Seminar - Volker langhoff

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Seminar - Volker langhoff
„ Man muss Bilder gemacht haben, um zu begreifen, dass Bilder gemacht sind “
Angewandte Medienkunst – Bildgestaltung in Theorie und Praxis
Volker Langhoff
Filmemacher, Director of Photography, Bundesverband Kamera
Kompaktseminar Wintersemester 2003/04 Ästhetische Praxis - Medien
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Fachbereich 2, Kunst/Medien
Seminarbeschreibung
Wir leben heute in einer Welt der Bilder, in einer Wa(h)ren Bilderflut, in der uns das Ablehnen von
bildlicher Darstellung, wie es orthodoxe Islamisten praktizieren, wahrhaft archaisch anmutet.
Geschürt durch die Allgegenwart und Allmacht von Massenmedien und Werbung ist unsere westliche
Zivilisation bestimmt von einer inflationären Nutzung von Bildern.
Waren frühere Jahrhunderte noch von der Suche nach dem Bild Gottes und dem Menschen als sein
Abbild geprägt, sprechen wir heute kaum noch vom Bild im Singular. Wir sprechen von Bildern und
Abbildern; in der Philosophie und vor allem im alltäglichen Leben. Wir sprechen inzwischen von einer
Beliebigkeit der Bilder.
„Die Welt ist versiegelt durch Bilder.“
Die Werbung mutierte zu einer neuen Form von Umweltverschmutzung, deren Allgegenwart sich
niemand mehr in urbaner Umgebung entziehen kann. Die Bilder der elektronischen Medien haben
für uns fast nur noch inflationären Wert. Dagegen erreicht heute die photografische Qualität der
Abbildung in Hochglanzmagazinen und auf Billboards ein ungeahntes technisches, psychologisches
und künstlerisches Niveau.
Ist es möglich sich dieser Bilderflut zu entziehen?
Wo bleibt Raum für eigene Bilder?
Haben nur noch die eigenen Bilder einen Wert?
Am California Institute of the Arts, in unmittelbarer Nähe zur Bildermaschine und Traumfabrik
Hollywood, suchen Künstler der 68iger Generation wie James Benning, Hartmut Bitomsky und Thom
Andersen nach anderen Bildern. Junge Künstler wie Bjørn Melhus und Gina Kim führen diese Suche
fort.
Ist ein Bildersturz überhaupt noch möglich? Wird dabei vielleicht nicht schon wieder eine neue
Beliebigkeit der Bilder geschaffen?
Im ersten Teil der Veranstaltung sollen diese Fragen theoretisch, als auch an Filmbeispielen diskutiert
werden.
Geplant ist unter anderem eine 35mm Filmvorführung der Produktionen
As Good As It Gets / Besser Geht’s Nicht, USA 1997
Regie James L. Brooks, Darsteller Jack Nicholson, Helen Hunt, Cuba Gooding Jr. (Oskars für die ml. & wl. Hauptrolle)
(Volker Langhoff als Meisterschüler von Director of Photography John Bailey, ASC)
und
B-52, Deutschland 2001
Regie Hartmut Bitomsky
(Volker Langhoff als Director of Photography)
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Das Schaffen eines Bildes ist stets Mischung und Kompromiss aus inhaltlicher, ästhetischer,
ökonomischer und politischer Entscheidung.
Ein Erfahrungsbericht von meiner Ausbildung in Hollywood wird sich mit den Bildern des Hollywood
Main Stream Kinos und dem Aufbau von Bildillusionen beschäftigen – einer perfektionierten Illusion,
die zum Entstehen einer eigenen Studiorealität, eines „Tru(e)manshow Effekts“ führt.
Am Beispiel meiner Kameraarbeit für Hartmut Bitomsky’s B-52 möchte ich folgende Fragen
diskutieren:
Wie objektiv können Bilder sein?
Gibt es überhaupt objektive Bilder?
Die Faszination der Macht der Bilder. Die Faszination der Macht.
Bilder als zeitgemäße Werkzeuge einer perfekten Manipulationsmaschinerie.
Welche Intensionen hat der Auftraggeber, welche der Regisseur, welche der Kameramann als Director
of Photography?
Wie verändern sich Bilder im Kontext?
Wie sehe ich meine Bilder heute?
„Man muss Bilder gemacht haben, um zu begreifen, dass Bilder gemacht sind “
Die zweite Phase des Seminars wird sich mit dieser Anfangs gestellten These beschäftigen.
