GEMEINSAM AUF ERFOLGSKURS

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GEMEINSAM AUF ERFOLGSKURS
Ausgabe 01 / Februar 2016
GEMEINSAM AUF ERFOLGSKURS
Neue Partnerschaften von Start-ups und Unternehmen STRUKTUR
VISION
BERATUNG
FINANZIERUNG
WEITERE THEMEN IN DIESER AUSGABE
Einblicke: So funktionieren Selbstbedienungskassen
Mittwochsgesellschaft: Mit Olivier Guersent, EU-Kommission
Interview: Wertstoffgesetz – wie geht es weiter?
INNOVATION
GRÜNDERGEIST
AGENDA Echte Kundenorientierung braucht Innovationsgeist
Was bewegt unsere Kunden? Mit welchen Produkten und Dienstleistungen
können wir sie begeistern? Auf welchen
Kanälen wollen sie mit uns in Kontakt
treten? Mit diesen Fragen beschäftigen
wir uns Tag für Tag. Um die richtigen
Antworten zu finden, braucht es vor
allem Kundenorientierung, Innovationskraft und Veränderungsbereitschaft.
Denn die Bedürfnisse und die Herausforderungen unterliegen einer enormen
Veränderungsdynamik – das gilt für die
Profikunden von METRO Cash & Carry
aus der Gastronomie- und Hotelbranche
genauso wie für die privaten Kunden von
Real, Media-Markt und Saturn.
Um bestmöglich auf unsere Kunden
einzugehen, sie noch zufriedener und
erfolgreicher zu machen, gehen wir neue
Wege und setzen verstärkt auf Partnerschaften. Wir sind davon überzeugt,
Herausgeber: METRO AG,
Politik und Außenbeziehungen, Büro Berlin
Charlottenstraße 46, 10117 Berlin
Tel.: +49 30 2088 943-41, Fax: +49 30 2088 943-43
E-Mail: [email protected]
Internet: www.metrogroup.de/politik
@DasGuteessen
Verantwortlich: Michael Wedell
2
dass gerade durch Kooperationen komplementäre Fähigkeiten zusammengebracht werden können, die vollkommen
neue Möglichkeiten eröffnen. Gemeinsam
mit Techstars und R/GA haben wir bei
METRO Cash & Carry einen Accelerator
durchgeführt, der sich primär auf innovative digitale Lösungen in der Gastronomie konzentriert hat. Bei Media-Markt
und Saturn haben wir ein ähnliches Programm für die digitale Geschäftsmodelle
in der Unterhaltungselektronikbranche
mit einer ganzen Reihe von leistungsstarken Partnern gestartet. Welche Vorteile
solche Arten der Kooperation für etablierte Unternehmen, Start-ups und vor
allem für die Kunden bieten – das erläutern wir im Schwerpunkt dieser Ausgabe
des METRO GROUP HANDELSBRIEFS.
Dabei beleuchten wir auch, welche rechtlichen Rahmenbedingungen notwendig
sind, um den digitalen Binnenmarkt für
Unternehmen und Verbraucher Wirklichkeit werden zu lassen.
Wie geht es weiter mit dem geplanten Wertstoffgesetz? Diese Frage diskutieren Marion Sollbach, Vorsitzende
des Beirats der Projektgesellschaft Zentrale Wertstoffstelle und Detlef Raphael,
Leiter des Dezernats Umwelt und Wirtschaft des Deutschen Städtetages im
Handelsbrief Interview auf den Seiten
8 bis 10. Sie erläutern, welche Herausforderungen bei der Formulierung eines
Konzeption und Redaktion: Stefanie Awe,
Raphael Neuner, Michael Wedell
Bildnachweis: S. 2: METRO GROUP;
S. 7: Philippe Veldeman; S. 8 oben: GALERIA
KAUFHOF; S. 8 unten: Deutscher Städtetag;
S. 12: Michael Gottschalk / phototek.net
modernen Wertstoffgesetzes bestehen
und unterstreichen, dass vor allem Kompromissbereitschaft gefragt ist, um das
Gesetz noch in dieser Legislaturperiode
auf den Weg zu bringen.
Um einen perspektivischen Blick ging
es auch bei der letzten Brüsseler Mittwochsgesellschaft, auf die wir auf Seite 7
zurückschauen. Unter der Überschrift
„Quo vadis EURO? – Be-Währungsprobe
für die EU“ diskutierte Olivier Guersent,
Generaldirektor der Generaldirektion
Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen
und Kapitalmarktunion (FISMA) mit den
Gästen über die Zukunft der Eurozone
und des Projektes Europa.
In unserer Rubrik „Das Gute essen“
sprachen wir diesmal mit dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Müller,
über die Themen gesunde Ernährung,
weltweite Nahrungsmittelsicherheit und
nachhaltiger Konsum.
Wir freuen uns, wenn Sie die Gelegenheit nutzen und uns Ihre Fragen und
Anregungen zukommen lassen unter
[email protected] oder auch per Twitter via
@DasGuteessen.
OLAF KOCH VORSITZENDER DES VORSTANDS METRO AG
Redaktionsschluss: 26.01.2016
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit des
METRO GROUP Handelsbriefs verzichten
wir bei der Verwendung von Begriffen auf
geschlechtsspezifische Doppelnennungen
und nutzen die männliche Schreibweise.
SCHWERPUNKT
Gemeinsam Innovationen schaffen
Große Unternehmen haben nicht unbedingt den Ruf, Vorreiter beim
Hervorbringen innovativer Ideen zu sein. Und den Start-ups, denen
genau dies nachgesagt wird, fehlt es gerade in der Wachstumsphase
häufig an Wissen, Strukturen und Kapital für den langfristigen Erfolg.
Accelerator-Programme helfen, beide Welten zusammenzubringen.
Düsseldorf, 12:30 Uhr. Im italienischen
Restaurant „Teatro Piú“ herrscht geschäftiges Treiben, die meisten Tische
sind besetzt. Eine Gruppe von acht Mitarbeitern des benachbarten Schauspielhauses betritt das Restaurant. Kurz
nachdem die Gruppe Platz genommen
hat, wird bereits das Essen serviert.
Die Kollegen speisen und unterhalten
sich angeregt – und verlassen nach
einer guten halben Stunde wieder das
Restaurant, ohne zu bezahlen, denn
die Rechnung ist bereits beglichen. All
dies macht ein neues Start-up namens
Lunchio möglich: Wer gut essen gehen
möchte, aber wenig Zeit zur Verfügung
hat und diese nicht für einen langwierigen Bestell- und Bezahlprozess aufwenden möchte, der kann auf lunchio.de
die Speisekarten von ausgewählten Restaurants einsehen, vorab online bestellen und bargeldlos bezahlen. Das Essen
wird dann im Restaurant pünktlich zum
vereinbarten Zeitpunkt serviert – ein
praktischer Service für Berufstätige.
