV Invalide werden immer nur die anderen Erwerbsminderung – das unterschätzte Risiko / Steigender Absicherungsbedarf Eine private Absicherung für den Invaliditätsfall ist häufig mit Hürden verbunden und relativ teuer. Arbeitgeber können ihren Mitarbeitern jedoch die Vorteile einer kollektiven Absicherung bieten und damit wesentlich zur Absicherung eines häufig unterschätzten Risikos beitragen. Dies kann auch in punkto Mitarbeiterbindung interessant sein. Hoher Absicherungsbedarf Die allgemeine Arbeitsbelastung steigt; gleichzeitig wird das Renteneintrittsalter für die gesetzliche Rente stufenweise erhöht. Beide Faktoren sind immer öfter als Ursache für die Frühverrentung auf Grund von Invalidität erkennbar. Angeführt wird die Statistik der Invaliditätsverursacher mittlerweile von psychischen Erkrankungen, wie dem Burn-outSyndrom. Von 2004 bis 2010 ist die Anzahl der hierdurch verursachten Invaliditätsfälle um mehr als das Dreizehnfache angestiegen. Erst danach folgen die „klassischen“ Ursachen der Invalidität, wie z. B. Erkrankungen von Skelett, Muskeln oder Bindegewebe und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Mehr als 180.000 Menschen mussten 2010 Erwerbsminderungsrenten aus der gesetzlichen Sozialversicherung in Anspruch nehmen. Die durchschnittliche Rente für einen Mann betrug bei Rentenbeginn rund 639 Euro monatlich. Der Vorsorgebedarf ist also groß – das Risiko hingegen wird häufig unterschätzt! Private Vorsorge häufig teuer Mit der Gesundheitsreform 2001 wurde die Berufsunfähigkeitsleistung im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung für die Jahrgänge ab 1961 gestrichen und ersetzt durch die Leistung bei Erwerbsminderung; die letztlich schlechter 20 towerswatson.de ist. Kann zwar der erlernte Beruf nicht mehr für zumindest drei bis unter sechs Stunden ausgeübt werden, stattdessen aber eine andere Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (abstrakte Verweisung) ausgeübt werden, gibt es für diese Personengruppe keine Rente vom Staat. Für eine umfassendere Invaliditätsversorgung ist der Einzelne gefordert, sich selbst abzusichern. Versicherer halten dafür eine breite Angebotspalette bereit. Allerdings ist entsprechender Versicherungsschutz oft recht teuer, da die Tarife entsprechend der persönlichen – teils auch subjektiven – Risikosituation kalkuliert werden müssen. So zahlt z. B. ein 40-jähriger Industriekaufmann für die Absicherung von 1.000 Euro monatlicher Berufsunfähigkeitsrente rund 70 Euro monatlich, ein Maurer hingegen rund 230 Euro – beides aber nur dann, wenn der Antrag auch ohne Einschränkungen vom Versicherer angenommen wird. 25 Prozent aller Anträge auf Berufsunfähigkeitsabsicherung werden allerdings nur mit Beitragszuschlägen oder Leistungsausschlüssen angenommen. Eine substanzielle private Zusatzabsicherung ist letztlich nur von ausgewählten Berufsgruppen wirklich finanzierbar. Zudem wird das Invaliditätsrisiko häufig unterschätzt oder ignoriert. Kollektive Absicherung vorteilhaft Für größere Mitarbeitergruppen können Arbeitgeber unter den Aspekten geringeres subjektives Risiko und Ausgleich im Kollektiv i. d. R. einen kostengünstigeren Versicherungsschutz anbieten. Versichert der Arbeitgeber obligatorisch alle Mitarbeiter oder bestimmte Mitarbeitergruppen, wird das subjektive Risiko für den Versicherer („nur der potenziell Gefährdete möchte entsprechenden Versicherungsschutz einkaufen“) minimiert. Und je größer das Kollektiv, umso höher die Wahrscheinlichkeit für den Versicherer, dass seine statistischen Kalkulationsgrundlagen für die Beitragsbemessung hier auch zutreffen. Für Arbeitnehmer kann eine kollektiv organisierte Lösung also wertvolle Vorteile im Vergleich zur privaten Absicherung bieten: •• günstiger kalkulierte Tarife •• vereinfachte Aufnahmebedingungen •• Wegfall oder Einschränkung von Risikoprüfungen •• Finanzierung (auch) durch Brutto-Entgeltumwandlung möglich Umsetzung im Unternehmen Für die Ausgestaltung von Versorgungsregelungen mit dem (Teil-) Ziel Berufsunfähigkeitsabsicherung sind unterschiedliche Konzepte denkbar. Hierbei sind auch bereits bestehende weitere betriebliche Sozialleistungen in geeigneter Weise zu berücksichtigen. Auch muss entschieden werden, ob die Invaliditätsleistung einzeln oder im Rahmen eines Gesamtpakets abgesichert werden soll, so dass sie (nur) einen Teil der betrieblichen arbeitgeberfinanzierten Sozialleistungen darstellt. Weiterhin sollte unter Berücksichtigung der Konsequenzen im Hinblick auf Administration, Rentenanpassungsverpflichtung und steuerliche Auswirkungen überlegt werden, ob Renten- oder Kapitalleistungen gewünscht sind. Relevant und für die Ausgestaltung maßgeblich ist auch der geeignete Durchführungsweg, den es unter Berücksichtigung der arbeits- und steuerrechtlichen Implikationen auszuwählen gilt. Bei der Invaliditätsabsicherung über einen externen Anbieter spielt auch die Anbieterauswahl eine entscheidende Rolle. Wenn die Konzeptgestaltung feststeht, gilt es, den dafür geeigneten Anbieter zu identifizieren. Am besten gelingt dies mit einem qualifizierten Anbietervergleich, der Stärken und Schwächen der betrachteten Gesellschaften herausarbeitet und so die Entscheidungsfindung nachvollziehbar dokumentiert. Fazit Eine ergänzende Invaliditätsabsicherung ist ein wesentlicher Baustein der gesamten Vorsorgeplanung. Arbeitgeber können ihre Arbeitnehmer hierbei direkt und /oder indirekt unterstützen und damit auch ihre Attraktivität im Hinblick auf Mitarbeiterbindung und -gewinnung steigern. Lothar Stephan lothar.stephan@ towerswatson.com Telefon: +49 611 794-250 Benefits! 21 Bilanzen & Finanzen „Die „ Möglichkeiten einer Rentenanpassung oder Nichtanpassung sollten auf Basis der vom BAG entwickelten Grundsätze sorgfältig geprüft und dokumentiert werden, um etwaige Nachholungen oder Nachzahlungen bei Nichtanpassungen rechtssicher auszuschließen.“ Altersteilzeit: Bilanzierung von Aufstockungsverpflichtungen (IAS 19) Anwendungshinweis des DRSC (Entwurf) Das DRSC hat einen Entwurf zur Bilanzierung von Aufstockungsleistungen im Rahmen von Altersteilzeitvereinbarungen veröffentlicht. Demnach sind diese künftig als „other long term employee benefits“ einzustufen. Hieraus resultieren Änderungen hinsichtlich Rückstellungsbildung und Finanzierungszeitraum. Nach der Überarbeitung von IAS 19 (IAS 19 (2011)) und der Entscheidung des IFRS Interpretations Committees (IFRSIC) vom Januar 2012 gelten Aufstockungsleistungen im Rahmen von Altersteilzeitregelungen nicht mehr als „termination benefits“. Der IFRS-Fachausschuss des DRSC (IFRS-FA) hat nun einen Anwendungshinweis zu ihrer Bilanzierung (DRSC E-AH 1 (IFRS) „Bilanzierung von Aufstockungsverpflichtungen im Rahmen von Altersteilzeitregelun- 22 towerswatson.de gen nach IFRS“ vom 4.7.2012) veröffentlicht. Bis zum 19.8.2012 können interessierte Personen und Organisationen Stellungnahmen hierzu einreichen. Neu: Einstufung als „other long term employee benefits“ Bislang stellten derartige Aufstockungsleistungen nach ihrem wirtschaftlichen Charakter eine eigenständige Abfindungsverpflichtung dar (IDW RS HFA 3 /1998 bzw. RIC-Positionspapier aus 2006). Sie wurden damit sowohl nach deutschem als auch nach internationalem Handelsrecht den „Leistungen aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ (termination benefits) zugerechnet. Nun sind sie gemäß der Entscheidung des IFRSIC vom Januar 2012 nach IAS 19 (2011) nicht (mehr) als „termination benefits“ einzustufen, da kein das Arbeitsverhältnis beendendes Ereignis im Sinne der Vorschrift vorliegt. Vielmehr werden die Aufstockungsleistungen vor dem Hintergrund gewährt, dass die Arbeitnehmer nach Vereinbarung des Altersteilzeit-Verhältnisses weiterhin Arbeitsleistungen zu erbringen haben. IAS 19.162 (2011) nennt Indikatoren, bei deren Vorliegen davon auszugehen ist, dass eine Leistung an Arbeitnehmer nicht im Austausch für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt wird. Das gilt der Vorschrift nach beispielsweise, wenn die Aufstockungsleistung von der Erbringung künftiger Arbeitsleistungen abhängt. Aufstockungsleistungen bei Altersteilzeit stellen in keinem Fall Leistungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (post employment benefits) dar, da sie nicht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses an die Arbeitnehmer bezahlt werden. Dies ist offensichtlich beim Gleichverteilungsmodell, dürfte nach Einschätzung von Towers Watson aber auch für das Blockmodell gelten, da das Arbeitsverhältnis hier erst mit dem Ende der Freistellungsphase endet. Der Entwurf des DRSC sieht dementsprechend vor, dass Aufstockungsleistungen künftig als „other long term employee benefits“ zu qualifizieren sind. Erwähnenswert ist zudem, dass das IDW in IDW RS HFA 3 / 1998 den Erfüllungsrückstand beim Blockmodell nicht nach IAS 19 klassifiziert hatte. Der neue Entwurf sieht nunmehr ausdrücklich vor, dass für den Erfüllungsrückstand unter Beachtung der Regelungen des IAS 19 (rev. 2011) in Bezug auf „other long term employee benefits“ ein Schuldposten anzusammeln ist. Rückstellung und Finanzierungszeitraum Nach IAS 19 (2008) wurde bislang zum Zeitpunkt des Abschlusses der Altersteilzeit-Vereinbarung eine vollumfängliche Rückstellung (zum versicherungsmathematischen Barwert) der gesamten Aufstockungsleistungen gebildet. Dies galt sowohl für Gleichverteilungs- und Blockmodell als auch bei letzterem für Leistungen während der Beschäftigungs- und der Freistellungsphase. Im Vorfeld des Entwurfs war diskutiert worden, ob im Rahmen der neuen Qualifikation als „other long term employee benefits“ beim Blockmodell sämtliche Aufstockungsleistungen zurückzustellen sind oder, wie nach US-GAAP (ASC 715), nur die Aufstockungsleistungen der Freistellungsphase, da die Leistungen während der Beschäftigungsphase als Gegenleistung für die in diesem Zeitraum zu erbringende Arbeitsleistung gelten könnten. In den Entwurf wurde die erste Variante aufgenommen: Beim Blockmodell sind demnach sämtliche Aufstockungsleistungen rückzustellen. Diskutiert wurde auch, ob bei der Rückstellungsbildung die Aufstockungsleistungen der Beschäftigungsphase bis zum Ende der Beschäftigungsphase oder bis zu ihrer jeweiligen Fälligkeit zu finanzieren sind. Der IFRS-FA hat sich nun für die erste Alternative entschieden. Demnach sind in der Beschäftigungsphase zu leistende Zahlungen bei ihrer Fälligkeit noch nicht vollständig ausfinanziert. Für in der Freistellungsphase fällig werdende Aufstockungsleistungen soll die Finanzierung bis zum Ende der Beschäftigungsphase abgeschlossen sein. Die Finanzierung beginnt zu dem Zeitpunkt, in dem die Verpflichtung entsteht. Sofern die Berechtigung zu Aufstockungsleistungen von der Erfüllung bestimmter Mindestbetriebszugehörigkeitszeiten abhängt, beginnt die Finanzierung, sobald die Dienstzeiten des Arbeitsnehmers als anspruchsbegründend gewertet werden. In diesem Fall kann es auch zu Rückstellungen für potentielle Altersteilzeit-Teilnehmer, sog. „Potentiale“, kommen. Ist eine Mindestbetriebszugehörigkeit erforderlich, liegt ein nachzuverrechnender Dienstzeitaufwand (past service cost) vor, wenn sich der Mindestbeschäftigungszeitraum ganz oder teilweise auf den Zeitraum vor Entstehung der Schuld erstreckt. Der Entwurf sieht vor, dass die Rückstellungen – vor Berücksichtigung versicherungsmathematischer Annahmen – grundsätzlich „linear ratierlich“ angesammelt werden sollen. Damit ist wohl gemeint, dass die Ansammlung ohne Berücksichtigung von Zins und Biometrie streng linear steigend erfolgen soll. Nach Berücksichtigung dieser Faktoren ist das regelmäßig nicht mehr der Fall. In der praktischen Anwendung dürfte die Berücksichtigung von Zins und Biometrie sowie ggf. zukünftiger Gehaltssteigerungen die Bemessung der Rückstellung verkomplizieren. Statt der Berechnung eines auf den Beginn der Freistellungsphase bezogenen ratierlichen Barwerts, bei dem die geleisteten Aufstockungszahlungen vollumfänglich abzuziehen sind (retrograde Methode), ist der prospektiven Methode der Vorzug zu geben. Danach ermittelt sich die Rückstellung zu jedem Bilanzstichtag in Höhe des Barwerts der linear ratierlich erdienten zukünftig zu zahlenden Benefits! 23 Bilanzen & Finanzen Muster-Rubrik Im Rahmen des Gleichverteilungsmodells ist ab Entstehen der Verpflichtung und bis zum Ende des Altersteilzeit-Zeitraums (eine Unterscheidung in Aktiv- und Freistellungsphase entfällt) vor Berücksichtigung versicherungsmathematischer Annahmen ebenfalls grundsätzlich eine linear ratierliche Zuführung vorzunehmen. Gemäß IAS 19.173 (2011) sind die Regelungen des IAS 19 (2011) rückwirkend nach den Vorschriften des IAS 8 anzuwenden. Das bedeutet, dass zum Zeitpunkt der Erstanwendung bereits vereinbarte Altersteilzeitverhältnisse, die bisher als „termination benefits“ kategorisiert sind, nun als „other long-term employee benefits“ einzustufen sind. Entsprechend sind andere Bewertungsvorschriften anzuwenden. Das bedeutet regelmäßig, dass ein Rückstellungsüberhang erfolgsneutral über Gewinnrücklagen aufzulösen ist und eine spätere Rückstellungszuführung (zum zweiten Mal) erfolgswirksam vorzunehmen ist. Ein Beibehaltungswahlrecht, wie es aus dem BilMoG-Übergang nach Art. 67 Abs. 1 Satz 2 EGHGB bekannt ist, existiert an dieser Stelle nicht. Alfred-E. Gohdes alfred.gohdes@ towerswatson.com Telefon: +49 611 794-4407 Dr. Manfred Stöckler manfred.stoeckler@ towerswatson.com Telefon: +49 89 51657-4601 24 towerswatson.de Abb. 1: Beispiel – Rückstellungsverlauf für Aufstockungsleistungen (ohne Berücksichtigung von Biometrie und Zins) 200 180 160 140 Betrag Aufstockungsleistungen, von dem der nicht erdiente Anteil geleisteter Aufstockungszahlungen in Abzug zu bringen ist. 120 100 80 60 40 20 0 –5 –4 –3 –2 –1 0 1 2 3 4 5 6 Jahr Bisheriges Verfahren (IDW 3 / 98, RIC 2006) Bilanzierung gemäß Anwendungshinweis im Entwurf: Altersteilzeit ohne Mindestbetriebszugehörigkeit Altersteilzeit mit Mindestbetriebszugehörigkeit (fünf Jahre) Beispiel: Rückstellungsverlauf im Blockmodell Altersteilzeitregelung 1: Die Altersteilzeit läuft über sechs Jahre, davon jeweils drei Jahre Aktiv- und Freistellungsphase. Das normale Gehalt von 100 sinkt in der Altersteilzeitphase auf 50 Gehalt plus 30 Aufstockungen. Im Blockmodell würden also in den Jahren eins bis sechs jeweils 50 + 30 ausgezahlt. Die Altersteilzeitvereinbarung wird bereits ein Jahr vor Beginn der Altersteilzeitphase im Jahr –1 abgeschlossen. Altersteilzeitregelung 2: Wie Regelung 1, aber mit einer Mindestbetriebszugehörigkeit von fünf Jahren bis zum Beginn der Altersteilzeit. Erläuterung: Altersteilzeitregelung 1: Gemäß retrograder Methode: Finanzierungszeitraum für 6 x 30 (= 180) 4 Jahre (von –1 bis 3); d. h. 45 Rückstellungszuführung p. a., in 1 – 3 jeweils Auszahlung von 30 p. a. Gemäß prospektiver Methode, z. B. in Jahr 2: Barwert der erdienten zukünftigen Zahlung [= ¾ x (4 x 30)] – nicht erdienter Anteil an geleisteten Zahlungen [= ¼ x 30 für Zahlung in Jahr 1 + ¼ x 30 für Zahlung in Jahr 2] Altersteilzeitregelung 2: Finanzierungszeitraum nunmehr 8 Jahre (von –5 bis 3). Im Jahr –1 erfolgt mit Unterzeichnung eine einmalige Rückstellungzuführung in Form von Past Service Cost für den vorangegangenen Zeitraum (von –5 bis –1). Altersteilzeit: Bilanzierung von Aufstockungsverpflichtungen (HGB) Stellungnahme des IDW (Entwurf) Welche Folgen hat die neue IAS-Bilanzierung der Aufstockungsleistungen für die HGB-Rechnungslegung? Hierzu hat das IDW Stellung genommen. Neu ist die unterschiedliche Klassifizierung der Aufstockungsleistungen als Abfindung oder Entlohnung. Der Hauptfachausschuss (HFA) des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat am 10.7.2012 den Entwurf einer Neufassung