Vertrauensleute - IG Metall Berlin

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Vertrauensleute - IG Metall Berlin
Ausgabe 49
Ausgabe 48
Die Zeitung der
November
Dezember
2013
Vertrauensleute
Januar – Februar
2014
von Coriant, nsn und Redknee
am Standort Berlin-Siemensdamm
Unsere Themen
Redaktionelles
1
Kreuzworträtsel aus der Ausgabe Nr. 48: Auflösung
1
Betriebsvereinbarung für Leihkräfte bei Coriant
1
Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) bei Coriant
2
Zuwachs bei Coriant: Tellabs
2
Aktuelles vom Verbesserungsvorschlagssystem bei Coriant
2
Redknee: charge@once Unified im 7.Himmel?
2
In memoriam Nelson Rolihlahla Mandela (1918 – 2013)
2
Ökonomie des glücklichen Lebens. Vom ethischen Umbau der Wirtschaft. 3. Die Entschuldung und Erneuerung der
Gesellschaft
3
60 Jahre Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA)
6
Zum 85. Geburtstag von Naum Chomsky
6
Zitate
7
IG-Metall-Beratungskoffer. 1. Wem gehören die Erfindungen von Arbeitnehmern?
7
Letzte Seite. I. Lanzen
8
Letzte Seite. II. „Dampfplauderer mit egoistischem Sendungsbewusstsein“8
Redaktionelles
Liebe Leserinnen und Leser,
In dieser Ausgabe geben wir die Lösung unseres Kreuzworträtsels aus der vorigen Ausgabe bekannt und gratulieren
den glücklichen Gewinnern einer IG-Metall-Tasse. Von Coriant kommen gute Neuigkeiten, die wir gern mitteilen, und
ein Beitrag der dortigen Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV).
Wir bedanken uns ganz herzlich bei Manfred Lilge für seine Auskünfte über charge@once Unified bei Redknee!
Wir beenden den gekürzten Abdruck der dreiteiligen Gesprächsreihe „Ökonomie des glücklichen Lebens. Vom
ethischen Umbau der Wirtschaft“ im Deutschlandfunk. Als Dekoration dazu ein kurzer Beitrag zum Jubiläum der BfA.
Außerdem würdigen wir Nelson Mandela und Naum Chomsky. Für die Freunde kluger Gedanken fügen wir einige
hierzu passende Zitate hinzu.
Schließlich beginnen wir eine Reihe mit Tipps zum Thema Innovation aus dem Beratungskoffer der IG Metall.
Viel Spaß beim Lesen!
Eure Redaktion
Kreuzworträtsel aus der Ausgabe Nr. 48: Auflösung
Die Auflösung des Kreuzworträtsels aus unserer Ausgabe 48 lautet: >>BERLIN<<
Wir gratulieren allen Gewinnern ganz herzlich! Allen anderen zum Trost: Dies ist sicher nicht das letzte Gewinnspiel
in unserer Zeitung gewesen.
Betriebsvereinbarung für Leihkräfte bei Coriant
Nach langwierigen Verhandlungen konnte Anfang November eine Übereinkunft zur Zukunft der Leiharbeit getroffen
werden.
Bereits im August 2013 waren zehn der damals vierzig Leihkräfte unbefristet eingestellt worden. Zum Dezember werden zehn weitere Leihkräfte befristet auf zwei Jahre eingestellt.
Für die übrigen wurde „Equal Pay“ vereinbart: Nach sechs Monaten Einsatzzeit werden sie ebenfalls gemäß IG-MetallTarif bezahlt.
Außerdem wird regelmäßig geprüft, ob weitere Einstellungen möglich und erforderlich sind.
Den Wortlaut der Betriebsvereinbarung findet ihr unter „public documents“.
IGM bei nsn, Coriant und Redknee
November – Dezember 2013
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Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) bei Coriant
Wir, die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) bei Coriant, stehen allen Azubis im Laufe ihrer Ausbildungszeit
und auch darüber hinaus bei auftretenden Fragen und Problemen gern mit Rat und Tat zur Seite, Ihr könnt uns gern
zu jeder Zeit kontaktieren.
Über regelmäßiges Feedback Eurerseits freuen wir uns.
Wir sind auch bei Facebook zu finden: https://www.facebook.com/groups/coriant/
Liebe Grüße von eurer JAV!
Paul Hertwig
[email protected]
Christina Roggmann
Fabian Belza
[email protected] [email protected]
Zuwachs bei Coriant: Tellabs
Marlin Equilty Partners, der Besitzer von Coriant, hat das Unternehmen Tellabs (http://www.tellabs.com/) übernommen
und es –zusammen mit den ca. 1500 Mitarbeitern – in Coriant eingegliedert. Damit hat Coriant jetzt weltweit 3500
Beschäftigte. Für die bisherigen Mitarbeiter von Coriant gibt es keine Änderungen hierdurch.
Aktuelles vom Verbesserungsvorschlagssystem bei Coriant
Zum Einreichen von Verbesserungsvorschlägen gibt es bei Coriant eine eigene Mail-Adresse: [email protected]
An den Prozessen hat sich nichts geändert, weil die alte Vereinbarung noch gilt - es gibt also nach wie vor Prämien
für Vorschläge, die der Firma Geld bringen!
Redknee: charge@once Unified im 7.Himmel?
