Ev.-luth. Christus- Kirchengemeinde Borkum
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Ev.-luth. Christus- Kirchengemeinde Borkum
Ev.-luth. ChristusKirchengemeinde Borkum Die Kirche un term Le ucht turm Goethestr. 14 267 57 Borkum Tel. 0492 2-2253 Fax 049 22-731 6 eMail: kg.borkum@e vlka.de www.kirche-bork um.de Informationen zur Gedenktafel am Gemeindehaus Arche Der Kirchenvorstand der Christus-Kirchengemeinde wird im Anschluss an einen Gedenkgottesdienst am Sonntag, 22. Juni 2014 eine Gedenktafel am Gemeindehaus Arche enthüllen, durch die an das antisemitische Wirken des ehemaligen Pastors Ludwig Münchmeyer auf Borkum (19201926) erinnert, die Schuld in dieser Zeit bekannt und die bleibende Erwählung des Volkes Israel deutlich benannt wird. In dem Gottesdienst werden Landessuperintendent Dr. Detlef Klahr, Superintendent Burghard Klemenz und Prof. Dr. Ursula Rudnick mitwirken. Anschließend wird es Grußworte u.a. vom Bürgermeister und den Borkumer Schwestergemeinden, der ev.-ref. und der röm.-kath. Gemeinde, geben. Vor drei Jahren wurde auf Borkum ein ökumenischer Arbeitskreis ins Leben gerufen, der sich intensiv mit dem Thema Antisemitismus auf Borkum befasst hat. Eine wesentliche Grundlage und Quelle dafür war das vom Hamburger Historiker Frank Bajohr verfasste Buch: „Unser Hotel ist judenfrei“. Bäderantisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt/M. 2003. Borkum galt bereits Ende des 19. Jahrhunderts als eine Hochburg des Antisemitismus. Einen besonderen Anteil daran hatte der einstige Pastor Ludwig Münchmeyer (*1885; † 1947), Sohn einer alten niedersächsischen Pastorenfamilie, der von 1920 bis 1926 Inhaber der Pfarrstelle der Christus-Kirchengemeinde gewesen ist. Münchmeyer, ein tief verwurzelter Antisemit war, nutzte die besonders von Gästen beförderte und von Insulanern u.a. aus wirtschaftlichem Interesse billigend mitgetragene antisemitische Stimmung auf der Insel für im Laufe seiner Borkumer Aktivitäten fanatische Züge annehmende Propaganda und Rassenhetze, die in Predigten, zahlreichen Vorträgen bei seinen "Deutschen Abenden" und veröffentlichten Schriften ihren Niederschlag fanden. Darunter finden sich Titel, wie: „Borkum, der Nordsee schönste Zier, bleib du von Juden rein. Borkum die deutsche Insel (Der Inhalt hat nur scheinbar lokalpolitische Bedeutung. Er umfasst jedoch eine Lebens- und Schicksalsfrage des ganzen deutschen Volkes)“; „An die deutsche Jugend: Was kann Deutschlands Jugend schon jetzt tun, um eine bessere Zukunft vorbereiten zu helfen“; „Der Sieg in der Sache des Borkum-Liedes“. Münchmeyer setzte sich für „deutsche Bezeichnungen“ auf den Speisekarten der Hotels und Restaurants ein und kontrollierte Badegäste auf ihre „arische Abstammung“. Er kämpfte erfolgreich für die erneute Genehmigung zum täglichen Spielen des mehrmals verbotenen „Borkumliedes“ durch die Kurkapelle auf der Promenade am Strandpavillon, in dem auch heute noch die Kurkonzerte stattfinden. 1924 wurde Münchmeyer für die Deutschnationale Volkspartei in den Borkumer Gemeindeausschuss gewählt, wodurch er auch Mitglied der Badedirektion wurde. Er arbeitete eng mit dem damaligen Badedirektor Hempelmann zusammen und engagierte sich mit ihm gemeinsam für ein judenfreies Borkum. Er denunzierte seine Gegner in infamer Weise und drohte ihnen, sie nachhaltig und massiv zu schädigen. Als er 1925 auch damit begann, Katholiken anzugreifen, setzten sich sowohl die Badedirektion als auch viele Insulaner mehr und mehr von ihm ab, denn ein nicht unwesentlicher Teil der Gäste war katholisch. Die Hannoversche Landeskirche reagierte auf die zahlreichen Beschwerdeschreiben, die bei ihr eingingen, indem sie sie unbeantwortet an Münchmeyer weiterleitete, der sie wiederum nutzte, um seine Gegner zu bedrängen und öffentlich bloßzustellen. Ein Disziplinarverfahren gegen ihn wurde erst eingeleitet, als er sich einer Krankenhauspatientin unsittlich näherte. Die kirchliche Justiz ließ ihn aber weitgehend ungeschoren davonkommen. Sie tolerierte sein Tun vielmehr, aus- führlich nachzulesen bei Gerhard Lindemann, "Typisch jüdisch". Die Stellung der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers zu Antijudaismus, Judenfeindschaft und Antisemitismus 1919-1949, Berlin 1998, 136-220. 