der „IDW-Stellungnahme zur Rechnungslegung: Handelsrechtliche Bilanzierung von Verpflichtungen aus Altersteilzeitregelungen“ (IDW ERS HFA 3 n. F.) verabschiedet. Der Entwurf wurde am 23.7.2012 veröffentlicht; Änderungs- oder Ergänzungsvorschläge können bis zum 25.1.2013 eingereicht werden. Die bisherige Stellungnahme IDW RS HFA 3 /1998 widmete sich sowohl der handelsrechtlichen Bilanzierung von Altersteilzeitvereinbarungen als auch ihrer Behandlung nach IFRS. Das Problem eines möglichen Widerspruchs im Hinblick auf die IFRSBilanzierung zwischen der HFA-Stellungnahme aus 1998 und dem neuen Entwurf wird umgangen, indem die bisherigen Ausführungen zu IFRS ersatzlos gestrichen und die Ausführungen auf die deutsche handelsrechtliche Darstellung beschränkt werden. Da die Stellungnahme nicht bis zur verpflichtenden Anwendung des IAS 19 (2011) zum 1.1.2013 verabschiedet sein kann (die Kommentierungsfrist endet am 25.1.2013), entsprechen die Ausführungen von IDW RS HFA 3 /1998 zur internationalen Bilanzierung und Bewertung der AL-ATZ nicht mehr den geltenden Regelungen (so auch die das IDW in der Einleitung zum Entwurf n. F.). Sie entfalten damit nach Einschätzung von Towers Watson insoweit keine normative Wirkung mehr. Aufstockungsbeträge: Klassifizierung als Abfindung oder Entlohnung Bisher wurden Aufstockungsleistungen stets als Abfindungsverpflichtungen des Arbeitgebers klassifiziert. Dem Entwurf nach soll künftig unterschieden werden, ob sie den Charakter einer Abfindung oder einer zusätzlichen Entlohnung tragen. Maßgeblich für die Klassifizierung ist der wirtschaftliche Charakter der Vereinbarung im konkreten Einzelfall. Der Entwurf nennt Indikatoren für beide Varianten. Eine Abfindung liegt z. B. dann vor, wenn die Aufstockungsleistungen erbracht werden, um den Übergang in den Ruhestand für die Arbeitnehmer attraktiver zu machen und dadurch deren Einwilligung in die Änderung der Arbeitsverhältnisse zu erlangen. Dagegen sind Indikatoren dafür, dass die Aufstockungsleistungen im Austausch für die vom Arbeitnehmer zu erbringende Arbeitsleistung gewährt werden, z. B. die zusätzliche Honorierung langjähriger Betriebszugehörigkeiten. Dies kann auch das Ziel der Fortführung von Altersteilzeit-Regelungen sein, die nach Auslaufen der staatlichen Förderung durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen zustande kommen. In diesem Fall sind die Aufstockungsleistungen als Bestandteil der Leistungs- und Entgeltpflichten aus dem Arbeitsverhältnis (arbeitsrechtliches Synallama) anzusehen. Ein weiterer Indikator, der gegen das Vorliegen einer Abfindungsleistung spricht, kann darin bestehen, dass der Anspruch auf Altersteilzeitbeschäftigung auf tarifvertraglichen Regelungen basiert, wonach die Arbeitnehmerschaft zukünftig einen Beitrag zur Finanzierung der Mehraufwendungen des Arbeitgebers erbringt oder die Voraussetzung für jeden Anspruch eine gewisse Mindestbetriebszugehörigkeit ist. Bilanzierung gemäß Klassifizierung Sofern die Vereinbarungen Abfindungscharakter aufweisen, kann die bilanzielle Behandlung nicht aus den Grundsätzen zur Bilanzierung schwebender Geschäfte (hier in Form von Arbeitsverhältnissen) hergeleitet werden. Bei einer solchen Qualifikation entspricht die bilanzielle Behandlung der bisherigen: Zum Zeitpunkt der Entstehung der eigenständigen Abfindungsverpflichtung ist eine vollumfängliche Rückstellung zum versicherungsmathematischen Barwert der gesamten Aufstockungsleistungen zu bilden. Liegt dagegen Entlohnungscharakter vor, ist die Rückstellung über den Zeitraum ratierlich anzusammeln, in dem die Arbeitnehmer die zusätzliche Entlohnung erdienen. Soweit durch die Aufstockungsleistung auch eine in der Vergangenheit geleistete Tätigkeit entlohnt wird, die zum Zeitraum der erstmaligen Rückstellungsbildung bereits abgelaufen ist, muss der auf die Vergangenheit entfallende Betrag zu diesem Zeitpunkt in voller Höhe passiviert werden. Sofern keine ausdrückliche Vereinbarung über den Zeitraum besteht, in dem die zusätzliche Entlohnung in Form der Aufstockungsbeträge erdient wird, kann künftig davon ausgegangen werden, dass dieser Zeitraum mit dem Inkrafttreten der Altersteilzeitvereinba- Benefits! 25 Muster-Rubrik Bilanzen & Finanzen rung beginnt und mit dem Ende der Beschäftigungsphase der Altersteilzeit endet. Eine Anlehnung an den Entwurf des DRSC (siehe Beitrag „Altersteilzeit: Bilanzierung von Aufstockungsleistungen (IAS 19)“ auf S. 22) ist bei unterstelltem Entlohnungscharakter nicht zu übersehen. Dem Entwurf nach sollen die Aufstockungsbeträge zum ersten Abschlussstichtag nach dem Zustandekommen der Altersteilzeitvereinbarung als Abfindung bzw. Entlohnung klassifiziert werden. Diese Klassifizierung ist nach dem Grundsatz der Stetigkeit auch für die Zukunft beizubehalten. Dies bedeutet nach Einschätzung von Towers Watson, dass (die existierenden) Vereinbarungen mit Abfindungscharakter weiterhin so qualifiziert und die bisherige Bilanzierung fortgeführt werden können. Nur für neue Vereinbarungen ist demnach eine neue Klassifizierung erforderlich. Hinsichtlich der Bilanzierung von Erfüllungsrückständen ergeben sich gegenüber der HFA-Stellungnahme aus 1998 keine Änderungen: Während der Beschäftigungsphase baut sich in Höhe des noch nicht entlohnen Anteils der Arbeitsleistung ein Erfüllungsrückstand auf, für den eine Rückstellung zu bilden ist. Während der Freistellungsphase, in der eine Entlohnung ohne Arbeitsleistung erfolgt, wird die Rückstellung verbraucht. 26 towerswatson.de Benefits! wird über weitere Entwicklungen zu diesem Thema berichten. Alfred-E. Gohdes alfred.gohdes@ towerswatson.com Telefon: +49 611 794-4407 Dr. Manfred Stöckler manfred.stoeckler@ towerswatson.com Telefon: +49 89 51657-4601 Betriebsrenten: Anpassung oder Nichtanpassung? Genaue Prüfung der wirtschaftlichen Lage Unternehmen sind laut Betriebsrentengesetz grundsätzlich verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Betriebsrenten an die Kaufkraftentwicklung zu prüfen. Für die Offenlegung der wirtschaftlichen Lage in einem Unterrichtungsschreiben an die Betriebsrentner fordert das BAG einen tiefergehenden Einblick in die wirtschaftliche Situation als bislang üblich. Bei der Anpassungsprüfung sind die Belange der Versorgungsempfänger sowie die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung sieht eine Anpassung als den Standardfall an. Eine Nicht- oder Minderanpassung gilt daher als Ausnahmefall, der stichhaltig zu begründen ist. Hierbei reicht es nicht aus, pauschal auf die schlechte wirtschaftliche Situation des Arbeitgebers hinzuweisen. Denn wurde die Anpassung zu Unrecht unterlassen, ist dadurch eine Nachholung oder Nachzahlung nicht ausgeschlossen. Die wirtschaftliche Lage ist zu belegen, vorzugsweise auf Basis eines betriebswirtschaftlich fundierten Analysemodells, das auf der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung des BAG zu § 16 BetrAVG 1 beruht. Hierdurch wird die Entscheidungsfindung objektiviert; Betriebsrentner akzeptieren eine auf diese Weise begründete Anpassungsentscheidung eher. Die Anpassung gilt nach § 16 Abs. 4 BetrAVG und gemäß der neuen BAG-Rechtsprechung nur dann als zu Recht unterblieben, wenn der Arbeitgeber die wirtschaftliche Lage in einem Mitteilungsschreiben an die Betriebsrentner ausreichend detailliert darstellt.2 Eine Dokumentation der vorgenommenen Anpassungsprüfung und der Entscheidungsgrundlagen ist auch dann von Nutzen, wenn die Betriebsrenten aus berechtigten Gründen nicht angepasst wurden, Rentner aber dennoch Klage auf Rentenanpassung erheben. Bei der Anpassungsentscheidung ist u. a. vorrangig auf den Erhalt des Betriebs und der Arbeitsplätze zu achten. Obwohl das BAG mit dem Grundsatz der Erhaltung der Unternehmenssubstanz ein zentrales Argument bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage entwickelt hat, konnte sich bisher noch kein abschließender Prüfkatalog etablieren. Beurteilung der wirtschaftlichen Lage im Konzernverhältnis Grundsätzlich ist die wirtschaftliche Lage des Arbeitgeberunternehmens (des Anpassungsschuldners), nicht die des Konzerns entscheidend. Bei Konzernstrukturen kann allerdings fraglich sein, ob bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage auf das Mutterunternehmen oder ggf. auch auf ein anderes Konzernunternehmen abzustellen ist. Gegebenenfalls sind die Voraussetzungen für einen möglichen Berechnungsdurchgriff auf andere Gesellschaften gesondert zu prüfen. Dabei ist u. a. von Bedeutung, ob ein Beherrschungs- oder ein Ergebnisabführungsvertrag besteht. Neben dem handelsrechtlichen Einzelabschluss der zu beurteilenden Gesellschaft kann auch der Konzernabschluss Informationen enthalten, die bei der Beurteilung zu beachten sind. Ermittlung der wirtschaftlichen Lage – Substanzerhaltungsanalyse Die Anforderungen zur Ermittlung und Darstellung der wirtschaftlichen Lage bei Anpassungsprüfungen sind durch die Rechtsprechung des BAG hinreichend deutlich umschrieben worden. Sie können im Wege einer sog. Substanzerhaltungsrechnung technisch dargestellt werden. Bei der Anpassungsentscheidung ist auf eine ausreichende Eigenkapitalausstattung zu achten. Was unter der erforderlichen Kapitalausstattung zu verstehen ist, kann unter betriebswirtschaftlichen Aspekten unterschiedlich zu beurteilen sein, etwa in Abhängigkeit von der Rechtsform des Unternehmens (Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft) oder von der Branche, in der das Unternehmen tätig ist (Industrie, Handel, Finanzdienstleistungsinstitute, o. Ä.). Bei Banken und Versicherungen stellt sich vor dem Hintergrund von Basel III bzw. Solvency II die Frage, ob ggf. steigende Mindestkapitalanforderungen berücksichtigt werden können. Als Einstieg zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage dienen die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse der Vergangenheit, die unter Berücksichtigung der bestehenden Bilanzierungswahlrechte und Ermessensspielräume und der damit verbundenen Scheingewinne bzw. -verluste dem Analysezweck entsprechend aufzubereiten sind. 1 Zur Rechtsprechung bezüglich der Anpassungsprüfung vgl. auch Benefits! April 2010 „Anpassungsprüfung und Berechnungsdurchgriff“, Benefits! April 2011 „Anpassungsprüfung bei Rentnergesellschaften“, Benefits! August 2011 „Rentenerhöhung nach Beamtenrecht statt Anpassungsprüfung nach Paragraf 16 BetrAVG“, Benefits! April 2012 „Rentenanpassung: Verbraucherpreisindex“, „Ein-Prozent-Anpassung statt Anpassungsprüfung“, „Darstellung der wirtschaftlichen Lage: Neue Vorgaben“ sowie „Rentenanpassung: Kaufkraftverlust für Zeiträume vor dem 1.1.2003“ auf S. 37 in diesem Heft. 2 BAG-Urteil vom 11.10.2011 – 3 AZR 732 /09. Benefits! 27 Bilanzen & Finanzen Die Analyse erfolgt insbesondere auch unter Einbeziehung der Zukunftsaussichten des Unternehmens, da die Anpassung grundsätzlich aus den künftigen Erträgen und Wertzuwächsen des Unternehmens zu finanzieren ist. Als Beleg wird im Regelfall eine auf dem HGB basierende Prognose der Jahresergebnisse erstellt. Dies kann sich bei am Kapitalmarkt tätigen internationalen Unternehmen schwieriger gestalten, wenn lediglich Planzahlen nach IFRS oder nach US-GAAP vorliegen. Für die Rentenanpassung steht nur ein bestimmter Teil des insgesamt disponiblen Planerfolges zur Verfügung. Die angemessene Eigenkapitalverzinsung ist auf Basis der zu erwartenden Eigenkapitalentwicklung unter Zugrundelegung einer Gewinnverwendungsannahme zu bestimmen. Der nach der BAG-Rechtsprechung dabei zugrunde zu legende Zinssatz ist zu schätzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Basiszins (Umlaufrendite der öffentlichen Hand) aufgrund der aktuellen Kapitalmarktentwicklung gerade in jüngerer Zeit stark gesunken ist und sich dadurch zunächst das Anpassungspotenzial des Unternehmens erhöht. Vor diesem Hintergrund ist zu diskutieren, ob die Rechtsprechung zur angemessenen Eigenkapitalverzinsung einer Änderung bedarf. In der Vergangenheit eingetretene Entwicklungen sind von Relevanz, um eine hinreichend fundierte Prognosebasis zu generieren. Andererseits können bereits eingetretene Entwicklungen das am Anpassungsprüfungsstichtag vorhandene Anpassungspotential beeinflussen. Denn mitunter können realisierte außerordentliche oder nicht nachhaltige Erfolge für Zwecke der Rentenanpassung unberücksichtigt bleiben. Bei einem durch vergangene Verluste eingetretenen Eigenkapitalverzehr darf der Arbeitgeber zunächst für die Wiederherstellung einer ausreichenden Kapitalausstattung sorgen und bis dahin von einer Rentenerhöhung absehen. Fraglich kann sein, wie lange das Unternehmen Verlustvorträge aus der Vergangenheit als Argument für eine Nicht- oder Teilanpassung anführen kann und ob ggf. geleistete Sanierungsbeiträge der Anteilseigner oder Gesellschafter vor einer Rentenanpassung zurückerstattet werden können. 28 towerswatson.de Aus der Erstanwendung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes im Geschäftsjahr 2010 resultierende, bisher noch nicht bilanzierte Erhöhungen der Pensionsverpflichtungen stellen stille Lasten des Arbeitgebers dar und verringern das künftige Anpassungspotenzial. Sonderfragen bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage (z. B. hinsichtlich der angemessenen Eigenkapitalverzinsung) stellen sich bei Unternehmen, die eine werbende Tätigkeit aufgegeben haben, etwa bei Rentnergesellschaften oder bei Abwicklungsgesellschaften. Hinweis für die Praxis Die Möglichkeiten einer Rentenanpassung oder Nichtanpassung sollten auf Basis der vom BAG entwickelten Grundsätze sorgfältig geprüft und dokumentiert werden, um etwaige Nachholungen oder Nachzahlungen bei Nichtanpassungen rechtssicher auszuschließen. Beratung durch Towers Watson Für eine unternehmensspezifische Quantifizierung des Rentenanpassungspotenzials und eine vorgelagerte Berechnung des Anpassungsbedarfs stehen die Experten von Towers Watson gerne zur Verfügung. Thomas Weppler [email protected] Telefon: +49 611 794-245 Bilanzierung nach BilMoG: Praxiserfahrungen Höhere Pensionsverpflichtungen, verbesserte Kennzahlen Für die Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen in der Handelsbilanz traten mit dem BilMoG einige wesentliche Änderungen in Kraft. So sind die Pensionsrückstellungen in den Bilanzen vieler Unternehmen gestiegen. Ist spezielles Deckungsvermögen vorhanden, so verbessern sich durch die Saldierungspflicht jedoch andererseits wesentliche Abschlusskennzahlen. Bei Einschaltung externer Versorgungsträger besteht für mittelbare Pensionsverpflichtungen unverändert ein Passivierungswahlrecht. Anstieg der Pensionsverpflichtungen in der Bilanz Saldierung von Deckungsvermögen – Verbesserung von Abschlusskennziffern Bereits vor dem In-Kraft-Treten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) war erwartet worden, dass die neuen Regelungen bei vielen Unternehmen zu einer höheren Bewertung der Pensionsverpflichtungen in der Handelsbilanz führen würden. In der Praxis – die neuen Regelungen sind seit 2010 verpflichtend anzuwenden – hat sich diese Vermutung bestätigt. Schätzungen zur alten Rechtslage vor BilMoG gingen davon aus, dass über 90 Prozent der deutschen Unternehmen zur Abzinsung ihrer Verpflichtungen den nach dem Steuerrecht den im Einkommensteuergesetz (§ 6a EStG) vorgegebenen Zinssatz von sechs Prozent nutzten. Um den zu erwartenden Anstieg der Verpflichtungen abzumildern, gingen einige Unternehmen bereits im letzten Jahr vor der BilMoG-Umstellung bei der Abzinsung auf einen niedrigeren handelsrechtlichen (Durchschnitts-)Marktzinssatz (§ 253 Abs. 2 Handelsgesetzbuch – HGB) über. Die für die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechung (GuV) vorgesehene neue Verrechnungsvorschrift (§ 246 Abs. 2 HGB) ist