Der Erfolg des Übergangs von NSN BSS zu Redknee hängt letztlich vom erwirtschafteten Gewinn ab. Neue Geschäftsmöglichkeiten gibt es dank charge@once Unified auf virtuellen Maschinen (VM). Die technische Machbarkeit
wurde im vorigen Jahr demonstriert. Der erste potenzielle Kunde ist Vodafone Deutschland. „Wenn sich diese Lösung
verkauft, werden sich auch andere Kunden dafür interessieren!“, ist sich Manfred Lilge, Lösungsarchitekt für dieses
Projekt, sicher. „Und wenn Vodafone kauft, haben wir gleichzeitig ein Referenzprodukt für weitere Projekte.“ Das Projekt läuft bereits auf Hochtouren. Manfred Lilge ist sehr zuversichtlich, dass die Verhandlungen noch im Februar abgeschlossen werden. „Ich bin optimistisch!“, sagt er. -- AG
In memoriam Nelson Rolihlahla Mandela (1918 – 2013)1
„Ich habe gegen weiße Vorherrschaft gekämpft, ich habe gegen schwarze Vorherrschaft gekämpft. Ich schätze die Ideale einer demokratischen und freien Gesellschaft, in der alle in
Harmonie und mit gleichen Möglichkeiten leben. Dies ist ein Ideal, für das ich hoffe zu leben
und es erreichen. Aber wenn notwendig, bin ich bereit, für dieses Ideal zu sterben.“
„Apartheid ist die Herrschaft der Gewehre und der Henker.“
„Wir glauben nicht, dass Probleme mit Gewalt gelöst werden können, und wir werden uns
bemühen, alle politischen Kräfte vom friedlichen Weg zu überzeugen.“
© API/Gamma-Rapho via „Wir werden eine Gesellschaft errichten, in der alle Südafrikaner, schwarze und weiße, aufrecht gehen können, ohne Angst in ihren Herzen, in der Gewissheit ihres unveräußerlichen
Getty Images
Rechtes der Menschenwürde - eine Regenbogennation im Frieden mit sich selbst und mit der
ganzen Welt.“
„Wir haben eine kollektive Führerschaft in Südafrika. Ich bin mehr oder weniger Dekor.“
„Rassismus wird oft als eine Krankheit bezeichnet. ... Die Tragödie ist, dass wir noch keine Therapie dafür gefunden
haben.“
„Wenn Du Frieden mit deinem Feind machen möchtest, musst Du mit dem Feind zusammenarbeiten. Dann wird er
Dein Partner.“
„Ich habe gelernt, dass Mut nicht die Abwesenheit von Furcht ist, sondern der Triumph darüber. Der mutige Mann ist
keiner, der keine Angst hat, sondern der, der die Furcht besiegt.“
1
http://www.gmx.net/themen/nachrichten/ausland/nelson-mandela/40aygvo-zitate-sprachgewaltigen#/cid18404340/
IGM bei nsn, Coriant und Redknee
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Ökonomie des glücklichen Lebens. Vom ethischen Umbau der Wirtschaft.
3. Die Entschuldung und Erneuerung der Gesellschaft2
David Graeber (Bild: dpa / picture alliance / XAMAX)
Die ökonomische Dauerkrise hat Fragen nach den ethischen Grundlagen der Wirtschaftswissenschaften aufgeworfen. Der amerikanische Ethnologe und Anarchist David Graeber fordert einen generellen Schuldenerlass für alle und damit einen "Zurückstellung" des gesellschaftlichen Systems.
Wir befinden uns mitten in einem historischen Übergang. Die Wirtschaftsgeschichte ist geprägt von Zyklen. Auf Epochen, in denen das Geld auf einem vermeintlich substanziellen
Wert wie Gold und Silber beruht, folgen Epochen, die von dem bestimmt waren, was wir heute
virtuelles Kreditgeld nennen. Die von der Finanzindustrie betriebene Virtualisierung des Geldes ist also geschichtlich nichts
Neues. In der Vergangenheit verhinderten allerdings Schutzmechanismen, dass die Instrumente der virtuellen Geldschöpfung von einer Minorität zur Herrschaft missbraucht werden konnten. Periodisch wiederkehrende Schuldenerlässe wie in
den frühen Hochkulturen der Assyrer und Babylonier oder das Verbot von Wucherzinsen im europäischen Mittelalter schützten die Schuldner. In der gegenwärtigen Epoche der Virtualisierung hat man auf solchen Schutz verzichtet. Man hat im
Gegenteil mächtige transnationale Institutionen geschaffen, deren Aufgabe die Wahrnehmung der Gläubigerinteressen ist.
In der Antike und im Mittelalter hatte man dagegen Angst vor den sozialen Folgen einer allgemeinen Schuldenkrise, bei der
eine Mehrheit der Menschen alles verlieren würde, bei der die Last der Schulden sie zwingen würde, ihre Kinder und vielleicht auch sich selbst in die Sklaverei zu verkaufen. Für Aristoteles oder Konfuzius war das eine alptraumartige Vorstellung.
Heute haben wir auf diese Schutzmechanismen verzichtet. Wir haben bewusst die Augen davor verschlossen, dass das
Geld nichts Substanzielles ist. Wir klammern uns an antiquierte Vorstellungen von der Natur des Geldes, die nichts zum
Verständnis unserer gegenwärtigen Lage beitragen können.
Wir tun so, als wäre das Geld eine begrenzte physische Ressource wie beispielsweise Öl. In Wirklichkeit ist Geld eine
soziale Übereinkunft. Es besteht aus gesellschaftlich zirkulierenden Versprechen, die man auch ganz anders organisieren
könnte, als das heute der Fall ist. Es gibt zwei Gründe für dieses obsessive Festhalten an überholten Vorstellungen. Da ist
zuerst die zeitliche Dimension. In der Geschichte dauerten diese Zyklen unterschiedlicher Auffassungen des Geldes 500
oder gar 1000 Jahre. Die gegenwärtige Phase der Virtualisierung hat aber erst mit der Aufgabe des Goldstandards durch
die USA im Jahre 1971 begonnen. Das war der Startschuss für den Siegeszug des Plastikgeldes, des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und des Finanzkapitalismus. Möglicherweise stehen wir also erst ganz am Anfang einer neuen Epoche. Und
dann ist da die von Ihnen angesprochene Blockade der Imagination. Die Kreativität ist verloren gegangen, mit der führende
Politiker in der Nachkriegszeit große Entwürfe wie den Wohlfahrtsstaat, die Vereinten Nationen oder das Weltraumprogramm umsetzten. Die Machteliten heute glauben, sie könnten das System am besten verteidigen, wenn sie die Menschen
überzeugen, dass es keine Alternativen gibt.