In der dreimonatigen Förderphase des
Programms ging es darum, die Startups durch Mentoren und Experten zu
unterstützen, um ihre Geschäftsideen
marktreif zu machen oder ihnen beim
Wachstum zu helfen. Für Start-ups
WAS GRÜNDER ANTREIBT
95%
VERANTWORTUNG FÜR EIN EIGENES GESCHÄFT TRAGEN
83%
Unterstützung in allen Bereichen
Lunchio ist eines von elf Start-ups, die
von Oktober 2015 bis Januar 2016 im
Rahmen des internationalen Programms
„Techstars METRO Accelerator“ gefördert wurden. Der Accelerator unterstützt
Start-ups, die digitale Dienstleistungen
für Unternehmen aus dem Gastronomiebereich anbieten. Sie entwickeln Softwarelösungen und Apps für Restaurantbesitzer und Hoteliers: für Buchungssysteme, zielgenaueres Marketing oder eine
bessere Qualitätssicherung.
entlang der Wertschöpfungskette des
Elektroeinzelhandels hat Media-Saturn
Mitte 2015 „SPACELAB“ ins Leben gerufen. Neben finanziellem Investment
helfen Experten aus den Reihen von
Media-Saturn sowie der METRO GROUP
91%
UMGANG MIT MENSCHEN
KREATIV ARBEITEN
81%
UNABHÄNGIGKEIT
80%
STREBEN NACH BERUFLICHEM ERFOLG
47%
TREND
MITPRÄGEN
In ihrer zweiten großen Gründerstudie befragte die METRO GROUP 350 Selbstständige aus
der Gastronomie- und Hotelbranche. Alle Ergebnisse unter www.metro-gruenderstudie.de
3
und anderer Partner den Start-ups, ihre
Konzepte weiterzuentwickeln und sie so
noch erfolgreicher zu machen.
Groß hilft klein – und umgekehrt
Accelerator-Programme liegen im
Trend: Auch die Telekom, die Allianz,
Coca-Cola oder Microsoft suchen den
Schulterschluss mit jungen Unternehmen, denn von einer Zusammenarbeit
profitieren beide Seiten. Gründer erhalten nicht nur eine finanzielle Förderung, die es ihnen erleichtert, an ihren
Konzepten weiterzuarbeiten und ihre
Geschäftsmodelle zu skalieren. Sie
können auch auf die langjährige Expertise von Konzernen in Bereichen wie
Finanzplanung und Personalentwicklung oder Recht und Steuern und vor
allem die Kunden- und Lieferantennetzwerke der Unternehmen zugreifen.
Konzernen wiederum eröffnen sich
kreative Spielwiesen und Experimentierfelder, die ihnen selbst neue Denkweisen und Geschäftsmodelle aufzeigen können. Martin Sinner, der bei
Media-Saturn das SPACELAB leitet,
bringt es auf den Punkt: „Die Investition in Start-ups sichert uns Zugang
zu Innovationen, Talenten und Entrepreneurship. Wenn die Rakete abhebt,
sitzen wir an Bord.“
Die vier Start-ups
des SPACELAB
Expertiger
PC-Service per Telefon und
Online-Fernwartung
Deutsche
Technikberatung
Technikhilfe für Zuhause
Kaputt.de
KAPUTT.DE
Einbauanleitungen und
Repairshop-Empfehlungen
bei defekten Smartphones
MyHomeServices
Macht alle wichtigen
Informationen und Belege zu
den eigenen Elektrogeräten
an einem Ort abrufbar
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Kein Stein bleibt auf dem anderen
Das Internet und die in alle Lebensbereiche vorgedrungene Digitalisierung
fordern etablierte Geschäftsmodelle
heraus und zwingen vor allem Organisationen mit komplexen, gewachsenen Strukturen zum Umdenken – von
der öffentlichen Verwaltung bis hin
zum Handel. Das Internet schafft neue
Wertschöpfungsketten, Kommunikationskanäle und eine neue Transparenz,
die tradierte Gatekeeper-Modelle und
Hierarchien tiefgreifend verändert hat.
Beispiele dafür gibt es genug: Musiker,
Journalisten und Autoren sind schon
seit Jahren nicht mehr auf Plattenfirmen oder Verleger angewiesen, sondern sie publizieren direkt – mit ebenso
direkter Rückkopplung zum Nutzer. Der
Fahrdienstleister Uber wies im Jahr
2015 Fahrtenbuchungen im Gegenwert
von elf Milliarden Dollar aus – ohne
ein einziges Fahrzeug zu besitzen oder
einen einzigen Fahrer angestellt zu
haben. Die chinesische B2B-Handelsplattform alibaba.com hat 53 Millionen
Nutzer in 240 Ländern, ohne eigene
Lager zu betreiben. Das Aufkommen
von WhatsApp und ähnlichen Messenger-Diensten ließ den Versand klassischer SMS-Kurznachrichten deutlich
zurückgehen – und Airbnb krempelt
den Markt für Übernachtungsgelegenheiten um.
Es kann sich heute kein Unternehmen
leisten, die Augen vor den mit dieser
Disruption verbundenen Konsequenzen
zu verschließen. Das bedeutet umzudenken, das eigene Geschäftsmodell zu
verändern oder zu erweitern. Für den
Großhändler METRO Cash & Carry, der
über eine starke Kundenbasis in den
Bereichen Hotels, Restaurants und
Catering-Unternehmen (HoReCa) verfügt, heißt das, diese Kunden nicht
mehr nur mit frischen Produkten zu
versorgen. Es geht zunehmend darum,
eine intensive Partnerschaft aufzubauen und den Gastronomen auch bei
Fragen jenseits des Menüs zur Seite zu
stehen.
Die Frage lautet: Wie können Hoteliers
und Restaurantbesitzer digitale Services einsetzen, um interne Abläufe wie
Bestellung, Abrechnung oder Platzvergabe effizient zu steuern und damit Zeit
und Geld sparen?
Die elf Start-ups des Techstars METRO Accelerator
Coffee Cloud
Systemlösung zur Geschäftsoptimierung von Kaffeeanbietern,
-röstern und -händlern
Flowtify
Qualitätsmanagement-App für das
Gastgewerbe, um Einhaltung von
Hygienekontrollen zu überwachen
Gastrozentrale
Moderner B2B-Onlineshop
für den Gastronomie- und
Hotelbedarf
GroupRaise
Große Gruppen als Gäste gewinnen und im Gegenzug Prozentsatz der Restaurantrechnung an
Hilfsprojekt spenden
Journy
Für moderne Reisende: personalisierte Empfehlungen von
Küchenchefs und Experten
Lunchio
Mittagessen ohne Wartezeit:
online vorab Tische reservieren,
Gerichte bestellen und bezahlen
PoshPacker
Online-Buchungsplattform
PoshPacker mit außergewöhnlichen und
erschwinglichen Übernachtungsmöglichkeiten
®
PoshPacker Roomatic
Roomatic hilft Hotels, Gästewünschen nachzukommen und
Online-Reputation zu verbessern
®
Rublys
Spielbasiertes mobiles Marketinginstrument zur Interaktion
mit Kunden aus der MillenialGeneration
Wynd
Wynd digitalisiert stationäre
Geschäfte durch Vernetzung von
Geschäftsprozessen
ZenChef
Marketing- und Buchungssystem
für Restaurants: Verwaltung von Buchungen, Bewertungen, Datenbank
und E-Mails – aus einer Hand
Lieber miteinander als gegeneinander
Auch bei solchen Themen und Fragestellungen will METRO Cash & Carry
seinen Kunden zukünftig kompetent zur
Seite stehen. Die Antworten wird das
Unternehmen dabei nicht allein geben,
sondern in Kooperation mit Start-ups.