bei Vorliegen eines zweckexklusiven und zugriffsfreien Deckungsvermögens (z. B. sog. Contractual Trust Arrangements oder bei Verpfändungen) zwingend. Sie kann zu einer Verbesserung wesentlicher Bilanz- und Erfolgskennzahlen und damit ggf. zu verbesserten Refinanzierungsbedingungen beitragen. Verpflichtungserhöhend wirkte bei der großen Mehrheit der Unternehmen auch die nunmehr notwendige Berücksichtigung künftiger Preis- und Kostensteigerungen bei der Bewertung. Bei der Trendannahme bestehen gewisse Spielräume, allerdings in den Grenzen einer vernünftigen kaufmännischen Beurteilung. Der mit Abstand am häufigsten gewählte Rententrend ist zwei Prozent. Insbesondere große Unternehmen und Unternehmen, bei denen die Pensionsrückstellungen einen erheblichen Teil der Bilanzsumme ausmachen, berücksichtigen tendenziell hohe Lohn- und Gehaltssteigerungen. Als versicherungsmathematische Bewertungsmethode wird (bei konzerneinheitlichem Verfahren) auch angesichts der Vorgaben durch die internationalen Rechnungslegungsstandards nun deutlich häufiger als zuvor die Projected-Unit-Credit-Methode anstelle des Teilwertverfahrens angewandt. Die geforderten Angaben zu den Bewertungsparametern (§ 285 Nr. 24 HGB) werden vor allem bei kleineren mittelständischen Unternehmen nicht selten nur unzureichend im Anhang der Abschlüsse offengelegt, da diese ihre Finanzberichterstattung nicht als Instrument der Public Relations nutzen. Allerdings muss im Einzelfall mit dem zuständigen Wirtschaftsprüfer abgeklärt werden, was als saldierungspflichtiges Deckungsvermögen zählt. Im Regelfall wird nur im Verhältnis zu Dritten unbelastetes Vermögen anerkannt. Anders als bei Planvermögen nach IAS 19 ist nach dem HGB kein Transfer des Vermögens auf einen Dritten erforderlich. Zweifelsfälle stellen insbesondere Forderungen gegen das die Pension zusagende Unternehmen und eigene Anteile des Unternehmens dar, die in der Insolvenz des Arbeitgebers wertlos sein können. Die Bewertung des Deckungsvermögens zum beizulegenden Zeitwert wirft in der Praxis insbesondere bei Rückdeckungsversicherungen Fragen auf. Grundsätzlich kann der steuerliche Aktivwert, ggf. aber auch ein anderer Wert angesetzt werden. Zunehmend werden Altersversorgungsverträge abgeschlossen, bei denen sich der Umfang der Pensionsverpflichtung nach dem beizulegenden Zeitwert bestimmter Wertpapiere oder der Leistung von Rückdeckungsversicherungen richtet. (In diesem Fall greifen ggf. die vereinfachten Bewertungsgrundsätze für sog. wertpapiergebundene Zusagen). Fraglich ist, wie die Übergangsbewertung bei einer Entwidmung von Deckungsvermögen zu erfolgen hat. Diskutiert wird, ob bei mehreren vorhandenen Pensionsplänen hinsichtlich des Deckungsvermögens eine Gesamtbetrachtung geboten ist oder ob auch eine Einzelbetrachtung zulässig ist. Letztere kann, z. B. wenn Teilbetriebe vorliegen, dazu führen, dass Pensionsverpflichtungen teilweise überdeckt sind. Benefits! 29 Bilanzen & Finanzen Entsprechend ist dann neben der in der Bilanz zu erfassenden Pensionsrückstellung auch ein Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung zu aktivieren. Bei einer Rückgewährung von Treuhandvermögen auf das Unternehmen muss sichergestellt sein, dass durch das verbleibende Deckungsvermögen die korrespondierenden Pensionsverpflichtungen mit hinreichender Sicherheit gedeckt sind. Die Zulässigkeit einer Rückübertragung von Deckungs- bzw. Planvermögen kann nach HGB bzw. IAS 19 u. a. wegen bestehender Zinssatzunterschiede unterschiedlich zu beurteilen sein. Gegebenenfalls sind die Treuhandverträge im Hinblick auf eine gewünschte Rückübertragung des Treuguts anzupassen. Nichtkonsolidierung von Unterstützungskassen Insbesondere reservepolsterfinanzierte (nicht versicherungsförmig rückgedeckte) Unterstützungskassen sollen nach DRS 19 und nach Auffassung von Wirtschaftsprüfern als grundsätzlich konsolidierungspflichtige Zweckgesellschaften zählen (siehe auch Benefits! April 2011). Ausweislich einer im Herbst 2011 durchgeführten empirischen Untersuchung von 132 Konzernabschlüssen nicht-kapitalmarktorientierter Mutterunternehmen des Geschäftsjahres 2010 bezieht die Mehrzahl der Trägerunternehmen ihre Unterstützungskassen nicht in ihren Konzernabschluss mit ein. Die Nicht-Konsolidierung wird in der Praxis regelmäßig mit den nicht wesentlichen Auswirkungen einer Konsolidierung auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens begründet. Fortführung des Unterschiedsbetrags aus der Erstanwendung des BilMoG Das in Art. 67 Abs. 1 EGHGB geregelte Wahlrecht zur maximalen Streckung des BilMoG-bedingten außerordentlichen Zuführungsbetrags zu den Pensionsrückstellungen wurde von deutlich weniger Unternehmen in Anspruch genommen als vor dem BilMoG erwartet. Die Fortführung der bisher noch nicht passivierten Pensionsverpflichtungen führt insbesondere bei wesentlichen Bestandsveränderungen wie Verkäufen, Betriebsübergängen und Gesamtrechtsnachfolgen (etwa Verschmelzungen oder Spaltungen) mit den Wirtschaftsprüfern zu Diskussionen über die weitere Fortentwicklung des Umstellungsbe- 30 towerswatson.de trags. Eine Rechtsnachfolge für verbleibende Verteilungsbeträge durch einen Betriebsübernehmer ist gesetzlich nicht vorgesehen. Bei Umwandlungen wird dem Erwerber ein Wahlrecht zur Bewertung übernommener Schulden mit ihren tatsächlichen Anschaffungskosten eröffnet. Alternativ können auch die in der Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers angesetzten Buchwerte übernommen werden. Will man die vollständige Verpflichtung aus Erwerbersicht bewerten, so wird man den ausstehenden Verteilungsbetrag restamortisieren. In diesem Fall erfolgt eine Erfassung der vollen (Netto-) Verbindlichkeit (nach Verrechnung eines etwaigen aus Erwerbersicht nutzbaren Deckungsvermögens). Das unverändert fortbestehende Passivierungswahlrecht für mittelbare Pensionsverpflichtungen des Arbeitgebers (Art. 28 EGHGB) bleibt hiervon unberührt. Bei Abwicklung der bAV über externe Versorgungsträger und bestehenden Unterdeckungen (etwa bei Unterstützungskassen oder Pensionsfonds) ist eine erstmalige Passivierung des Fehlbetrages beim Erwerber nicht erforderlich. Auch nach einem Betriebsübergang oder nach einer Umwandlung können mittelbare Pensionsverpflichtungen jederzeit neu beim Erwerber begründet werden (z. B. durch Neugründung eines Pensionsfonds oder durch Mitgliedschaft in einer Gruppenunterstützungskasse). Thomas Weppler [email protected] Telefon: +49 611 794-245 Zinsen im Sinkflug Änderung des Modells für Referenzzinsermittlung erforderlich? Trotz der raschen Veränderungen an den Anleihemärkten sieht Towers Watson derzeit keinen Anlass, das derzeit verwendete Modell für die Rechnungszinsbestimmung zu ändern, da keine unakzeptable Schrumpfung der Datengrundlage gegeben ist. Allerdings existieren andere Modellvarianten, die durchaus standardkonform und für das einzelne Unternehmen sinnvoll sein können. Des einen Freud, des anderen Leid: Was für den Schuldner, der neue Verbindlichkeiten eingeht, gut ist, treibt dem Träger von Pensionsverpflichtungen, der seine Defined-Benefit-Pläne nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften bilanzieren muss, die Tränen in die Augen. Am Kapitalmarkt sind nicht nur die Zinsen für deutsche Staatsanleihen dramatisch gesunken. Auch die für die Bewertung von Pensionen maßgeblichen Referenzrenditen der in Euro denominierten Unternehmensanleihen „guter Bonität“ sind stark zurückgegangen. Der nach dem RATE:Link-Modell ermittelte Referenzzins mit einer 15 jähriger Duration (d. h. einer gewichteten mittleren Restlaufzeit von 15 Jahren) ist in den letzten sechs Monaten sehr stark zurückgegangen: von 5,5 Prozent zum Jahresende 2011 auf 4,1 Prozent zur Jahresmitte. Hauptgrund hierfür ist die hohe, insbesondere institutionelle Nachfrage im „sicheren“ Anleihensektor. Der oftmals als Vergleichsmaßstab herangezogene Index iBoxx Corp. AA 10+ ist sogar erstmals auf einen Stand unterhalb von drei Prozent p. a. gesunken. Towers Watson erwartet im Verlauf der nächsten Wochen einen weiteren, wenn auch weniger starken Rückgang des Zinsniveaus in der Eurozone. Benefits! 31 Bilanzen & Finanzen 6,5 6,0 5,5 5,0 4,5 4,0 3,5 Zinsniveaus Juli 2012 HGB (BilMoG) Globale RATE:Link Duration 10 4,9 % 3,2 % Duration 15 5,09 % 3,5 % Duration 20 4,9 % 3,7 % Dez 12 Okt 12 Nov 12 Aug 12 Sep 12 Jul 12 Jun 12 Mai 12 Apr 12 Mrz 12 Feb 12 Jan 12 Dez 11 Okt 11 Nov 11 Sep 11 Jul 11 Aug 11 Jun 11 Mai 11 Apr 11 Feb 11 Mrz 11 Jan 11 Dez 10 Nov 10 Okt 10 3,0 Sep 10 Rechnungszins in Prozent (Duration 15) Abb. 1: Rechnungszins nach IFRS, US-GAAP und HGB (BilMoG) Bilanzstichtag: Monatsende (31.07.2012) HGB (BilMoG) BilMoG Prognose Wie die vergangenen Monate gezeigt haben, wird die Entwicklung des auf RATE: Link basierenden Rechnungszinses aber auch durch Umschichtungen in der Datengrundlage infolge von Rating-Änderungen maßgeblich beeinflusst. So hat beispielsweise die Herabstufung der italienischen Staatsanleihen durch Moody’s vor einigen Wochen und die dadurch ausgelösten Herabstufungen italienischer Finanzinstitutionen keinen nennenswerten Einfluss auf RATE: Link, da keine Bonds von italienischen Emittenten am besonders wichtigen langen Laufzeitende mehr vorhanden sind. Dagegen wirkte sich die Herabstufung Spaniens im Mai erheblich auf den Referenzzins aus. Trotz der raschen Veränderungen an den Anleihemärkten sieht Towers Watson derzeit keinen Anlass, das global eingesetztes RATE: Link-Modell für die Rechnungszinsbestimmung zu ändern. Dies liegt zum einen daran, dass die Tiefe des AA-gerateten Anleihensektors im Euroraum in den letzten Jahren eher zu- als abgenommen hat. Zum anderen ist auch die Anzahl der für die Bestimmung des Rechungszinses so wichtigen Langläufer (Anleihen mit einer Restlaufzeit von 15 und mehr Jahren) seit Jahresende 2010 bei über 20 Anleihen nahezu konstant geblieben, so dass man nach Einschätzung von Towers Watson nicht von einer unakzeptablen Schrumpfung der Datengrundlage sprechen kann. Das bedeutet allerdings nicht, dass andere Modellvarianten nicht auch sinnvolle und standardkonforme Ergebnisse liefern können. 32 towerswatson.de Global RATE: Link Weitere Informationen Der aktuelle Rechnungszins ist auf den Internetseiten von Towers Watson unter www.towerswatson.de/research/2060 Alfred-E. Gohdes [email protected] Telefon: +49 611 794-4407 Dr. Manfred Stöckler [email protected] Telefon: +49 89 51657-4601 PSV-Beitrag 2012: Mehr als Verdopplung erwartet Berücksichtigung in IFRS-Zwischenabschluss zum 30.6.2012 Der Pensions-Sicherungs-Verein (PSVaG) hat vor dem Hintergrund des aktuellen Insolvenzgeschehens des damit verbundenen bis Ende Juni 2012 aufgelaufenen Schadensvolumens eine erste Indikation über die mögliche Beitragsbelastung 2012 abgegeben. Aufgrund der deutlichen Erhöhung der Zahl der Unternehmensinsolvenzen, die zum Teil auch einige Großschäden betreffen, prognostiziert der PSV aus heutiger Sicht für 2012 einen Beitragssatz von vier Promille (Vorjahr: 1,9 Promille) der Bemessungsgrundlage. Aufgrund des noch ungewissen Schadensvolumens des 2. Halbjahrs kann sich tatsächlich ein höherer oder niedrigerer Beitragssatz ergeben. Auf der Basis dieser Information hat das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) am 6.7.2012 einen „Hinweis zur Berücksichtigung des Beitrags zum Pensions-Sicherungs-Vereins für 2012 in einem Zwischenabschluss zum 30.6.2012“ veröffentlicht. Demnach hat ein Unternehmen mit einem dem Kalenderjahr entsprechenden Geschäftsjahr zeitanteilig sechs Zwölftel des voraussichtlichen Jahresbeitrags in seinem Zwischenabschluss zum 30.6.2012 zurückzustellen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der indikativ mitgeteilte Beitragssatz lediglich die in der ersten Jahreshälfte entstandenen Schadensfälle berücksichtigt. Schadensfälle, die im zweiten Halbjahr eintreten werden, sind gegenwärtig nicht bekannt und daher in dem Beitragssatz von vier Promille nicht berücksichtigt. Zur Ermittlung des voraussichtlichen Jahresbeitrags, in den auch die Schadensfälle des zweiten Halbjahrs eingehen, hat der Bilanzierende Annahmen zu treffen, um zu einer bestmöglichen Schätzung (best estimate im Sinne von IAS 37.36) zu gelangen. Das DRSC stellt in seinem Hinweis mögliche Einflussgrößen für eine solche Schätzung dar. Im Hinblick auf eine möglichen Glättung nach § 10 Abs. 2 Satz 5 BetrAVG ist nach Einschätzung von Towers Watson allerdings zu beachten, dass es sich bei der Glättungsregelung um eine reine Fälligkeitsabrede handelt, und der Beitrag für das laufende Geschäftsjahr zum 31.12. in voller Höhe aufwandswirksam zurückzustellen ist. Gleicher Auffassung war seinerzeit das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) zum PSV-Beitrag für 2009. Weitere Informationen Die Informationen des PSVaG sind im Einzelnen nachzulesen unter www.psvag.de/pdf/Rundschreiben.pdf. Der „Hinweis zur Berücksichtigung des Beitrags zum Pensions-Sicherungs-Vereins für 2012 in einem Zwischenabschluss zum 30.6.2012“ des DRSC vom 6.7.2012 ist nachzulesen unter www.drsc.de. Dr. Manfred Stöckler manfred.stoeckler@ towerswatson.com Telefon: +49 89 51657-4601 Benefits! 33 Bilanzen & Finanzen Infrastrukturinvestments – planbare Zahlungsströme, langfristiger Werterhalt Diversifikation im Anlageportfolio Angesichts des aktuellen Niedrigzinsumfelds und einer hohen Konzentration auf Schuldtitel suchen Anleger von Pensionsvermögen nach diversifizierten Investments mit langfristig stabilen Zahlungsströmen. Infrastrukturinvestitionen können hierzu erheblich beitragen. Spätestens seit im vergangenen Jahr ein großer Energiekonzern seinen Stromnetzbetreiber an ein Konsortium von Finanzinvestoren verkauft hat, ist sich der Markt über die private Nachfrage nach Infrastruktur bewusst geworden. Schätzungen der OECD zufolge werden bis 2030 Infrastrukturinvestitionen von weltweit 50 Billionen US-Dollar benötigt. Solche Größenordnungen sind mit herkömmlichen öffentlichen Mitteln nicht mehr finanzierbar. Daher wird ein breiterer alternativer Zugang zur Finanzierung von öffentlichen Investitionen immer wichtiger. Die OECD definiert in der Studie „Pension Funds Investment In Infrastructure“ (2011) Infrastruktur als die öffentlichen Bauwerke eines Landes, Staates oder einer Region. Darunter zählen Straßen, Brücken, Versorgungsnetze und öffentliche Gebäude. Aus einer technischen Sicht heraus lässt sich Infrastruktur in vier Kategorien gliedern (siehe Abb. 1). Abb. 1: Infrastruktur-Kategorien Energie und Versorgung •• oftmals regulierte Märkte •• Beispiel: Energie- oder Wasserversorgung Transport und Verkehr •• Nutzungsabhängige Infrastruktur •• Beispiel: Straßen, See- und Flughäfen Kommunikation •• Infrastruktur unter Wettbewerbsbedingungen •• Beispiel: Medien, Telekommunikation Soziale Infrastruktur •• oftmals mit staatlicher Konzessionsvergabe •• Beispiel: Krankenhäuser, Schulen Bei einer Unterscheidung in Phasen begegnet man häufig den beiden Begriffen „Greenfield“ und „Brownfield“. Die Greenfield-Phase bezeichnet die Planungs- und manchmal auch noch den Beginn der Konstruktionsphase. Im Gegensatz zum Projektbeginn „auf der grünen Wiese“ ist das 34 towerswatson.de Projekt in der Brownfield-Phase (auf dem „braunen, schon bestellten Feld“) bereits im Betrieb oder die Inbetriebnahme wird gerade geplant. GreenfieldProjekte weisen infolge der Unsicherheit einer technischen, politischen oder anderweitigen Umsetzung oftmals mehr Risiken auf als Brownfield-Projekte, bei denen bereits Erfahrungen über z. B. Machbarkeit, Kapazitäten oder Auslastungen vorliegen. Warum Infrastrukturinvestments? Die typischen Gründe um Investments in Infrastruktur vorzunehmen sind hauptsächlich stabile Zahlungsströme, langfristiger