Die Beziehung zwischen dem Prozess der Virtualisierung des Geldes und der Frage gesellschaftlicher Herrschaft ist äußerst
wichtig. Die Kulturgeschichte der Schulden zeigt das deutlich. Wir behandeln Schulden als einen mächtigen moralischen
Imperativ. Natürlich ist ein Versprechen etwas sehr Ernstes. Aber Versprechen in anderen gesellschaftlichen Bereichen
können immer neu verhandelt werden, wenn sich die Umstände auf dramatische Weise verändert haben. Auch Schulden
können neu verhandelt werden, aber nur, wenn es um Verpflichtungen zwischen Menschen geht, die sich auf Augenhöhe
begegnen.
Die Schulden der Armen gegenüber den Reichen dagegen gelten als heilig. Der Grund ist, dass Schulden eine Herrschaftsbeziehung konstituieren. Menschen, die über uneingeschränkte Macht verfügen, haben geschichtlich die Erfahrung gemacht, dass man Gewaltherrschaft moralisch rechtfertigen kann, wenn man sie in die Begrifflichkeit der Schulden übersetzt.
Die Mafia ist ein Meister in dieser Kunst. Und auch militärische Eroberer machen den Unterworfenen klar, dass sie sie hätten
töten können und dass ihr Verzicht darauf eine Schuld darstelle. Auf diese Weise wird die Ausübung nackter Gewalt nicht
nur als eine moralisch legitimierte Beziehung dargestellt, sondern zugleich als eine, bei der die Bringschuld grundsätzlich
bei den Opfern liegt.
In der Krise von 2008 gab es für die US-Regierung zwei Optionen: Man konnte mit dem Geld der Steuerzahler die verschuldeten Banken direkt retten oder man konnte es den Bürgern geben, deren Hypothekenkredite notleidend geworden waren.
Hätte man sich für die Bürger entschieden, wäre indirekt auch das Bankensystem stabilisiert worden. Zudem hätte man viel
menschliches Leid verhindern können. Wie wir wissen, hat man sich für die Banken entschieden. Die moralische Dimension
der Schulden, die natürlich nur für die Armen gilt, musste unter allen Umständen gewahrt werden. Stellte man sie zur Disposition, würde man eine der wenigen übrig geblieben Legitimierungen des bestehenden Systems zerstören. Die Regierungen sind immer mehr zu Vollstreckern der Interessen der Finanzindustrie geworden. In den USA werden gegenwärtig maximal fünf bis zehn Prozent der Gewinne börsennotierter Unternehmen im Handel oder in der Industrie erwirtschaftet. Der
große Rest sind die Profite der Finanzindustrie. Sie werden nicht allein durch die Spekulationen des Investmentbanking
erzielt. Die Korruption des politischen Systems in den USA, die Tatsache, dass sowohl die Demokraten wie auch die Republikaner fast zu einhundert Prozent durch die Wall Street finanziert werden, erlaubt es der Finanzindustrie in einer Weise
auf die Gesetzgebung Einfluss zu nehmen, dass eine Verschuldung der Mehrheit der Amerikaner unvermeidlich ist. Sie
verschulden sich, um die Ausbildung, die ärztliche Versorgung, um Anwälte zu bezahlen.
Vor diesem Hintergrund gleicht ein Angriff auf die moralische Dimension von Schulden einem Angriff auf den Finanzkapitalismus als Ganzem. Paradoxerweise ist das System auf diese Weise extrem instabil geworden. Die Politik in Washington
2
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/essayunddiskurs/2159275/
IGM bei nsn, Coriant und Redknee
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erwartet die nächste Krise bereits in zwei, maximal drei Jahren. Die US-Notenbank zum Beispiel hat ein Weißbuch vorgelegt,
in dem sie einen generellen Erlass der Hypothekenschulden fordert. Das ist ein Indiz, wie ernst die Lage dort eingeschätzt
wird. Aber selbst wenn ein Schuldenerlass zum Erhalt des Systems beitragen könnte, verweigern ihn die Machteliten. Die
Menschen sollen nicht wissen, dass Geld nur auf gesellschaftlichen Vereinbarungen beruht, die man auch ganz anders
treffen kann. Das zu verleugnen, bildet den Kern der gegenwärtigen politischen Kultur.
Wir sind mit einer Reihe von Dichotomien groß geworden, die noch aus dem 19. Jahrhundert stammen. Da ist die Erzählung
von einer Kriegerkaste, die die staatliche Herrschaft erobert hat und diese dann an ihre Nachkommen weitergibt, während
sie andere über Generationen zu Beherrschten macht. Dem gegenüber steht die Erzählung vom Markt als Instanz, die mit
verhandelbaren sozialen Beziehungen die Freiheit bringt, die Grundlagen für das moderne Individuum legt. Das ist eine
ideologische Vereinfachung. Märkte haben sich nicht unabhängig von staatlicher Herrschaft entwickelt. In ihrer Mehrzahl
wurden sie von staatlichen Institutionen für militärische Zwecke geschaffen. Wenn man sich die Ursprünge der Münzprägung
im östlichen Mittelmeer, in Indien und China anschaut, überall kommen die Herrscher auf die gleiche geniale Idee, wie sie
ihre stehenden Heere bezahlen können. Sie prägen ihr Bild auf handliche Gold- und Silberstücke, verteilen sie an ihre
Soldaten und belegen dann alle in ihrem Herrschaftsbereich mit einer in Münzen zu entrichtenden Steuer. Das ist der Grund,
warum Märkte geschichtlich immer im Umfeld der Heerlager entstehen. Erst sehr viel später lösen sie sich vom Militär und
entwickeln sich eigenständig. Und auch die individuelle Freiheit kann nicht vom Beziehungsgeflecht isoliert werden, das
eine Gesellschaft ausmacht. Die ursprüngliche Definition der Freiheit ist, dass ich Anderen überhaupt etwas versprechen
kann. Sklaven können keine sozialen Verpflichtungen eingehen. Die Freiheit erlaubt mir, soziale Bindungen einzugehen und
anderen Versprechungen zu machen. Aber eine bestimmte Art von Versprechungen hat den gegenteiligen Effekt.
