Langfassung der Bemerkung Nr. 34
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Langfassung der Bemerkung Nr. 34
Allgemeine Finanzverwaltung (Einzelplan 60) 34 Ausgaben für sogenannte Liebhaberei dürfen nicht die Steuerschuld mindern – Bundesrechnungshof fordert klare Regeln (Kapitel 6001 Titel 012 01, 044 02) 34.0 Bei mindestens 150 000 Fällen, in denen Steuerpflichtige über mehrere Jahre bei ihren Einkünften aus Gewerbebetrieb und aus selbstständiger Arbeit Verluste erklären, ist die Gewinnerzielungsabsicht ungewiss oder zweifelhaft. Fehlt die Gewinnerzielungsabsicht, handelt es sich um eine steuerlich unbeachtliche Liebhaberei. Der Bundesrechnungshof fordert klare und nachprüfbare Kriterien, um Liebhaberei von verlustbringenden gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeiten zu unterscheiden. Dies würde Steuerausfälle begrenzen und zu mehr Steuergerechtigkeit führen. 34.1 Der Begriff der Liebhaberei ist zwar nicht in Steuergesetzen geregelt. Er ist aber durch die Rechtsprechung in verschiedenen Entscheidungen näher umschrieben worden. Als Liebhaberei werden danach Tätigkeiten eingestuft, • die über einen längeren Zeitraum zu Verlusten führen und • bei denen die Steuerpflichtigen nicht beabsichtigen, daraus insgesamt Gewinne zu erzielen. Anders als bei gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeiten dürfen bei einer Liebhaberei Verluste nicht mit positiven Einkünften des Steuerpflichtigen oder seines Ehegatten verrechnet werden. Dies soll verhindern, dass Ausgaben für Hobbys die persönliche Steuerschuld mindern und die Gesamtheit der Steuerzahler belasten. Nicht alle Tätigkeiten mit langjährigen Verlusten sind von vornherein als Liebhaberei einzustufen. Verluste in den ersten Jahren (Anlaufverluste) sind von den Finanzämtern grundsätzlich anzuerkennen. Darüber hinaus dürfen die Finanzämter auch bei langjährigen Verlusten keine Liebhaberei annehmen, solange die Steuerpflichtigen subjektiv davon überzeugt sind, aus ihren Betrieben einen Totalgewinn zu erzielen. Ein Totalgewinn liegt vor, wenn ein Betrieb von der Gründung bis zu seinem Verkauf oder seiner Aufgabe insgesamt ein positives Betriebsergebnis erzielt hat. Der Bundesrechnungshof hat untersucht, wie Finanzämter Fälle mit fehlender oder zweifelhafter Gewinnerzielungsabsicht behandelten. Bei seiner Prüfung berücksichtigte er Personengesellschaften und Einzelunternehmer mit Einkünften aus Gewerbebetrieb und Einkünften aus selbstständiger Arbeit. Zusätzlich verwertete er Erkenntnisse von Landesrechnungshöfen. Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass Steuerpflichtige in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern Dauerverluste erzielten und dabei die Gewinnerzielungsabsicht ungewiss oder zweifelhaft blieb: • Eine größere Gruppe von Gewerbebetrieben verkaufte oder vermittelte Waren im Direktvertrieb oder bei „Verkaufspartys“, beispielsweise für Kosmetikartikel, Nahrungsergänzungsmittel oder Haushaltswaren. Daneben ergaben sich Dauerverluste beispielsweise auch bei Boutiquen, Handelsvertretern und Versicherungsmaklern. • Zweifel an der Gewinnerzielungsabsicht lagen oft bei künstlerischen Betätigungen vor. Dies galt auch für andere selbstständige Tätigkeiten, z. B. bei Heilpraktikern und Erfindern. • Bei einem Teil der Tätigkeiten standen ersichtlich ein Hobby oder die Freizeitgestaltung der Steuerpflichtigen im Vordergrund. Dies betraf beispielsweise selbstständige Tennis- und Skilehrer, Motorsportler, Vermieter von Wohnmobilen und Segeljachten oder Pferdezüchter. Oft handelte es sich um Kleinbetriebe mit nebenberuflich oder nachberuflich ausgeübten Tätigkeiten. Bundesweit geht der Bundesrechnungshof von mindestens 150 000 Fällen aus, bei denen die Gewinnerzielungsabsicht ungewiss oder zweifelhaft ist. Für mehrere Jahre zusammengerechnet ergaben sich je Steuerfall meist Verluste zwischen 10 000 und 100 000 Euro. In einigen Fällen betrugen sie mehr als 100 000 Euro. Diese Verluste glichen häufig hohe andere Einkünfte des Steuerpflichtigen oder dessen Ehegatten zumindest teilweise aus. Sie verringerten damit das zu versteuernde Einkommen und dürften die Steuereinnahmen um mehrere hundert Millionen Euro gemindert