Mit ihrer kreativen Herangehensweise
haben diese schon Lösungen für manche Sorgen der Unternehmer aus dem
HoReCa-Bereich entwickelt oder sind
dabei, dies zu tun.
„
Was uns mit den Start-ups verbindet, ist die
Begeisterung für Neues, die Überzeugung,
dass in der Gastronomie und Hotellerie ein
unglaubliches Potenzial für digitale Lösungen
besteht und die Leidenschaft dafür, etwas mitzugestalten.
WORAN START-UPS SCHEITERN
PRODUKT / DIENSTLEISTUNG
WIRD NICHT BENÖTIGT
FINANZIERUNG
REICHT NICHT
42 %
29 %
NICHT GEEIGNETES
TEAM
23 %
“
Olaf Koch, Vorstandsvorsitzender METRO AG
Durch eine enge Zusammenarbeit mit
METRO Cash & Carry und den damit
verbundenen Zugang zur breiten Kundenbasis kann es gelingen, Angebot und
Nachfrage zusammenzubringen. Am
Ende gewinnen so alle Seiten: Start-up,
Großhändler und natürlich die HoReCaKunden, die ihr Geschäft dank der neuen
Produkte und Services noch erfolgreicher
betreiben können.
VON MITBEWERBERN
ÜBERHOLT
13 %
MINDERWERTIGES
PRODUKT / DIENSTLEISTUNG
17 %
17 %
Quelle: CBS Insights Post-Mortem-Studie mit 101 gescheiterten Startups
Unübersichtlicher Rechts- rahmen
sich Händler wie die METRO GROUP und
aufstrebende Start-ups zunehmend
auch mit dem grenzüberschreitenden
Angebot von Produkten und Dienstleistungen. Obwohl dies durch die Errungenschaften der Digitalisierung technisch sehr viel einfacher geworden ist,
stehen einer globalen oder zumindest
EU-weiten Verfügbarkeit von Waren und
digitalen Dienstleistungen noch viele
rechtliche Hürden entgegen. Selbst
innerhalb der Europäischen Union
sind wir derzeit angesichts der unterschiedlichen verbraucher-, steuer- oder
gesellschaftsrechtlichen Systeme noch
recht weit von einem digitalen Binnenmarkt entfernt. Unternehmen, ob nun
Start-up oder internationaler Handelskonzern, müssen sich mit bis zu 28 nationalen Regimen auseinandersetzen,
wenn sie ihre Produkte europaweit
anbieten wollen.
Während es für Gastronomen und Hoteliers in der Regel darum geht, für ihre
Kunden vor Ort da zu sein, beschäftigen
Die EU-Kommission hat diesen Nachholbedarf erkannt und sich daher zum
Ziel gesetzt, die Rahmenbedingungen
Um besser zu verstehen, wie es aktuell
um den Digitalisierungsgrad der Hoteliers und Gastronomen bestellt ist, hat
die METRO GROUP in Zusammenarbeit
mit der GfK Ende 2015 zum zweiten Mal
die sogenannte „METRO Gründerstudie“
durchgeführt. Selbstständige Unternehmer aus der Gastronomie- und Hotelbranche in Deutschland wurden dabei
nach ihren Motivationen, Zielen und
Wünschen befragt und auch wie sie
zur Digitalisierung stehen. Klar wurde:
„Digital wird normal“. Die Gastronomiebranche steht hier aber noch am Anfang
einer Entwicklung, die im Handel schon
weit fortgeschritten ist.
SCHLECHTES
MARKETING
schnellstmöglich zu verbessern. Mit
einem im Mai 2015 vorgestellten
16-Punkte-Plan will sie den digitalen
Binnenmarkt in Europa stärken und
die EU so auch attraktiver für Start-upNeugründungen machen. Die zentralen
Ziele sind dabei ein besserer Zugang
der Bürger zu digitalen Waren und
Dienstleistungen, optimale Rahmenbedingungen für digitale Netze und
Dienstleistungen und die bestmögliche
Ausschöpfung des Wachstumspotenzials der digitalen Wirtschaft. Konkret
sollen beispielsweise die Regeln für
Verbraucherverträge, das Urheberrecht und Geoblocking in Europa harmonisiert werden.
Europaweit einheitliche Standards sind
auch das Ziel der Reform der Datenschutzgrundverordnung, die 2012
von der EU-Kommission angestoßen
wurde. Im vergangenen Dezember
einigten sich die EU-Institutionen im
Trilog auf einen gemeinsamen Text. Die
neue Verordnung, die nun kurz vor der
5
Verabschiedung steht, bringt eine klare
Fortentwicklung gegenüber den bislang gültigen Standards. Jedoch kann
angesichts verschiedener nationaler
Öffnungsklauseln nicht von einer tatsächlichen Harmonisierung aller Datenschutzregeln gesprochen werden. So
werden sich Unternehmen trotz einheitlichen europäischen Rahmens auch
weiter mit unterschiedlichen, nationalen Details befassen müssen. Für
Großunternehmen ist dies durchaus
anspruchsvoll. Für Start-ups, die mit
ihren finanziellen und personellen Ressourcen noch stärker haushalten müssen, heißt das häufig, dass sie gerade in
der Anfangsphase vor eigentlich attraktiven Märkten in anderen europäischen
Staaten zunächst zurückschrecken.
Auf dem Weg zum digitalen
Binnenmarkt
Neben der aktuell noch mangelnden
Harmonisierung des Rechtsrahmens in
der EU bewegen Start-ups auch Diskussionen über Fragen der Netzneutralität
und der Finanzierung. Was nützt eine
gute Idee, wenn sich das eigene Geschäftsmodell in einem Zwei-Klassen-Internet
mit kostenpflichtigen „Überholspuren“
für Spezialdienste gegen finanzstarke
etablierte Player nicht durchsetzen kann?
Und wie sollen Start-ups die notwendigen finanziellen Ressourcen für die
Skalierung des eigenen Geschäftsmodells oder den Markteintritt in anderen Ländern aufbringen, wenn es
weiter an tragfähigen Regeln für die
Wagniskapitalfinanzierung oder Modelle
wie Crowdfunding fehlt?
Auch bei diesen Themen sollte sich die
Politik in Deutschland und der Europäischen Union ranhalten, um bei den
digitalen Neugründungen nicht weiter
ins Hintertreffen gegenüber Ländern
wie den USA zu geraten. AcceleratorProgramme können eine wichtige Starthilfe für Start-ups bieten. Wesentlich
für den langfristigen wirtschaftlichen
Erfolg sind jedoch belastbare rechtliche
Rahmenbedingungen – da unterscheiden sich Start-ups nicht von etablierten
Unternehmen wie der METRO GROUP.