Ein Versprechen, das sich in Geld verrechnen lässt, wird unpersönlich und übertragbar. Wenn ich verspreche, jemanden zu
einem bestimmten Zeitpunkt zu treffen, kann ich dieses Versprechen jemandem anderem nicht geben. Wenn ich dagegen
einen bestimmten Geldbetrag verspreche, kann dieser natürlich weitergegeben werden. Übertragbare, quantifizierbare Versprechen sind die Basis des Geldsystems. Wenn dann noch staatliche Gewalt die Einlösung dieser Versprechen sicherstellt,
hat sich der Charakter der sozialen Beziehungen dramatisch verändert. Dinge scheinen moralisch gerechtfertigt, die sonst
nirgendwo im sozialen Raum zu legitimieren wären.
Vor diesem Hintergrund scheint der freie Markt plötzlich in einer eigenartigen Weise als wünschenswerte Alternative. Wenn
soziale Beziehungen quantifizierbar und austauschbar werden, erscheint ein Zustand erstrebenswert, bei dem alle Schulden
beglichen sind und niemand mehr jemandem etwas schuldet. Das deckt sich mit den großen Erzählungen von Adam Smith
und anderen Theoretikern des freien Marktes. Darin ist vom Tauschhandel die Rede, der in diesen Darstellungen am Anfang
stand. Es folgte die Erfindung des Geldes, um den Tausch zu vereinfachen. Schließlich folgten Kredit und Schulden. Eine
geschichtliche Analyse zeigt, dass es genau anders herum war. Am Anfang steht der Kredit als Kitt der Gesellschaft und
das Geld in physischer Form folgt erst zu einem späteren Zeitpunkt. Und auch die Vorstellung, dass der moderne Individualismus mit dem Markt geboren wurde, ist falsch. Auch in traditionellen Gesellschaften gab es einen sehr starken Individualismus. Allerdings zeichnete er sich durch das jeweilige Netzwerk sozialer Beziehungen aus, durch das, was die Soziologie
soziales Kapital nennt. Die Marktgesellschaften erfinden das Individuum in gewisser Weise neu, indem sie alle diese sozialen Verpflichtungen in quantifizierbare Schulden verwandeln. Ihr Ideal ist der Mensch, der all diese Schulden beglichen hat.
Das eigentliche Problem ist, dass wir uns alle Beziehungen als Tausch vorstellen. Der Tausch hat einen Platz in jeder
menschlichen Gemeinschaft, aber es gibt viele andere Beziehungsformen. Sobald man alles unter dem Aspekt eines wechselseitigen Tausches sieht, wo jeder gleichermaßen nimmt und gibt, erscheint jede bleibende Beziehung als Schuld. Daraus
entwickelt sich dieses reduktionistische Ideal der Freiheit: Ich gebe exakt das zurück, was ich bekommen habe. Dann bin
ich frei und kann gehen. Das schließt dauernde Beziehungen aus. Aus diesem Grunde wollen die Menschen in vielen von
Nahbeziehungen geprägten Gesellschaften ihre Schulden gar nicht vollständig begleichen. Man gibt immer ein bisschen
weniger oder auch ein bisschen mehr. Andernfalls gäbe man zu verstehen, dass man mit seinem Gegenüber nichts mehr
zu tun haben möchte. Sobald man alles als Markt sieht, auf dem ein ausgeglichener Tausch stattfindet, entwickelt man eine
äußerst negative Vorstellung von der Natur gesellschaftlicher Beziehungen. Der erste Schritt zu nachhaltigeren Gesellschaftsformen ist deshalb die Frage, welche anderen Handlungsmotive gibt es? Ich habe drei wichtige unterschieden. Da
ist das, was ich Alltagskommunismus nenne. In der überwältigenden Mehrzahl der Nahbeziehungen handeln wir spontan
kooperativ nach der Devise, jeder gibt nach seinen Fähigkeiten, jeder nimmt entsprechend seinen Bedürfnissen. Wenn mich
jemand nach dem Weg fragt, frage ich nicht zurück, was ich für die Auskunft bekomme. Auch Familienbeziehungen funktionieren so. Dann haben wir den mehr oder weniger ausgeglichenen Tausch. Er ist eigentlich nur mit Fremden möglich,
denen wir auf Augenhöhe begegnen. Aber es gibt auch hierarchisch strukturierte Beziehungen, die ganz anders ablaufen.
Auch dort wird nicht Gleiches mit Gleichem verglichen. Mit dem, was er gibt, bestätigt der Mächtige die Asymmetrie der
Beziehung zum Unterlegenen. Wenn dieser das Gleiche zurückgeben würde, müsste der Mächtige das als subversiven Akt
auffassen.
Ich glaube, dass eine nachhaltige Gesellschaft nur funktionieren kann, wenn kooperative Beziehungen überall dort greifen,
wo es um die Grundbedürfnisse der Menschen geht. Nur so kann existenzielle Sicherheit hergestellt werden. Auf der Basis
dieser Sicherheit kann man dann frei entscheiden, welches Spiel man spielen möchte.
Eine neue, wie immer auch geartete Krise ist unvermeidlich. Wer im ökonomischen Kaffeesatz lesen kann, wird das nicht
leugnen, wenn ihn persönliche finanzielle Interessen nicht daran hindern. Keines der Strukturprobleme wurde wirklich gelöst.
Deshalb ist die eigentliche Frage, was kann man tun, damit die nächste Krise nicht erneut die Armen ärmer und die Reichen
reicher macht. Wie kann man sicherstellen, dass mit der nächsten Krise die Probleme wirklich angegangen werden, damit
sich die Lebensbedingungen für die Mehrheit der Menschen verbessern? In der Krise von 2008 ist es der Wall Street gelungen, die Kosten auf jene abzuwälzen, die das Problem überhaupt nicht zu verantworten hatten. Die Finanzindustrie hat auch
noch an den Rettungsmaßnahmen prächtig verdient. Was politisch ein genialer Coup war: Man ruiniert die Weltwirtschaft
und wird auch noch dafür bezahlt.