Werterhalt, geringere Volatilitäten, eine höhere Diversifikation und oftmals auch Inflationsschutz. Viele Infrastrukturmaßnahmen benötigen immense Finanzierungsanstrengungen zu Beginn und während der Erstellungsphase. Die Aufwendungen nach der Fertigstellung oder während des Betriebs können hierzu relativ gering sein. Das kann zu langen Konzessionslaufzeiten und zu einer stetigen Nutzung des Objektes führen. Daraus resultieren oftmals langfristig planbare Zahlungsströme mit einem hohen Werterhalt der Investitionen. Das sind Eigenschaften, die von institutionellen Investoren gerade in einer Niedrigzinsumgebung gewünscht werden. Die Wertentwicklung von Infrastruktur geht oftmals mit einer relativ unelastischen Nachfrage einher. Die unelastische Nachfrage ist ein Resultat aus der Unverzichtbarkeit der Güter und Dienstleistungen. Infrastruktur hat oftmals hohe Markteintrittsbarrieren und wird nicht selten staatlich geplant. Damit können abgesicherte Wettbewerbsvorteile einhergehen. Für den Investor können diese Eigenschaften zu einer geringeren Volatilität der Erträge und zu einem verringerten wirtschaftlichen Risiko führen, das zudem vom aktuellen Marktgeschehen losgelöst ist. Infrastrukturprojekte in einem Umfeld hoher regulatorischer Anforderungen gehen häufig mit einer Preisbildung einher, die sich an der realen Kostenentwicklung orientiert. Steigen z. B. die realen Kosten einer mautpflichtigen Straße, dann können zukünftig die Mautgebühren angehoben werden ohne einen wesentlichen Nachfragerückgang auszulösen. Das kann zu einem Inflationsschutz führen, was insbesondere für Investoren interessant ist, die Realzinsen als Zielgrößen definieren. Rendite- / Risiko-Profil Mit Blick auf Rendite und Risiko werden drei Infrastrukturprojektarten unterschieden: Core: Projekte, die oftmals in monopolistischen bzw. stark regulierten Märkten initiiert werden. Die erzielbaren Zahlungsströme sind weitestgehend planbar, oftmals sogar garantiert und können zudem über variable Verzinsungen an Zinsentwicklungen gekoppelt werden. Es handelt sich um Projekte, die seit längerem in Betrieb sind. Die Gesamtrenditeerwartungen liegen bei sechs bis neun Prozent p. a. Value-Added (auch „Core plus“ genannt): Projekte auf Märkten mit einem niedrigeren Regulierungsgrad, mit dem ein moderateres Entwicklungsrisiko einhergeht. Die Projekte befinden sich oftmals im Übergang von der Greenfield- zu Brownfield-Phase. Übliche erwartete Gesamtzielrenditen belaufen sich auf neun bis zwölf Prozent p. a. Opportunistic: Projekte in wenig bis gar nicht regulierten Märkten, überwiegend Private-Equityähnliche Projekte mit Venture-Capital-Charakter. Es handelt sich oftmals „Greenfield“-Projekte oder manchmal auch sanierungsbedürftige „Brownfield“Objekte. Investoren sind einem höheren Nachfrageund Entwicklungsrisiko ausgesetzt. Die Renditeerwartungen liegen bei 13 Prozent und mehr. Rendite Abb. 2: Rendite-Risikoprofile „Brownfield“ (in Betrieb) Abb. 3: Investitionsvehikel Investor Beteiligung Schuldtitel Investitionsvehikel Compartment A Cash Compartment B Anteile Fondvehikel Begibt Schuldscheine Finanzierung über Darlehen Projektgesellschaft 1 Projektgesellschaft 2 Projekt 1 Projekt 2 Oppor tunistic Value-Added Core Es gibt viele technische Möglichkeiten, in Infrastruktur zu investieren. Nach Gesprächen mit interessierten institutionellen Investoren und deren Kapitalanlagegesellschaften scheint sich jüngst ein Trend abzuzeichnen. Die Anzahl der Investitionen über Fondsvehikel steigt. Immer häufiger werden regulierte Fondskonstruktionen aus Luxemburg eingesetzt, für die spezialisierte Infrastruktur-AssetManager die Projekte auswählen. Die Grundstruktur der Investitionsvehikel ähnelt sich (siehe Abb. 3). „Greenfield“ (in Entwicklung) Risiko Implementierung: Häufig über spezialisierte Fonds Institutionelle Investoren haben abhängig von ihren jeweiligen Zielen mehrere Möglichkeiten in Infrastruktur zu investieren: Direktinvestments, offene und geschlossene Fonds oder auch Dachfondskonzepte. Darüber hinaus ist auch denkbar, indirekt über Kredite und über Schuldscheindarlehen in Infrastruktur zu investieren. Investoren, die eine stärkere Kontrolle über die Anlagen wünschen, sind oftmals an Direktinvestments interessiert. Dies setzt jedoch ein hohes Maß an technischem Verständnis voraus. Das Ausmaß des Transaktionsvolumens und die daraus resultierende Risikokonzentration sind zu beachten. In der Mitte steht i. d. R. ein Fondsvehikel, das in Projektgesellschaften investiert. Die Projektgesellschaften halten die vom Infrastruktur-Asset-Manager ausgewählten Infrastrukturprojekte. Im Einzelfall wird nach Investorenwunsch zwischen dem Investor und dem Fondsvehikel ein zusätzliches Investitionsvehikel mit gegebenenfalls mehreren Compartments geschaltet. Die einzelnen Compartments können in unterschiedliche Fondsvehikel investieren und erhöhen die Flexibilität zukünftiger Investitionen. Das Investitionsvehikel kann je nach Anforderung des Investors Beteiligungen oder Schuldtitel emittieren. Das kann sich beim regulierten Investor auf die zukünftigen Kapitalhinterlegungspflichten auswirken. Diese Emissionen, ob eher dem Eigenkapital oder dem Fremdkapital zuzuordnen, werden so für den Investor strukturiert, dass sie dem VAG oder anderen länderspezifischen aufsichtsrechtlichen Anforderungen genügen. Gegebenenfalls sind sie den jeweiligen Quoten anzurechnen. Je nach Auswahl des Fondsvehikels und Strukturierung des Investitionsvehikels Benefits! 35 Bilanzen & Finanzen sind steuerliche Aspekte zu beachten und eventuell spezifische Ratinganforderungen zu erfüllen. Sorgfältige Managerselektion Die Auswahl der Manager und die spezifische Gestaltung der Investitionsvehikel sind komplex und bedürfen einer genauen individuellen Analyse mit Sachkenntnis, Erfahrung und umfangreichen Due-Diligence-Prozessen. In der Praxis hat sich wiederholt gezeigt, wie schwer es ist, gerade Infrastruktur-Asset-Manager in bestehende Strukturen zu integrieren. Liquiditätsrestriktionen sind bei der Managerauswahl und bei der Strukturierung zu berücksichtigen. Risikomanagement und regelmäßige Bewertung der Engagements sind zentrale Anforderungen, die sich im jeweiligen Reporting widerspiegeln. Hinweis für die Praxis Infrastrukturinvestitionen können langfristig stabile Zahlungsströme bei einem hohen Grad an Werterhaltung und Diversifikation liefern. Die Auswahl und Analyse der Projekte oder der Infrastruktur-AssetManager ist ebenso von fundamentaler Bedeutung wie die Strukturierung des Investitionsvehikels und die Auswahl der Serviceprovider wie der Kapitalanlagegesellschaften, der Depotbanken, der Anwälte und der Berater. Infrastrukturinvestments eignen sich besonders als Assetklasse für institutionelle Investoren. Beratung durch Towers Watson Towers Watson unterstützt Investoren bei der Auswahl der Infrastruktur-Asset-Manager und darüber hinaus bei der Implementierung von Investitionsvehikeln. Weitere Informationen Die OECD-Studie „Pension Funds Investment In Infrastructure“ (2011) ist nachzulesen unter www.oecd.org/dataoecd/59/33/48634596.pdf. Die Towers-Watson-Studie zu „Investing in private markets“ ist nachzulesen unter www.towerswatson.de/research/7037. Christian Salow [email protected] Telefon: +49 69 1505-5246 36 towerswatson.de Recht & Steuern „Bei „ der Übertragung von Pensionsverpflichtungen ist die Rentenanpassung bei der Verpflichtungsbewertung mit zu berücksichtigen.“ Rentenanpassung: Kaufkraftverlust für Zeiträume vor dem 1.1.2003 BAG vom 11.10.2011 – 3 AZR 527/ 09 Das BAG legt erstmals die genauen Berechnungsschritte dar, die für die Ermittlung des Kaufkraft verlusts angesichts der Umstellung des relevanten Preisindex anzuwenden sind. Betriebsrenten sind regelmäßig an die Kaufkraftentwicklung anzupassen (§ 16 BetrAVG). Der hierfür einzustellende Anpassungsbedarf der Betriebsrentner ermittelt sich nach der zwischen dem Rentenbeginn und dem Anpassungsstichtag eingetretenen Kaufkraftverlust, soweit dieser nicht durch vorhergehende Anpassungen ausgeglichen wurde. Zum Übergang von einem Lebenshaltungskostenindex auf einen anderen wendet das BAG auf der Grundlage des § 30c Abs. 4 BetrAVG die so genannte Rückrechnungsmethode an. Das BAG hat nun erstmals genauer ausgeführt, wie der eingetretene Kaufkraftverlust angesichts des Übergangs von dem vom Statistischen Bundesamt veröffentlichen Preisindex für die Lebenshaltungskosten von 4-Personen-Haushalten von Arbeitern und Angestellten mit mittlerem Einkommen (LHK, maßgeblich für Prüfungszeiträume bis zum 31.12.2002) auf den Verbraucherpreisindex für Deutschland (VPI, maßgeblich für Prüfungszeiträume ab dem 1.1.2003) nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG in Verbindung mit der gesetzlichen Übergangsregelung des § 30c Abs. 4 BetrAVG zu berechnen ist. Das BAG wendet hier die von ihm so bezeichnete Rückrechnungsmethode an. Danach wird die Teuerungsrate zwar aus den seit 2003 maßgeblichen Indizes (VPI) berechnet. Für Zeiträume, die vor dem 1.1.2003 liegen, wird der VPI jedoch in dem Verhältnis umgerechnet, in dem sich dieser Index und der LHK im Dezember 2002 gegenüberstanden. Das BAG umschreibt in den Entscheidungsgründen die einzelnen Schritte der Berechnung: •• In einem ersten Rechenschritt ist zunächst der VPI, Stand Dezember 2002, ins Verhältnis zu setzen zum LHK, Stand Dezember 2002. •• In einem zweiten Rechenschritt ist der LHK für den Monat vor Rentenbeginn zu ermitteln und mit dem im ersten Rechenschritt errechneten Faktor zu multiplizieren. •• Der sich danach ergebende Wert ist sodann in einem dritten Rechenschritt ins Verhältnis zu setzen zum VPI für den Monat vor dem Anpassungsstichtag. Christine Bleeck Hinweis für die Praxis Diese Berechnung entspricht im Ergebnis der in der Praxis weitgehend angewandten Berechnungsmethode, die sich in ihren Rechenschritten am Wortlaut des § 30c Abs. 4 BetrAVG orientiert: Hiernach wird zunächst die Teuerung im Zeitraum vom Rentenbeginn bis einschließlich 31.12.2002 nach dem LHK und anschließend die Teuerung für den folgenden Zeitraum bis zum Anpassungsstichtag nach dem dann maßgeblichen VPI festgestellt. christine.bleeck@ towerswatson.com Telefon: +49 611 794-336 Benefits! 37 Recht & Steuern Versorgungsausgleich bei fondsakzessorischen Zusagen BGH vom 29.2.2012 – XII ZB 609 /10 Bei einer fondsakzessorischen Zusage ist ein nachehezeitlicher Wertzuwachs nicht zu berücksichtigen, ein nachehezeitlicher Wertverlust hingegen dann, wenn er vom Tatrichter konkret festgestellt wurde. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist zur externen Teilung einer privaten fondsgebundenen Rentenversicherung ergangen. Nach Einschätzung von Towers Watson sind die Wertungen des BGH aber auf betriebliche fondsakzessorische Versorgungszusagen sinngemäß übertragbar. Der BGH stellt zunächst klar, dass fondsakzessorische Zusagen trotz der Möglichkeit späterer Kursschwankungen dann ausgleichsreif sind, wenn am Ehezeitende Unverfallbarkeit besteht. In dem zugrunde liegenden Fall richtete sich der Wert der Versorgung nach einem Fondsguthaben, welches unmittelbar bestimmten Zeitabschnitten zugeordnet werden kann. Der BGH hatte unter anderem die Frage zu beantworten, wie nachehezeitliche Wertzuwächse bzw. Wertverluste im Rahmen des Versorgungsausgleichs zu berücksichtigen sind. In seiner Entscheidung analysiert der BGH zunächst das Regel-Ausnahmeprinzip im Versorgungsausgleichsgesetz (§ 5 Abs. 2 VersAusglG). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung im Versorgungsausgleich ist danach grundsätzlich das Ende der Ehezeit (§ 5 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG). Hiervon sieht § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG eine Ausnahme vor, indem rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ehezeitanteil zurückwirken, zu berücksichtigen sind. Nach Einschätzung des BGH kommt es für die Berücksichtigungsfähigkeit nachehezeitlicher Veränderungen damit entscheidend darauf an, ob durch sie der Ehezeitanteil selbst rückwirkend verändert wird oder ob eine nachehezeitliche Entwicklung eintritt, die den Ehezeitanteil unverändert belässt. Nachehezeitlicher Wertzuwachs nicht zu berücksichtigen Vor diesem Hintergrund kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass ein nachehezeitlicher Wertzuwachs bei einer fondsakzessorischen Versorgungszusage nicht zu berücksichtigen ist. Dynamikunterschiede zwischen der Versorgung der ausgleichspflichtigen Person und der Zielversorgung werden nach neuem Recht nicht mehr korrigiert. Im Fall einer internen Teilung besteht dafür kein Bedarf, weil die Teilhabe an der künftigen Wertentwicklung von vornherein für den Ausgleichberechtigten gesichert ist. Bei der externen Teilung verzichtet der Gesetzgeber 38 towerswatson.de ausdrücklich auf eine nachträgliche Korrektur von Dynamikunterschieden. Entsprechend wirke auch die nachehezeitliche Dynamik der fondsgebundenen Zusage nicht auf den Ehezeitanteil zurück. Durch den stichtagsbezogenen Ausgleich sei es dem Ausgleichsberechtigten überlassen, ab dem Ende der Ehezeit aus dem begründeten Anrecht entsprechende Zuwächse im Rahmen der gewählten Zielversorgung zu erreichen. Ein nachehezeitlicher Wertverlust in einer fondsakzessorischen Zusage sei demgegenüber als eine tatsächliche nachehezeitliche Veränderung einzustufen, die auf den Ehezeitanteil zurückwirken kann und dann entsprechend zu berücksichtigen ist. Entscheidendes Kriterium ist für den BGH insoweit, dass sich ein Wertverlust nicht nur auf nachehezeitliche Zuwächse, sondern vielmehr auf den Ehezeitanteil des Anrechts auswirkt und im Extremfall sogar so weit gehen kann, dass weniger als der (hälftige) Ausgleichswert bei Ehezeitende vorhanden ist. Soweit ein auszugleichendes Anrecht nicht mehr vorhanden sei, komme ein Versorgungsausgleich nicht mehr in Betracht. Nur ein Anrecht, welches im Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich noch vorhanden sei, könne in den Versorgungsausgleich einbezogen werden. Entsprechendes gelte, wenn das Anrecht im Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung nur noch mit einem geringeren Wert als bei Ehezeitende vorhanden sei. Nur tatsächlich festgestellter Wertverlust berücksichtigungsfähig Zu beachten ist insoweit jedoch, dass laut BGH nur ein vom Tatrichter konkret festgestellter nachehezeitlicher Wertverlust berücksichtigt werden kann, nicht dagegen die bloß abstrakte Möglichkeit eines nachehezeitlichen Wertverlustes. Jedoch bleibe der nachehezeitliche Wertverlust insoweit unberücksichtigt, als bis zur letzten tatrichterlichen Entscheidung bereits eine gegenläufige Entwicklung eingesetzt hat, die den nachehezeitlichen Wertverlust (teilweise) wieder auffängt. Der nachehezeitliche Wertanstieg des Ehezeitanteils hebe zunächst den nachehezeitlichen Wertverlust solange auf, bis der Überschuss als nachehezeitlicher Wertzuwachs unberücksichtigt bleibe. Hinweis für die Praxis Die vom BGH aufgestellten Grundsätze können nach Einschätzung von Towers Watson auf fondsakzessorische betriebliche Versorgungszusagen sinngemäß übertragen werden. Eine einschlägige BGHEntscheidung zu fondsakzessorischen bAV-Zusagen exisitiert allerdings bislang nicht. Zu tenorieren ist für den Fall der sinngemäßen Anwendung der jetzigen BGH-Entscheidung der Kapitalwert zum Stichtag Ehezeitende, also üblicherweise der korrespondierende Kapitalwert als Euro-Betrag. Eine Verzinsung des stichtagsbezogenen Euro-Betrages ist nach Einschätzung von Towers Watson bei der externen Teilung nicht notwendig, sofern der stichtagsbezogene Betrag keine Abzinsung enthält (so auch: OLG Karlsruhe vom 2.5.2012 – 2 UF 287 / 11 und OLG Stuttgart vom 30.3.2012 – 17 UF 32 / 12). Offen