Eine EU-weite Harmonisierung zentraler
Rechtsbereiche und gleiche rechtliche
Voraussetzungen für alle Marktteilnehmer, so wie die geplante Kapitalmarktunion, sind daher im Interesse zahlreicher Akteure. Gelingt dies nicht,
sind sowohl der digitale Binnenmarkt
als auch die Träume von Silicon Valleys
in Europa nicht mehr als Luftschlösser.
WAS GRÜNDER VON DER POLITIK ERWARTEN
Abbau von Bürokratie
Vereinfachung des
Steuersystems
58 %
VERBESSERTE GESETZE
UND REGULARIEN
Förderung der Akzeptanz
von Unternehmertum
Abbau von Regularien
Förderung von
Venture Capital
16 %
VEREINFACHTE
FINANZIERUNG
GESELLSCHAFTLICHE
VERÄNDERUNGEN
bessere Schulbildung
vereinfachte
Kapitalbeschaffung
Quelle: KMPG/Deutscher Startup-Monitor 2015 www.deutscherstartupmonitor.de
Diese Grafik zeigt eine Auswahl der Antwortmöglichkeiten, Mehrfachnennungen waren möglich.
6
16 %
praxistaugliche
Gesetze
Etablierung von
Entrepreneurship Education
Förderung einer
Kultur des Scheiterns
METRO INTERNATIONAL
Ukraine
Das am 1. Januar 2016 in Kraft getretene Freihandelsabkommen zwischen
der Ukraine und der EU stellt für
ukrainische Lebensmittelproduzenten durch den vereinfachten Zugang
zum europäischen Markt eine große
Chance dar. Doch mit Blick auf die
Anforderungen des Binnenmarktes
sowie die fehlenden Netzwerke und
Kenntnisse zur Nachfrage ist der Export
in die EU auch eine große Herausforderung. Als erfahrenes Handelsunternehmen bietet die METRO GROUP
lokalen Produzenten Unterstützung
auf ihrem Weg nach Europa an.
In diesem Kontext fand im Oktober
2015 die erste METRO Cash & Carry
Supplier Conference in Kiew statt, an
der etwa 80 Produzenten teilnahmen.
METRO GROUP Experten aus Qualitätssicherung, Angebotsverwaltung
und dem globalen Einkauf berichteten über notwendige Standards der
Lebensmittelsicherheit, den Weg
zu entsprechenden Zertifikaten, die
Potenziale diverser Produktgruppen und die Schritte in europäische
Regale. Eine Vertreterin der International Finance Corporation (IFC)
veranschaulichte Trainingsprogramme für Lieferanten bei der Ausrichtung der Produktion entsprechend
international anerkannter Standards.
Vize-Agrarminister Volodymyr Lapa
erörterte Maßnahmen der Regierung zur Unterstützung der lokalen
Wirtschaft.
Die METRO GROUP baut mit dieser
Konferenz auf eine Tradition in der
Zusammenarbeit mit Lieferanten auf:
In vielen Ländern bietet der Händler,
oft in Kooperation mit der IFC, Trainings zur Verbesserung der Lebensmittelsicherheit an. Damit stärkt die
METRO GROUP nicht nur das lokale
Sourcing, sondern trägt durch Kapazitätsaufbau auch zur Wettbewerbsfähigkeit der Lieferanten bei. Angesichts der Herausforderungen, vor
denen lokale Produzenten durch das
Freihandelsabkommen stehen, soll
dieses Ziel nun stärker verfolgt werden.
MITTWOCHSGESELLSCHAFT
„Was uns eint, ist stärker als das, was uns trennt“
Ein stabiles Finanzmarktsystem in Form
einer Banken- und Kapitalmarktunion,
so Guersent, sei unmittelbar verknüpft
mit und Voraussetzung für eine funktionierende europäische Wirtschaft. Die EU
habe zwar aus der vergangenen Finanzmarktkrise gelernt, jedoch sei sie bisher
keineswegs krisensicher. Die Eurozone
dürfe nicht nur ein Haus sein, in dem man
bei gutem Wetter leben könne, sondern
ein Haus mit solidem Dach, auch für stürmische Zeiten. „Das Dach wird gerade
erst errichtet“, so Guersent.
Olivier Guersent bei der Brüsseler Mittwochsgesellschaft am 9. Dezember 2015
Auf der 4. Brüsseler Mittwochsgesellschaft diskutierte Olivier Guersent,
Generaldirektor der EU-Kommission
mit den Gästen zum Thema „Quo vadis
EURO? – Be-Währungsprobe für die EU“.
Über 100 Gäste aus Politik, Wirtschaft
und Gesellschaft sind der Einladung
der METRO GROUP in Kooperation mit
der Bundesvereinigung der Deutschen
Ernährungsindustrie e.V. (BVE) und mit
Unterstützung des Netzwerks Europäische Bewegung Deutschland e.V. (EBD)
am 9. Dezember 2015 in Brüssel gefolgt.
Abgeordnete und Mitarbeiter des Europäischen Parlaments, Kommissionsbeamte und Unternehmensvertreter
diskutierten mit Olivier Guersent, Generaldirektor der Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und
Kapitalmarktunion (FISMA) über die
Perspektiven der Eurozone und die
generelle Zukunft des Projektes Europa.
Diese Fragen stellen sich angesichts von
Flüchtlingskrise, Terrorgefahr und den
immer noch nicht überwundenen Auswirkungen der Finanzmarktkrise mehr
denn je.
Die Begrüßung an diesem Abend übernahm Maria Heider, Director Western
Europe & EU Affairs der METRO GROUP.
Sie hob die Bedeutung eines stabilen
Euro für den Handel hervor. Die Realwirtschaft, wie der Handel und die
METRO GROUP selbst, leisteten „einen
deutlichen Beitrag zur Stärkung unserer
Währung“.
Darüber hinaus stellte Guersent die Notwendigkeit der europäischen Finanzmarkt- und Eurozonenpolitik für das
Gesamtprojekt Europäische Union dar.
„Wenn wir vergessen, weshalb wir uns
in der EU zusammengeschlossen haben,
dann werden wir im Weltgeschehen
lediglich eine untergeordnete Rolle spielen.“ In diesem Zusammenhang unterstrich er: „Was uns eint, ist stärker als
das, was uns trennt“.
Im Anschluss an seinen Vortrag diskutierte Olivier Guersent mit den Gästen
über die Bedeutung des Handels für eine
stabile Eurozone, den Binnenmarkt, aber
auch über die Rolle der Mitgliedstaaten
in Bezug auf die Herausforderungen
der EU.
Olivier Guersent, seit 23 Jahren im Dienste
der Europäischen Kommission und zuletzt unter anderem Kabinettschef von
Kommissar Barnier, legte in seinem Vortrag im Anschluss seine Grundgedanken
zur (Finanz-)Stabilität der EU dar.