IGM bei nsn, Coriant und Redknee
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Was den Schuldenerlass angeht, so hat er ja schon stattgefunden. Es war allerdings ein Schuldenerlass für die Reichen.
Das sollte sich so nicht wiederholen. Und dann bleibt noch die Entscheidung, ob man den Leichnam noch einmal fünf Jahre
künstlich am Leben erhalten, oder nach anderen Formen der ökonomischen Organisation suchen will. Das geht nur, wenn
man anerkennt, dass heute das Geld ganz anders funktioniert. Diese Erkenntnis könnte man nutzen, um ein anderes Wirtschaftssystem zu schaffen, das allen ein besseres Leben ermöglichen würde.
Wenn ich mit Vertretern der Machteliten spreche, ist eine wachsende Panik spürbar. Natürlich verdrängen das viele, weil
sie in den Business-Schulen gelernt haben, maximal drei Jahre nach vorn zu blicken. Aber alle anderen machen sich große
Sorgen. Sie erkennen, dass eine große Veränderung unvermeidlich ist und wir zugleich nicht mehr zur Reflexion fähig sind.
Die wichtigsten Rechtfertigungen des Kapitalismus bestanden in seiner Fähigkeit, trotz wachsender sozialer Ungleichheit
die Lebensbedingungen der Armen zu verbessern und Stabilität herzustellen. Beides trifft heute nicht mehr zu. Die einzig
verbleibende Rechtfertigung ist, dass es keine Alternative gibt, dass alles Andere nur noch schlimmer wäre. Es findet statt,
was ich einen Krieg gegen die Vorstellungskraft nenne. Nicht einmal das Nachdenken über andere Formen des Kapitalismus
ist möglich. Man hält geradezu obsessiv an dieser ganz speziellen mehr oder weniger unproduktiven Form des Finanzkapitalismus fest.
Jetzt, wo das System dem Abgrund entgegen taumelt, hat niemand mehr die Kraft, über Alternativen nachzudenken. Die
Machteliten sind Opfer ihres eigenen Erfolgs. Es wurde sehr viel mehr in die Auseinandersetzung der Ideologien investiert
als in die Schaffung eines nachhaltigeren kapitalistischen Systems. Nicht nur die Schuldenkrise, eine Vielzahl struktureller
Begrenzungen macht sich bemerkbar. Und auch die ökologischen Zwänge sind nicht mehr zu übersehen. Für mich wäre
ein massiver Schuldenerlass der Reset-Knopf für die Gesellschaft. Man würde zugeben, ok, das Geld ist nicht das, was wir
dachten, lasst uns noch mal von vorne beginnen, lasst uns nach neuen Ideen suchen.
Die sparsame schwäbische Hausfrau kann sparsam sein, weil sie ihre Regierung nicht aktiv daran hindert. In den USA ist
das ganz anders. Dort gibt es diese enge Verflechtung des Staates mit den Interessen der Finanzindustrie. Das Ergebnis
ist, dass die Verschuldung einer Mehrheit der Bürger unvermeidlich ist. So werden beispielsweise ständig neue Ausbildungsnachweise gefordert, wenn man als Apotheker oder Krankenschwester arbeiten will. Man muss teure Schulen besuchen, die man nur bezahlen kann, wenn man teure Kredite aufnimmt. Ideologisch funktioniert dieses Ideal der Sparsamkeit
nach dem Modell, das wir besprochen haben. Die Vorstellung einer absoluten Autonomie, ein isoliertes Individuum, dessen
soziale Beziehungen ausschließlich durch Geld vermittelt sind und das akribisch darauf achtet, dass seine Beziehungskonten immer ausgeglichen bleiben. Das ist eine sehr reduktionistische und emotional unbefriedigende Sicht zwischenmenschlicher Beziehungen. Aber auch die Vorstellung, dass wir mit unserer Geburt der Gemeinschaft, der Nation, etwas schulden,
dass wir diese Schuld abtragen müssen, indem wir beispielsweise unseren Militärdienst ableisten, hat negative Folgen. Sie
ist die Basis von Nationalismus und Krieg. Wir müssen uns also von beiden Vorstellungen zugleich freimachen.
Die Netzwerke der zwischenmenschlichen Beziehungen, unsere Bindungen zu einem Ort, zu unseren Freunden, zur
Menschheit als ganzer können nicht und sollten auch nicht quantifiziert werden. Unser ganzes Leben besteht aus Versprechen, die wir anderen machen und Verpflichtungen, die wir mit anderen eingehen und die niemals ganz eingelöst werden
können. Wir schulden anderen alles, aber niemand außer uns selbst kann uns sagen, wie wir diese Schuld zurückzahlen
sollen.
Am Ende der 5000 Jahre umspannenden Geschichte der Schulden werden die Armen gepriesen, die sich ihrem Schicksal
ergeben haben und nichts mehr tun. Sie sind für Sie die wahren Pioniere einer neuen Wirtschaftsordnung, die nicht zum
Untergang des ganzen Planeten führt. Was machen sie richtig, was all die leistungsorientierten konkurrenzfähigen Marktakteure falsch machen?
Ich wollte mit dieser Äußerung bewusst eine bestimmte Arbeitsmoral herausfordern, die wir alle tief verinnerlicht haben. Sie
hat keine wirtschaftliche Funktion. Sie ist etwas tief Religiöses. Sie lässt sich auf den jüdisch-christliche Glauben zurückführen, dass Arbeit eine reinigende Kraft besitzt, dass alle, die sich nicht einer Arbeitsdisziplin unterwerfen, niemals zu reifen,
selbstbeherrschten Individuen werden können. Diese Vorstellung geht von einer chaotischen, undisziplinierten menschlichen Natur aus. Nur die Arbeit könne uns erlösen. Das hat extrem negative Konsequenzen. Keynes sagte bereits in den
30er-Jahren voraus, dass wir alle zu Beginn des 19. Jahrhunderts nur noch vier Stunden täglich arbeiten würden.
