Die Verschwundenen (Veranstaltung)

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Die Verschwundenen (Veranstaltung)
- Pressemitteilung -
Todesursache Schweigen?
Veranstaltung an Goethe-Universität beschäftigt sich anlässlich der
Frankfurter Buchmesse mit der argentinischen Militärdiktatur 1976-1983
und der Rolle Deutschlands
Zum Ende der Frankfurter Buchmesse mit dem „Ehrengast“ Argentinien lenkt das Institut für
Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie der Goethe-Universität am 9. Oktober den Blick
auf ein dunkles Kapitel der argentinischen Geschichte: Am 24. März 1976 putschte in Argentinien
das Militär. In diesem und den folgenden Jahren werden schätzungsweise 30.000 Menschen
verschleppt, gefoltert und ermordet; unter ihnen auch ca. 100 Deutsche. Das Auswärtige Amt und
die damalige Bundesregierung retteten im Unterschied zu anderen Staaten keinen einzigen ihrer
Staatsbürger, obwohl – oder gerade weil sie beste Beziehungen zur Militärjunta pflegten.
Wie lässt sich dieser Tatbestand politisch-rechtlich bewerten? Unterlassene Hilfeleistung?
Mittäterschaft? Und wie lassen sich die Täter über Ländergrenzen hinweg strafrechtlich verfolgen?
Unter dem Titel „Die Verschwundenen während der argentinischen Militärdiktatur 1976-1983:
Moralische, politische und strafrechtliche Verantwortlichkeiten“ werden diese Fragen diskutiert. Auf
dem Podium sitzen: Peter-Alexis Albrecht – Professor für Kriminologie und Strafrecht an der
Goethe-Universität Frankfurt, Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck – Generalsekretär des Europäischen
Zentrums für Verfassungs- und Menschenrechte (European Center for Constitutional and Human
Rights, ECCHR) und Mitglied in der „Koalition gegen die Straflosigkeit“, der argentinische
Schriftsteller Osvaldo Bayer, die Wissenschaftlerin und Buchautorin Dagmar Lieske sowie KarlHeinz Dellwo vom LAIKA-Verlag.
Die Veranstaltung wird vom LAIKA-Verlag aus Hamburg unterstützt, welcher in seiner Bibliothek
des Widerstands gerade zwei Mediabooks (Buch und DVD) zur argentinischen Militärdiktatur
veröffentlicht. In Band 8 sind dies die Filme „...dass du zwei Tage schweigst unter der Folter!“ und
„Todesursache Schweigen“, welche die Geschichte der ermordeten Deutschen Elisabeth
Käsemann und Klaus Zieschank erzählen. Ausschnitte aus beiden Filmen werden auf der
Veranstaltung an der Goethe-Universität zum Einstieg in Thematik gezeigt.
Die Veranstaltung richtet sich dabei keineswegs nur an ein Fachpublikum, sondern ist für alle
Interessierten offen. Beginn ist 19 Uhr auf dem Campus Bockenheim / Jügelhaus, Hörsaal H,
Mertonstraße 17-21.
Kurzübersicht zu der Veranstaltung
Was:
Die Verschwundenen während der argentinischen Militärdiktatur 1976-1983: Moralische,
politische und strafrechtliche Verantwortlichkeiten.
Film und Podiumsdiskussion mit Peter-Alexis Albrecht, Wolfgang Kaleck, Osvaldo Bayer,
Dagmar Lieske und Karl-Heinz Dellwo
Wann: 9. Oktober 2010, 19:00 Uhr
Wo:
Goethe-Universität Frankfurt a. M., Campus Bockenheim / Jügelhaus, Hörsaal H,
Mertonstraße 17-21, 60325 Frankfurt am Main
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- Pressemitteilung -
Hintergrund
Am 24. März 1976 putscht in Argentinien das Militär. Die deutsche
Bundesregierung war vorher über den Putsch unterrichtet. Der deutsche
Botschafter in Argentinien rät den Militärs, nicht so unangenehm vorzugehen
wie die Putschisten drei Jahre zuvor in Chile, sondern die Vernichtung der Linken mit „ordentlichen
Standgerichten“ umzusetzen. In dieser Diktatur werden Tausende verhaftet, in Geheimzentren
verschleppt, gefoltert und schließlich ermordet. Die Gefolterten, oft noch lebend, werden von
Hubschraubern gefesselt ins Meer geworfen. Die Zahl der Toten wird heute auf 30.000 geschätzt.
Unter den Opfern sind ca. hundert Deutsche und Deutschstämmige. Zwei von Ihnen sind die
deutschen Studenten Elisabeth Käsemann und Klaus Zieschank.