bleibt bislang die Folgefrage, ob und wann der Versorgungsträger verpflichtet ist, bei absinkenden Kursen eine entsprechende Mitteilung an das Familiengericht bzw. an die Ehegatten zu geben. Vor dem Hintergrund der für die bAV noch offenen Fragen können bewährte Teilungsverfahren nach Auffassung von Towers Watson bis zur Konkretisierung der BGH-Rechtsprechung zu dieser Thematik beibehalten werden. Bettina Jumpertz [email protected] Telefon: +49 611 794-182 Ablösung einer Versorgungsordnung – Umstellung von Renten – auf Kapitalzusagen BAG vom 15.5.2012 – 3 AZR 11 /10 Die Umstellung von Rentenanwartschaften auf Kapitalanwartschaften bedarf wegen der damit für den Arbeitnehmer verbundenen immateriellen Nachteile einer eigenständigen Rechtfertigung anhand der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit. Dies gilt nicht, wenn dem Arbeitnehmer ein unbeschränktes Rentenwahlrecht eingeräumt ist. Der Rechtstreit bezog sich im Ausgangspunkt auf die Frage, welche Versorgungsbestimmungen für die zwischenzeitlich unverfallbar ausgeschiedene Klägerin maßgeblich sind. Insoweit wurden die ursprünglich – auf betriebsvereinbarungsrechtlicher Basis zugesagten – Versorgungsbestimmungen mehrfach durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen abgelöst. Im Rahmen der letzten Ablösung wurde dabei u. a. auch die Leistungsform von Rente auf Kapital umgestellt. In der Sache hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) den Rechtsstreit zwar letztlich zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das zuständige Landesarbeitsgericht (LAG) zurückverwiesen. Das BAG hat sich in der Entscheidung jedoch mit verschiedenen, für die betriebliche Altersversorgung zentralen Themenbereichen auseinandergesetzt. Dieser Beitrag stellt den inhaltlichen Teilaspekt der nunmehr neu statuierten Anforderungen bei der (kollektiven) Umstellung von Renten- auf Kapitalzusagen dar. Nach dem BAG bedarf die Ersetzung einer Rentenanwartschaft durch eine Anwartschaft auf eine Kapitalleistung in einer ablösenden Betriebsvereinbarung nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit einer eigenständigen Rechtfertigung. Laufende Rentenleistungen haben für den Arbeitnehmer eine besondere Wertigkeit. Er kann darauf vertrauen, als Gegenleistung für seine Dienste und seine Betriebstreue im Alter laufende Rentenzahlungen zu erhalten. Deshalb hat ein Arbeitgeber, der eine Zusage laufender Rentenleistungen durch die Zusage einer Kapitalleistung ersetzen will, diese Umstellung besonders zu rechtfertigen. Benefits! 39 Recht & Steuern Die Rechtfertigung richtet sich dabei nicht materiell nach der Drei-Stufen-Theorie, sondern nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und Verhältnismäßigkeit, wonach die Interessen beider Seiten abzuwägen sind. Die vom Arbeitgeber angeführten Gründe müssen umso gewichtiger sein je schwerwiegender die Nachteile für den Arbeitnehmer sind. Die Umstellung auf Kapital ist nur dann gerechtfertigt, wenn das hierauf gerichtete Interesse des Arbeitgebers das Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt der Rentenleistung erheblich überwiegt. Es reicht nicht aus, dass die Entscheidung des Arbeitgebers lediglich „nicht willkürlich“ ist, weil Sachgründe eine Umwandlung des Rentenversprechens in eine Kapitalleistung nahe legen. Das BAG erwähnt, dass sich im Rahmen der Abwägung wirtschaftliche Gründe zu Gunsten des Arbeitgebers auswirken können, etwa, wenn dieser auf Dauer nicht mehr in der Lage ist, die Kosten des bisherigen Versorgungswerkes einschließlich der daran anknüpfenden Anpassungsprüfungen aufzubringen. Auch Vorteile im Hinblick auf Bilanzierung und Finanzierung sollen berücksichtigungsfähig sein. Schließlich kann auch eine Leistungsverbesserung durch Anhebung des Dotierungsrahmens die Abwägung zu Gunsten des Arbeitgebers beeinflussen. Fehlende Rechtfertigung – Unwirksamkeit der Ablösung Rechtsfolge einer fehlenden eigenständigen Rechtfertigung ist – im Zweifel – die Unwirksamkeit der gesamten Ablösung und der Rückfall auf die vormalige Rentenzusage. Da BAG hat hingegen ausdrücklich deutlich gemacht, dass es keiner eigenständigen Rechtfertigung bedarf, wenn dem Mitarbeiter ein unbeschränktes Rentenwahlrecht (Rentenoption) eingeräumt ist, d. h. wenn das Wahlrecht nicht von weiteren inhaltlichen Voraussetzungen und insbesondere nicht von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängig ist. Besteht zwar ein beschränktes Rentenwahlrecht, ist aber zugleich (im Rahmen der Ablösung) eine Mindest- oder Garantierente zugesagt, so ist dieser Umstand zu berücksichtigen, wenn sie betragsmäßig den erforderlichen Besitzstandsschutz gewährleistet. Im konkreten Fall fehlten dem BAG die entsprechenden Informationen. Sollte die nachzuholende Prüfung durch das LAG ergeben, dass die Garantierente vorliegend „nicht ausreicht“ bzw. „nicht zieht“, kommt es – bezüglich des Aspektes der Kapitalumstellung – dann wieder darauf an, ob die Vorgaben der eigenständigen Rechtfertigung für die Umstellung auf Kapital erfüllt sind. 40 towerswatson.de Hinweis für die Praxis Erfreulich ist, dass das BAG weiterhin bestätigt, dass laufende Rentenzahlungen und einmalige Kapitalleistungen grundsätzlich gleichwertige Formen der betrieblichen Altersversorgung sind. Für bereits bestehende Rentenzusagen statuiert das BAG jedoch einen besonderen immateriellen Vertrauensschutz wie oben dargestellt. Dabei stützt sich das BAG u. a. auch auf die gesetzliche Wertung des Abfindungsverbotes (§ 3 Betriebsrentengesetz – BetrAVG) und nimmt (einseitig) Ausführungen zu den Vorteilen laufender Rentenleistungen vor. Eine Auseinandersetzung mit anderen gesetzlichen Wertmaßstäben (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG) oder den Vorteilen von Kapitalzahlungen lässt das BAG jedoch leider vermissen. Besonders bedenklich sind die Ausführungen des BAG zu den Rechtsfolgen. Fehlt es an der eigenständigen Rechtfertigung der Umstellung auf Kapital, so soll – im Zweifel – die gesamte Ablösung unwirksam sein, was in der Folge faktisch einen Rückfall auf die vormalige Rentenzusage bedeutet. Neuordnungen, bei denen Renten- durch Kapitalzusagen ersetzt wurden, sollten daher überprüft werden. Sofern den abgelösten Mitarbeitern – oftmals auch aus (lohn-) steuerlichen Erwägungen – hierbei formal kein unbeschränktes Rentenwahlrecht eingeräumt wurde, sollten etwaige hieraus resultierende Risiken anhand des betroffenen Personenkreises und der potentiellen Rentenvolumina abgeschätzt werden. Soweit die besonderen Rechtfertigungsgründe für eine Umstellung auf eine Kapitalzusage nicht vorliegen, empfiehlt es sich, durch entsprechende Anpassungen der Auszahlungsbestimmungen auch formal das vom BAG geforderte unbeschränkte Rentenwahlrecht für die abgelösten Mitarbeiter zu dokumentieren. Beratung durch Towers Watson Towers Watson unterstützt Unternehmen bei der Überprüfung der Zusagen sowie der ggf. erforderlichen Risikoabschätzung. Dr. Rekka Schubert-Eib [email protected] Telefon: +49 7121 3122-235 Altersteilzeit und ruhegeldfähiges Einkommen BAG vom 17.4.2012 – 3 AZR 280 /10 Die Vergütung von Altersteilzeitbeschäftigten ähnelt eher der Vergütung von Voll- als von Teilzeitbeschäftigten. Dies ist bei Leistungszusagen bei der Ermittlung des ruhegeldfähigen Einkommens zu berücksichtigen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat erstmals zu der Berücksichtigung der Altersteilzeit beim ruhegeldfähigen Einkommen in einer Leistungszusage Stellung genommen. Die hier aufgestellten Grundsätze sind über den Einzelfall hinaus von Bedeutung. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger hatte Ansprüche nach einer Gesamtzusage, die 1981 geschaffen und 1992 abgeändert worden war – beides also vor Inkrafttreten des Altersteilzeitgesetzes im Jahr 1996. Er war bei der Beklagten von 1977 bis 2008 beschäftigt gewesen, davon die letzten sechs Jahre in Altersteilzeit im Blockmodell. Die Rentenformel sah einen Prozentsatz des rentenfähigen Arbeitsverdienstes für jedes anrechnungsfähige Dienstjahr vor. Feststellungsmonat für den rentenfähigen Arbeitsverdienst war der letzte volle Kalendermonat der anrechnungsfähigen Dienstzeit. Der rentenfähige Arbeitsverdienst war detailliert definiert und schloss unregelmäßige und unstete Vergütungsbestandteile aus. In der Zusage war geregelt, dass bei einem immer oder teilweise teilzeitbeschäftigten Mitarbeiter der rentenfähige Arbeitsverdienst mit dem durchschnittlichen Beschäftigungsgrad gewichtet wird, welcher sich aus der individuell vereinbarten zur tariflichen Arbeitszeit in den letzten 120 Kalendermonaten vor dem Ausscheiden ergibt. Eine ausdrückliche Aussage zur Berücksichtigung von Altersteilzeit wurde in der Zusage nicht getroffen. Das beklagte Unternehmen hatte die beschriebene Teilzeitregelung auf den Kläger angewendet, seine sechs Jahre Altersteilzeit berücksichtigt und für ihn damit einen Beschäftigungsgrad von 70 Prozent angesetzt. Hiergegen wandte sich der Kläger und machte geltend, dass seine Betriebsrente auf Basis des rentenfähigen Arbeitsverdienstes eines während des Berücksichtigungszeitraums vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten berechnet werden müsse. Proportionales Verhältnis zwischen Arbeitszeit und rentenfähigem Verdienst Das BAG sprach dem Kläger im Ergebnis die geforderte Betriebsrente unter Berechnung auf Basis des rentenfähigen Arbeitsverdienstes eines Vollzeitbeschäftigten zu. Das Gericht stufte die Gesamtzusage als Allgemeine Geschäftsbedingungen ein und nahm daher eine Auslegung nach objektiven Kriterien vor: Die Berücksichtigung des rentenfähigen Arbeitsverdienstes des letzten Kalendermonats sowie die getroffene Teilzeitregelung dienten erkennbar der Abbildung des erreichten Lebensstandards und gingen von einem proportionalen Verhältnis zwischen Arbeitszeit und rentenfähigem Arbeitsverdienst aus. Der Betrachtungszeitraum der 120 letzten Kalendermonate sei repräsentativ und damit rechtlich nicht zu beanstanden. Benefits! 41 Recht & Steuern Bei Altersteilzeitbeschäftigten werde der Lebensstandard aber anders als bei sonstigen Teilzeitbeschäftigten nicht durch das Verhältnis der individuellen Arbeitszeit zur Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten geprägt, sondern zusätzlich durch die gesetzlich zwingend vorgegebenen Aufstockungsleistungen. Die in der Zusage vorausgesetzte Proportionalität zwischen dem Umfang der Arbeitszeit und der den Lebensstandard prägenden Vergütung treffe daher bei Altersteilzeitbeschäftigten nicht zu. Ihre Vergütung sei vielmehr der von Vollzeitbeschäftigten ähnlicher als der von Teilzeitbeschäftigten. Da die Zusage nach Einführung des Altersteilzeitgesetzes nicht geändert wurde, sei davon auszugehen, dass für die Altersteilzeitbeschäftigten keine Sonderregelungen gelten sollten, sondern sich ihr rentenfähiger Arbeitsverdienst nach der Grundregelung der Zusage bestimmen solle. Bettina Jumpertz bettina.jumpertz@ towerswatson.com Telefon: +49 611 794-182 Hinweis für die Praxis •• Unmittelbar betroffen sind nur Leistungszusagen mit Berücksichtigung eines ruhegeldfähigen Einkommens in der Rentenformel. Für typische beitragsorientierte Leistungszusagen und Beitragszusagen mit Mindestleistung dürften sich keine unmittelbaren Auswirkungen ergeben, da bei diesen nicht nur das letzte Einkommen abgebildet wird, sondern üblicherweise der gesamte Einkommensverlauf während der anrechnungsfähigen Dienstzeit und sich hierdurch die Bildung eines Beschäftigungsquotienten erübrigt. •• Es muss stets parallel geprüft werden, welche Sonderregelungen sich in der Altersteilzeitvereinbarung zur bAV finden. Hierdurch kann sich ggf. eine Überlagerung im Sinne einer Problemlösung ergeben. •• Bei Altersteilzeit ist in Versorgungszusagen, die vor dem Inkrafttreten des Altersteilzeit-Gesetzes (23.7.1996) geschaffen wurden, durch Auslegung zu ermitteln, ob diese unter die allgemeine Teilzeitregelung fallen soll. Nach Ansicht des BAG ist dies üblicherweise nicht der Fall, da die Altersteilzeit sich strukturell von der „normalen“ Teilzeit unterscheidet. •• Sofern die Altersteilzeit wie die „normale“ Teilzeit berücksichtigt wird, kann aus der Entscheidung des BAG Handlungsbedarf für den Versorgungsträger entstehen. Eine Lösung kann sein, zunächst abzuwarten, ob eine Neuberechnung der Betriebsrente gefordert wird, oder aber die Zusage aktiv anzupassen. Letzteres kann insbesondere dann interessant sein, wenn das Unternehmen Altersteilzeitverträge trotz des Auslaufens der Fördergelder durch die Bundesagentur für Arbeit seit 2010 weiter fördern möchte. •• Hinsichtlich „normaler“ Teilzeitbeschäftigung bestätigt das BAG erfreulicherweise die Zulässigkeit der Durchschnittsbildung für den Beschäftigungsquotienten über einen Zeitraum von zehn Jahren. Betriebsübergang: Verschlechternde Ablösung von Kollektivverträgen unzulässig? EuGH vom 6.9.2011 – C-108 /10 (Scattolon) Die Ablösung eines beim Betriebsveräußerer geltenden Tarifvertrags durch einen beim Erwerber geltenden Tarifvertrag darf nicht „zum Ziel oder zur Folge“ haben, dass die Arbeitsbedingungen der übergegangenen Arbeitnehmer insgesamt schlechter sind als zuvor. Dies könnte die bisher vorherrschende Auffassung in Frage stellen, dass ein Kollektivvertrag durch einen nachfolgenden Kollektivvertrag auch nach einem Betriebsübergang unter Anwendung des so genannten Ablöseprinzips verschlechternd abgelöst werden darf. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) erging zu einem Fall, in dem die Klägerin vor dem Betriebsübergang als Hausmeisterin in staatlichen Schulen einer italienischen Gemeinde beschäftigt 42 towerswatson.de war. Sie übte diese Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungs-, technischem und Hilfspersonal (ATA-Personal) der lokalen Gebietskörperschaften aus. Ab dem 1.1.2000 wurde das ATA-Personal der lokalen Gebietskörperschaften und somit auch die Klägerin in den staatlichen Dienst als Mitglied des ATA-Personals des Staates übernommen. Für das ATA-Personal des Staates und der lokalen Gebietskörperschaften gelten unterschiedliche Kollektivverträge. Im Rahmen der Übernahme wurde festgelegt, dass das ATA-Personal der lokalen Gebietskörperschaf- ten ab dem Zeitpunkt des Übergangs zwar dem Kollektivvertrag für das ATA-Personal des Staates unterliegt, die übergegangenen Arbeitnehmer aber nicht das Arbeitsentgelt erhalten, das ihrem bei der lokalen Gebietskörperschaft erreichten Dienstalter entspricht. Vielmehr wurde diesen Arbeitnehmern eine Gehaltsstufe zugewiesen, die ihrem am 31.12.1999 bezogenen Jahresarbeitsentgelt entspricht oder unmittelbar darunter liegt. Da die Klägerin der Auffassung ist, dass sie aufgrund der Nichtanerkennung ihres Dienstalters von etwa 20 Jahren eine erhebliche Lohneinbuße erleidet, erhob sie Klage vor dem nationalen Gericht auf Anerkennung ihres gesamten Dienstalters. Der EuGH, dem die Angelegenheit durch das nationale Gericht zur Vorabentscheidung vorgelegt wurde, stellt zu der hier interessierenden Frage zwar zunächst fest, dass der Betriebserwerber den bei ihm geltenden Kollektivvertrag ab dem Zeitpunkt des Übergangs anwenden darf. Die EU-Richtlinie zum Betriebsübergang (RL 77 / 187/ EWG bzw. RL 2001 / 23 / EG ) lasse dem Erwerber und den anderen Vertragsparteien einen Spielraum zur Integration der übergegangenen Arbeitnehmer in die Lohn- und Gehaltsstruktur des Erwerbers. Allerdings müssen die hierzu gewählten Modalitäten mit dem Ziel der RL – zu verhindern, dass sich die Lage der übergegangenen Arbeitnehmer allein aufgrund des Betriebsübergangs verschlechtert – vereinbar sein. Hat die Ersetzung des Kollektivvertrages des Veräußerers durch den Kollektivvertrag des Erwerbers allerdings „zum Ziel oder zur Folge“, dass den übergegangenen Arbeitnehmern insgesamt schlechtere Arbeitsbedingungen als die vor dem Übergang geltenden auferlegt werden, könnte die Verwirklichung des mit der RL verfolgten Ziels in jedem durch Kollektivverträge geregelten Bereich leicht in Frage gestellt werden. Dies würde die praktische Wirksamkeit der RL beeinträchtigen. Hinweis für die Praxis Die Rechte und Pflichten aus einem beim Betriebsveräußerer geltenden Kollektivvertrag werden nicht in das Arbeitsverhältnis transformiert, wenn diese Rechte und Pflichten beim Betriebserwerber durch Rechtsnormen eines anderen Kollektivvertrags geregelt werden (§ 613 a Abs. 1 S. 3 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). In diesem Fall ist der beim Erwerber geltende Kollektivvertrag auf die übergegangenen Arbeitnehmer anzuwenden. Nach bisheriger Auffassung galt dies auch dann, wenn der beim Erwerber anwendbare Kollektivvertrag zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der übergegangenen Arbeitnehmer führt. Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung (bAV) ist hierbei bei Betriebsvereinbarungen allerdings i. d. R. zumindest der bis zum Betriebsübergang erdiente Versorgungsbesitzstand aufrechtzuerhalten (vgl. zu Betriebsvereinbarungen z. B. BAG vom 24.7.2001 – 3 AZR 660 / 00). Aufgrund des o. g. EuGH-Urteils könnte die Möglichkeit der verschlechternden Ablösung von Kollektivverträgen nach einem Betriebsübergang nunmehr grundsätzlich in Frage gestellt werden. Konsequenz dessen wäre, dass per Betriebsübergang übergegangene Arbeitnehmer besser gestellt werden als andere Arbeitnehmer. Dies steht aber nicht mit der auch vom EuGH vertretenen Auffassung im Einklang, dass ein Arbeitnehmer allein aufgrund eines Betriebsübergangs keinen Anspruch auf Verbesserung seiner Rechtsposition hat. Ohne Betriebsübergang hätte der beim Veräußerer geltende Kollektivvertrag unter Anwendung des Ablöseprinzips nämlich durch einen nachfolgenden Kollektivvertrag verschlechternd abgelöst werden können; im Bereich der bAV allerdings nur unter Beachtung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes, welche durch das BAG im Rahmen des sog. „Drei-Stufen-Modells“ konkretisiert wurden. Es bleibt daher zu hoffen, dass es sich bei diesem Urteil um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Aussagekraft handelt. Sebastian Löschhorn, LL.M. [email protected] Telefon: +49 611 794-4414 Benefits! 43 Recht & Steuern Verpflichtungskauf und Schuldbeitritt Bewertung von Pensionsverpflichtungen / BFH vom 14.12.2011 (I R 72 /10) und 26.4.2012 (IV R 43 /09) Gleich zwei Entscheidungen des BFH haben in jüngster Zeit für Furore gesorgt. In der Konsequenz führen sie zu einem steuerlich anzuerkennenden Ansatz von Pensionsverpflichtungen jenseits der Vorgaben des § 6a EStG, beim Erwerb nur zeitweise bzw. nur anteilig, beim Schuldbeitritt auf Dauer. Während die Entscheidung vom 14.12.2011 zum bilanziellen Umgang mit erworbenen Verpflichtungen durch die Entscheidung vom 16.12.2009 quasi angekündigt war und insoweit nicht überraschte, war eine Entscheidung zum Schuldbeitritt durch die Revision zum Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster zwar erwartet, inhaltlich aber neu. In beiden Entscheidungen werden Schreiben der Finanzverwaltung – 24.4.2011 und 16.12.2005 – abgelehnt. Betriebserwerb Bei der Übernahme einer Pensionszusage im Zusammenhang mit einem Arbeitgeberwechsel zwischen dem abgebenden und dem aufnehmenden Unternehmen hat der ausgehandelte „Preis“ gem. R 6a Abs. 13 Einkommensteuerrichtlinie (EStR) auch grundsätzlich steuerbilanziell Bestand. Hingegen sollte die Pensionsrückstellung nach dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 24.4.2011 beim Übergang von Pensionsverpflichtungen im Zusammenhang mit einem Betriebserwerb („asset deal“) ohne Berücksichtigung des ausgehandelten „Preises“ nach den Grundsätzen des § 6a EStG gebildet werden. Dem ist der Bundesfinanzhof (BFH) entgegengetreten. Er bestätigt, dass auch in diesen Fällen der Anschaffungsvorgang bei der Bewertung mit berücksichtigt werden müsse und insoweit Vorrang vor der reinen Bewertung nach § 6a Einkommensteuergesetz (EStG) hat. Klar ist damit, dass die Rückstellung in Höhe des vereinbarten Kaufpreises auch steuerlich anzusetzen ist. Offen ist hier noch die weitere Entwicklung der Rückstellung in der Zukunft. Hier gibt es zwei Alternativen: •• Die Rückstellung bleibt so lange unverändert, bis der nach § 6a EStG berechnete Rückstellungswert diese Position übersteigt oder •• die Anschaffungskosten werden analog zu R 6a Abs. 13 EStR als Barwert behandelt und die Rückstellung für eine etwaige Differenz nach dem Teilwertverfahren berechnet. Hierzu liegt eine Revision beim BFH zur Entscheidung vor. 44 towerswatson.de Schuldbeitritt Die aktuelle Entscheidung vom 26.4.2012 betrifft den ähnlichen Fall eines Schuldbeitritts. Im Recht der betrieblichen Altersversorgung (bAV) ist eine befreiende Schuldübernahme nur durch den Folgearbeitgeber oder eine Liquidationsversicherung möglich. Daher ist der Schuldbeitritt (neben der Auslagerung auf einen externen Versorgungsträger, die aber i. d. R. lohnsteuerliche Folgen nach sich zieht) die einzige Möglichkeit, die Verpflichtung aus der Altersversorgung wirtschaftlich an einen Dritten zu übertragen. Der Arbeitgeber schließt mit dem Dritten, der auch eine Konzerngesellschaft sein kann, einen entsprechenden Vertrag und stattet ihn auf der Grundlage einer Beitrittsvereinbarung so mit Vermögenswerten (i. d. R. eine zinsbereinigte Prämie) aus, dass er die Verpflichtungen auch erfüllen kann. Die Finanzverwaltung behandelt diese Vertragsgestaltung letztlich wie eine Rückdeckung (BMFSchreiben vom 16.12.2005). Die Prämienzahlung ist abzugsfähig, dafür ist ein entsprechender Freistellungsanspruch zu aktivieren. Dem ist nun die Rechtsprechung mit Blick auf die handelsbilanzielle Umsetzung entgegengetreten. Das schuldbefreite Unternehmen muss nichts bilanzieren, weder die Pensionsverpflichtung noch den Freistellungsanspruch. Bei der Bewertung der Pensionsverpflichtung ist die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme zu berücksichtigen. Diese besteht bei einem Schuldbeitritt mit entsprechender Dotierung bei dem freigestellten Unternehmen nicht. Ein Freistellungsanspruch ist entsprechend nicht zu aktivieren, da die Verpflichtung selbst wirtschaftlich nicht besteht; ein Rückzahlungsanspruch wäre dagegen aktivierungsfähig, wenn er denn werthaltig wäre. Das wiederum ist er nicht, solange damit zu rechnen ist, dass der Beigetretene die Pensionsverpflichtungen erfüllt. Konsequenzen In der Konsequenz führen beide Entscheidungen zu einem steuerlich anzuerkennenden Ansatz von Pensionsverpflichtungen jenseits der Vorgaben des § 6a EStG – beim Erwerb nur zeitweise bzw. nur anteilig, beim Schuldbeitritt auf Dauer. Daher ist es entscheidend, wie die Finanzverwaltung bzw. der Gesetzgeber auf diese Entscheidungen reagieren. § 6a EStG ist eine Vorschrift aus der Zeit des Passivierungswahlrechts für Pensionsverpflichtungen – das gibt es seit 1986 nur noch für sog. Altzusagen über Art. 28 EG-HGB. Von daher nähren diese Entscheidungen auch die Skepsis gegenüber § 6a EStG, während sich die Rechtsprechung grundsätzlich gehindert sieht, Bewertungsvorgaben, die im Gesetzt ausdrücklich angelegt sind, wie z. B. den Fehlbetrag, zu revidieren – das ist Aufgabe des Gesetzgebers. aktuellen Entscheidung problematisch. Es gibt diverse Gesetze (z. B. Jahressteuergesetz (JStG) 2007 i. V. m. § 52 Nr. 35 EStG 2007), die eine „Rechtsprechung gegen die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung“ korrigierten. Dabei wäre eine etwaige Rückwirkung an den verfassungsrechtlichen Grenzen zu messen. Für Unternehmen, die bereits über eine faktische Ausgliederung ihrer Pensionsverpflichtungen nachdenken, sollte die aktuelle Rechtsprechung kein Hindernis bei der weiteren Verfolgung dieser Überlegungen sein. Heinz-Josef Heger heinz-josef.heger@ towerswatson.com Telefon: +49 611 794-236 Ausblick Die Finanzverwaltung hat bereits angekündigt, dass sie an ihren Bewertungsvorstellungen festhalten will und ggf. eine Gesetzesänderung anstrebt. Das wiederum macht eine praktische Umsetzung der Übertragung von Pensionsverpflichtungen auf Pensionsfonds Berücksichtigung der Rentenanpassung Während bestehende Versorgungsverpflichtungen für Anwärter in einem BMF-Schreiben definiert sind, zeigt sich die Finanzverwaltung hinsichtlich der Bestimmung der bestehenden Verpflichtung für Rentner allerdings erstaunlich zurückhaltend. Problematisiert wird die Berücksichtigung der Anpassung. Die beiden Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14.12.2011 und 26.4.2012 (siehe Beitrag „Verpflichtungskauf und Schuldbeitritt“ auf S. 44) werden besonders augenfällig angesichts aktueller Entwicklungen, welche die Finanzverwaltung bei der Beurteilung von Übertragungen nach § 4e Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) an den Tag zu legen gewillt zu sein scheint. Hintergrund Die Regelungseinheit „§ 4e Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) i. V. m. § 3 Nr. 66 EStG“ gilt als die Lösung, wenn es darum geht, Pensionsverpflichtungen auszulagern und die Bilanz um diese Posten zu befreien. Der Arbeitgeber kann bestehende Versorgungsverpflichtungen lohnsteuerfrei mittels Zahlung eines Einmalbeitrags auf einen Pensionsfonds übertragen – auf Kosten eines sofortigen Betriebsausgabenabzugs für den die aufzulösende Rückstellung übersteigenden Teil des Beitrags, der auf zehn Jahre verteilt werden muss. Das gilt für Anwärter wie für Rentner. Für Anwärter definiert sich der übertragbare Teil der Zusage gemäß des Schreibens des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 26.10.2006. Prüfungsanpassung als Teil der Pensionsverpflichtung Bei der Bestimmung der bestehenden Verpflichtung für Rentner zeigt sich die Finanzverwaltung allerdings erstaunlich zurückhaltend. Problematisiert wird die Berücksichtigung der Anpassung. Die „Ein-Prozent-Anpassung“ (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 Betriebsrentengesetz – BetrAVG) wird selbstverständlich als bestehende Verpflichtung anerkannt. Jedoch wird bei der sog. Prüfungsanpassung (§ 16 Abs. 1, 2 BetrAVG) eine „bestehende Verpflichtung“ in Frage gestellt, da die Leistungshöhe noch nicht feststehe und die wirtschaftliche Lage entscheidend sei. Daher müsse jede positive Anpassung als Benefits! 45 Recht & Steuern neue Verpflichtung neu übertragen werden – mit der Folge, dass der hierfür anfallende Aufwand wieder auf zehn Jahre verteilt werden muss. Hier ist bereits die Folge einer Verteilung wirtschaftlich unsinnig, da ohne Übertragung die Rückstellung im Jahr der Anpassung gebildet werden könnte. Allerdings ist nach Einschätzung von Towers Watson bereits die Grundthese, dass die Verpflichtung nicht bestehe, problematisch. Das Arbeitsverhältnis von Rentnern ist beendet, die Rente vollumfänglich verdient. Die Anpassung ist, sei es nach der Zusage oder jedenfalls nach Gesetz, Teil dieser Verpflichtung. Damit sind sogar die Voraussetzungen für eine Rückstellung gegeben (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG); lediglich die Formvorschriften des § 6a EStG hindern eine Pensionsrückstellung. Der Begriff „bestehende Verpflichtung“ ist tautologisch – eine nicht bestehende Verpflichtung ist sowohl steuerlich wie handelsbilanziell irrelevant. Im Kontext der durch die Arbeitsleistung verdienten Altersversorgung ist bei Rentnern der Zahlbetrag einschließlich der Verpflichtung, diese Rente auf eine Anpassung hin zu überprüfen und im Regelfall anzupassen, vollumfänglich erdient. Die Anpassung ist also Teil der Verpflichtung. Sie ist bei der Sicherheitsleistung nach § 22 Umwandlungsgesetz (UmwG) zu berücksichtigen. Es besteht allerdings die Notwendigkeit, diese Verpflichtung zu konkretisieren. Das ist, wie sich aus § 253 Handelsgesetzbuch (HGB) erkennen lasst, kein nennenswertes Problem. Auch aus dem Nominalwertprinzip (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a, f EStG), ergibt sich kein Verbot. Es geht bei der Übernahme der Pensionsverpflichtungen von dem Pensionsfonds nicht um die Bildung von Rückstellungen, sondern um eine Kaufpreisfindung – und damit schließt sich der Kreis zu den BFH-Entscheidungen vom 14.12.2011 und 26.4.2012. Die steuerlichen Bewertungsregelungen finden keine Anwendung bzw. die Bewertung der Parteien geht den Vorschriften der Regelbewertung vor. Die Anpassung ist im Übrigen eine nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sichere Kostensteigerung. § 16 BetrAVG regelt die Anpassung in drei verschiedenen, gleichwertigen Alternativen: Die Garantieanpassung nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG oder die Überschussmitgabe nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 Betr AVG sind typisierte Modifikationen, welche die Regelanpassung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ersetzen. Fazit Bei der Übertragung von Pensionsverpflichtungen ist die Anpassung mit zu berücksichtigen. Mit Blick auf die aktuelle Diskussion mit der Finanzverwaltung muss man sich allerdings auf eine rechtliche Klärung der Frage einstellen. Heinz-Josef Heger heinz-josef.heger@ towerswatson.com Telefon: +49 611 794-236 46 towerswatson.de Pensionszusagen an GesellschafterGeschäftsführer Gehaltsabsenkungen / Finanzierungsendalter Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte sich erneut mit der Frage befasst, ob die Absenkung des Gehalts wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten Auswirkungen auf eine Pensionszusage hat – und hat sie erneut bejaht. Nur eine kurzfristige Gehaltsabsenkung kann unschädlich sein. Bei einer wahrscheinlich längerfristigen oder gar dauerhaften Gehaltsabsenkung bedarf es einer eindeutigen Regelung, in der insbesondere der Aspekt einer möglichen Überversorgung zu klären ist (BFH vom 27.3.2012 – I R 56 / 11). Die Entscheidung verdeutlicht die Notwendigkeit, die Auswirkungen von Änderungen vertraglicher Regelungen akribisch zu prüfen, zu dokumentieren und abhängige Verträge anzupassen. Mit AdV-Beschluss vom 20.2.2012 hat sich das Finanzgericht (FG) München (7 V 2818 / 11) zur Frage der Änderung des Finanzierungsendalters bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern nach R 6a Abs. 8 Einkommensteuerrichtlinien (EStR) geäußert. Die Rückstellung war auf das vertragliche Pensionierungsalter 65 ausgerichtet. Die Richtlinie sieht vor, dass das Finanzierungsendalter in Abhängigkeit von den Geburtsjahrgängen sukzessive auf das 67. Lebensjahr angehoben werden müsse. Seitens der Betriebsprüfung wurde die Nichtbeachtung dieser Vorschrift gerügt. Dem widerspricht das Gericht. Es gäbe keinen Grund, bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern von der gesetzlichen Regelung des § 6a Einkommensteuergesetz (EStG), d. h. dem Abstellen auf das vertragliche Pensionierungsalter, abzuweichen, jedenfalls nicht bei Altverträgen und dann nicht, wenn bereits bisher das 65. Lebensjahr als Pensionierungsalter vereinbart war. Diese Entscheidung erging in einen AdV-Verfahren auf Grundlage einer summarischen Prüfung ohne Rechtsmittel. Gleichwohl stellt diese Entscheidung R 6a Abs. 8 EStR, wonach unabhängig vom vertraglichen Pensionierungsalter stets auf die Regelaltersgrenze abzustellen ist, auf das Prüfstand. Heinz-Josef Heger heinz-josef.heger@ towerswatson.com Telefon: +49 611 794-236 Weitere aktuelle BMF-Schreiben •• Das Schreiben vom 5.6.2012 (IV C 6 – S 2133-b /11 /10016) äußert sich zu Verfahrensgrundsätzen bei der Aufstellung der E-Bilanz (Ergänzung des BMF-Schreibens vom 28.9.2011, BStBl I 2011, 855). •• Das Schreiben vom 6.3.2012 (BStBl I 2012, 238) ergänzt das BMF-Schreiben vom 17.10.2012 (= BMF 26.7.2011, DStR 2011 S. 2001). Es äußert sich zur Anpassung von Versorgungszusagen an die Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre und nennt die Anforderungen für eine steuerunschädliche Verlängerung von Versicherungsverträgen (Direktversicherungen, Pensionskassen in Bezug auf § 40b EStG a. F.). •• Das Schreiben vom 14.6.2012 (BStBl I 2012, 311) äußert sich zur Aufteilung von Leistungen aus versteuerten und unversteuerten Beiträgen. Es modifiziert das BMF-Schreiben vom 11.11.2004 (BStBl I 2004, 1061) in Bezug auf das beitragsproportionale Verfahren. Soweit dieses zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt, kann der Leistungsempfänger die Aufteilung nach versicherungsmathematischen Grundsätzen verlangen. •• Das Schreiben vom 25.11.2011 (BStBl I 2011, 1250) behandelt die praktische Umsetzung des BFH-Urteils vom 9.12.2010 (BStBl II 2011, 978), wonach die Finanzierungsanteile der Arbeitnehmer, die in dem Gesamtversicherungsbeitrag des Arbeitgebers an eine kapitalgedeckte Pensionskasse enthalten sind, als Arbeitgeberbeiträge in den Grenzen des § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei sind. Der BFH hatte deutlich gemacht, dass für die Abgrenzung zwischen Eigenbeitrag und Entgeltumwandlung aus steuerlicher Sicht nur die versicherungsvertragliche Außenverpflichtung maßgeblich sei. Diese Beiträge wurden in der Praxis häufig aus versteuertem Einkommen abgeführt bzw. nach § 10a EStG gefördert. Die Finanzverwaltung beschreibt die Möglichkeiten, wie die bisherige Praxis beibehalten werden kann und welche Schritte erforderlich sind, um die Steuerfreiheit zu erreichen. Benefits! 