Tatsächlich könnte der technologische Fortschritt unsere Arbeitszeit in dieser Weise reduzieren. Was uns daran hindert, ist
diese verinnerlichte Vorstellung vom moralischen Wert der Arbeit. Angesichts der Krise werden wir aufgefordert, noch mehr
zu arbeiten, obwohl das Einzige, was uns retten könnte, weniger Arbeit ist. Dass sie vorübergehend den Ausstoß von CO2
verringerte, war einer der wenigen guten Aspekte der Rezession von 2008. Ein großer Teil der Arbeit ist völlig überflüssig.
Sie entsteht überhaupt erst dadurch, dass wir zu viel arbeiten. Körperliche und psychische Schäden, die durch die permanente Überbelastung entstehen. Wir müssen also darüber nachdenken, wie wir aus diesem Rennen aussteigen können.
Dazu müssen wir aber andere Wertvorstellungen entwickeln. Wenn wir Zeit mit denen verbringen, die uns nahe stehen,
verbessern wir vielleicht die Welt in einem sehr viel tieferen Sinne, als wenn wir in einem Büro irgendwas herstellen, nur
damit wir sagen können, dass wir einen Arbeitsplatz haben. Ich provoziere bewusst, aber hier kommt noch einmal der
Schuldenerlass als gesellschaftlicher Reset ins Spiel. Er würde es uns ermöglichen, unsere Werte zu überdenken und die
Dinge anders zu ordnen, damit eine nachhaltige Zukunft möglich wird. Warum also nicht ein genereller Schuldenerlass in
Verbindung mit einem vier Stunden Arbeitstag.
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60 Jahre Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA)3
„Man muss auch berücksichtigen, dass die Art der Beschäftigung dieser Angestellten häufig
zu einem frühen Verbrauch der geistigen Fähigkeiten führt, und man muss vor allen Dingen
berücksichtigen, dass die Frauen dieser Angestellten sehr häufig unfähig sind, nach dem Tode
ihrer Männer in erheblichem Umfange durch ihrer Hände Arbeit oder durch einen anderen Beruf die Mittel aufzubringen, die notwendig sind, um sich selbst und die hinterbliebenen Kinder
angemessen zu versorgen.“ So begründete Staatssekretär von Delbrück 1911 im Deutschen
Reichstag den Gesetzentwurf für eine Angestelltenversicherung. Zwei Jahre später wurde die
Bild: picture alliance /
Altersvorsorge eingeführt und als Selbstverwaltung organisiert. Die Nationalsozialisten schaffdpa / Frank May 1
ten diese Autonomie wieder ab und holten die Angestellten zur besseren Kontrolle unter das
Dach der Reichsversicherungsanstalt. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte man zur Selbstverwaltung zurück. Am 1.
August 1953 wurde die BfA mit Sitz in (West-)Berlin gegründet. Damit sollte die Verbundenheit der Stadt mit Westdeutschland unterstrichen werden; außerdem entstanden dadurch Arbeitsplätze.
Die BfA war nicht nur für die Renten zuständig, sie unterhielt auch Sanatorien. Gemeinsam mit einer Wohnungsbaugesellschaft engagierte sie sich für das größte Wohnungsbauprogramm der Nachkriegszeit.
Die große Rentenreform von 1957 erhöhte die damals sehr geringen Renten um 70 Prozent und koppelte sie an die
steigenden Löhne. Außerdem gab es nun auch eine Erwerbsunfähigkeitsrente und die Möglichkeit für Frauen, ab dem
60. Lebensjahr aus dem Beruf auszuscheiden. Renten sollten Lohnersatz sein und nicht bloß Zuschuss.
Ab 1965 wurden Überschüsse und Defizite zwischen den Sozialkassen bzw. dem Bundeshaushalt hin- und hergeschoben. Die Menschen verhalten sich jedoch nicht entsprechend den Kosten, sondern entsprechend den Preisen.
Wenn Brot billiger ist als Tierfutter, wird Brot verfüttert. Eigentlich teure Waren und Dienstleistungen werden nicht als
kostbar empfunden und also verschleudert statt geschätzt, missachtet statt gehütet. In der Politischen Ökonomie nennt
frau das „Verletzung der Ware-Preis-Beziehung“. Eine ähnliche Situation haben wir bei den Arzt-Gehältern. Hier entspricht das Einkommen oft nicht der Verantwortung, insbesondere im Verhältnis zwischen Haus- und Laborärzten.
Unter Willy Brandt wurden Berufsgruppen – z. B. Selbstständige und Hausfrauen – integriert, die nicht in die Rentenkasse eingezahlt hatten. Nicht in die westdeutsche Rentenkasse eingezahlt hatten auch die ostdeutschen Rentner.
Die wegen der hohen Arbeitslosigkeit geringen Einzahlungen aus den Neuen Bundesländern in die Rentenkasse wurden als Vorwand benutzt, um in der rot-grünen Koalition 2002 allgemeine Rentenkürzungen zu beschließen.
2005 wurden die BfA, die Bundesknappschaft u. a. unter dem Namen „Deutsche Rentenversicherung“ zusammengefasst: Kosten sparen und Effizienz steigern...
Zum 85. Geburtstag von Naum Chomsky4
Der Sprachwissenschaftler und Aktivist Noam Chomsky ist die bedeutendste Stimme
des „anderen“ Amerika – eines Amerika, das sich auf seine alten republikanischen
und demokratischen Werte beruft. Heute wird er 85 Jahre alt.
Noam Chomsky scheint unverwüstlich zu sein. Noch immer absolviert der amerikanische Gelehrte, der am 7. Dezember 1928 in Philadelphia im US-Bundesstaat Pennsylvania geboren wurde, anstrengende öffentliche Auftritte, auch in der Bundesrepublik, bei denen er sein Land politisch an den Pranger stellt. Schon seit Jahrzehnten
erhebt er seine Stimme gegen jene Arroganz der Macht, die er in der amerikanischen
Politik am Werk sieht. In der Weltmacht USA mit ihren ungeheuren militärischen und
ökonomischen Ressourcen erkennt er eine permanente Drohkulisse, hinter der zugleich Sendungsbewusstsein und
Paranoia lauern. Chomsky hat noch die Worte von Präsident Obamas Vorgänger George W. Bush im Ohr, der am 1.