Am 26. März 1976 wird Klaus Zieschank entführt. Am 27.
Mai wird seine Leiche am Flussbett des Rio de la Plata
angespült. Am 6. Mai hatte die Französin Anita de
Jaroslawsky, selber in Folterhaft, Klaus Zieschank
getroffen, kam aber auf Druck der französischen
Regierung einen Tag später frei. Sie hat die Information
über Klaus Zieschank an die französische Botschaft
weitergegeben. In ihrem Beisein wurde wiederum die
Deutsche Botschaft informiert mit dem Hinweis, dass
Zieschank die Ermordung drohe. In Kenntnis dessen
untersagt Außenminister Genscher dem Botschafter in
Buenos Aires, etwas über dessen Tod verlauten zu
lassen. Stattdessen lobt sein Staatsminister Moersch die
Wirtschaftspolitik der Militärs und ihre Erfolge bei der
Bekämpfung des Terrorismus, und Genscher erklärt
mehrfach im Bundestag, nichts über den Verbleib von
Klaus Zieschank zu wissen. Nach außen lässt das
Außenministerium verlauten, Zieschank habe sich möglicherweise einer Guerillagruppe
angeschlossen. Wochen später schreibt Bundeskanzler Schmidt einen Brief an den Putschisten
Videla und bittet um Auskunft in der Angelegenheit Klaus Zieschank – eine Auskunft, die er längst
hatte.
Ein Jahr später, am 9. März 1977, wird Elisabeth Käsemann
verhaftet, gefoltert und sechs Wochen später, am 24. Mai
1977 ermordet. Wieder unternimmt die Deutsche
Bundesregierung wenig bis gar nichts, um die Entführte zu
retten.
Stattdessen
schließt
sie
milliardenschwere
Rüstungsgeschäfte mit der Junta ab.
Über dieses Thema soll am 9. Oktober 2010 anlässlich der
Buchmesse in Frankfurt diskutiert werden. Vor der
Diskussion werden Ausschnitte aus den Filmen „dass du
schweigst zwei Tage unter der Folter“ und „Todesursache
Schweigen“ gezeigt.
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- Pressemitteilung -
Die Referenten
Peter-Alexis Albrecht ist Professor für Kriminologie und Strafrecht an der
Goethe-Universität Frankfurt a.M. und Autor des Buches „Der Weg in die
Sicherheitsgesellschaft“. Darin rekonstruiert er den „Paradigmenwechsel“ von der Präventions- zur
Sicherheitsgesellschaft – einer Abkehr, so die These, vom Primat bürgerlicher Freiheitsrechte.
Albrecht studierte Rechts- und Sozialwissenschaften in Göttingen. 1977 beendete er seine Studien
und wurde promoviert. Von 1977 bis 1991 forschte und lehrte Albrecht an den Universitäten in
München und Bielefeld. 1991 wechselte er an die Universität Frankfurt. Am dortigen Institut für
Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie hat er seitdem einen Lehrstuhl für Strafrecht und
Kriminologie inne.
Seit 1986 gibt Albrecht die Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft
heraus. Er ist einer der beiden Vorstände der Dr. Walter und Margarete Cajewitz-Stiftung. 2004
wurde Albrecht für sein langjähriges soziales Engagement der Verdienstorden der Bundesrepublik
Deutschland am Bande verliehen. 2005 wurde Albrecht die Würde eines Ehrenprofessors der
Nationalen Marineuniversität Odessa verliehen.
Wolfgang Kaleck, geboren am 13. August 1960, ist Fachanwalt für Strafrecht mit
Tätigkeitsschwerpunkte
europäisches
und
internationales
Strafrecht,
Wehrund
Kriegsdienstverweigerungsrecht sowie Menschenrechte. Nach seinem Jurastudium in Bonn
absolvierte Kaleck 1990 einen Teil seines Referendariates in Guatemala und traf dort mit Opfern
von staatlicher und oligarischer Gewalt und Folterungen zusammen. Zurück in Deutschland
gründete er mit einem Partner eine Anwaltskanzlei im Haus der Demokratie und Menschenrechte
in Berlin. Seit Frühjahr 2007 leitet Kaleck als Generalsekretär das European Center for
Constitutional and Human Rights (ECCHR).
Kaleck ist Sprecher der „Koalition gegen die Straflosigkeit, Wahrheit und Gerechtigkeit für die
deutschen Verschwundenen in Argentinien“ und arbeitet seit 1998 daran, die argentinische Militärs
wegen der Ermordung und Folterung deutscher Opfer während der Militärdiktatur (1976-1983)
auch in Deutschland strafverfolgen zu lassen. Kaleck vertritt ebenso Opfer der US-Regierung und
US-Army in Guantánamo und Abu Ghraib. Seine Anzeigen wegen Kriegsverbrechen gegen den
damaligen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und andere hochrangige PentagonFührungskräfte scheiterten daran, dass die Bundesanwaltschaft keine Ermittlungen aufnehmen
wollte.