Videos zu den Mittwochsgesellschaften finden Sie unter www.youtube.com/user/videos4metro
Mitdiskutieren können Sie auch online unter http://politik.metrogroup.de/mittwochsgesellschaft
7
INTERVIEW
„Die Bereitschaft zum Konsens ist da“
Marion Sollbach (Vorsitzende des Beirats der Projektgesellschaft
Zentrale Wertstoffstelle) und Detlef Raphael (Deutscher Städtetag)
im Gespräch über die Herausforderungen bei der Formulierung
eines Wertstoffgesetzes.
Die Deutschen trennen alles: Elektro- geräte, Altpapier, Bioabfall, Glas, Verpackungen, Hausmüll ... Hand aufs
Herz: Nehmen wir es mit der Müll- trennung nicht etwas zu ernst?
Marion Sollbach: Ich glaube, dass die
Deutschen unheimlich gerne ihren Müll
trennen, weil sie das als wichtigen, persönlichen Beitrag zum Umweltschutz
betrachten. Aber dafür sind sie in anderen Bereichen, die ebenso umweltrelevant sind, nicht wirklich vorbildlich –
wenn ich beispielsweise daran denke,
wie häufig sie ihr Auto benutzen oder wie
oft sie mit dem Flugzeug fliegen.
der Vorschläge der kommunalen Spitzenverbände, die gemeinsam mit dem
Verband kommunaler Unternehmen,
dualen Systemen und Teilen der privaten Abfallwirtschaft im Jahr 2010 vorgestellt worden sind, wurden dabei nicht
aufgegriffen.
Detlef Raphael: Ich kann Frau Sollbach
nur zustimmen. Die Mülltrennung leistet durch das anschließende Recycling
einen wichtigen Beitrag zur Schonung
von Ressourcen. Aus meiner Sicht müssen wir aber auch ein größeres Bewusstsein dafür entwickeln, wie wir Abfall
von vornherein vermeiden können. Insbesondere bei jungen Menschen ist die
Abfallvermeidung wieder im Kommen:
Sie denken, Stichwort Sharing Economy,
darüber nach, wie man Produkte teilen
kann – oder ob man sie überhaupt zwingend benötigt.
Wir bewegen uns mit dem vorgeschlagenen Wertstoffgesetz im Prinzip am
täglichen Handeln der Bürger entlang.
Das ist wichtig, weil viele Bürger bisher noch nicht verstanden haben, was
eigentlich in die Gelbe Tonne gehört. Es
ist für sie nicht nachvollziehbar, warum
sie ein Produkt aus Plastik nicht dort einwerfen können, wohl aber Verpackungsmaterial aus Plastik. Sinn und Zweck des
Wertstoffgesetzes ist es, dass Kunststoffe und Metalle stärker als bisher
einer geeigneten Verwertung zugeführt
werden. Das geht zum einen, indem der
Bürger klare Informationen darüber
bekommt, wie er zu trennen hat. Und
zum anderen dadurch, dass sich alle diejenigen, die Produkte in Verkehr bringen,
an der Produktverantwortung beteiligen:
finanziell am Sammelsystem und inhaltlich über die Erfüllung von Recyclingquoten.
Kann ein Wertstoffgesetz dabei helfen,
zukünftig Ressourcen zu sparen?
Es kann hilfreich sein, wenn es vernünftig gemacht ist – und wenn es sich
nicht nur auf ein bestimmtes Segment
bezieht. Wir haben ja im Moment keinen Entwurf für ein Wertstoffgesetz im
eigentlichen Sinne, sondern eher für
eine Weiterentwicklung der bestehenden Verpackungsverordnung, die viele
Aspekte des Gesamtsystems noch nicht
berücksichtigt. Wesentliche Eckpunkte
Halten Sie die Erhöhung der Recy- clingquote von 36 auf 72 Prozent der Kunststoffabfälle, die im Entwurf des
Bundesumweltministeriums benannt
wird, für realistisch?
Es ist nicht einfach, dies sachgerecht
abzuschätzen. Wir haben derzeit leider noch häufig Verpackungsmaterial,
das aus unterschiedlichen Materialien
zusammengesetzt ist. Das erschwert
das Recycling. Mehr sortenreine Verpackungsmaterialien wären deshalb
8
Marion Sollbach ist seit 2010 Bereichsleiterin
Nachhaltigkeit bei Galeria Kaufhof. Zuvor leitete
sie die Abteilung Nachhaltigkeit und Umwelt der
METRO AG. Die Diplom-Biologin ist Vorsitzende
des Umweltausschusses im Handelsverband
Deutschland (HDE) und seit November 2015
zudem Vorsitzende des Beirats der Projektgesellschaft Zentrale Wertstoffstelle.
Detlef Raphael ist seit 2011 Leiter des Dezernats
Umwelt und Wirtschaft, Brand- und Katastrophenschutz des Deutschen Städtetages. Von 1998 bis
2011 war er geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Sozialdemokratischen Gemeinschaft
für Kommunalpolitik in der Bundesrepublik
Deutschland e.V. (Bundes-SGK).
ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu
höheren Recyclingquoten.
Für mich ist ganz klar: 72 Prozent sind
mit der heutigen Sortier- und Verwertungstechnik nicht möglich. Die können
wir nur erreichen, wenn wir massiv in
neue Technik investieren. Andererseits:
Wer hätte vor 25 Jahren gedacht, dass
wir die heutigen Recyclingquoten erfüllen können? Das ist ja auch für uns eine
der Hoffnungen beim Wertstoffgesetz:
dass die ökologische Komponente wieder in den Vordergrund gestellt wird.
Grundsätzlich begrüßen wir es daher
auch, wenn jemand über Lizenzentgelte incentiviert werden soll, Produkte
in Verkehr zu bringen, die später sinnvoll
verwertet werden können.
Bleiben wir beim Plastik: Der Entwurf des Bundesumweltministeriums sieht vor, dass künftig Informationsschilder in Verkaufsstellen darauf hinweisen sollen, ob ein Getränk in Mehrweg oder
Einweg verpackt ist. Was halten Sie von
diesem Vorstoß?
Wenn ich einmal meine persönliche
Konsumentenbrille aufsetze, ist für mich
auf der einen Seite klar, dass Mehrwegverpackungen in Hinblick auf die
Wiederverwertbarkeit Vorteile haben.
Manche Mehrwegverpackungen wie die
Wasser- oder Bierkiste mit Glasflaschen
sind aber nicht in jeder Lebenslage
praktisch. Mich zieht es aufgrund einer
Hüfterkrankung auch eher zur Plastikflasche, weil ich damit schlicht weniger
zu tragen habe. Ob teilaufklärerische
Maßnahmen wie Informationsschilder
am individuellen Verbraucherverhalten
etwas ändern, wage ich zu bezweifeln.
Wir sollten uns eher generell über die
Gestaltung von Verpackungen Gedanken
machen und dabei Verbraucherinteressen und Umweltnutzen zusammenbringen.