Juni 2002 verkündete:
„Wir befinden uns in einem Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen. Amerika wird das Böse bei seinem Namen
nennen. Wir werden die Welt in diesem Kampf anführen und müssen imstande sein, in jeder dunklen Ecke der Welt
zuschlagen zu können.“
Die Rolle des Weltpolizisten, der den anderen Gut und Böse erklärt und in barschem Ton befiehlt, wo es langzugehen
hat, hält Chomsky für fatal. Schon die schiere Präsenz der USA auf der Weltbühne, ihr Droh- und Strafpotenzial, sorge
dafür, dass die anderen, wer immer sie seien, kuschten.
„Hier geht es nicht so sehr darum, ob der andere tut, was verlangt wird oder nicht, weil die Botschaft sowieso lautet:
Du kannst meinen Anweisungen folgen oder nicht, wenn du willst, ich werde dich sowieso auf die eine oder andere
Weise zerstören, weil ich die Möglichkeiten und die Macht dazu habe. Es ist wie in dem Film 'Der Pate', in dem der
Don irgendeinem Untergebenen einschärft: Du weißt, was du zu tun hast. Das bedeutet, ihm eine Message schicken,
und wenn er nicht tut, was von ihm erwartet wird, dann ist er erledigt. Es ist dieselbe instruktive Gewalt.“
Angesichts der weltweiten Aktivitäten der amerikanischen Geheimdienste und ihrer Angriffe auf die Demokratie selbst,
rät Chomsky:
3
Frei nach: Klaus-Peter Weinert, Lohnersatz statt Zuschuss, http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kalenderblatt/2192111/
4
Nach: http://www.deutschlandfunk.de/noam-chomsky-kaempfer-gegen-die-arroganz-der-macht.871.de.print?dram:article_id=271291
IGM bei nsn, Coriant und Redknee
November – Dezember 2013
Seite 6 von 8
„Die Bürger demokratischer Gesellschaften sollten Kurse für geistige Selbstverteidigung besuchen, um sich gegen
Manipulation und Kontrolle wehren zu können.“
Über Noam Chomskys jahrzehntelangem politischen Engagement, das ihm nicht nur Zustimmung, sondern auch heftige Kritik eingetragen hat, vergisst man leicht, dass er als Sprachwissenschaftler ein imponierendes Lebenswerk
vorzuweisen hat. Schon in jungen Jahren veröffentlichte er bahnbrechende linguistische Arbeiten, mit denen er in
kürzester Zeit nicht nur in Amerika, sondern auch in Europa für Furore sorgte.
Mit seinen im Jahr 1957 veröffentlichten Syntactic Structures und mit Language and Mind, Vorlesungen, die auch ins
Deutsche übersetzt wurden, schrieb sich der brillante Gelehrte an die Spitze der zeitgenössischen Linguistik. Seine
sprachwissenschaftlichen Forschungen kann man am ehesten als den Versuch beschreiben, die Darstellung natürlicher Sprachen zu formalisieren. Da formale Sprachen in Informatik und Computerwissenschaft eine zentrale Rolle
spielen, gelten die Werke Chomskys neben denen des britischen Mathematikers Alan Turing als wegweisend auf dem
Gebiet der Computerlinguistik. Bis zu seiner Emeritierung forschte und lehrte Chomsky am renommierten Massachusetts Institute of Technology.
Imponierend an Chomsky ist und bleibt, neben seiner wissenschaftlichen Leistung, sein unermüdliches Engagement
als öffentlicher Intellektueller, der sich auch von der Staatsmacht nicht einschüchtern lässt. Sein Ende der Sechzigerjahre publiziertes Buch über Amerika und die neuen Mandarine zeigte ihn als furchtlosen Kritiker seines Landes, der
keiner Konfrontation aus dem Wege geht. Diese Haltung hat sich Noam Chomsky bis ins hohe Alter bewahrt, indem
er genau das beherzigt, was er einst über die „Verantwortlichkeit der Intellektuellen“ geschrieben hat:
„Für eine privilegierte Minderheit hält die westliche Demokratie die Muße, die Einrichtungen und die Ausbildung bereit,
die es ihr erlauben, die Wahrheit zu suchen, die sich hinter dem Schleier von Verzerrung und Verdrehung, Ideologie
und Klasseninteresse verbirgt … Die Intellektuellen haben die Verantwortung, die Wahrheit zu sagen und Lügen aufzudecken.“
Zitate
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt,
sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu
bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“ – Immanuel Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?
(1784)
„80% der Deutschen sagt in einer Umfrage sie sind für Mindestlohn, 80 % sagen, sie sind gegen den Einsatz in
Afghanistan und 80% sind ebenfalls für die Rücknahme der schlimmsten Hartz4-Reformen.“
„Das heißt, 66%, also 2/3 der Deutschen, wählen also eine Partei, die das Gegenteil von dem vertritt, was sie selber
für richtig halten.“
„70% halten in einer aktuellen Umfrage die Politik der Bundesregierung nicht für gut. 70% finden die Merkel gut. In
derselben Umfrage. Die bringen die Merkel mit der Bundesregierung gar nicht in Verbindung.“
Volker Pispers, https://www.youtube.com/watch?v=uNHch1YSB3s#t=463 – Diagnose der Redaktion: Mangel an Aufklärung!
„Selber denken macht schlau.
Selber handeln macht frei.
Sich zusammenschließen macht stark.“
Jens-Robert Schulz
„Die Sätze denken, die ich sage: nicht einfach sagen, denken!“
Inge Keller (Quelle: Deutschlandfunk, Fazit, 16.12,2013)
IG-Metall-Beratungskoffer. 1. Wem gehören die Erfindungen von Arbeitnehmern?
Liebe(r) LeserIn, hier kommt eine neue Themenserie über die Rechte und Pflichten von Arbeitgebern. Wir stützen uns
hierbei vor allem auf die Webseiten http://beratungskoffer.de.
Frage:
Wem gehören meine Erfindungen als Arbeitnehmer?