47 Administration & Software „Schlüsselfrage „ zu Beginn weitergehender Überlegungen sollte sein, wie das derzeitige Organisations- und Servicemodell der bAV-Verwaltung zu den künftigen strategischen Herausforderungen an HR im Allgemeinen und an die bAV-Abteilung im Speziellen passt.“ Optimierung von bAV-Verwaltungsprozessen Effizienz, Risikomanagement und Compliance Angesichts neuer Rahmenbedingungen und Anforderungen an die bAV prüfen viele Unternehmen die Ausrichtung ihrer bAV-Organisation im Hinblick auf alternative und optimierte Organisationsmodelle. Dabei stehen vor allem Effizienz und Risiko-Management sowie Governance- und Compliance-Themen im Fokus. Die betriebliche Altersversorgung (bAV) und deren Organisation im Unternehmen befindet sich ähnlich wie die gesamte HR-Funktion im fortlaufenden Wandel. Strukturen und Abläufe in der Verwaltung von betrieblichen Versorgungswerken und hinsichtlich der Betreuung von Versorgungsanwärtern und Betriebsrentnern unterliegen immer höheren Anforderungen. Moderne bAV-Zusagen sind meist vielschichtig und flexibel gestaltet; zudem wächst die Anzahl unterschiedlicher Pensionspläne in den Unternehmen weiter an. Zahlreiche – auch neue – Aufgabenfelder wie z. B. die globale Koordination, aufsichtsrechtliche Themen oder Risikomanagement sind zu berücksichtigen. Der immer kurzfristiger benötigte Steuerungs- und Koordinationsbedarf infolge von äußeren Einflüssen (beispielsweise gesetzliche Anforderungen oder etwa Finanzmarktkrisen) erhöht sich stetig. Mitarbeiter wollen immer regelmäßiger und genauer über ihre Betriebsrente informiert werden. Vor diesem Hintergrund prüfen viele Unternehmen die Ausrichtung ihrer bAV-Organisation im Hinblick auf alternative und optimierte Organisationsmodelle, 48 towerswatson.de auf Effizienz und Risiko-Management sowie Governance- und Compliance-Themen. Tradierte Strukturen – neue Anforderungen Die Prüfung und eine mögliche Weiterentwicklung der bAV-Organisation wird regelmäßig durch im Zeitablauf gewachsene, komplexe Systeme und häufig tradierte Strukturen beeinflusst, die nicht selten zu einer Sonderrolle der bAV aus organisatorischer Sicht beitragen. Der nachhaltige Erfolg der bAV-Organisation hängt entscheidend von der zielgerichteten Analyse der gegenwärtigen Verwaltungs- und Prozessstrukturen der bAV ab, um die notwendige Transparenz hinsichtlich Effizienz-, Risiko- und Governance- / Compliance-Kriterien zu ermöglichen. Begleitet wird eine solche Analyse üblicherweise durch die fortlaufende Identifikation von Handlungsfeldern, die in der Folge bearbeitet werden. Im Ergebnis können hierauf aufbauend Struktur- und Prozessverbesserungen sowie optimierte Organisationsmodelle zur Weiterentwicklung der bAV-Funktion abgeleitet werden. Organisations- und Servicemodell für künftige HR-Herausforderungen Schlüsselfrage zu Beginn weitergehender Überlegungen sollte sein, wie das derzeitige Organisations- und Servicemodell zu den künftigen strategischen Herausforderungen an HR im Allgemeinen und an die bAV-Abteilung im Speziellen passt. Die strategische Ausrichtung ist deshalb von hoher Bedeutung, da in Zeiten häufig schlanker Organisationsstrukturen Unternehmen auch diesen Bereich effizient managen wollen und müssen, um sich voll umfänglich auf ihr eigentliches Kerngeschäft konzentrieren zu können. Dabei sollten sich Unternehmen auch nicht scheuen, alternative Sourcingbzw. Organisationsmodelle einzubeziehen, um die „Wettbewerbsfähigkeit“ der derzeitigen Organisationsform zu prüfen. Eine aktuelle Studie von Towers Watson zeigt, dass immer häufiger Administrationsprozesse gerade an spezialisierte Dienstleister ausgelagert werden (siehe auch Beitrag „Anforderungen steigen“, Benefits! April 2012). Daher sind auch Fragen rund um Serviceumfang und -qualität zu stellen, verbunden mit der Prüfung, welche Qualitätsverbesserungen notwendig sind bzw. erreicht werden können. Alle anfänglichen Überlegungen münden letztlich darin, volle Transparenz über anfallende (offene, aber auch versteckte) Kosten zu erhalten und Kostenvorteile zu realisieren. Die letztendliche Herausforderung wird es sein, Transparenz hinsichtlich Effizienz-, Risiko- und Governance- / Compliance-Kriterien zu erzielen. Eine entsprechend ausgestaltete Prozessanalyse, die das Unternehmen mit Bordmitteln oder auch unter Einbindung externer Berater durchführen kann, unterstützt dabei, mögliche Handlungsfelder zu identifizieren. Zur ersten Orientierung dient folgende Checkliste: Governance und Compliance •• Wird ein Qualitätsmanagement-System genutzt und wie effektiv ist es? •• Wie passt die bAV-Organisation in die strategische Ausrichtung des Unternehmens? •• Gibt es explizite Compliance-Anforderungen und inwieweit werden diese abgedeckt? •• Wurden Prozesse zertifiziert? •• Liegt bereits eine (Prozess-)Dokumentation vor? Wenn ja, in welcher Form und in welchem Umfang? Fazit Aus den Ergebnissen des beschriebenen Analyseansatzes lassen sich einige Ziele ableiten, die bei einer Weiterentwicklung der bAV-Verwaltung eine maßgebliche Rolle spielen, vor allem: •• Transparenz erzielen •• Prozesssicherheit gewährleisten bzw. sicherstellen •• Revisionssicherheit erreichen •• Prozessoptimierung umsetzen •• Standardisierung erreichen •• Interne Ressourcen entlasten •• Dokumentation erstellen / verbessern zu Verwaltungsprozessen und organisatorischen / technischen Gegebenheiten Dr. Claudio Thum claudio.thum@ towerswatson.com Telefon: +49 7121 1627-226 Effizienz •• Sind vorhandene bAV-Verwaltungsprozesse effizient? Was könnten geeignete Benchmarks sein? •• Inwieweit wird die gewünschte Leistungs- und Servicequalität erreicht? •• Ist das Leistungs- und Serviceangebot kompatibel mit der Unternehmens- bzw. HR-Strategie? •• Inwieweit wird die Verwaltung durch geeignete ITSysteme und -Prozesse unterstützt bzw. gewährleistet? Marco Stolz [email protected] Telefon: +49 611 794-4490 Risiko-Management •• Wird ein Risiko-Management-System genutzt und wie effektiv ist es? •• Wie ist das Reporting strukturiert und inwieweit wird es genutzt? •• Zu welchem Grad werden Risiken vermieden? Bestehen fest definierte Risikominimierungsmaßnahmen? Benefits! 49 Administration & Software Neuer Standard: ISAE 3402 satt SAS 70 Nicht ohne Grund wurde der in die Jahre gekommene SAS-70-Standard zum 15.6.2011 durch den neuen Standard ISAE 3402 ersetzt. Ein Blick in diesen neuen Standard kann sich auch für Unternehmen lohnen, die keine aufwändige Zertifizierung nach ISAE 3402 anstreben. Welche Erfahrungen aus der Vergangenheit in die Überarbeitung eingeflossen sind, sei an zwei Beispielen erläutert: Dokumentation: Stärker betont wird die Rolle des Adressaten von Zertifizierungsberichten: So muss in den Beschreibungen des internen Kontrollsystems deutlich(er) gemacht werden, was genau zertifiziert ist (und was nicht). Ob nun mit oder ohne Zertifizierungshintergrund stellt sich für jedes Unternehmen / für jede Abteilung die grundlegende Frage: Welche Prozesse sind wie gut dokumentiert? Sind alle relevanten Prozesse in der Dokumentation erfasst? Wie sieht es mit den Datenschnittstellen aus? Werden alle ein- und ausgehenden Daten hinreichend qualitätsgesichert oder nur Teile davon? Wichtig: Dies gilt nicht nur für die Dokumentation derjenigen Prozesse, die über das / die zentrale(n) Verwaltungssystem(e) abgebildet sind: Wie sieht es z. B. mit der Dokumentation von MS-Excel- und MS-Accessanwendungen aus, die oft neben den zentralen Verwaltungssystemen eingesetzt werden? Ist klar, ob und an welchen Stellen innerhalb der Prozesse wesentliche Bearbeitungsschritte über die Parallelwelt aus MS-Office-Produkten abgebildet werden? Oder an welchen Stellen in eben jener Parallelwelt die Datenhaltung stattfindet? Werden neben den Dokumentationserfordernissen wesentliche Mechanismen wie Programmfreigaben oder die klare Trennung von Produktiv- und Qualitätssicherungssystemen auch hier eingehalten? Kontrollsystem: Ebenfalls stärker betont wird die Rolle der Geschäftsführung in Ihrer Eigenverantwortung für das interne Kontrollsystem. Nicht (mehr) nur der Wirtschaftsprüfer gibt am Ende einer Zertifizierungsperiode „grünes Licht“. Schon das Unternehmen selbst steht in der Verantwortung für sein internes Kontrollsystem. Wer sich die Mühe macht, sein Kontrollsystem bzgl. dessen Wirksamkeit zu beurteilen, gewinnt jedoch nicht nur Sicherheit für sich selbst. Meist fällt bei einer entsprechenden Prozessbetrachtung die eine oder andere Erkenntnis zur Wirtschaftlichkeit von ganz alleine mit an. Solche „Quick wins“ sollten zügig realisiert werden. Eventuell gewinnt man aber auch das Gefühl, dass eine umfangreichere Prozessanalyse sinnvoll ist. Spätestens hierfür ist es sinnvoll, über abteilungs- oder sogar unternehmensexterne Unterstützung nachzudenken, um die Analyse mit hinreichender Unabhängigkeit und ohne „vorbelastendes“ Hintergrundwissen – z. B. zur Historie der Organisations- und Prozessgestaltung – angehen zu können. 50 towerswatson.de HR-Strategie, Talent & Rewards „Der „ Vergleich von besonders erfolgreichen mit durchschnittlich erfolgreichen Unternehmen zeigt, dass Unternehmensleitung und Führungskräfte einen sehr großen Einfluss auf das Mitarbeiterengagement haben.“ HR-Strategie, Talente & Rewards Deutsche Mitarbeiter zählen zu den engagiertesten in Europa Global Workforce Study 2012 Aus welchen Gründen treten Mitarbeiter in ein Unternehmen ein – und warum verlassen sie es wieder? Welche Rolle spielen die Vergütung, der Vorgesetzte, Karrierechancen oder die Sicherheit, dass der Arbeitsplatz auch künftig erhalten bleibt? Und was motiviert Mitarbeiter, langfristig ihr Bestes zu geben? Antworten auf diese Fragen gibt die Global Workforce Study 2012 von Towers Watson. 52 Prozent der deutschen Arbeitnehmer sind motiviert – damit liegen sie in Europa an vorderer Stelle. 29 Prozent unter ihnen arbeiten nachhaltig engagiert, während 23 Prozent noch weitere Unterstützung durch ihr Unternehmen benötigen, um ihr Engagement langfristig aufrechterhalten zu können. Einen besonderen Einfluss auf das Engagement haben das Top-Management und die direkten Vorgesetzten sowie eine funktionierende Work-LifeBalance. Hauptgrund, sich für einen Arbeitgeber zu entscheiden, ist nicht mehr nur das Gehalt, sondern an vorderster Stelle die Sicherheit des Arbeitsplatzes. Um Arbeitnehmer langfristig an das Unternehmen zu binden, sind nach wie vor das Gehalt sowie Karrierechancen ausschlaggebend. Zu diesen Ergebnissen kommt die Global Workforce Study 2012 der Unternehmensberatung Towers Watson. Die Untersuchung, die bereits zum fünften Mal durchgeführt wird, stützt sich auf die Angaben von mehr als 32.000 Arbeitnehmern aus 28 Ländern zu ihrem beruflichen Umfeld sowie der individuellen Einstellung zur Arbeit. Arbeitsplatzsicherheit und Gehalt wichtig für Mitarbeiterbindung und -gewinnung Die Sicherheit des Arbeitsplatzes ist für deutsche Arbeitnehmer aller Altersklassen das zentrale Motiv bei der Wahl ihres Arbeitgebers und sogar bedeutender als das Gehalt. „Die starken wirtschaftlichen Schwankungen sowie die Krisen der letzten Jahre haben tiefe Spuren bei den Arbeitnehmern hinter- lassen. Der tatsächliche wirtschaftliche Aufschwung ist noch nicht in der Wahrnehmung der Mitarbeiter angekommen“, erklärt Heike Ballhausen, Leiterin des Beratungsbereichs Talent Management & Organizational Alignment bei Towers Watson EMEA, das Ergebnis. Das Sicherheitsbedürfnis der deutschen Arbeitnehmer ist nicht nur bei der Wahl des Arbeitgebers, sondern auch für die Bindung an den Arbeitgeber stärker ausgeprägt als im europäischen und internationalen Durchschnitt (Deutschland: Platz 3; International: Platz 6). Top-Treiber bei der Bindung an einen Arbeitgeber ist nach wie vor das Gehalt – in Deutschland ebenso wie in anderen Ländern. Dabei ist nicht nur die Höhe des Gehalts ausschlaggebend, sondern auch dessen transparente Kommunikation und eine empfundene Fairness den Kollegen gegenüber. „Um dem Wunsch der Mitarbeiter nach einem sicheren Arbeitsplatz nachzukommen und das eigene Unternehmen für potenzielle Mitarbeiter als Employer of Choice zu positionieren, sollten sich Unternehmen auf eine strategische Personalplanung, alternative Arbeitszeitmodelle – wie zum Beispiel Kurzarbeit und Sabbaticals – sowie auf verkürzte Probezeiten für Schlüsselpositionen konzentrieren“, empfiehlt Bernd Süßmuth, Leiter des Bereichs Talent & Rewards bei Towers Watson Deutschland. „Hier können auch kleinere Unternehmen von den großen lernen und sich damit einen Wettbewerbsvorteil am Arbeitsmarkt verschaffen.