1925/1926 versuchte der „Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“ durch eine von dem Religionsphilosophen und Theologen Dr. Albrecht Völklein verfasste Schrift mit dem Titel: „Der falsche Priester oder Der Kannibalenhäuptling von Borkum“, eine Beleidigungsklage zu erzwingen, um vor Gericht die antisemitische Hetze Münchmeyers zu verhandeln. Stattdessen strengte die Landeskirche einen Prozess an und zwang Münchmeyer, als Nebenkläger aufzutreten. Der Prozess, der im Mai 1926 auf Borkum stattfand, geriet für Münchmeyer zum Desaster. Zwar verurteilte das Gericht Völklein und den Vertreter des C.V. zu Geldstrafen bis zu 1500 RM wegen Beleidigung, stellte aber fest, dass die meisten Vorwürfe gegen Münchmeyer zu Recht bestanden. Münchmeyer legte danach auf Drängen des LKAs sein Amt nieder, durfte sich aber noch Pastor a.D. nennen. In dieser Rolle wirkte er zunächst auf Borkum weiter, hielt gut besuchte Parallelgottesdienste in öffentlichen Räumen, während der Gottesdienst in der Kirche nur schlecht besucht wurde, und wusste den Kirchenvorstand weiterhin auf seiner Seite. Erst durch dieses Verhalten wurde ihm die Erlaubnis entzogen, sich weiterhin Pastor a.D. nennen zu dürfen. 1930 wurde Münchmeyer Mitglied des Reichstages. In der Zeit der NS-Diktatur von 1933 bis 1945 hatte der mittlerweile aus dem Dienst der Landeskirche unter Aberkennung aller Rechte und Versorgungsansprüche eines Pastors entlassene Münchmeyer eine bedeutende Position als Reichsredner im Propagandaapparat der NSDAP. Als Ehrenbürger der Stadt Borkum erfuhr er eine erneute Würdigung. Die ehemalige Cecilienstraße, die seit 1946 Goethestraße heißt und an der die Christuskirche liegt, hieß in den Jahren 1933-1945 nach ihm benannt „Münchmeyerstraße“. In dieser Zeit war er regelmäßiger Gast auf Borkum und lud zu „deutschen Abenden“ ein. Er hielt Propagandavorträge und Hetzreden, z.B. „Der goldene Schlüssel zum Verständnis der Weltgeschichte ist das Verständnis der Judenfrage“ und „Mein Kampf für Borkum in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“, worin er die Zuhörer wortmächtig und in fanatischer Weise auf das antisemitische, rechtsradikale und nationalsozialistische Gedankengut einzuschwören versuchte (nachzulesen u.a. in den über Münchmeyers Auftritte berichtenden alten Presseartikeln der Borkumer Zeitung und bei Wikipedia: Ludwig Münchmeyer). Eine Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus auf Borkum und der besonderen Rolle Ludwig Münchmeyers hat es auf der Insel in der Vergangenheit nur vereinzelt gegeben. In der Presse und in den Medien ist demgegenüber die antisemitische Geschichte Borkums und das Wirken Ludwig Münchmeyers immer wieder thematisiert worden. Wer sich im Internet über Borkum und seine Geschichte informiert, wird auch dem dem Namen Münchmeyer begegnen. Der Kirchenvorstand hält es für an der Zeit, mit diesem Teil der Geschichte der Ev.-luth. ChristusKirchengemeinde offen umzugehen. Eine Gedenktafel, an gut sichtbarer Stelle im Außenbereich des Gemeindehauses Arche, soll Gäste und Insulaner über die Vergangenheit „stolpern“ lassen. Es soll damit ein Zeichen der Versöhnung gesetzt und darüber hinaus informiert, Stellung bezogen und die Auseinandersetzung mit der Geschichte befördert werden. „NIE WIEDER!“ – dieses auf Holzschnitte von Käthe Kollwitz aus dem Jahr 1922 zurückgehende Wort soll als Überschrift auf der Gedenktafel stehen. Der Text: „NIE WIEDER! Von 1920 bis 1926 war Ludwig Münchmeyer Pastor der Ev.-luth. Christus-Kirchengemeinde auf Borkum. Er hielt antisemitische Hetzpredigten und Hetzreden und agierte für ein judenfreies Borkum. Wir blicken voller Scham auf die Schuld in dieser Zeit. Wir glauben an die Verbundenheit von Juden und Christen durch Gottes Wort und bekennen die Treue Gottes zum jüdischen Volk. Der Kirchenvorstand“.