Alle Einweggetränkeverpackungen
haben bereits heute eine Kennzeichnung direkt am Produkt, das ist gesetzlich vorgeschrieben. Wer das nicht liest,
der wird auch die Schilder im Verkaufsraum nicht gebührend beachten. Ich
halte das für einen großen Aufwand für
den Handel, dessen Nutzen fragwürdig
ist. Denn Mehrwegverpackungen sind
DEUTSCHER STÄDTETAG
Der Deutsche Städtetag versteht sich als die
Stimme der Städte und als kommunaler Spitzenverband der kreisfreien sowie der meisten kreisangehörigen Städte in Deutschland gegenüber
Bund, Ländern, Europäischer Union, staatlichen
und nichtstaatlichen Institutionen sowie Verbänden. Im Deutschen Städtetag haben sich
über die 16 Mitgliedsverbände rund 3.200
Städte und Gemeinden zusammengeschlossen.
203 Städte sind zudem unmittelbare Mitglieder,
darunter 107 kreisfreie Städte, einschließlich
der Stadtstaaten Berlin, Hamburg, Bremen.
nicht zwingend ökologisch sinnvoller. Da
muss man schon die Umlaufzahlen und
Transportdistanzen mitberücksichtigen,
vor allem seit es keine Einheitsflaschen
für Bier und Wasser mehr gibt. Wenn ich
in Hamburg ein bayrisches Bier trinke,
dann muss die Flasche zum Wiederbefüllen eben auch nach Bayern zurücktransportiert werden. Auch das bedeutet
einen großen Ressourcenaufwand. Die
vorgeschlagene Informationspflicht im
Verkaufsraum ist damit nicht ökologisch
orientiert. Der Handel spricht sich aus
diesem Grund für eine Streichung des
entsprechenden Passus im Entwurf aus
und unterstützt die freiwillige Initiative
der Getränkeindustrie.
bekommen. Es ist einfach unglücklich,
dass Bürger bei den Kommunen anrufen, wenn der Gelbe Sack nicht abgeholt
wird und wir solche Probleme dann über
das beauftragte duale System austragen
müssen. Wir sind nicht gegen eine private Abfallwirtschaft – aber die Verantwortung und Kompetenz, über öffentliche
Ausschreibungen geeignete Unternehmen für die Wertstofferfassung zu finden
und zu steuern, sollte bei den Kommunen liegen.
Wir verfolgen mit der Zentralen Stelle
unter anderem das Ziel, einen fairen
Wettbewerb der Beteiligten herzustellen. Natürlich haben wir mitbekommen,
dass es hier in den letzten Jahren zu
massiven Verwerfungen gekommen ist,
die nicht in unserem Sinne sind. Was das
Thema kommunale Erfassungsverantwortung angeht, teilen wir die Einschätzung, dass es Nachbesserungsbedarf
gibt. Eine vollständige Erfassungsverantwortung der Kommunen sehen wir
aber kritisch. Es gibt beispielsweise
genügend Kommunen, die nicht voll
ausgelastete Müllverbrennungsanlagen
haben. Wenn diese ihre Verbrennungsanlagen mit den Wertstoffen, für die sie
verantwortlich sind, auslasten wollen,
gibt es kein einziges rechtliches Instrument, ihnen die Wertstoffe gewissermaßen aus der Hand zu nehmen.
Einspruch! Wir haben in NordrheinWestfalen eher das umgekehrte Problem,
dass viele unserer Verbrennungsanlagen
überlastet sind. Und wo immer kein kommunales Abfallwirtschaftsunternehmen
vorhanden ist, und das ist immerhin in
rund zwei Dritteln der entsorgungspflichtigen Gebiete der Fall, möchten wir durch
ein öffentlich-rechtliches Vergabeverfahren ein gesicherteres Abfallmanagement
Was sind Ihre Hauptkritikpunkte am der privaten Unternehmen gewährleisderzeitigen Entwurf des Wertstoff- ten. Wir haben bereits im letzten Sommer den Vorschlag gemacht, dass das
gesetzes?
Aus der kommunalen Sicht brauchen wir Bundesumweltministerium alle Beteiligeine bessere Handhabe, um im Verbund ten an einen Tisch holt. Doch leider wurmit beauftragten kommunalen oder pri- de dies von Teilen der Privatwirtschaft –
vaten Abfallwirtschaftsbetrieben eine hier nehme ich übrigens den Handel
optimale Wertstofferfassung zu erzielen. ausdrücklich aus – torpediert. Es gibt in
Daher verfolgen wir schon seit vielen diesem System leider viele unterschiedJahren das Ziel, die Sammlungsverant- liche Interessen und zahlreiche Player,
wortung mit den entsprechenden Steu- die ein Interesse daran haben, dass alles
erungs- und Sanktionsmöglichkeiten zu so bleibt, wie es ist.
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rechtliche Position der Kommunen sogar
noch verschlechtern. Wir haben weiterhin das Problem, dass es kein öffentliches Vergabeverfahren gibt und damit
die Sammelqualität nicht gewährleistet
werden kann.
ZENTRALE WERTSTOFFSTELLE
Die BHIM Zentrale Wertstoffstelle Projektgesellschaft mbH befasst sich mit den Vorarbeiten für
eine Zentrale Stelle, wie sie im Wertstoffgesetz
vorgesehen ist. Sie soll die Registrierung der
Hersteller von stoffgleichen Nichtverpackungen
und Verpackungen vornehmen und die Marktanteile der dualen Systeme berechnen. Standards
und Kontrollen der Zentralen Stelle sollen den
Wettbewerb stärken und die bisherigen Schwachstellen des Systems beheben. Die Projektgesellschaft wurde gegründet von der Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie
(BVE), dem Handelsverband Deutschland (HDE),
der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK) und dem Markenverband. Im weiteren
Verfahren soll die Gesellschaft in eine neutrale,
staatlich beliehene Stiftung überführt werden.
Viel Konfliktpotenzial also. Was passiert,
wenn das Wertstoffgesetz scheitert?
Dann bleibt es wohl bei der Verpackungsverordnung – mit oder ohne Novelle.
Für uns ist es ganz wichtig zu sagen,
dass wir die Verpackungsverordnung in
ihren Grundzügen immer noch für ein
Erfolgsmodell halten. Wir haben hierzulande eine der höchsten Recyclingquoten
in Europa. Der Arbeitsentwurf des Wertstoffgesetzes gibt eine gute Richtung vor,
mit einer Zentralen Stelle, die durch eine
bundesweit einheitliche Überwachung
flankiert wird. Wenn das Wertstoffgesetz
in der aktuellen Form nicht durchkommen sollte, werden wir dafür kämpfen,
dass es ein Verpackungsgesetz geben
wird, das wichtige Elemente – also eine
Zentrale Stelle und höhere Recyclingquoten – beinhaltet.