“ Abb. 1: Sicherheit und Grundvergütung als Top-Treiber für Mitarbeitergewinnung und -bindung Top-Treiber für Mitarbeitergewinnung Top-Treiber für Mitarbeiterbindung 1 Sicherheit des Arbeitsplatzes Grundgehalt 2 Grundgehalt Chancen, meine Karriere voranzutreiben 3 Hohes Maß an Eigenständigkeit Sicherheit des Arbeitsplatzes 4 Herausfordernde Arbeit Vertrauen in das Top-Management 5 Bequem zu erreichender Arbeitsort Arbeitsumfeld 52 towerswatson.de Unternehmensperformance durch nachhaltiges Engagement deutlich verbessern Neben Mitarbeitergewinnung und -bindung gehört das Engagement der Belegschaft zu den Kernaufgaben erfolgreicher HR-Arbeit und den Grundpfeilern erfolgreicher Unternehmen. „Towers Watson-Studien haben einen enormen Einfluss des nachhaltigen Engagements auf den Unternehmenserfolg nachgewiesen, der sich zum Beispiel in hoher Kundenzufriedenheit und positiven finanziellen Kennzahlen niederschlägt“, so Heike Ballhausen. „Die Umsatzrendite von Unternehmen mit nachhaltig engagierten Mitarbeitern ist drei Mal so hoch wie in Unternehmen mit wenig engagierter Belegschaft“, fasst die HR-Expertin zusammen. Unter nachhaltigem Engagement wird nicht nur die grundsätzliche Bereitschaft der Mitarbeiter, sich für ihre Organisation einzusetzen, verstanden. Die Arbeitnehmer müssen auch die entsprechenden Arbeitsmittel vorfinden, um ihre Arbeit ausführen zu können, sowie ein Arbeitsumfeld, das sie physisch, emotional und sozial unterstützt. Fast ein Drittel der deutschen Arbeitnehmer (29 Prozent) können – gemessen an diesen Kriterien – als nachhaltig engagiert eingestuft werden. Damit arbeiten die Deutschen deutlich engagierter als der europäische Durchschnitt (26 Prozent). Doch neben dem Anteil nachhaltig motivierter Mitarbeiter gibt es einen großen Teil der Belegschaft, bei dem Nachholbedarf besteht. Unternehmen müssen nun an den richtigen Stellschrauben ansetzen. „Zum Beispiel ist ein knappes Viertel der deutschen Arbeitnehmer grundsätzlich engagiert. Sie fühlen sich jedoch ausgebremst, da es etwa an den wesentlichen Arbeitsmitteln mangelt oder sie nicht die notwendige Unterstützung erfahren. Hier können Unternehmen gezielt ansetzen, um den Unternehmenserfolg nachhaltig zu verbessern“, erklärt Studienautor Bernd Süßmuth. Fast ebenso viele Angestellte (22 Prozent) verrichten „Dienst nach Vorschrift“, das heißt, ihnen fehlt es an Engagement im klassischen Sinne. Infokasten: Die Studie Die Towers Watson Global Workforce Study 2012 zählt zu den weltweit größten Analysen der wesentlichen Treiber für Mitarbeiterengagement und -bindung sowie die Attraktivität von Unternehmen. Die Untersuchung soll Unternehmen helfen, die Faktoren besser zu verstehen, die Mitarbeiterbindung, -gewinnung und ihr nachhaltiges Engagement beeinflussen. Für die aktuelle Auflage wurden mehr als 32.000 Arbeitnehmer in 28 Ländern befragt, davon in Deutschland über 1.000. Die Studie wird zum fünften Mal seit 2003 aufgelegt. Eine Zusammenfassung der Studienergebnisse ist kostenlos zu beziehen bei: Towers Watson, Anna-Maria Angermann, E-Mail: [email protected]. Abb. 2: Top-Treiber für nachhaltiges Engagement Top-Management 1 Stress, Work-Life-Balance & Arbeitsbelastung 2 Ziel- und Strategieverständnis 3 Direkter Vorgesetzter 4 Unternehmensimage 5 Zunehmender Einfluss auf Mitarbeiterengagement * Top-Treiber für nachhaltiges Engagement Benefits! 53 HR-Strategie, Talente & Rewards Führungskräfte gezielt zur Motivation der Belegschaft nutzen Der Vergleich von besonders erfolgreichen mit durchschnittlich erfolgreichen Unternehmen zeigt, dass Unternehmensleitung und Führungskräfte einen sehr großen Einfluss auf das Mitarbeiterengagement haben: Nur elf Prozent der gar nicht engagierten Arbeitnehmer haben Vertrauen in die Arbeit der Führungsriege – bei den nachhaltig Engagierten sind es hingegen fast drei Viertel (73 Prozent). Zudem beurteilt ein Großteil der nachhaltig engagierten Mitarbeiter (75 Prozent) die Arbeit ihres direkten Vorgesetzten als effektiv im Vergleich zu nur 14 Prozent der gar nicht engagierten Mitarbeiter. „Die Glaubwürdigkeit, das Image und auch das Vertrauen in die Unternehmensführung können durch eine offene Unternehmenskommunikation unterstützt werden. Für die Verbesserung der Effektivität des direkten Vorgesetzten gibt es verschiedene direkte Hebel: Mehr Leistungsdifferenzierung, die sich auch im Bonus niederschlägt, aber auch die Beseitigung von Hindernissen bei der Arbeit der Mitarbeiter durch den Vorgesetzten“, regt Towers Watson-Beraterin Heike Ballhausen an. Durch Work-Life-Balance nachhaltiges Engagement aufrechterhalten Haben Führungskräfte und direkte Vorgesetzte einen starken Einfluss auf die kurzfristige Motivation der Mitarbeiter, kann ein nachhaltiges Engagement besonders durch ein strategisches Management der Themenfelder Stress, Work-Life-Balance und Arbeitsbelastung erreicht werden. Dass diesem Bereich noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, zeigt die Zunahme der volks- und betriebswirtschaftlichen Kosten für Burn-out-Erkrankungen bzw. entsprechende Nachbesetzungen. „Dauerhaft hohes Engagement birgt das Risiko, dass Mitarbeiter insbesondere in wirtschaftlich volatilen Zeiten zu wenig auf die eigenen Ressourcen achten und sich verausgaben. Das Arbeitsleben ist jedoch eher ein Marathon als ein Sprint, daher müssen Unternehmen verhindern, dass ihre Leistungsträger ausbrennen“, so Towers Watson-Experte Bernd Süßmuth. „Um diesem Risiko zu begegnen, muss ein Arbeitsumfeld geschaffen werden, das sowohl die Produktivität als auch die Work-Life-Balance unterstützt und es somit erlaubt, ein hohes Engagement auf einem langfristig tragbaren Niveau stabil zu halten. Neben der geeigneten Infrastruktur von Heimarbeitsplätzen oder flexiblen Arbeitszeiten sollten Unternehmen prüfen, ob die eigene Unternehmenskultur gute Leistungen ausreichend anerkennt und aufmerksam mit Mitarbeitern, Führungskräften und Leistungsträgern umgeht.“ 54 towerswatson.de Fazit: Nachhaltiges Management für Mitarbeiter und Unternehmen „Die Ansprüche der Mitarbeiter an ihren Arbeitgeber und ihre Arbeitsumgebung haben sich im Schatten der wirtschaftlichen Verwerfungen der letzten Jahre verändert“, fasst Towers-Watson-Expertin Heike Ballhausen zusammen. „Um in einer Zeit des andauernden Fachkräftemangels weiterhin die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, ist es für Unternehmen unerlässlich, die Motive der Talente zu kennen und darauf zu reagieren. Motivierte Mitarbeiter sind bereit, für den Erfolg des Unternehmens die berühmte Extrameile zu gehen. Top-Management, Führungskräfte und HR haben viele Möglichkeiten, für ein nachhaltiges Engagement der Mitarbeiter zu sorgen. In erster Linie sollte ihr Sicherheitsbedürfnis berücksichtigt sowie die Rahmenbedingungen für eine ausgewogene Work-Life-Balance geschaffen werden. Davon profitieren die Mitarbeiter, weil ihnen ein attraktives Umfeld für ihr Engagement geboten wird, und davon profitieren die Unternehmen, weil sie geplant und gezielt in ihr HR-Management investieren können, und sich damit eine starke Mannschaft sichern, um ihre Ziele zu erreichen.“ Heike Ballhausen heike.ballhausen@ towerswatson.com Telefon: +49 69 1505-5197 Bernd Süßmuth bernd.suessmuth@ towerswatson.com Telefon: +49 221 8000-3361 News „Unternehmen, „ die trotz des schnelleren Wechsels der Konjunkturzyklen beständig gute Ergebnisse erwirtschaften wollen, brauchen HR-Abteilungen, die sich schnell und flexibel auf neue Situationen einstellen können.“ News Beliebt, gefragt, gefordert – ohne bAV keine Talente?! bAV-Konferenz von Towers Watson am 27. September 2012 und Finanzierung, zum Risikomanagement sowie zu den aktuellen Rahmenbedingungen von Versorgungswerken erörtern. Eine Podiumsdiskussion zur Zukunft der bAV sowie eine Key-Note zur „Arbeit in der Zukunftsgesellschaft – Shift happens!“ von Jeanette Huber, Mitglied der Geschäftsleitung des Zukunftsinstituts, runden das Konferenzprogramm ab. Darüber hinaus bietet die Konferenz Gelegenheit zum Austausch mit Fachkollegen und -experten aus Personal-, Finanz- und Risikomanagement. Information und Anmeldung Mitarbeiter nennen die bAV heute als zweitwichtigste Einkommensquelle im Ruhestand (siehe auch Beitrag auf S. 6) – damit erhält sie eine herausragende Rolle in dem Gesamtvergütungsangebot, mit dem Unternehmen Talente gewinnen und binden wollen. Neben dieser wachsenden personalpolitischen Bedeutung rückt die bAV aber auch stärker in den Fokus von Risikoprüfung und -minimierung. So fordert die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung von den Unternehmen ein strategisch aufgebautes Risikomanagement. Schließlich zeichnen sich mit Solvency II und der viel diskutierten Pensionsrichtlinie neue europäische Rahmenbedingungen für die bAV ab. Unter dem Motto „Beliebt, gefragt, gefordert – ohne bAV keine Talente?!“ wird Towers Watson diese und weitere Themen im Rahmen der jährlichen bAVKonferenz in Frankfurt diskutieren. In hochkarätigen Vorträgen und praxisnahen Workshops werden Experten von Towers Watson und Referenten aus namhaften Unternehmen wie u. a. mit Experten von Daimler, Deutsche Bank, Novartis, Siemens und Continental konkrete Praxisbeispiele zur Gestaltung 56 towerswatson.de Das Konferenzprogramm im Einzelnen sowie ein Anmeldeformular sind zu finden unter www.towerswatson.de/events/16322. Die bAV-Konferenz ist eine kostenfreie Veranstaltung; eine Anmeldung ist jedoch bis zum 17. September 2012 erforderlich. HR Executive-Konferenz: Vom Business Partner zum Business Leader In volatilem wirtschaftlichen Umfeld bestehen Unternehmen, die trotz des schnelleren Wechsels der Konjunkturzyklen beständig gute Ergebnisse erwirtschaften wollen, brauchen HR-Abteilungen, die sich schnell und flexibel auf neue Situationen einstellen können. So lautet das Fazit der HR Executive-Konferenz, die Towers Watson am 5. Juli 2012 in der Frankfurter Villa Kennedy zum zehnten Mal ausrichtete. HR-Experten führender Unternehmen, wie Allianz, Syngenta, Haniel oder Schüco, diskutierten mit den rund 200 Teilnehmern und tauschten in Workshoprunden Best Practices aus. „Den Sprung vom einstigen Personalverwaltungsbüro zum Business Partner, der die Geschäftsstrategie proaktiv unterstützt, haben die HR-Abteilungen großer nationaler und internationaler Konzerne längst gemeistert. Für die Zukunft steht jedoch ein weiterer Entwicklungsschritt aus: HR wird als einer der Business Leader wesentlich für den Geschäftserfolg mitverantwortlich sein“, betont Olaf Lang, Leiter des Beratungsbereichs „Talent & Rewards“ bei Towers Watson Deutschland. Der Grund: „Unternehmen stehen Konjunkturzyklen gegenüber, die immer schneller wechseln und deren Ausschläge nach oben und unten deutlich stärker geworden sind. Das hat Folgen für das Geschäft und darauf müssen die HR-Abteilungen antworten können“, so Lang. Aber auch weitere Langfrist-Trends, wie der weltweite demografische Wandel, die Knappheit an gut ausgebildeten, talentierten Mitarbeitern sowie eine neue weltweite Mobilität, werden seiner Meinung nach sämtliche bislang vorherrschenden Arbeitsweisen in den HR-Abteilungen auf den Prüfstand stellen. Lang: „Expertise in Personalfragen allein reicht dann längst nicht mehr aus, um ein guter HR-Manager zu sein. Agilität, eine umfassende Kenntnis des Geschäfts oder auch ChangeManagement-Fähigkeiten gehören ebenso dazu.“ Marathon statt Sprint Dr. Christian Finckh, Chief Human Resources Officer der Allianz SE, pflichtet dem bei. Als Key-Note-Sprecher verweist auch er auf die aktuellen personalstrategischen und -operativen Herausforderungen. Für ihn ist klar: „Als HR-Manager müssen wir uns auf eine neue Normalität einstellen. Viele Unternehmen unterliegen in diesen Zeiten einem erhöhten Kostendruck. Aber die Art und Weise, wie das Kostenmanagement erfolgt, kann und muss HR maßgeblich beeinflussen.“ Neben neuen Technologien und einem umfassenderen Risikomanagement ist auch das langfristige Leistungsvermögen der Mitarbeiter zu berücksichtigen. Finckh: „Über einen kurzen Zeitraum sind viele Mitarbeiter bereit und fähig, mit überdurchschnittlichem Einsatz Höchstleistungen zu erbringen. Auf die Dauer lässt sich ein solcher „Sprint“ aber nicht durchhalten. Um zu einem nachhaltigen Unternehmenserfolg beitragen zu können, müssen Mitarbeiter ihre Kräfte wie bei einem Marathonlauf einteilen.“ Benefits! 57 News Erprobtes Zusammenspiel Zehn Jahre HR-Forum Was Unternehmen von Orchestern lernen können, skizzierte zum Abschluss der Konferenz der weltweit tätige Dirigent und Produzent Christian Gansch: „In Orchestern ebenso wie in Unternehmen kann sich der Erfolg nur einstellen, wenn Individualisten und unterschiedliche Abteilungen eine Einheit bilden, das heißt, wenn sie ein gemeinsames Ziel verfolgen, sich aufeinander einstellen und bei Konflikten eine tragfähige Lösung finden“, erläutert Gansch. „Dem Dirigenten muss es dabei gelingen, aus den verschiedenen Abteilungen des Orchesters ein homogenes Ganzes zu formen, aber auch zu spüren, welchen Input die einzelnen Abteilungen, Gruppen und Musiker dafür brauchen.“ Gansch betont: „Obwohl in einem Orchester viele Spezialisten und Individualisten auf engstem Raum zusammenarbeiten, verbindet sie das sinfonische Motto ‚aufeinander hören – miteinander handeln‘, das auch Unternehmen als Vorbild dienen kann.“ Als maßgebliches Forum für den fachlichen Austausch unter HR-Experten ist die HR Executive-Konferenz von Towers Watson schon lange etabliert. Unter wechselnden Mottos (2012: „Agil, stabil, fragil – HR in dynamischen Zeiten“) bietet die Konferenz jedes Jahr neue Impulse für die HR-Arbeit. In Vorträgen und Praxis-Workshops von Personalentscheidern aus DAX-Konzernen und führenden mittelständischen Unternehmen sowie Beratungsexperten von Towers Watson werden innovative HR-Konzepte, länderübergreifende Studien oder Best-Practice-Beispiele vorgestellt. Key-Notes von prominenten Rednern runden das Konferenzprogramm ab. Olaf Lang [email protected] Telefon: +49 69 1505-5202 Über Towers Watson Towers Watson ist eine der führenden Unternehmens beratungen weltweit und unterstützt seine Kunden, ihren Unternehmenserfolg durch ein effektives HR-, Finanz- und Risikomanagement zu steigern. Weltweit sind wir mit rund 14.000 Mitarbeitern vertreten, in Deutschland mit ca. 800 Mitarbeitern an den Standorten Frankfurt, Köln, München, Reutlingen und Wiesbaden. Wir entwickeln Lösungen für die betriebliche Altersvorsorge und Nebenleistungen, für das Personal- und Vergütungsmanagement sowie das Risiko- und Finanzmanagement, einschließlich der Beratung von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen. Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung bietet Towers Watson die Expertise, um Unternehmen weltweit bei der Gestaltung, dem Finanzmanagement, der Administration und der Kommunikation der verschiedensten Versorgungspläne zu unterstützen. In Deutschland haben die Experten von Towers Watson zahlreiche bAV-Neuordnungen bei großen Unternehmen gestaltet und dabei die Gestaltungsmodelle für Pensionspläne maßgeblich weiterentwickelt. Fast alle derzeit zugelassenen Unternehmenspensionsfonds wurden bzw. werden von Towers Watson beraten. Ebenso ist Towers Watson ein führender Anbieter im stark wachsenden Markt der bAV-Administration (betriebliche Versorgungswerke, Unterstützungskassen, Pensionsfonds, Pensionskassen etc.) und weiterer Long-Term Employee Benefits (z. B. Zeitwertkonten). Ein Mehrwert für zahlreiche Kunden wird durch effiziente Administrationslösungen, zertifizierte Prozesse und transparente, planbare Kosten geschaffen. Towers Watson verwaltet mehrere hunderttausend Versorgungsanwartschaften und rechnet über einhunderttausend Betriebsrenten ab. Experten von Towers Watson sind als anerkannte Spezialisten aktiv beratende Mitglieder in zahlreichen Verbänden, Arbeitsgemeinschaften und Organisationen. Ebenso sind sie gefragte Fachautoren und Referenten für zahlreiche Seminare und Vorträge. Towers Watson führt regelmäßig Studien zu HR-, bAV- und Risikomanagement durch. Unsere Büros in Deutschland Frankfurt Reutlingen Kontakt Redaktion Benefits! Eschersheimer Landstraße 50 60322 Frankfurt Telefon: +49 69 1505-50 Telefax: +49 69 1505-5544 Am Heilbrunnen 47 72766 Reutlingen Telefon: +49 7121 16272-25 Telefax: +49 7121 16272-55 [email protected] Telefon: +49 611 794-218 Telefax: +49 611 794-268 Köln Reutlingen Habsburgerring 2 50674 Köln Telefon: +49 221 80003-0 Telefax: +49 221 80003-456 Oskar-Kalbfell-Platz 14 72764 Reutlingen Telefon: +49 7121 3122-0 Telefax: +49 7121 3122-278 München Wiesbaden Arnulfstraße 19 (Renaissance Haus) 80335 München Telefon: +49 89 51657-4500 Telefax: +49 89 51657-4599 Wettinerstraße 3 65189 Wiesbaden Telefon: +49 611 794-0 Telefax: +49 611 794-298 Towers Watson Eschersheimer Landstraße 50 60322 Frankfurt Telefon: +49 69 1505- 50 Telefax: +49 69 1505 - 5544 E-Mail: [email protected] Die Beiträge dieser Publikation sind als allgemeine Hinweise zu verstehen. Für die Lösung einschlägiger Probleme greifen Sie bitte auf die angegebenen Quellen oder die Unterstützung unserer zuständigen Büros zurück. 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