Durch praktische Arbeit, durch direkten Umgang mit dem Medium Film/Video soll jeder Studierende
diese These für sich selbst überprüfen und beantworten.
In den Arbeitsphasen Ideenfindung, Stoffentwicklung, Teambildung, Drehvorbereitung, Dreh,
Montage und öffentliche Präsentation sollen künstlerische Fähigkeiten und Medienkompetenz
sensibilisiert, entwickelt und gefördert werden.
Wir leben in einer Medienwelt, einer Welt voller Sekundärerfahrungen,
Gab es auch früher schon Geschichten, Sagen und Mythen die unser Denken und Fühlen beeinflussten,
so sind Sekundärerfahrungen heute ungleich dominanter. Jugendliche haben einen durchschnittlichen
Fernsehkonsum von 6 bis 8 Stunden täglich.
Ist es möglich sich von den Bildern dieser Welt abzugrenzen?
Ist es möglich der Prädetermination durch Medienerfahrung zu entrinnen?
Was sind meine eigenen Bilder? Wie kommt man seinen eigenen Bildern auf die Spur?
Wie dominant sind filmische Bilder im Vergleich zu Bildern in der Literatur oder Musik oder
Traumbildern?
Eine Einführung in wichtige Elemente der Filmtheorie wird einer praktische Filmübung vorangestellt.
Praktische Erfahrungen in den klassischen Filmgewerken Regie, Kamera, Ton, Licht,
Aufnahmeleitung, Schnitt etc werden den Seminarteilnehmern aktive Medienerfahrung
vermitteln.
Die medienphilosophisch-ethische Diskussion und die Beschäftigung mit Filmtheorie und Filmpraxis
werden im Seminar bewusst nicht konsequent von einander getrennt werden.
So ist es möglich eigene praktische Erfahrungen mit Erkenntnissen aus der vorangegangenen
theoretischen Diskussion ständig zu vergleichen und der Komplexität des Themas besser gerecht zu
werden.
Die Grundlage filmischen Erzählens bildet eine zentrale Idee, eine Stimmung, eine Situation, eine
Geschichte.
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Jeder Studierende ist im Vorfeld des Seminars obligatorisch aufgefordert eine Ideeskizze für
einen Film von einer Minute Länge zu entwickeln, diese schriftlich auf einer halben DIN A4 Seite
zu fixieren und per Email einzureichen.
Der Stoff kann erlebt oder erlesen, traditionell oder experimentell sein.
Vorraussetzung ist eine nonverbale Erzählweise. Klassische narrative Strukturen sind wünschenswert,
aber nicht zwingend notwendig. Wichtig ist eine optische Erzählweise mit Tiefenstruktur. Das
Filmbild sollte also mehr erzählen als ein erster flüchtiger Blick. Eine Grammatik des Ortes und der
Zeit ist angestrebt. Dialoglastige Schauspielinszenierungen sind nicht erwünscht.
Die Grundlage eines Stoffes kann eine Stelle aus der Literatur, eine Gedichtzeile, ein Filmbrief oder
auch eine psychische Befindlichkeit oder Stimmung sein.
Empfehlenswert ist es einen Stimmungswechsel zu thematisieren, die Merkwürdigkeit im Gewohnten
oder auch eine unerhörte Begebenheit.
Denkbar und hilfreich ist hier sicherlich die Konsultation eines Germanistikdozenten.
Der Schwerpunkt des filmischen Erzählens sollte eindeutig auf das optische Erzählen gelegt werden,
wobei jede Einstellung fotografische Qualität besitzen muss. Während des Drehs und der Montage
wird nur Original-Ton verwendet. Eine spätere Vertonung auf freiwilliger Basis ist nach Abschluss
des Seminars möglich.
Eine zweite halbe DIN A4 Seite sollte Notizen und Ideen zur filmischen Umsetzung enthalten.
Der Drehort ist auf das Universitätsgelände beschränkt. Als Drehorte sind Vorlesungsräume, Gänge,
Fahrstühle, das Parkhaus, die Mensa, Bibliothek oder Cafeteria denkbar.
Ein besonderes Gewicht legt das Seminar auf die Auseinandersetzung in Theorie und Praxis mit den
Grundelementen des optischen Gestaltens im Film wie:
Bildkomposition, Einstellungsgröße, Perspektive, Innerbildliche Bewegung, Kamerabewegung,
Licht und Schatten, Farbe, Schärfe und Unschärfe, Filmische Zeit.