Antwort:
Ihre Arbeitsergebnisse gehören dem Arbeitgeber.
Aber: Haben Sie etwas erfunden, das eine eigene schöpferische Leistung darstellt und deshalb patent- oder gebrauchsmusterfähig ist? Oder einen so genannten technischen Verbesserungsvorschlag gemacht? Dann ist das
nicht automatisch Eigentum des Betriebs.
Sie müssen Ihre Erfindung dann dem Arbeitgeber melden und zur Nutzung anbieten. Er muss Sie als (im Fall einer
schutzfähigen Erfindung) als Erfinder angeben und darf Ihre Erfindung nur gegen Bezahlung nutzen.
IGM bei nsn, Coriant und Redknee
November – Dezember 2013
Seite 7 von 8
Nur über so genannte freie Erfindungen, die in keinem Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen, können Sie grundsätzlich frei verfügen. Oder wenn Ihr Arbeitgeber Ihre Erfindung nicht in Anspruch nimmt.
All das regelt das Arbeitnehmererfindungsgesetz (ArbNErfG).
 In der nächsten Ausgabe kommt: „Was ist was?“ im Sinne von „Erfindungen und Patente“.
Kommentar der Redaktion zum Verbesserungsvorschlagssystem bei Redknee, Coriant und NSN:
Die ehemaligen Siemensbetriebe (Redknee und Coriant in der Folge von NSN) haben für Verbesserungsvorschläge
die Betriebsvereinbarung zu 3i geerbt. Diese Vereinbarung hat den Vorteil, dass der Nutzen der Vorschläge gemeinsam von Arbeitgeberseite und Arbeitnehmervertretern begutachtet wird und sich daraus in einem festgelegten Verfahren eine Prämie berechnet.
Bei NSN wurde diese Betriebsvereinbarung allerdings von Arbeitgeberseite gekündigt. Es werden nur noch ein paar
Altbestände abgearbeitet. Alle neuen Vorschläge über das GIM-Tool werden nur noch vom direkten Vorgesetzten
bewertet und mit kleinen Sachprämien vergütet. Ob die Sparaktion bei den Prämien den Innovationswillen der Beschäftigten nun beflügelt oder eher bremst, wird die Zukunft zeigen.
Letzte Seite. I. Lanzen
Kennt Ihr das auch: Diese miesen kleinen Talk-„Master“, die ihre Gäste nicht ausreden lassen, sie gar bloßstellen?
Meistens leidet darunter die Qualität der Sendung insgesamt.
Als Zuschauer hat man die Wahl umzuschalten – was aber ist mit den Gästen, die einfach nicht zum Schuss kommen,
obwohl sie ja aus Gründen eingeladen worden sind, aus denen solch eine Sendung lebt: Lebensweisheiten, Erfahrungen, Kenntnisse usw. auszutauschen.
Wenn aber der Talk-„Master“ ständig ins Wort fällt oder einfach nur arrogant ist, ist man als Talk-Gast schnell am Ende
mit seinem Latein.
Doch jetzt können die Talk-Gäste endlich den Spieß umdrehen. Wenn der Talk-„Master“ zu weit gegangen ist, brauchen sie nur einen dieser Sätze zu verwenden:
„Sie lanzen jetzt!“
oder
„Hören Sie auf mich zu lanzen!“
Das dürfte fast wie eine Zauberformel wirken.
Damit holt man den Talk-„Master“ wieder auf den Teppich – Dialektik sei Dank!
Letzte Seite. II. „Dampfplauderer mit egoistischem Sendungsbewusstsein“5
Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung erstellt regelmäßig den Geschäftsklimaindex. Es ist ein gemeinnütziger Verein, der im Jahr 2010 mit mehr als acht Millionen Euro vom bayerischen und dem Bundeswirtschaftsministerium bezuschusst wurde. Präsident ist Prof. Sinn. Seine hohe Medienpräsenz („Wir Wissenschaftler müssen die Medien einspannen, um eine Reformstimmung zu erzeugen.“), liegt vor allem daran, dass er polemisiert, zuspitzt, provoziert –
gleichzeitig jedoch Ökonomie anschaulich erklären kann. Viele Medien glauben, seine Anschauungen seien keiner
bestimmten Ideologie zuzuordnen, er pflege seine eigene Glaubensrichtung (Zeit, 31. März 2005). Einerseits behauptet er, Neoliberalismus bedeute starker Staat nebst Regulierung: in der Finanzkrise sprach er sich für eine Regulierung
des Bankensystems aus. Andererseits vertritt er den Wandel zu mehr Markt und weniger Sozialstaat. „Nomen non est
omen“, möchte leut da sagen.
Er plädierte für eine „Kulturrevolution“ à la Thatcher in Großbritannien: Sozialausgaben kürzen, Arbeitszeiten verlängern, die Macht der Gewerkschaften brechen, Renten senken, Löhne senken. Er sagte einmal, dass „die Reform“ eigentlich ifo IV und nicht Hartz IV heißen müsse, weil sie auf ifo-Ideen basiere.
Die Blödzeitung nennt ihn „Deutschlands klügsten Wirtschaftsprofessor“ („Ah ja“ – würde wohl Wolf Biermann dazu
sagen), die Financial Times Deutschland „Boulevardprofessor“. „Dampfplauderer mit egoistischem Sendungsbewusstsein“, meint der Naturschutzbund Deutschland und ernannte ihn zum „Dinosaurier des Jahres 2009“, weil er „hemmungslos seine veralteten Theorien vom alles regulierenden Markt“ verbreite und kaum eine Gelegenheit auslasse,
moderne Umweltpolitik in der Öffentlichkeit zu attackieren.
Noch Fragen? – d. Red.
Kontakt: [email protected] (Zuschriften werden auf Wunsch vertraulich behandelt)
V.i.S.d.P. Annette Engelfried (IG Metall, Verwaltungsstelle Berlin)
5
Quelle: http://www.igmetall.de/ifo-institut-9634.htm
IGM bei nsn, Coriant und Redknee
November – Dezember 2013
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