Bei der Zentralen Stelle liegen wir ja
gar nicht auseinander. Der erhebliche
Unterschied ist: Das, was jetzt als Vorschlag auf dem Tisch liegt, ändert für
die Kommunen gar nichts; die Umsetzung des Arbeitsentwurfes würde die
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Der Entwurf enthält einen Beirat für Erfassung und Sortierung. Wir haben ein
Konzept dazu erarbeitet und werden im
Rahmen eines „Runden Tisches Produktverantwortung“ mit allen Stakeholdern
die Frage diskutieren, wie weit den Kommunen das Recht gegeben werden soll,
ihr System vor Ort zu bestimmen. Wir
haben da auch deshalb einen Dissens,
weil es durchaus kommunalen Wildwuchs gibt: In Ludwigsburg gibt es eine
gesonderte Trennung von „rund“ und
„flach“, in Bayern eigene Wertstoffhöfe – und so weiter. Uneinheitlichkeit
hilft leider nicht dabei, die Sammlungsund Verwertungsquote zu erhöhen.
Glauben Sie, dass das Wertstoffgesetz
in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird?
Ich fände das wichtig. Wir brauchen ein
klares Signal an die Wirtschaft, dass
das System weiterentwickelt wird. Wenn
sich das Wertstoffgesetz weiter verzögert, habe ich die große Sorge, dass alle
Beteiligten langsam die Lust verlieren.
Daher werde ich alles dafür tun, dass wir
es in dieser Legislaturperiode schaffen.
Meine Gespräche mit der Privatwirtschaft und den dualen Systemen zeigen
auch, dass bei den meisten eine hohe
Bereitschaft zum Konsens da ist. Die
Gefahr ist aber, dass sich die Politik zu
stark an denen orientiert, die weiterhin
eine Blockadehaltung ausüben.
Im Grunde sind Sie sich also einig: Es
muss nun zügig vorangehen mit dem
Blick auf ein gemeinsames Ziel statt
einem Beharren auf Einzelinteressen?
So ist es.
Wir müssen gemeinschaftlich versuchen,
die Blockadehaltung einiger weniger zu
überwinden, denn wir brauchen ein innovatives und kommunal handhabbares
Wertstoffgesetz.
Wir danken Ihnen für das Gespräch!
WÖRTER- BUCH DES HANDELS Was bedeutet
eigentlich …?
Hypermarkt
An der Frage, wer genau den Hypermarkt erfunden hat – die Amerikaner,
die Belgier oder die Franzosen –,
scheiden sich die Geister. Das Konzept hinter dem Begriff ist schnell
erklärt: Beim Hypermarkt handelt es
sich um eine großflächige Einkaufsstätte. Hier können sowohl Lebensmittel als auch eine Vielzahl von Nonfood-Waren gekauft werden. Um der
bis dahin unüblichen Größe dieser
Märkte gerecht zu werden, wurden
sie in Frankreich als „Hypermarché“
oder in den USA als „Hypermarket“
bezeichnet. Hierzulande nennt man
sie davon abgeleitet Hypermarkt oder
SB-Warenhaus.
Charakteristisch für einen Hypermarkt sind eine Verkaufsfläche
von mehr als 5.000 Quadratmetern
sowie ein umfassendes Sortiment
von rund 30.000 bis 60.000 verschiedenen Artikeln. Hypermärkte
setzen auf dem überwiegenden Teil
ihrer Fläche auf Selbstbedienung –
ergänzt um Bedientheken für Frischeprodukte. Üblicherweise befinden
sich Hypermärkte außerhalb der
Innenstädte, zuweilen jedoch auch in
größeren innenstädtischen Einkaufszentren.
Mit ihrer Vertriebslinie Real betreibt
auch die METRO GROUP rund 300
solcher Hypermärkte bzw. SBWarenhäuser. Bei den Kunden punkten
diese nicht nur durch ihre Lage und
die damit verbundenen bequemen
Parkmöglichkeiten, sondern auch
durch das umfangreiche Sortiment
mit allen Produkten des täglichen
Bedarfs – von Lebensmitteln über
Elektrogeräte bis hin zur Bekleidung.
Der Slogan „Einmal hin. Alles drin“ ist
somit kein leeres Werbeversprechen,
sondern bringt das Einkaufserlebnis
auf den Punkt.
EINBLICKE
Einkaufen auf der Überholspur
Selbstbedienungskassen beschleunigen den Bezahlvorgang. Doch
wie funktionieren sie eigentlich und welche Erfahrungen gibt es
damit in der Praxis?
In Skandinavien, den Niederlanden,
Großbritannien oder den USA sieht
man sie schon häufig beim Einkauf
im Supermarkt: Selbstbedienungskassen, an denen Kunden Waren
selbst einscannen und bezahlen. In
Deutschland sind SB-Kassen noch nicht
so stark verbreitet, doch der Handel
experimentiert auch hierzulande damit –
wie beispielsweise der Möbelhändler
IKEA, der aufgrund der unterschiedlich
großen Warenkörbe den Bedarf nach
„schnelleren“ Kassen für Kunden mit
kleinen Einkäufen erkannte. Im deutschen Lebensmitteleinzelhandel war
WECHSELWILLIG
In einer Studie des EHI Retail Institute aus dem
Jahr 2015 zeigten auch Kunden, die Selbstbedienungskassen bisher nicht nutzen, grundsätzliches Interesse an diesem Service – aber
nur unter bestimmten Voraussetzungen:
37 %
sind unsicher bei der Bedienung:
Ihnen ist die Möglichkeit wichtig,
Personal um Hilfe zu bitten.
34 %
wünschen sich eine einfache
Erklärung zum Ablauf des Scanund Bezahlvorgangs.
15 %
würden auf auffällige Licht- oder
Tonsignale bei Fehleingaben gern
verzichten.
22 %
15 %
ist es wichtig, genug Platz zum
Abstellen der Waren zu haben.
wünschen sich eine ansprechende
Gestaltung.
Quelle: EHI-Whitepaper Self-Checkout-Systeme aus Kundensicht
Mittagspause oder Handwerker auf dem
Weg zu einem Kundentermin, nutzen
diese Möglichkeit gern, um ihre Wartezeit zu verkürzen.
Real Vorreiter beim Einsatz von SB-Kassen. Nach ersten Tests im „Extra Future
Store“ der METRO GROUP führte Real
bereits 2003 SB-Kassen als zusätzliches
Serviceangebot ein und kam damit dem
Kundenwunsch nach einer zügigeren
Abfertigung nach. Inzwischen ist knapp
ein Drittel der Real-Märkte bundesweit
mit SB-Kassen ausgestattet.
Auch an der SB-Kasse sind die Kunden nicht auf sich allein gestellt. Jede
SB-Kassenzone wird von einer Verkaufskraft betreut, die Kunden bei Fragen weiterhilft oder manuell Produkte
freigibt, deren Verkauf einer Altersbeschränkung unterliegt, wie z. B. bei
Alkohol, Tabak oder DVDs mit Altersbeschränkung.
Wie es funktioniert
Fans, Skeptiker und Pragmatiker
Beim „Scan’n’Bag“-Prinzip gibt es keine klassischen Laufbänder mehr. Die
Kunden fahren mit ihren Einkaufswagen direkt an eine SB-Kassenstation,
scannen die Waren und packen sie in
eine Einkaufstüte. Die Einkaufstüte wird
zeitgleich gewogen und das Gewicht der
eingepackten Artikel mit in einer Datenbank hinterlegten Produktgewichten
abgeglichen, so können Irrtümer oder
Diebstahlversuche erkannt werden. Nach
dem Scannen des letzten Artikels bestätigt der Kunde per Tastendruck das Ende
des Scanvorgangs und zahlt – wahlweise
bar oder mit EC- oder Kreditkarte.