Während des Seminars werden die Stoffe in kollektiver Diskussion auf drei Projekte reduziert, die
dann als Film realisiert werden.
Denkbar sind drei Arbeitsgruppen, wovon eine Arbeitsgruppe ein klassisch-szenisches Projekt
realisiert, eine Gruppe ein dokumentares und eine Arbeitsgruppe ein experimentell orientiertes Sujet.
Die Arbeitsgruppen werden sich aus Teilnehmern mit sehr unterschiedlichen Vorkenntnissen
zusammensetzen. Die sich daraus entwickelnde starke Gruppendynamik bietet Chancen und
Hindernisse für die filmische Arbeit. In der kollektiven Diskussion und Realisierung können und
müssen Führungsqualitäten und soziale Kompetenzen erprobt und entwickelt werden.
Im Kollektiv muss entschieden werden wer besitzt welche Kompetenzen, wie wird inszeniert, wie
fotografiert, wie beleuchtet und wie montiert? Sind dabei demokratische, basisdemokratische oder
diktatorische Strukturen effektiver?
PS.
Dieses Seminar ist eine Schule des Sehens.
Dieses Seminar soll mehr Fragen aufwerfen als beantworten.
Spaß ist einer der wichtigsten Triebkräfte menschlichen Handels.
Zeitplan:
Samstag (27.09.)
Kennenlernen
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Filmtheorie, Bilddiskussion
Diskussion der entwickelten Stoffe
Filmvorführung As Good As It Gets / Besser Geht’s Nicht USA 1997,
Regie James L. Brooks, Darsteller Jack Nicholson, Helen Hunt, Cuba Gooding
Jr.
Filmdiskussion
Sonntag (28.09)
Filmtheorie, Bilddiskussion
Diskussion der entwickelten Stoffe
gemeinsame praktische Arbeit im Plenum
(Einführung Handhabung Videotechnik, 1.Teil)
Konstituierung der Arbeitsgruppen
Arbeitsgruppen (Projektdiskussion – Inhalt)
Filmvorführung B-52 Deutschland 2001, Regie Hartmut Bitomsky
Montag (29.09.)
gemeinsame praktische Arbeit im Plenum
(Einführung Handhabung Videotechnik, 2.Teil)
Arbeitsgruppen (Projektdiskussion – filmische Umsetzung)
Dreharbeiten
Dienstag (30.09.)
Dreharbeiten
Erfahrungsaustausch der Arbeitsgruppen
Mittwoch (01.10.)
Dreharbeiten
Montagearbeiten
Erfahrungsaustausch der Arbeitsgruppen
Donnerstag (02.10.) Montagearbeiten
Präsentation
Auswertung der Filmprojekte
Abschussdiskussion
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Literatur:
(bei weitergehendem Interesse, fakultativ)
Berger, John - Sehen : das Bild der Welt in der Bilderwelt / John Berger unter Mitarbeit von ... . Reinbeck bei Hamburg : Rowohlt , 1974 . - 156 S. . – ISBN 3-499-16868-5
Mikunda, Christian - Kino spüren: Strategien d. emotionalen Filmgestaltung. Handbuch für Film u.
Fernsehen - München: Filmland Presse , 1986 . - 250 S.
Tarkovskij, Andrej - Die versiegelte Zeit / Arsen'evic : Sapatschatljenneje wremja <dt.> Berlin,
Frankfurt a.M. : Ullstein , 1985 . - 256 S.
Arijon, Daniel - Grammar of the Film Language
Silman-James Press, Los Angeles 1976
ISBN 1-879505-07-X
Dennis Schaefer/Larry Salvato – Masters of Light, Conversations with Contemporary
Cinematographers
University of California Press, Berkley and Los Angeles, 1984
ISBN 0-520-05336-2
Kontakt:
Gerrit Helm
(Kontaktstudent)
[email protected]
oder
Volker Langhoff, BVK
Filmemacher/Director of Photography
Am Rosengarten 31
D-15566 Schöneiche/Berlin
Deutschland / Germany
phone: +49-(0)700-LANGHOFF (0700-52 644 633)
mobile: +49-(0)171-388 47 11
home phone: +49-(0)30-649 26 57
email: [email protected]
web site: www.bvkamera.org
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