haben. Viele Finanzämter bemühten sich frühestens nach fünf Verlustjahren, die Gewinnerzielungsabsicht mit den Steuerpflichtigen zu klären. Die Steuerpflichtigen führten regelmäßig unglückliche Umstände und nicht vorhersehbare Gründe für die bisherigen Verluste an. Für die Zukunft seien sie optimistisch, die Gewinnzone zu erreichen. Daraufhin warteten die Finanzämter meist noch einige Jahre ab und erließen die ent- sprechenden Einkommensteuerbescheide wegen der ungewissen Gewinnerzielungsabsicht vorläufig. In wenigen Fällen beurteilten die Finanzämter langjährige Verlusttätigkeiten schließlich als Liebhaberei und forderten Einkommensteuer für mehrere Jahre nach. Nahezu alle Betroffenen legten Einspruch gegen die geänderten Steuerbescheide ein. In einigen Fällen einigte man sich, weitere Verlustjahre den steuerlich berücksichtigungsfähigen Anlaufverlusten zuzuordnen. Auch viele Finanzgerichte schlugen den Parteien entsprechende Vergleiche vor. Gleichwohl ist die Zahl an Entscheidungen der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofes kaum überschaubar. 34.2 Der Bundesrechnungshof sieht nach geltendem Recht für die Finanzverwaltung kaum Möglichkeiten, die steuerlich unbeachtliche Liebhaberei von den steuerlich berücksichtigungsfähigen Verlusten aus Gewerbebetrieb und aus selbstständiger Arbeit sicher abzugrenzen. Die derzeitigen Abgrenzungsregelungen sind nicht eindeutig, kompliziert sowie fehler- und streitanfällig. Außerdem ist es für die Finanzämter besonders arbeitsaufwendig, die Fälle zu bearbeiten. Die derzeitige Rechtslage bietet den Steuerpflichtigen einen Anreiz, ohnehin anfallende Lebenshaltungskosten als Betriebsausgaben geltend zu machen. So können beispielsweise Fahrzeugkosten, Aufwendungen für Personalcomputer und Telekommunikation oder Reisekosten dazu beitragen, die persönliche Steuerschuld zu mindern. Dies führt zu erheblichen Steuermindereinnahmen. Nach geltendem Recht müssen die Finanzämter letztlich beurteilen, welche – subjektiven – Absichten ein Steuerpflichtiger hat. Es wäre besser, wenn sie die Absichten der Steuerpflichtigen anhand nachprüfbarer, vom Gesetzgeber vorgegebener Kriterien beurteilen könnten. Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesfinanzministerium hierzu verschiedene Modelle aufgezeigt. Unter anderem hat er angeregt, Anlaufverluste gesetzlich zu begrenzen oder Verluste nur noch mit zukünftigen Gewinnen aus derselben Betätigung zu verrechnen (gesonderter Verlustverrechnungskreis). 34.3 Das Bundesfinanzministerium hat die Anregungen des Bundesrechnungshofes mit den obersten Finanzbehörden der Länder erörtert. Es hat die Vorschläge des Bundesrechnungshofes für zu weitgehend und wegen des Gebots der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit für verfassungsrechtlich bedenklich gehalten. Es hat jedoch eingestanden, dass „die Bearbeitung von Liebhaberei-Fällen zeitaufwendig ist und sicherlich gelegentlich zu Fehlentscheidungen führt“. Daher prüfe es, wie solche Fälle besser bearbeitet werden könnten. Für das Bundesfinanzministerium wäre „denkbar“, eine Bund-/Länder-Arbeitsgruppe einzurichten. Ihre Aufgabe wäre es, Bearbeitungshilfen für die Finanzämter zu erstellen oder anderweitige Lösungswege zu erarbeiten. 34.4 Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass das Bundesfinanzministerium gemeinsam mit den Ländern die steuerliche Behandlung von sogenannten Liebhaberei-Fällen verbessern will. Er hält es jedoch nach wie vor für erforderlich, dass das Bundesfinanzministerium dem Gesetzgeber klare und nachprüfbare Kriterien vorschlägt, um die Gewinnerzielungsabsicht der Steuerpflichtigen beurteilen zu können. Dazu sollte es die nach dem Grundgesetz erlaubten Möglichkeiten nutzen, zur Vereinfachung ähnliche Sachverhalte zusammenzufassen und verallgemeinernde Regelungen zu treffen (Typisierungs- und Pauschalierungsmöglichkeiten). Das Bundesfinanzministerium sollte dabei auch prüfen, ob für bestimmte Tätigkeitsfelder Verlustverrechnungskreise eingeführt oder Anlaufverluste begrenzt werden können. Dies würde nicht nur die Steuerausfälle begrenzen, sondern wäre auch ein Beitrag zur Steuergerechtigkeit sowie zur Steuer- und Verwaltungsvereinfachung.