Weitere Infos: www.kaleck.org
Osvaldo Bayer, geboren 1927 in Santa Fe, Argentinien ist ein argentinischer Schriftsteller,
Historiker, Journalist, Publizist und Menschenrechtsaktivist. Bayer studierte Philosophie und
Geschichte in Buenos Aires und Hamburg. Von 1958 bis 1973 war er Redaktionssekretär der
argentinischen Zeitung Clarín, später Herausgeber der Zeitschrift Imagen. Nach dem Putsch der
argentinischen Militärs 1976 musste Bayer aus dem Land fliehen. Bis 1983 lebte er im Exil in der
Bundesrepublik Deutschland. Er war bis 2006 ordentlicher Professor für das Fach Menschenrechte
an der Philosophischen Fakultät der Universität von Buenos Aires. Osvaldo Bayer schreibt heute
für die argentinische Zeitung Página/12. Bayer hat zahllose Werke, Drehbücher, Essays und
Beiträge geschrieben, in denen er sich gegen die Diktatur, gegen ihre internationalen Freunde und
für die Menschenrechte einsetzte.
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- Pressemitteilung Werksauszug:
La Patagonia Rebelde, 4 Bände, Buenos Aires/Wuppertal, 1972–78.
Severino Di Giovanni. El idealista de la violencia, Buenos Aires 1970.
Exilio, (mit Juan Gelman), Buenos Aires 1984.
Rebeldia y esperanza, Buenos Aires 1993.
Besorgen, was für die Freiheit gebraucht wird. Argentinien: Anarchistische Aktionsgruppen zu
Beginn des 20. Jahrhunderts, Alibri Verlag, Aschaffenburg
Aufstand in Patagonien, Alibri Verlag, Aschaffenburg 2010.
Drehbücher:
La Patagonia Rebelde, 1974. (Ausgezeichnet mit dem »Silbernen Bären«
der Berliner Filmfestspiele.).
El Vindicador!, 1986. (Über den deutschen Attentäter Kurt Gustav Wilckens)
Todo es ausencia, 1984.
Fútbol argentino, 1990.
Osvaldo Bayer/FriederWagner: ...dass Du zwei Tage schweigst unter Folter – Elisabeth
Käsemann, ein deutsches Schicksal, 1991.
Rainer y Minou, 2001.
Awka Liwen, 2009.
Dagmar Lieske, geb.1978 in Siegen, Studium der Geschichts-, Politik- und
Literaturwissenschaften
in
Göttingen,
Tel
Aviv
und
Berlin.
Arbeitsschwerpunkte
Rechtsextremismus, Antisemitismus, Nationalsozialismus und Erinnerungspolitik. Derzeit tätig als
Gedenkstättenpädagogin, seit Frühjahr 2010 Arbeit an einer Promotion zum Thema „Unbequeme
Opfer? Die kriminalpolizeiliche Praxis der Vorbeugehaft im Nationalsozialismus und 'Kriminelle' als
Haftgruppe im Konzentrationslager Sachsenhausen“.
Karl-Heinz Dellwo, geb. 1952 in Opladen, wuchs in NRW, in der Eifel, im Saarland und im
Schwarzwald auf. Volksschule, Wirtschaftsschule ohne Abschluss. Seit 1972 zugehörig zur
undogmatischen Linken in Hamburg. 1973 Teilnahme an der Hausbesetzung in der Hamburger
Eckhofstraße mit anschließend 1 Jahr Gefängnis, 1975 Mitglied des RAF-Kommandos Holger
Meins bei der Besetzung der deutschen Botschaft in Stockholm, danach über 20 Jahre im
Gefängnis. Heute tätig als Autor, Filmemacher und Verleger. Mitbegründer des LAIKA-Verlags,
welcher die Bibliothek des Widerstands herausgibt.
LAIKA-Verlag GmbH & Co. KG
Schulterblatt 25
D-20357 Hamburg
[email protected]
Tel.: +49-40-28 41 67 50
Fax.: +49-40-28 41 67 51
www.laika-verlag.de
Registergericht:
Handelsregister Hamburg: HRA 110717
Geschäftsführer: Willi Baer, Carmen Bitsch, Karl-Heinz Dellwo
Mitgliedsnummer im Börsenverein des Deutschen Buchhandels: 13385
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