In Studien zeigte sich, dass es neben
den „Fans“ der SB-Kasse auch Skeptiker gibt: Denn viele Kunden freuen
sich auch auf den persönlichen Kontakt
mit der Kassiererin oder dem Kassierer
beim Bezahlen – oder sie profitieren bei
gut gefülltem Einkaufswagen von dem
hohen Arbeitstempo routinierter Verkaufskräfte. Manche Kunden sehen es
auch ganz pragmatisch und entscheiden spontan, welcher Kassenvariante
sie beim Einkaufen den Vorzug geben.
Mehrwert für den Kunden
Die Selbstscannerkassen stehen in den
Märkten in der Regel als SB-Einheit mit
vier Kassen zusammen und ersetzen
eine herkömmliche Kasse. Die Anzahl
der verfügbaren Kassen steigt so an
und bedeutet in Spitzenzeiten für die
Kunden wie für die Kassenmitarbeiter
eine Entspannung des Kassierablaufes.
Insbesondere Kunden mit einem kleinen
Warenkorb oder eilige Marktbesucher,
beispielsweise Berufstätige in der
Um diese Wahlmöglichkeit geht es beim
Einsatz von Selbstbedienungskassen.
Sie sind ein Zusatzservice für die Kunden: Je nach persönlicher Einkaufssituation und Vorliebe können sie zwischen
einer traditionellen, also einer mit einer
Verkaufskraft besetzten Kasse und
einer Selbstbedienungskasse wählen.
Ein wichtiger Faktor dafür, ob die Kunden
diesen Zusatzservice auch als solchen
empfinden, ist die Nutzerfreundlichkeit.
Händler und SB-Kassen- Anbieter arbeiten deshalb laufend daran, den Scanvorgang für die Kunden durch neue Kassengenerationen noch komfortabler zu
machen.
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und beim Schutz der Tropenwälder setzen
wir auf Aufforstungsprogramme und einen
Stopp der Abholzung der Lunge der Welt.
… mit Dr. Gerd Müller
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Herr Müller, gibt es ein typisches Gericht
aus Ihrer schwäbischen Heimat, das Sie
besonders schätzen?
Allgäuer Käsespätzle.
Sie setzen sich für gesunde Ernährung
ein. Wie kann dieses Thema für junge
Menschen attraktiver gemacht werden?
Elternhaus und Schule können den Anfang
machen, Kinder brauchen Vorbilder und
sie lernen schnell. Es kommt also darauf
an, Wissen über gesunde Ernährung zu
vermitteln und es muss Spaß machen,
sich gesund zu ernähren. Jede Schule
in Deutschland sollte einen Schulgarten
anlegen, damit Kinder verstehen, wie und
wo Produkte wachsen. Ernährungskunde
und Kochen sollte ein Schulfach werden.
Im Januar ging soeben die Grüne Woche
zu Ende. Was muss Ihrer Meinung nach
am dringlichsten getan werden, damit
wir dem Ziel einer Welt ohne Hunger
näherkommen?
Hunger ist der größte Skandal auf unserem Planeten, weil wir den Hunger
besiegen können. Unsere Erde kann bis
KONTAKT
Politik und Außenbeziehungen
Michael Wedell
Tel.: +49 211 6886 1989
E-Mail: [email protected]
www.metrogroup.de/politik
@DasGuteessen
zu zehn Milliarden Menschen ernähren,
das bestätigen uns auch Experten. Es ist
nur eine Frage, wie wir ernten, anbauen
und die Ernte weiter verarbeiten. Deshalb stellen wir genau dieses Thema in
den Mittelpunkt der Zusammenarbeit
mit vielen unseren Partnerländern. In
Afrika und Indien sind schon unsere ersten grünen Zentren aufgebaut, die Nachfrage nach Wissen und Technologie aus
Deutschland ist enorm.
Sie sind seit 2009 auch Honorarprofessor für Internationale Agrarpolitik an
der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden. Wie bewegen Sie Studierende zu nachhaltigerem Handeln?
Die Studenten von heute kennen sich gut
mit allen Aspekten von Nachhaltigkeit
aus. Gerade habe ich in Ulm einen solchen Studienzweig eröffnet. Immer mehr
Start-ups, die aus Hochschulen heraus
gegründet werden, sind unternehmerische Erfolge. Deutschland hat hier viel
Wissen und Know-how zu bieten und
Berufsbilder, die wir vor ein paar Jahren
noch gar nicht kannten. Das motiviert
auch die jungen Leute an den Unis.
Zu nachhaltigerem Handeln gehört auch
nachhaltigerer Konsum. Das von Ihnen
initiierte „Bündnis für nachhaltige Textilien“ setzt sich auch dafür ein. Wie lautet
Ihr Zwischenfazit?
Inzwischen ist über die Hälfte der deutschen Textilwirtschaft und des Handels
Mitglied im Bündnis. Das ist ein Riesenerfolg. Und das Motivierende ist, alle
arbeiten mit und wollen etwas erreichen für faire Standards dort, wo unsere
Kleider produziert werden. Alle eint die
Überzeugung, dass wir Verantwortung auf
unserer Haut tragen, diese Verantwortung
müssen wir jetzt gestalten.
Die weltweite Ressourcenverschwendung prangern Sie immer wieder an.
Was können Sie, was kann Ihr Ministerium dagegen ausrichten?
Unsere Gäste im Ministerium bekommen
bei mir Kaffee und Tee aus nachhaltigem
Anbau, kein Wasser aus Plastikflaschen,
Geschenke für Staatsgäste aus nachhaltiger Produktion – Sie können an vielen
Stellen Weichen für mehr Nachhaltigkeit stellen. Ganz konkret setzen wir
das aber natürlich auch in unseren Entwicklungsprogrammen um. Mit Indien
haben wir eine Solarpartnerschaft, in
Afrika fördern wir erneuerbare Energien
Nationale Initiativen allein haben bei globalen Themen wenig Durchschlagskraft.
Wie treibt die Bundesregierung die Internationalisierung der Initiative an?
Das Thema stand auf der Tagesordnung
des G7-Gipfels in Elmau und die großen
Staatenlenker dieser Welt haben sich eine
Stunde lang mit fairen Standards in unserer globalisierten Welt beschäftigt. Mit der
Arbeitsministerin hatte ich bereits zwei
Umsetzungskonferenzen auf G7-Ebene
veranstaltet und ganz viele europäische
Kollegen haben bei uns angefragt, wie wir
das Textilbündnis hinbekommen haben.
Politik und Außenbeziehungen, Büro Berlin
Raphael Neuner, Stefanie Awe
E-Mail: [email protected]
Politik und Außenbeziehungen, Büro Brüssel / EU
Maria Heider, Bernd Wagner, Julia Münch
E-Mail: [email protected]
http://politik.metrogroup.de
www.metrogroup.de/bruessel